Strafrecht

Notwendige Verteidigung bei Strafaussetzung zur Bewährung

Aktenzeichen  2 StVK 916/20

Datum:
9.11.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 36886
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Amberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
StPO § 140 Abs. 2
StGB § 57

 

Leitsatz

Es liegt ein Fall notwendiger Verteidigung iSd § 140 Abs. 2 StPO vor, wenn bei einem Antrag auf Strafaussetzung des Strafrestes zur Bewährung die Frage nach einer Therapiemaßnahme zur Verbesserung der Sozialprognose gutachterlich zu beantworten ist. (Rn. 1, 9 und 10) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Dem Verurteilten wird entsprechend § 140 Abs. 2 StPO i. V. m. § 142 StPO Rechtsanwalt J. J., G. straße 59, … A., ab Antragstellung als Pflichtverteidiger bestellt.

Gründe

Es liegt ein Fall der notwendigen Verteidigung gemäß § 140 Abs. 2 StPO entsprechend vor. Im Vollstreckungsverfahren ist ein Fall der notwendigen Verteidigung gegeben, wenn die Schwere der Tat oder die Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage oder die Unfähigkeit des Verurteilten, seine Rechte sachgemäß wahrzunehmen, das gebietet.
Vorliegend gebietet die Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers.
Der Verurteilte beantragte mit Schreiben vom 01.06.2021 die Strafaussetzung des Strafrestes zur Bewährung.
Mit Stellungnahme vom 25.06.2021 befürwortete die Justizvollzugsanstalt A. eine Aussetzung unter der Voraussetzung einer stationären Spielsuchttherapie, um die Sozialprognose langfristig zu verbessern.
Die Staatsanwaltschaft H. beantragte die Aussetzung des Strafrestes, wobei die Weisung einer Sozialtherapie beantragt wurde. Sollte eine solche nicht gesichert sein, werde einer Bewährung entgegengetreten.
Auf Nachfrage der Kammer, ob eine Sozialtherapie gesichert sei, nahm der Verteidiger mit Schriftsatz vom 28.07.2021 Stellung. Auf diesen wird Bezug genommen.
Schließlich regte die Staatsanwaltschaft die Erholung eines Sachverständigengutachtens zu der Frage an, ob eine Sozialtherapie oder Verhaltenstherapie sinnvoll sei und wie eine solche Therapie ausgestaltet werden solle, insbesondere ob sie ambulant oder stationär stattfinden solle.
Die Kammer kam diesem Vorschlag mit Beschluss vom 01.09.2021, auf den Bezug genommen wird, nach. Schließlich nahmen der Verteidiger und der Verurteilte den Antrag auf Aussetzung der Reststrafe zurück. Zu einer Erstattung eines Gutachtens kam es deshalb nicht mehr.
Vorliegend war im Verfahren gemäß § 57 StGB nicht nur zu beurteilen, ob beim Verurteilten eine günstige Prognose vorliegt oder nicht, vielmehr war (vorab) die Frage zu klären, ob zur Verbesserung der Sozialprognose eine Therapiemaßnahme angezeigt ist oder nicht, welche Therapiemaßnahme – Sozialtherapie, Verhaltenstherapie oder Spielsuchttherapie – sinnvoll ist, und ob eine entsprechende Therapiemaßnahme ambulant oder stationär durchzuführen ist.
Aus Sicht der Kammer ist deshalb eine besondere Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage zu bejahen. Die Mitwirkung eines Verteidigers war im Einzelfall geboten.


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