Strafrecht

Rechtsmittel der Einziehungsbeteiligten gegen die Abtrennung des Verfahrens über die Einziehung

Aktenzeichen  1 Ws 479/18

Datum:
1.10.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 28946
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 103 Abs. 1
StGB § 73, § 73a, § 73b Abs. 1 Nr. 1, § 76a Abs. 2
StPO § 2 Abs. 2, § 4, § 300, § 304 Abs. 1, § 305 S. 1, S. 2, § 309 Abs. 2, § 422, § 423 Abs. 1 S. 1, Abs. 2

 

Leitsatz

Gegen den Beschluss, mit dem gemäß § 422 StPO die Abtrennung des Verfahrens über die Einziehung von Taterträgen gegen einen anderen als den Täter oder Teilnehmer nach § 73b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB angeordnet worden ist, ist für den Einziehungsbeteiligten die einfache Beschwerde statthaft. (Rn. 5 ff.)

Tenor

I. Die (einfache) Beschwerde der Einziehungsbeteiligten gegen den Beschluss des Landgerichts vom 08.08.2018 wird als unbegründet verworfen.
II. Die Einziehungsbeteiligte hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

I.
Die Staatsanwaltschaft erhob gegen den Angeklagten am 30.05.2018 Anklage wegen Betrugs bzw. Beihilfe zum Betrug. Gegen seine Ehefrau und andere macht sie das Vorliegen eines Vertretungsfalles im Sinne von § 73b Abs. 1 Nr. 1 StGB [n.F.] geltend und beantragt u.a., diese als Einziehungsbeteiligte gemäß § 424 StPO am Verfahren zu beteiligen. Mit Beschluss vom 01.08.2018 hat das LG das Verfahren teilweise wegen Verfolgungsverjährung eingestellt, im Übrigen die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen, das Hauptverfahren eröffnet und die Einziehungsbeteiligung der Ehefrau des Angeklagten sowie weiterer Beteiligter angeordnet. Mit Beschluss vom 08.08.2018 hat das Landgericht das Verfahren über die Einziehung u.a. hinsichtlich der Einziehungsbeteiligten und Ehefrau des Angeklagten gem. § 422 StPO [n.F.] abgetrennt. Gegen diesen Beschluss hat die Einziehungsbeteiligte mit Schriftsatz ihrer anwaltlichen Bevollmächtigten sofortige Beschwerde eingelegt, mit der sie geltend macht, durch die vollständige Abtrennung des Verfahrens werde hinsichtlich der Fälle 101 bis 110 der Anklage ihr Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Mit Beschluss vom 03.09.2018 hat das Landgericht die sofortige Beschwerde als einfache Beschwerde behandelt, dieser nicht abgeholfen und die Abtrennungsentscheidung näher begründet. Die Generalstaatsanwaltschaft hat mit Zuschrift vom 10.09.2018 beantragt, die sofortige Beschwerde als unzulässig zu verwerfen, da es sich bei der Abtrennungsentscheidung um eine der Urteilsfällung vorausgehende Entscheidung des erkennenden Gerichts handle, die nicht der Beschwerde unterliege. Hierzu äußerte sich die Einziehungsbeteiligte mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 14.09.2018. Sie macht geltend, dass die Bindungswirkung nach § 423 Abs. 1 StPO zu einer gänzlichen Nichtbeteiligung am Verfahren führe.
II.
Das Rechtsmittel der Einziehungsbeteiligten ist als einfache Beschwerde statthaft und auch sonst zulässig.
Entgegen der Ansicht der Bevollmächtigten der Einziehungsbeteiligten findet gegen die Entscheidung vom 08.08.2018 eine sofortige Beschwerde nicht statt, insbesondere ergibt sich die Statthaftigkeit nicht aus § 424 Abs. 4 Satz 2 StPO. Nach § 424 Abs. 4 Satz 2 StPO kann lediglich der Beschluss, mit dem eine Verfahrensbeteiligung abgelehnt wird, mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden. Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Das Landgericht hat vielmehr mit Beschluss vom 01.08.2018 ausdrücklich die Einziehungsbeteiligung der Beschwerdeführerin angeordnet. Eine Ablehnung der Beteiligung ergibt sich auch nicht aus dem Abtrennungsbeschluss vom 08.08.2018. Abgetrennt wird lediglich das Verfahren über die Einziehung mit der Folge, dass die Entscheidung über die Einziehung nach Rechtskraft der Entscheidung über die Hauptsache zu treffen ist (§ 423 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 StPO). Eine Nichtbeteiligung ergibt sich auch nicht daraus, dass das Gericht nach § 423 Abs. 1 Satz 2 StPO bei seiner Entscheidung über die Einziehung an die Entscheidung in der Hauptsache und die dortigen Feststellungen gebunden ist. Im Gegenteil: Die vom Gesetzgeber gewollte Bindungswirkung kann, da die Einziehungsentscheidung auch in die Rechte der Einziehungsbeteiligten eingreift, nur dann gelten, wenn und soweit der Einziehungsbeteiligte die Möglichkeit hatte, seine Rechte bereits im Hauptsacheverfahren geltend zu machen. Vor diesem Hintergrund können die §§ 422, 423 StPO nur dahingehend verstanden werden, dass durch eine Abtrennung nach § 422 StPO die Beteiligung am Verfahren nach § 424 Abs. 1 StPO nicht berührt wird (so auch Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler StPO 61. Aufl. § 422 Rn. 5; § 423 Rn. 5; § 424 Rn. 1; BeckOK StPO/Temming StPO [30. Edit. – Stand: 01.06.2018] § 422 Rn. 1).
Insoweit wird auch der Anspruch der Einziehungsbeteiligten auf rechtliches Gehör nicht verletzt. Denn ihr stehen auch weiterhin die Rechte aus §§ 427, 430 und 431 StPO in der Weise zu, wie sie ihr ohne die Abtrennung zugestanden hätten.
Das Rechtsmittel der Einziehungsbeteiligten ist trotz der eindeutigen Bezeichnung als sofortige Beschwerde gemäß § 300 StPO als einfache Beschwerde nach § 304 Abs. 1 StPO gegen die Abtrennung zu behandeln, wovon zu Recht auch bereits das Landgericht im Rahmen seiner Nichtabhilfe ausgegangen ist. Insoweit ist das Rechtsmittel auch statthaft (wie hier, wenn auch ohne Begründung: LG Offenburg, Beschluss vom 08.01.2018 – 3 Qs 118/17 [bei juris]).
Ein ausdrücklicher Ausschluss der Beschwerde i.S.v. § 304 Abs. 1 StPO liegt nicht vor. Eine Anfechtbarkeit ist aber auch nicht durch § 305 Satz 1 StPO ausgeschlossen (so aber BeckOK StPO/Temming § 422 Rn. 5). Zwar handelt es sich bei der im Ermessen des Gerichts stehenden Abtrennung nach § 422 StPO um eine Entscheidung des erkennenden Gerichts, die der Entscheidung in der Hauptsache i.S.v. § 305 Satz 1 StPO vorausgeht. Auch fällt die Entscheidung über die Abtrennung nach § 422 StPO nicht unter die Ausnahmefälle des § 305 Satz 2 StPO, zumal die Einziehungsbeteiligte aufgrund der Beteiligungsentscheidung vom 01.08.2018 gerade keine Dritte ist.
Unter § 305 Satz 1 StPO fallen allerdings regelmäßig nur solche Entscheidungen, die im inneren Zusammenhang mit dem nachfolgenden Urteil stehen, ausschließlich seiner Vorbereitung dienen und keine weiteren Verfahrenswirkungen erzeugen. Maßnahmen, die eine vom Urteil nicht umfasste, selbständige Beschwer eines Verfahrensbeteiligten bewirken sowie vom erkennenden Gericht nicht bei Erlass des Urteils und auch nicht im Rahmen einer Urteilsanfechtung nachprüfbar sind, bleiben selbständig anfechtbar (KG, Beschluss vom 09.12.2016 – 4 Ws 191/16 [bei juris] und schon v. 10.05.2012 – 4 Ws 42/12 = NStZ-RR 2013, 218; Meyer-Goßner/Schmitt § 305 Rn. 4 f.; KK-StPO/Zabeck 7. Aufl. § 305 StPO Rn. 5).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist eine Anfechtbarkeit hier nicht durch § 305 Satz 1 StPO ausgeschlossen. Zwar zielt eine Abtrennung des Verfahrens über die Einziehung, wenn die Herbeiführung der Entscheidung hierüber die Entscheidung über die Hauptsache verzögern würde, auch darauf ab, die Abwicklung des Hauptsacheverfahrens zu fördern, so dass ein innerer Zusammenhang mit der Urteilsfällung in der Hauptsache in Betracht kommt. Auch dient die Entscheidung nach § 422 StPO dem Grundsatz der Beschleunigung im Hauptsacheverfahren. Andererseits erzeugt eine Abtrennung nach § 422 StPO durchaus weitere Verfahrenswirkungen. Die Einziehungsentscheidung hinsichtlich der abgetrennten Einziehungsbeteiligten wird verzögert bzw. gehemmt und auf einen nach § 423 StPO zu bestimmenden Zeitpunkt nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache hinausgeschoben, obwohl eine Entscheidung über eine Einziehung nach §§ 73, 73a, 73b StGB grundsätzlich obligatorisch gemeinsam mit der Entscheidung in der Hauptsache zu erfolgen hat. Damit ist die Situation – wovon auch das Landgericht ausgeht – durchaus mit der Rechtsprechung zur Anfechtbarkeit von Entscheidungen hinsichtlich der Abtrennung eines von mehreren Mitangeklagten nach §§ 2 Abs. 2 bzw. 4 StPO vergleichbar. Insoweit besteht im wesentlichen Einigkeit damit, dass der Abtrennungsbeschluss grundsätzlich mit der Beschwerde angefochten werden kann. Umstritten ist lediglich der Prüfungsumfang. Während nach der einen Ansicht (BGH, Beschluss vom 06.08.2013 – 1 StR 201/13 = NStZ-RR 2013, 352; Meyer-Goßner/Schmitt § 2 Rn. 13; KK-StPO/Scheuten § 2 StPO Rn. 15) das Beschwerdegericht – anders als das Revisionsgericht – die Ermessensentscheidung vollständig zu überprüfen hat, soll nach der anderen Auffassung (KG a.a.O. m.w.N; im Überblick: KK-StPO/Zabek § 305 Rn. 6 m.w.N.) eine Beschwerde ausnahmsweise nur dann zulässig sein, wenn sich die Abtrennung ausschließlich hemmend oder verzögernd auf das Verfahren auswirkt oder die Abtrennung auf Willkür beruht. Zwar werden anders als bei der Abtrennung des Verfahrens gegen einen Mitangeklagten durch die Abtrennung der Entscheidung über die Einziehung die Rechte des Einziehungsbeteiligten hinsichtlich seiner Beteiligung an der Hauptsache weder betroffen noch eingeschränkt (vgl. schon oben). Dieser kann seine Beteiligtenrechte vielmehr uneingeschränkt wahrnehmen und seine Einwendungen gegen die Hauptsache unterliegen der Überprüfung sowohl bei der Urteilsfällung als auch in Rahmen eines evtl. Rechtsmittelverfahrens. Andererseits kann durch eine fehlerhafte, nicht den Voraussetzungen des § 422 StPO genügende Abtrennung auch der Anspruch des abgetrennten Einziehungsbeteiligten auf Erhalt einer Entscheidung der ihn betreffenden Einziehung in angemessener Zeit bzw. der Grundsatz des fairen Verfahrens, die mit der Anordnung der Beteiligung nach § 424 Abs. 1 StPO auch für diesen gelten, beeinträchtigt sein. Schließlich wird die Ermessensentscheidung bezüglich der Abtrennung durch das erkennende Gericht mangels Entscheidung hinsichtlich der Einziehung gegenüber dem Einziehungsbeteiligten regelmäßig auch nicht mehr geprüft werden. Das gleiche gilt für die Prüfung durch das Rechtsmittelgericht auf ein Rechtsmittel des abgetrennten Einziehungsbeteiligten, selbst wenn diesem die Rüge einer ermessenmissbräuchlichen Verfahrenstrennung offenstehen sollte (BGH a.a.O.). Auch im Rahmen der nachträglich noch zu treffenden Entscheidung nach § 423 StPO kann die Abtrennung keine Rolle mehr spielen, weil eine nicht den Anforderungen des § 422 StPO genügende Abtrennung keine Auswirkungen auf die materiellen Voraussetzungen einer Einziehung haben kann.
Unter Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungen, kann die Anfechtbarkeit der Abtrennung nach § 422 StPO nicht durch § 305 Satz 1 StPO ausgeschlossen sein. Die Erwägung, die Anfechtung nur im Falle von Willkür zuzulassen, überzeugt vorliegend bereits deshalb nicht, weil die Abtrennung – anders als bei der Trennung der Verfahren mehrerer Mitangeklagter – nicht dem uneingeschränkten Ermessen des erkennenden Gerichts überlassen ist, sondern von zusätzlichen Voraussetzungen abhängig ist.
Die damit statthafte einfache Beschwerde ist auch sonst zulässig. Insbesondere kann dem Einziehungsbeteiligten nicht die Beschwerdebefugnis (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt vor § 296 Rn. 8 f.) versagt werden. Zwar mögen die Beteiligtenrechte durch die Abtrennungsentscheidung nicht beeinträchtigt sein, er kann jedoch dennoch in seinen sonstigen Rechten beeinträchtigt sein (vgl. schon oben).
Die damit zulässige Beschwerde der Einziehungsbeteiligten hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Dabei hat der Senat nach § 309 Abs. 2 StPO eine eigene Sachentscheidung auch hinsichtlich der Ermessensentscheidung zu treffen, weil die Prüfungsbefugnis anders als z.B. bei § 453 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht gesetzlich eingeschränkt ist.
Vor diesem Hintergrund entspricht die Abtrennungsentscheidung des Landgerichts der Sach- und Rechtslage. Deren Begründung wird durch das Beschwerdevorbringen nicht entkräftet. Der Senat schließt sich nach eigener Prüfung der Begründung des Landgerichts an.
Da die Ermittlungen bzgl. einer Einziehung hinsichtlich der verjährten Taten noch nicht abgeschlossen werden konnten, sondern noch weiterer Aufklärung durch den Sachverständigen bedürfen, würde die nach §§ 73a, 73b StGB auch im vorliegenden Verfahren zu treffende Entscheidung bzgl. der verjährten Taten das Verfahren (jedenfalls derzeit) verzögern. Eine solche kommt nach § 73a StGB auch im Hinblick auf die Einziehung von Taterträgen aus verjährten Taten in Betracht, ohne dass es eines selbständigen Verfahrens nach § 76a Abs. 2 StGB i.V.m. § 435 StPO bedarf, weil § 73a StGB insoweit lediglich eine rechtswidrige Tat voraussetzt, wenn der Haupttäter wegen einer anderen rechtswidrigen Tat verurteilt wird. Dabei erscheint es auch dem Senat sachgerecht, das Verfahren hinsichtlich der Einziehungsbeteiligten auch abzutrennen, als Straftaten aus dem nicht verjährten Bereich betroffen sind, da auch insoweit grundsätzlich eine Entscheidung in der verfahrensabschließenden Entscheidung ergehen muss und es zweckmäßig erscheint, hinsichtlich eines Einziehungsbeteiligten nur eine und nicht mehrere Einziehungsentscheidungen zu treffen. Dabei teilt der Senat auch die weitere Erwägung der Strafkammer, dass eine rechtskräftige Entscheidung hinsichtlich der Einziehung in Richtung des Hauptangeklagten Auswirkungen auf die nachträglich hinsichtlich der Einziehungsbeteiligten zu treffende Entscheidung haben kann. Schließlich kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Strafkammer – sollte das weitere Gutachten vor Abschluss des Verfahrens in der Hauptsache fertiggestellt werden – eine Verbindung in jeder Lage des Verfahrens wieder anordnen könnte (§ 422 Satz 2 StPO).
Ob und inwieweit im Hinblick auf die weiter erforderlichen Ermittlungen zu Taten aus dem verjährten Bereich eine Abtrennung des Verfahrens über die Einziehung auch hinsichtlich des Hauptangeklagten gerechtfertigt sein könnte, bedarf im vorliegenden Beschwerdeverfahren keiner Entscheidung.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 473 Abs. 1 StPO.


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