Strafrecht

Rechtmäßige Durchsuchungsanordnung

Aktenzeichen  4 Qs 17/17

Datum:
8.2.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 55319
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
StPO § 94, § 98, § 103, § 110

 

Leitsatz

Verfahrensgang

ER III Gs 7128/17 2017-07-24 Bes AGMUENCHEN AG München

Tenor

1. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin D. … GmbH gegen den Beschluss des Amtsgerichts München vom 24.07.2017 wird als unbegründet verworfen.
2. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

I.
Gegen den Geschäftsführer der Beschwerdeführerin, den Beschuldigten R…, führt die Staatsanwaltschaft München I ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt.
Im Rahmen dieses Verfahrens erließ der Ermittlungsrichter beim Amtsgerichts München auf Antrag der Staatsanwaltschaft und ohne vorherige Anhörung der Beschwerdeführerin am 24 Juli 2017 einen Beschluss (ER III Gs 7128/17), mit dem „nach §§ 103, 105 Abs. 1, 162 Abs. 1 StPO“ die Durchsuchung „der Person, der Wohn- und Geschäftsräume sowie der Fahrzeuge des Verdächtigen D. … GmbH“ angeordnet wurde, wobei die Durchsuchung der Auffindung der in nachfolgender Weise umschriebenen Beweismittel dienen sollte:
-„Unterlagen, die Aufschluss darüber geben, welche Personen, in welchem Umfang und über welche Firmen vom Beschuldigten direkt oder unter dessen Mitwirkung in Deutschland eingesetzt wurden
-Diesbezüglich vorhandene rechnungsbegründende Unterlagen, Stundenaufzeichnungen, Abrechnungen mit Auftraggebern usw.
-Buchführungsunterlagen
-Vermerke, handschriftliche Aufzeichnungen, Kalender u.ä.
-Bankunterlagen, Steuererklärungen und -bescheide, Bilanzen
-Speichermedien
für den Zeitraum 2011 bis zur Vollziehung des Beschlusses“.
Der Beschluss führt hinsichtlich dieser Gegenstände schließlich auch aus, „deren Beschlagnahme und die Durchsicht der Papiere [werde] nach §§ 94, 98 StPO angeordnet, sofern sie nicht freiwillig herausgegeben werden“.
Der Beschluss wurde am 28. September 2017 durch Beamte des Hauptzollamts Rosenheim an den im Beschluss angeführten Geschäftsanschriften der Beschwerdeführerin vollzogen. Dabei konnten durch die Durchsuchungsbeamten im Anwesen B… in München aktuelle durch die Beschwerdeführerin noch genutzte Geschäftsräume nicht festgestellt werden. In den Geschäftsräumen in der W… in Berlin wurden durch die Durchsuchungsbeamten insgesamt 49 Aktenordner, deren Inhalt – soweit aus den Gegenstandbeschreibungen ersichtlich – neben der Beschwerdeführerin auch weitere juristische Personen („…“) betreffen, sowie ein Laptop gesichert. Die Durchsicht der mitgenommenen Papiere und Speichermedien auf deren Beweisrelevanz ist – soweit ersichtlich – derzeit nicht abgeschlossen.
Mit am selben Tage beim Amtsgericht eingegangenem Anwaltsschriftsatz vom 9. Oktober 2017 ließ die Beschwerdeführerin Beschwerde „gegen die Anordnung der Durchsuchung, der Beschlagnahme und der Durchsicht der Papiere gemäß Beschluss des Amtsgerichts München vom 24.07.2017“ einlegen mit den Anträgen „festzustellen, dass die Anordnung der Durchsuchung der Person, der Wohn- und Geschäftsräume, sowie der Fahrzeuge der D. … GmbH rechtswidrig war“, und die „beschlagnahmten Gegenstände“ an diese herauszugeben.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
II.
A.
a) Die Beschwerde ist zulässig erhoben (§§ 304 Abs. 1, 306 Abs. 1 StPO), soweit sie sich gegen die Durchsuchungsanordnung in dem Beschluss vom 24. Juli 2017 wendet.
Insbesondere ist die Beschwerdeführerin durch die Durchsuchungsanordnung auch (weiterhin) unmittelbar beschwert, ohne dass es insoweit darauf ankäme, dass einen Durchsuchungsmaßnahme – auch eine solche bei einer juristischen Person (grundlegend BVerfG, Beschluss vom 26.05.1976 – 2 BvR 294/76, NJW 1976, 1735) – einen tiefgreifenden Grundrechtseingriff darstellen kann, so dass der Betroffene gegebenenfalls auch nach Abschluss der Maßnahme die Beschwerde noch mit dem Ziel erheben kann, deren Rechtswidrigkeit feststellen zu lassen (vgl. dazu nur Meyer-Goßner in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., Vor § 296 Rn. 18a mwN). Denn vorliegend ist – soweit ersichtlich – die Durchsicht der mitgenommen Unterlagen nach § 110 StPO zum Zweck der Prüfung, ob sie als Beweismittel in Betracht kommen, noch nicht abgeschlossen. Sie gehört aber noch zur Durchsuchung; solange sie nicht beendet ist, dauern auch die Belastungen durch die Durchsuchungsmaßnahme an (vgl. nur BGH, Beschluss vom 20.12.2007 – StB 12/07, 13/07, 47/07, insoweit in NStZ 2008, 146, nicht abgedruckt).
b) Soweit sich die Beschwerdeführerin auch gegen die „Beschlagnahme […] gemäß Beschluss des Amtsgerichts München vom 24.07.2017“ wendet, fehlt es dagegen an einer beschwerdefähigen Entscheidung des Amtsgerichts hierzu. Dabei ist schon nicht ersichtlich, dass hinsichtlich wenigstens einzelner der zu diesem Zweck mitgenommen Unterlagen die – von der Sicherstellung oder Beschlagnahme als Beweismittel zu unterscheidende – Durchsicht nach § 110 StPO bereits beendet ist. Jedenfalls aber sind in dem angefochtenen Beschluss – trotzdem dieser auch deren Beschlagnahme „anordnet“ – diejenigen Beweismittel, zu deren Auffindung die Maßnahme dienen sollte, lediglich ihrer Gattung nach im Sinne allein einer Richtlinie für die Durchsuchungsbeamten bezeichnet; eine wirksame Beschlagnahmeanordnung liegt hierin noch nicht (vgl. dazu BVerfG, Beschlüsse vom 14.06.2006 – 2 BvR 1117/06; und vom 20.01.2002 – 2 BvR 720/01; BeckOK-StPO/Gerhold, 28. Edition, § 98 Rn. 9; KK-StPO/Greven, 7. Aufl., § 98 Rn. 2).
c) Soweit der Beschwerdeschriftsatz auch die „Durchsicht der Papiere gemäß Beschluss des Amtsgerichts München vom 24.07.2017“ erwähnt, ist ein über das bereits mit der Beschwerde gegen die Durchsuchungsanordnung gerügte angebliche (anfängliche) Fehlen der Durchsuchungsvoraussetzungen hinausgehendes Anfechtungsziel nicht ersichtlich. Darüber hinausgehende Einwände wären ohnehin in entsprechender Anwendung des § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO geltend zu machen, so dass insoweit eine Zuständigkeit der Kammer derzeit nicht begründet wäre.
A. Die Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, weil die Durchsuchungsanordnung des Amtsgerichts der Sach- und Rechtslage entspricht.
a) Dabei geht die Kammer davon aus, dass das Amtsgericht die Durchsuchung auf den im angefochtenen Beschluss ausdrücklich genannten § 103 StPO stützen wollte und die Bezeichnung der Beschwerdeführerin als „Verdächtige […]“ auf einem Fassungsversehen beruht (vgl. zur Möglichkeit auch einer auf § 102 StPO gestützten Maßnahme im Fall des Verdachts einer Straftaten gegen ein Gesellschaftsorgan etwa KK-StPO/Bruns, 7. Aufl., § 102 Rn. 12; BeckOK-StPO/Hegmann, 28. Edition, § 102 Rn. 10). Die Anordnung genügt auch den engeren Voraussetzungen des § 103 StPO.
b) Insbesondere fehlte es – entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin – nicht an einem Anfangsverdacht der in dem angefochtenen Beschluss dargestellten Straftaten. Der im angefochtenen Beschluss hinreichend konkret dargestellte Verdacht von Straftaten wird durch die dort gleichfalls zutreffend und vom Ermittlungsergebnis (bereits zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses) getragenen Tatsachen und Schlussfolgerungen begründet. Das Beschwerdevorbringen wendet sich insoweit auch nicht gegen die tatsächlichen Feststellungen und Wertungen sondern deren rechtliche Beurteilung. Die Kammer hat hierzu in ihrem – dem Beschwerdeführer bekannten – Beschluss in selber Sache vom 3. Januar 2018 (4 Qs 18/17) bereits ausführlich Stellung genommen; zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die dortigen Ausführungen Bezug genommen. Auch das weitere, die Argumentation auch der Beschwerdeführerin vertiefende Vorbringen der Verteidigung des Beschuldigten R… in deren Schriftsatz vom 25. Januar 2018 ist nicht geeignet, eine andere Beurteilung durch die Kammer zu begründen. Insbesondere ist die Kammer unverändert der Ansicht, dass eine rückwirkende Aufhebung der Entsendebescheinigungen auch die strafrechtliche Verantwortlichkeit zu begründen vermag.
c) Das Amtsgericht ist auch nicht etwa über das durch die Verdachtslage Begründete hinausgegangen, indem es den Durchsuchungszweck – aus den Beschlussgründen ersichtlich – auch auf Unterlagen erstreckte, die andere angeblich die eingesetzten Arbeitnehmer entsendende Gesellschaften als die D. … betreffen. Denn in Zusammenschau der zur D. … gewonnen Erkenntnisse, der im angefochtenen Beschluss dargestellten Feststellungen zu weiteren ausländischen Gesellschaften und namentlich auch der Angaben der Zeugin T…, wonach einzelne Arbeitnehmer (nominell) jedenfalls auch für sowohl die D. … und die S… arbeiteten, war auch insoweit ein Anfangsverdacht begründet.
d) Die Anordnung der Durchsuchung war schließlich auch nicht unverhältnismäßig. Insbesondere bestand eine hinreichende, durch Tatsachen belegte Aussicht, dass in den Räumen der Beschwerdeführerin als derjenigen Gesellschaft, die in dem Verdacht steht, den Einsatz der Arbeitnehmer tatsächlich zu steuern, Unterlagen der im angefochtenen Beschluss bezeichneten Art tatsächlich vorzufinden. Es bestanden auch – entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin – keine milderen Mittel um den Sachverhalt in dem für seine strafrechtliche Beurteilung erforderlichen Umfang aufzuklären; insbesondere sind die von der Beschwerdeführerin erwähnten Auskünfte durch Behörden hierzu ersichtlich nicht ebenso geeignet.
A. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.


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