Strafrecht

Verfassungsbeschwerde, Eintragung, Grundbuch, Klagebefugnis, Berufung, Grundbuchamt, Restitutionsklage, Verfahren, Aktivlegitimation, Nachweis, Wegerecht, Auskunft, Aufhebung, Verletzung, kraft Gesetzes, von Amts wegen, falsche Angaben

Aktenzeichen  Vf. 111-VI-20

Datum:
9.8.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 21922
Gerichtsart:
VerfGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verfassungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Verfassungsbeschwerde wird abgewiesen.
2. Der Beschwerdeführerin wird eine Gebühr von 1.500 € auferlegt.

Gründe

I.
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen das Urteil vom 10. November 2020 Az. 16 S 6608/19, mit dem das Landgericht Nürnberg-Fürth die Restitutionsklage der Beschwerdeführerin zurückgewiesen hat.
1. Bei den Grundstücken Fl.Nrn. 434 und 435 der Gemarkung G. handelt es sich um benachbarte Flächen. In einem vorausgehenden Rechtsstreit erhob die Beschwerdeführerin im Jahr 2014 beim Amtsgericht Hersbruck Klage und begehrte die Feststellung, dass ihr ein Wegerecht über das Grundstück Fl.Nr. 434 zur Fl.Nr. 435 als eine nach ihrem Vorbringen vor Anlegung des Grundbuchs erworbene altrechtliche Grunddienstbarkeit zustehe. Zur Begründung führte sie insbesondere aus, dass die Zufahrt zum heutigen Grundstück Fl.Nr. 435 seit unvordenklichen Zeiten über das Nachbargrundstück Fl.Nr. 434 verlaufen sei. Das Amtsgericht Hersbruck wies die Klage am 1. Oktober 2015 Az. 2 C 531/15 durch Versäumnisurteil ab und erhielt dieses Versäumnisurteil mit Endurteil vom 21. Oktober 2016 aufrecht. Die dagegen gerichtete Berufung wies das Landgericht Nürnberg-Fürth mit Urteil vom 27. April 2018 Az. 16 S 8299/16 zurück, weil die Beschwerdeführerin ihre Aktivlegitimation nicht rechtzeitig nachgewiesen habe.
Eine gegen die vorgenannten Urteile gerichtete Verfassungsbeschwerde wies der Bayerische Verfassungsgerichtshof mit Entscheidung vom 4. Februar 2019 Vf. 39- VI-18 als unzulässig ab.
2. Mit Schreiben vom 15. Juli 2019 erhob die Beschwerdeführerin beim Amtsgericht Hersbruck „Restitutionsklage […] aufgrund des § 580 ZPO“, welche vom Amtsgericht mit Beschluss vom 14. Oktober 2019 Az. 2 C 531/15 an das Landgericht Nürnberg-Fürth verwiesen wurde.
Die Beschwerdeführerin begehrte die „Aufhebung des Urteils vom 27.04.2018, Az. 16 S 8299/16, gestützt auf § 580 Ziffer 7 b ZPO“. Zur Begründung führte sie insbesondere aus, das Grundbuchamt des Amtsgerichts Hersbruck und dann der Direktor des Amtsgerichts hätten „eine falsche Auskunft in Sachen Grundbuch“ gegeben. Sie habe davon ausgehen können, dass ihre Eintragung im Grundbuch hinsichtlich des Grundstücks und damit ihre Aktivlegitimation innerhalb des gleichen Gerichts bekannt gewesen sei und deswegen eine Abweisung der Klage nicht erfolgen würde. Bei derartigen Verfahren müssten das Grundbuch bzw. die maßgeblichen Unterlagen eingesehen bzw. beigezogen werden. Zu einer entsprechenden Entscheidung sei das Gericht kraft Gesetzes verpflichtet. Im Übrigen sei jeder Richter auch kraft Gesetzes für das Grundbuch zuständig und die „Eigentumsverhältnisse […] beim Amtsgericht Hersbruck offenkundig“ und „bekannt“. Das Urteil stütze sich auf das mit Nichtwissen bestrittene Eigentum der Beschwerdeführerin, obwohl die Beklagtenseite von den Eigentumsverhältnissen gewusst habe. Im Übrigen bestehe auch das altrechtliche Wegerecht. Die Beschwerdeführerin habe erst durch das Auffinden einer Resolution des Reichstags („am 10. August 1919“, vgl. Bl. 787 der Akte des Ausgangsverfahrens; gemeint wohl: „am 10. August 2019“) weitere wesentliche Erkenntnisse zum Nachweis des Bestehens eines altrechtlichen Wegerechts gefunden.
3. Mit der angegriffenen Entscheidung vom 10. November 2020 Az. 16 S 6608/19 wies das Landgericht Nürnberg-Fürth die Restitutionsklage zurück.
a) Diese sei unzulässig.
aa) Das gelte zunächst hinsichtlich des geltend gemachten Restitutionsgrundes des § 580 Nr. 4 ZPO.
Die Beschwerdeführerin habe vorgebracht, die Beklagten hätten ihr Eigentum zu Unrecht bestritten. Es seien unrichtige Angaben gemacht worden, da den Beklagten bekannt gewesen sei, dass die Beschwerdeführerin Eigentümerin sei. Dies ergebe sich aus dem in den Akten befindlichen Abmarkungsprotokoll vom 13. April 1994.
Die Beschwerdeführerin habe jedoch nicht vorgetragen, wann sie hiervon Kenntnis erlangt habe, sodass bereits die Einhaltung der Klagefrist des § 586 Abs. 1 ZPO nicht beurteilt werden könne. Unabhängig davon sei weder vorgetragen noch ersichtlich, dass wegen der behaupteten Straftat eine strafgerichtliche Verurteilung vorliege oder die Einleitung oder Durchführung eines Strafverfahrens aus anderen Gründen als wegen Mangels an Beweis nicht habe erfolgen können, § 581 ZPO. Da demnach bereits die besonderen Voraussetzungen des § 581 ZPO nicht vorlägen, sei die Klage insoweit unzulässig.
bb) Soweit sich die Beschwerdeführerin auf Schreiben des Direktors des Amtsgerichts Hersbruck berufe, sei die Klage verfristet.
Die Beschwerdeführerin behaupte, das Grundbuchamt des Amtsgerichts Hersbruck und dann der Direktor des Amtsgerichts hätten eine falsche Auskunft gegeben. Die Beschwerdeführerin meine, sie habe davon ausgehen können, dass ihre Eintragung im Grundbuch hinsichtlich des Grundstücks innerhalb des gleichen Gerichts bekannt gewesen sei und deshalb eine Abweisung der Klage nicht erfolgen werde. Dies habe die Beschwerdeführerin unter Verweis auf Schreiben des Direktors des Amtsgerichts Hersbruck vom 28. Dezember 2016 und 19. Januar 2017, mithin mit Urkunden, welche nach Erlass des Urteils erster Instanz am 21. Oktober 2016 und vor Erlass des Urteils zweiter Instanz am 27. April 2018 errichtet worden seien, begründet.
Selbst wenn, so das Landgericht, unterstellt werde, dass die Beschwerdeführerin diese Urkunden im Vorprozess aufgrund Präklusion nicht hätte nutzen dürfen, was grundsätzlich eine Wiederaufnahmeklage rechtfertigen könne, hätten diese und damit die sich der Beschwerdeführerin daraus erschließenden Erkenntnisse mit Erlass des Urteils des Landgerichts Nürnberg-Fürth am 27. April 2018 vorgelegen. Damit habe die Monatsfrist mit Zustellung des Endurteils des Landgerichts Nürnberg-Fürth am 7. Mai 2018 begonnen und am 7. Juni 2018 geendet, § 586 Abs. 1 bis 3 ZPO. Der hierauf gestützte Wiederaufnahmeantrag vom 15. Juli 2019 sei demnach verfristet.
cc) Da die Einwendungen der Beschwerdeführerin betreffend die Abweisung der Klage aufgrund der nicht nachgewiesenen Aktivlegitimation bereits unzulässig seien, komme es auf einen den Nachweis des Wegerechts betreffenden Restitutionsgrund nicht mehr an.
b) Im Übrigen sei die Restitutionsklage darüber hinaus hinsichtlich der die Aktivlegitimation betreffenden Gründe auch unbegründet.
aa) Die Beschwerdeführerin habe vorgetragen, sie habe davon ausgehen können, dass ihre Eintragung im Grundbuch innerhalb des gleichen Gerichts bekannt gewesen sei und deswegen eine Abweisung mangels nachgewiesener Eigentümerstellung nicht erfolgen würde. Dies ergebe sich aus den Schreiben des Direktors des Amtsgerichts Hersbruck vom 28. Dezember 2016 und 19. Januar 2017. Offenbar bezogen hierauf habe die Beschwerdeführerin weiter vortragen lassen, dass bei einem derartigen Verfahren das Grundbuch hätte beigezogen werden müssen, das Gericht eine entsprechende Entscheidung hätte betreiben müssen und jeder Richter kraft Gesetzes auch für das Grundbuch zuständig sei. Die Klage sei ausweislich des Endurteils des Amtsgerichts Hersbruck vom 21. Oktober 2016 abgewiesen worden, weil die Beschwerdeführerin ihr Eigentum am Waldgrundstück mit der Fl.Nr. 435 trotz Bestreitens durch die Beklagten mangels Beweisantritt nicht nachgewiesen habe. Das Landgericht Nürnberg-Fürth habe dies mit Endurteil vom 27. April 2018 bestätigt.
Daraus folge: Hätte die Beschwerdeführerin, wie sich nach ihrer Darlegung aus den Schreiben des Direktors des Amtsgerichts Hersbruck ergebe, rechtzeitig gewusst, dass das Amtsgericht Hersbruck aufgrund des bei ihm geführten Grundbuchs selbst Kenntnis von der Eigentümerstellung der Beschwerdeführerin gehabt hätte, hätte sie sich – ihrer Rechtsauffassung einer Verwertung dieser Kenntnis von Amts wegen folgend – nicht anders verhalten als sie dies ohnehin getan habe. Sie hätte dann nämlich gerade kein Beweisangebot erbringen müssen und sich auf die Kenntnis des Amtsgerichts Hersbruck verlassen. Es hätte mithin keine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt werden können, § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO.
Weiter führt das Landgericht aus, soweit die Beschwerdeführerin meinen sollte – wobei sie Gegenteiliges vortragen lasse -, das Amtsgericht Hersbruck hätte darauf hinweisen müssen, dass sie nicht von einer Amtskenntnis ihrer Eigentümerstellung hätte ausgehen dürfen, rüge sie den Verstoß gegen eine Hinweispflicht bzw. einen Verfahrensfehler. Dergleichen könne jedoch nicht im Weg der Restitutionsklage geltend gemacht werden. Vielmehr seien diese Gründe im Rahmen einer Berufung geltend zu machen. Dies habe die Beschwerdeführerin auch im Rahmen des Berufungsverfahrens getan bzw. hätte dies tun können.
Im Übrigen sei, auch wenn das Grundbuch beim Amtsgericht Hersbruck geführt werde, dessen Inhalt nicht von Amts wegen in dem ebenfalls vor dem Amtsgericht Hersbruck geführten Zivilverfahren zu berücksichtigen. Die gegenteilige Auffassung der Beschwerdeführerin verkenne, worauf bereits in der Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 4. Februar 2019 Vf. 39-VI-18 im gegenständlichen Verfahren hingewiesen worden sei, den Beibringungsgrundsatz im Zivilprozess. Die sich aus dem beim Amtsgericht Hersbruck geführten Grundbuch ergebende Kenntnis der Eigentümerstellung der Beschwerdeführerin könne auch nicht der das Zivilverfahren entscheidenden Richterin des Amtsgerichts Hersbruck zugerechnet werden. Denn die Entscheidung in einem Zivilverfahren treffe nicht „das Amtsgericht Hersbruck“, sondern der dort mit der Geschäftsaufgabe betraute Einzelrichter, § 22 Abs. 1 und 4 GVG. Nur ergänzend werde darauf hingewiesen, dass die weitere Auffassung, jeder Richter sei kraft Gesetzes auch für das Grundbuch zuständig, jeder Grundlage entbehre. Abgesehen davon, dass die Auffassung nicht begründet werde, verkenne sie auch die sich aus der Geschäftsverteilung des jeweiligen Gerichts ergebende Garantie des gesetzlichen Richters, Art. 101 GG.
Weiter sei nicht ersichtlich, welche weiterführende Kenntnis sich für die Beschwerdeführerin aus den angeführten Schreiben des Direktors des Amtsgerichts Hersbruck ergeben sollte, bei der sie im Rahmen des erst- oder zweitinstanzlichen Verfahrens anders hätte vorgehen können. Die Beschwerdeführerin versuche, den versäumten Nachweis der Eigentümerstellung und damit ihrer Aktivlegitimation durch ein von Amts wegen zu beachtendes gerichtsinternes Wissen zu konstruieren. Dies hätte die Beschwerdeführerin zum einen bereits im Berufungsverfahren geltend machen können, § 582 ZPO. Zum anderen sei die Auffassung der Beschwerdeführerin auch in der Sache unzutreffend und rechtfertige keine ihr günstigere Entscheidung.
Es habe mithin keine der Beschwerdeführerin günstigere Entscheidung herbeigeführt werden können, § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO.
bb) Von der Beschwerdeführerin sei zudem erneut vorgetragen worden, dass auch das Schreiben des Vermessungsamts vom 3. November 2015 als Nachweis der Aktivlegitimation gelte. Auskünfte würden nur an den Eigentümer erteilt.
Auch dieses Schreiben habe schon zum Zeitpunkt der Entscheidungen des Amtsgerichts Hersbruck und des Landgerichts Nürnberg-Fürth vorgelegen. Hierzu habe bereits der Bayerische Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 4. Februar 2019 ausgeführt, dass das Landgericht das Schreiben des Vermessungsamts nicht als Beweis der Aktivlegitimation habe ansehen müssen. Weder stelle der Vortrag der Beschwerdeführerin, das Schreiben des Vermessungsamts gelte als Nachweis der Aktivlegitimation, einen Restitutionsgrund im Sinn des § 580 ZPO dar, noch könne dieses als Nachweis der Aktivlegitimation herangezogen werden. Den Ausführungen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs sei nichts hinzuzufügen.
c) Auf den weiter geltend gemachten Restitutionsgrund des Auffindens einer oder weiterer Urkunden, aus welchen sich das Wegerecht der Beschwerdeführerin ergebe, komme es damit nicht mehr an. Diese Restitutionsgründe würden zu den Vorentscheidungen nicht in einer solchen Beziehung stehen, dass sie den Urteilen eine der Grundlagen entziehe, auf denen sie beruhten. Die Klage der Beschwerdeführerin sei maßgeblich aufgrund der nicht nachgewiesenen Aktivlegitimation abgewiesen worden. Restitutionsgründe, welche letztlich zu einem Wegerecht führen würden, könnten die klage- bzw. berufungsabweisenden Urteile daher nicht zu Fall bringen.
II.
1. Gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 10. November 2020 Az. 16 S 6608/19 – den Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin zugestellt am 17. November 2020 – legte die Beschwerdeführerin am 7. Dezember 2020 Verfassungsbeschwerde ein und begründete diese mit Schreiben vom 4. und 6. Januar 2021 (beim Verfassungsgerichtshof eingegangen jeweils am selben Tag). Weitere Ausführungen erfolgten mit Schreiben vom 21. März, 2. und 6. Mai sowie 19. Juli 2021.
Zusammengefasst ist die Beschwerdeführerin im Wesentlichen der Auffassung, dass bestehende Grunddienstbarkeiten einschließlich der Aktivlegitimation dem Gericht bekannt seien und keines Beweises bedürften. Die Beklagtenseite im ursprünglichen Verfahren habe vom Eigentum der Beschwerdeführerin gewusst und bewusst falsche Angaben gemacht. Die Aktivlegitimation sei zweifelsfrei nachgewiesen, der Beklagtenseite bekannt gewesen und könne überhaupt nicht bestritten werden „mit der Rechtsfolge der bewussten falschen Abgabe im Sinn des § 138 Abs. 4 ZPO“. Der öffentliche Glaube des Grundbuchs wirke auch gegen die erkennende Richterin am Amtsgericht bzw. diese sei gesetzlich verpflichtet, das Grundbuch im Verfahren beizuziehen. Die erkennenden Richter hätten sich bewusst rechtswidrig verhalten. Es liege „eine bewusste und vorsätzliche Missachtung geltenden Rechtes [vor]. Grunddienstbarkeiten [würden] durch das Grundbuch nachgewiesen – was dem Gericht gesetzlich bekannt ist“. Die Klagebefugnis gehöre zu den absoluten Grundrechten und dürfe nicht willkürlich entzogen werden. Dies müsse zwangsläufig die Nichtigkeit des Urteils zur Folge haben. Es sei unzulässig, Beweise zu fordern, die „unmöglich“ seien. Gewohnheitsrecht könne heute niemand mehr beweisen. Der Nachweis dürfe nur innerhalb des Grundbuchs gefordert werden, da neue Rechte außerhalb des Grundbuchs nicht mehr entstehen dürften. Weiter legt die Beschwerdeführerin ausführlich die aus ihrer Sicht gegebenen „rechtlichen Verhältnisse einer Grunddienstbarkeit aufgrund der landesrechtlichen Verhältnisse für Bayern“ dar und führt zum „Beweis der Grunddienstbarkeit aufgrund der Angaben im Grundbuch“ aus.
In Bezug auf das angegriffene Urteil vom 10. November 2020 führt die Beschwerdeführerin aus: Wenn, wie im Urteil Az. 16 S 6608/19 behauptet, das ursprüngliche Verfahren wegen der fehlenden Aktivlegitimation verloren worden sei, müsse dies die Rechtsfolge der Nichtigkeit für das Urteil haben, obwohl dies das Gesetz nicht vorsehe, da die Aktivlegitimation der Beschwerdeführerin der Richterin und der Beklagtenseite im vorausgegangenen Verfahren bekannt gewesen sei. Alle nachfolgenden Entscheidungen seien von diesem Mangel betroffen, da dieses absolute Grundrecht nicht willkürlich entzogen werden dürfe. Dieser Mangel sei nicht heilbar. Das sei auch dem Richter im Verfahren Az. 16 S 6608/19 bekannt gewesen, „da gesetzlich bestimmt“. Hinzu komme, dass ein Richter die aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung zu beachten habe. Der erkennende Richter müsse sich u. a. die Vorschrift des Art. 187 EGBGB entgegenhalten lassen. Er verkenne den Umstand, dass der Gesetzgeber „eine objektive nachprüfbare Vorschrift erlassen“ habe, indem er „nicht Richter sondern Gericht bestimmt“ habe. Weiter verkenne der Richter, dass der öffentliche Glaube des Grundbuchs eine Grunddienstbarkeit schütze und nicht willkürlich durch das Gericht in Frage gestellt werden könne. Das Amtsgericht sei um Auskunft gebeten worden wegen der Grunddienstbarkeiten und diese sei nachweislich durch den Direktor nicht erteilt worden.
Im Verfahren Az. 2 C 531/15 seien Beweise verlangt worden, die es bei Grunddienstbarkeiten in Bayern unmöglich gebe. Außerdem stehe dem § 95 des Grundsteuergesetzes vom 15. August 1828 bzw. Art. 187 EGBGB entgegen, denn Grunddienstbarkeiten hätten nur Gültigkeit, wenn sie durch das Grundbuch nachgewiesen würden. Daraus folge die Unmöglichkeit des geforderten Beweises. Es seien im Verfahren Az. 2 C 531/15 vorsätzlich Beweismittel nicht anerkannt worden, die zur Lösung des Problems geeignet gewesen wären. Dies beweise, dass „die Richterin in keinster Weise im Verfahren vorbereitet“ gewesen sei und dies gelte für alle Richter, die mit dem Fall beschäftigt gewesen seien. Hinzu komme, dass es nach den Vorschriften des Römischen Rechts und des Gemeinen Rechts keinen Notweg gebe, „da alle Grundstücke Parcellen eine Grunddienstbarkeit“ besäßen. Es werde also ein bewusst gesetzeswidriges Verhalten durch das Gerichtsurteil Az. 2 C 531/15 erzwungen. Dies sei ein Beweis dafür, dass sich keiner der Richter, der mit dem Rechtsfall beschäftigt gewesen sei, mit dem Fall auseinandergesetzt habe, sondern man habe bewusst mit Hilfe der Zivilprozessordnung die Klage „abgewürgt“, indem man willkürlich die Klagebefugnis entzogen habe. Dies sei „Rechtswillkür“. Man habe bewusst Rechtsvorschriften missachtet. Es sei „skandalös“, dass das Amtsgericht ein Säumnisurteil erlassen habe ohne jegliche Begründung. Es sei bewusst ein falsches Urteil erlassen worden unter bewusstem Entzug der Klagebefugnis, damit „sich die Gerichtsbehörden mit dem Thema altrechtliche Grunddienstbarkeit nicht befassen müssen“. Das „Problem Grunddienstbarkeiten“ sei „offensichtlich in Bayern nie sauber behandelt“ worden.
2. Das Bayerische Staatsministerium der Justiz hält die Verfassungsbeschwerde mangels ausreichender Substanziierung für unzulässig.
III.
Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig. Nach Art. 51 Abs. 1 Satz 1 VfGHG setzt die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde voraus, dass das verfassungsmäßige Recht, dessen Verletzung geltend gemacht werden soll, genau bezeichnet und die behauptete Verletzung verfassungsmäßiger Rechte im Einzelnen dargelegt wird. Diesen Anforderungen genügt die Verfassungsbeschwerde nicht.
1. Die Beschwerdeführerin benennt weder ausdrücklich eine Norm der aktuellen Bayerischen Verfassung, welche ein subjektives verfassungsmäßiges Recht gewährt, noch ein solches Recht, welches durch die angegriffene Entscheidung verletzt sein soll. Selbst wenn man zu ihren Gunsten aufgrund ihres Vorbringens davon ausgeht, dass sie eine Verletzung des aus Art. 118 Abs. 1 BV abgeleiteten Willkürverbots rügen möchte, entbehrt diese Rüge einer ausreichenden Substanziierung.
a) Willkürlich im Sinn des Art. 118 Abs. 1 BV wäre eine gerichtliche Entscheidung nur dann, wenn sie bei Würdigung der die Verfassung beherrschenden Grundsätze nicht mehr verständlich wäre und sich der Schluss aufdrängen würde, sie beruhe auf sachfremden Erwägungen. Eine fehlerhafte Anwendung einfachen Rechts begründet allein noch keinen Verstoß gegen Art. 118 Abs. 1 BV. Die Entscheidung dürfte unter keinem Gesichtspunkt rechtlich vertretbar erscheinen; sie müsste schlechthin unhaltbar, offensichtlich sachwidrig, eindeutig unangemessen sein (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 23.8.2006 VerfGHE 59, 200/203 f.; vom 22.12.2020 – Vf. 15-VI-19 – juris Rn. 16 m. w. N.). Selbst eine zweifelsfrei fehlerhafte Anwendung einfachen Rechts begründet für sich allein noch keinen Verstoß gegen Art. 118 Abs. 1 BV (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 13.1.2005 VerfGHE 58, 37/41; vom 12.4.2021 – Vf. 14-VI-18 – juris Rn. 19).
Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs muss die Rechtsverletzung so weit substanziiert werden, dass geprüft werden kann, ob die angefochtene Entscheidung auf ihr beruhen kann. Dazu gehört auch der Vortrag des wesentlichen Sachverhalts, aus dem die Rechtsverletzung hergeleitet wird. Der die behauptete Grundrechtsverletzung enthaltende Vorgang muss vollständig und nachvollziehbar dargelegt werden, sodass der Verfassungsgerichtshof in die Lage versetzt wird, ohne Rückgriff auf die Akten des Ausgangsverfahrens zu prüfen, ob der geltend gemachte Verfassungsverstoß nach dem Vortrag des Beschwerdeführers zumindest möglich erscheint. Der Sachvortrag muss aus sich heraus verständlich sein. Die bloße Behauptung, eine gerichtliche oder behördliche Entscheidung sei unrichtig oder fehlerhaft, genügt den Anforderungen an die Begründung einer Verfassungsbeschwerde nicht (ständige Rechtsprechung; VerfGH vom 14.2.2006 VerfGHE 59, 47/50 f.; vom 22.12.2020 – Vf. 15-VI-19 – juris Rn. 15 m. w. N.). Eine aus sich heraus verständliche und nachvollziehbare Darlegung eines Grundrechtsverstoßes setzt insbesondere voraus, dass sich der Beschwerdeführer mit dem Inhalt der angegriffenen Entscheidung auseinandersetzt. Richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung, bedarf es in der Regel einer ins Einzelne gehenden argumentativen Auseinandersetzung mit ihr und ihrer Begründung (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 13.2.2020 – Vf. 23-VI-18 – juris Rn. 19; vom 1.7.2020 – Vf. 72-VI-19 – juris Rn. 21; vom 22.12.2020 – Vf. 15-VI-19 – juris Rn. 16 m. w. N.). Stützt sich eine Entscheidung auf mehrere selbstständig tragende Begründungen, muss sich der Beschwerdeführer mit jeder dieser Begründungen befassen (VerfGH vom 7.11.2019 – Vf. 46-VI-18 – juris Rn. 19; vom 8.11.2019 – Vf. 48-VI-18 – juris Rn. 20; vom 10.12.2019 – Vf. 47-VI-18 – juris Rn. 21).
b) Den vorstehenden Anforderungen wird die Verfassungsbeschwerde nicht gerecht.
Die Beschwerdeführerin hat nicht in verständlicher und nachvollziehbarer Weise dargelegt, inwiefern die angegriffene Entscheidung gegen das Willkürverbot verstoßen könnte.
Die Ausführungen der Beschwerdeführerin in der Verfassungsbeschwerde betreffen im Wesentlichen die Frage des Bestehens, der Beweisbedürftigkeit und Beweisbarkeit des von ihr geltend gemachten Wegerechts und ihrer Aktivlegitimation im vorausgegangenen Verfahren. Sie wendet sich in der Art einer Rechtsmittelbegründung oder Verfassungsbeschwerde in erster Linie gegen die Entscheidungen aus dem ursprünglichen Verfahren Az. 2 C 531/15 bzw. Az. 16 S 8299/16, die sie für grob falsch hält. Diese Entscheidungen waren jedoch bereits Gegenstand der abgewiesenen Verfassungsbeschwerde im Verfahren Vf. 39-VI-18 und sind nicht Gegenstand des vorliegenden Verfassungsbeschwerdeverfahrens (eine neue diesbezügliche Verfassungsbeschwerde wäre im Übrigen von vornherein unzulässig). Die aktuelle Verfassungsbeschwerde könnte allein aufgrund von Verfassungsverstößen durch die Entscheidung über die Restitutionsklage begründet sein. Mit den spezifischen Voraussetzungen dieser Klage setzt sich die Beschwerdeführerin jedoch nicht annähernd ausreichend auseinander, sondern schließt im Wesentlichen aus der – aus ihrer Sicht bestehenden – groben Fehlerhaftigkeit der früheren Entscheidungen auf einen – so nicht existierenden – Restitutionsgrund.
Eine substanziierte Auseinandersetzung mit den Gründen, die das Landgericht in der hier angegriffenen und allein maßgeblichen Entscheidung vom 10. November 2020 Az. 16 S 6608/19 zur Begründung der Abweisung der Restitutionsklage angeführt hat, findet nicht statt.
Dies wäre jedoch geboten gewesen. Das Landgericht hat ausführlich dargelegt, dass und warum diese Klage aus seiner Sicht abzuweisen war. Auf diese Begründung geht die Beschwerdeführerin in der Verfassungsbeschwerde trotz deren Umfangs nicht annähernd ausreichend ein. Insbesondere vermag weder das behauptete Bestehen eines Wegerechts noch eine (selbst grobe) Fehlerhaftigkeit der Entscheidungen im Verfahren Az. 2 C 531/15 bzw. Az. 16 S 8299/16 der Restitutionsklage für sich genommen zum Erfolg zu verhelfen. Selbst wenn man zugunsten der Beschwerdeführerin davon ausginge, dass ihre diesbezüglichen Ausführungen zuträfen, würde dies nicht dazu führen, dass (auch) die angegriffene Entscheidung des Landgerichts vom 10. November 2020 als fehlerhaft anzusehen wäre; erst recht begründen sie nicht den Vorwurf der Willkür (Art. 118 Abs. 1 BV) in Bezug auf diese – allein maßgebliche – Entscheidung.
Aus der Begründung der Verfassungsbeschwerde vom 4. und 6. Januar 2021 ist schon nicht ersichtlich, welchen der in § 580 ZPO genannten Restitutionsgründe das Landgericht willkürlich verkannt haben soll. Der Vorwurf der Willkür in Bezug auf die angegriffene Entscheidung des Landgerichts vom 10. November 2020 ist in Ansehung des Vorbringens in der Verfassungsbeschwerde fernliegend. Die Berufungsentscheidung im Ausgangsverfahren (Az. 16 S 8299/16) war selbsttragend darauf gestützt, dass die Beschwerdeführerin ihre Aktivlegitimation nicht nachgewiesen hatte, weshalb die Frage, ob im Übrigen das Bestehen eines Wegerechts nachgewiesen war, schon im ursprünglichen Verfahren nicht entscheidungserheblich war (vgl. dazu auch bereits VerfGH vom 4.2.2019 – Vf. 39-VI-18 – juris Rn. 44). Das Landgericht hat im angegriffenen Urteil vom 10. November 2020 dargelegt, dass und warum die auf die Aktivlegitimation bezogenen Einwände in der Restitutionsklage unzulässig und auch unbegründet seien. Diese Ausführungen werden, soweit sie die spezifischen Voraussetzungen der §§ 580 ff. ZPO betreffen, in der Verfassungsbeschwerde nicht annähernd ausreichend konkret angegriffen. Soweit die Beschwerdeführerin das Vorgehen der Beklagtenseite bzw. der Richter im ursprünglichen Ausgangsverfahren kritisiert, wird in der Verfassungsbeschwerde schon nicht behauptet, dass gegen die Beklagten (§ 580 Nr. 4 ZPO) oder die beteiligten Richter (§ 580 Nr. 5 ZPO) wegen einer etwaigen diesbezüglichen Straftat eine rechtskräftige Verurteilung ergangen sei oder die Einleitung oder Durchführung eines Strafverfahrens aus anderen Gründen als wegen Mangels an Beweis nicht habe erfolgen können (§ 581 ZPO). Ein etwaiges Fehlverhalten der Beklagtenseite oder der Richter wäre daher – selbst wenn es vorläge – für die Restitutionsklage irrelevant. Die behauptete grobe Fehlerhaftigkeit als solche kann eine Restitutionsklage für sich genommen nicht begründen (vgl. dazu z. B. auch BVerfG vom 15.10.1992 – 1 BvR 654/92 – juris Rn. 3, wonach eine über die in den §§ 580 ff. ZPO geregelten Fällen der Restitution hinausgehende Möglichkeit der Durchbrechung der Rechtskraft „auch dann nicht geboten [ist], wenn das mit der Restitutionsklage angefochtene Urteil […] auf einer bewusst gesetzwidrigen Rechtsanwendung beruhte“).
In Bezug auf die Schreiben des Direktors des Amtsgerichts hat das Landgericht dargelegt, dass die Restitutionsklage (§ 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO) verfristet sei und eine Berücksichtigung im Übrigen auch keine für die Beschwerdeführerin günstigere Entscheidung herbeigeführt hätte. Zu beidem verhält sich die Beschwerdeführerin in der Verfassungsbeschwerde nicht annähernd ausreichend substanziiert. Zum Vortrag der Beschwerdeführerin, das Schreiben des Vermessungsamts gelte als Nachweis der Aktivlegitimation, hat das Landgericht zutreffend darauf hingewiesen, daraus ergebe sich weder ein Restitutionsgrund im Sinn des § 580 ZPO noch könne das Schreiben als Nachweis der Aktivlegitimation herangezogen werden. Diesbezüglich ist der Vorwurf der Willkür in der Verfassungsbeschwerde ebenfalls nicht annähernd ausreichend dargelegt (vgl. dazu im Übrigen bereits VerfGH vom 4.2.2019 – Vf. 39-VI-18 – juris Rn. 37).
Das Schreiben der Beschwerdeführerin vom 21. März 2021 vermag den Substanziierungsmangel schon deshalb nicht zu heilen, weil es erst nach Ablauf der Verfassungsbeschwerdefrist des Art. 51 Abs. 2 Satz 2 VfGHG eingereicht wurde und nach Ablauf dieser Frist fehlende notwendige Bestandteile der Verfassungsbeschwerde nicht mehr nachgeschoben werden können (ständige Rechtsprechung; VerfGH vom 15.11.2018 – Vf. 10-VI-17 – juris Rn. 15; vom 8.11.2019 – Vf. 48-VI- 18 – juris Rn. 22; vom 15.10.2020 – Vf. 49-VI-18 – juris Rn. 15). Davon abgesehen enthält auch dieses Schreiben keine ausreichend substanziierte Darlegung eines Verstoßes gegen das Willkürverbot in Bezug auf die hier angegriffene Entscheidung vom 10. November 2020. Nichts anderes gilt für die Schreiben der Beschwerdeführerin vom 2. und 6. Mai sowie 19. Juli 2021.
b) Auch im Übrigen liegt eine substanziierte Rüge in Bezug auf ein subjektives verfassungsmäßiges Recht der Beschwerdeführerin, welches durch die Entscheidung vom 10. November 2020 verletzt sein könnte, nicht vor.
IV.
Es ist angemessen, der Beschwerdeführerin eine Gebühr von 1.500 € aufzuerlegen (Art. 27 Abs. 1 Satz 2 VfGHG).


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