Strafrecht

Verurteilung wegen sexuellen Übergriffs nach dem reformierten Sexualstrafrecht

Aktenzeichen  33 KLS 1105 Js 520/17

Datum:
7.12.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 143429
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
StGB § 177 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 6 S. 2 Nr. 1, Abs. 9, § 47 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Für das Verhältnis von § 177 Abs. 1 und Abs. 2 StGB n.F. ist vom Vorrang des Absatzes 1 auszugehen (so auch Hörnle, NStZ 2017, 13, 16). § 177 Abs. 2 StGB regelt nach dem gesetzgeberischen Willen allein die Fälle, in denen die Äußerung eines entgegenstehenden Willens dem Opfer nicht zuzumuten oder faktisch nicht möglich ist (vgl. BT-Dr. 19/9097, 23). Wurde Ablehnung erkennbar kommuniziert und ist daher § 177 Abs. 1 StGB einschlägig, muss jedenfalls für die Tatbestandsmäßigkeit nicht mehr geprüft werden, ob ein Fall des § 177 Abs. 2 StGB vorliegt. (Rn. 51)
2. Im Fall des Eindringens des männlichen Gliedes in den Mund des Opfers wird in aller Regel die besondere Erniedrigung anzunehmen sein (§ 177 Abs. 6 Abs. 2 Nr. 1 StGB). Bestehen indes gewichtige mildernde Gesichtspunkte, ist eine umfassende Prüfung des gesamten Tatbildes einschließlich aller subjektiver Momente und der Täterpersönlichkeit erforderlich (vgl. Fischer, StGB, 65. Aufl. 2017, Rn. 150 a.E.; in diese Richtung auch BGH, Urteil vom 10. Oktober 2007 – 5 StR 249/07 – Rn. 3 f., juris = StV 2008, 81). (Rn. 64)
3. Jedenfalls dann, wenn die besonders erniedrigende Wirkung der mit einer Penetration verbundenen beischlafähnlichen Handlung (§ 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB) zu verneinen ist und einem sexuellen Übergriff nach § 177 Abs. 1 StGB keine Nötigung zugrunde liegt, kommt ein Schuldspruch wegen Vergewaltigung nach neuem Recht nicht in Betracht. In dieser Konstellation wird die noch dazu sprachlich nicht passende Bezeichnung „VerGEWALTigung“ dem Unrechtsgehalt der Tat nicht mehr ansatzweise gerecht. (Rn. 71)
4. Entfällt trotz Verwirklichung des Regelbeispiels (§ 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB) dessen Regelwirkung wegen gewichtiger schuldmindernder Umstände, kann eine weitergehende Milderung des Normalstrafrahmens und die Bemessung der Strafe aus dem Rahmen für den minder schweren Fall (§ 177 Abs. 9 StGB) nur in extremen Ausnahmefällen in Betracht kommen (vgl. BGH, Beschluss vom 01. August 2017 – 2 StR 185/17 – Rn. 4 f. m.w.N., juris = NStZ-RR 2017, 312 (Leitsatz); BGH NStZ-RR 2007, 373; Fischer, StGB, 65. Aufl. 2017,. Rn. 158 f. und 191 f. jeweils m.w.N.). Es ist jedoch fraglich, ob dies auch für die Konstellation gelten kann, in der erheblich schuldmindernde tat- und täterbezogene Gesichtspunkte dazu führen, dass die tatbestandsähnlichen Voraussetzungen des benannten Regelbeispiels für sich genommen abzulehnen waren. (Rn. 73)

Tenor

1. Der Angeklagte ist schuldig des sexuellen Übergriffs.
2. Er wird deswegen zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 120,00 EUR verurteilt.
3. Der Angeklagte hat die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Nebenklägerin zu tragen.
Angewandte Vorschriften:
§ 177 Abs. 1, Abs. 9 StGB in der Fassung des am 10.11.2016 in Kraft getretenen Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung vom 04.11.2016 (BGBl. I S. 2460 ff.), § 47 Abs. 2 StGB.

Gründe

Vorspann
Der Angeklagte war leitender Chefarzt der Palliativabteilung des Klinikums B.. Seit 2015 unterhielt er Intimkontakte mit der Mitarbeiterin und Nebenklägerin K., die in diesem Rahmen bei mehreren Gelegenheiten am Arbeitsplatz Oralverkehr am Angeklagten vornahm. Am 20. Dezember 2016 lehnte die Nebenklägerin im palliativen Außenstützpunkt N. ein erneutes Verlangen des Angeklagten nach Oralverkehr ab. Infolge beharrlichen sexuellen Drängens des Angeklagten kam es dennoch entgegen ihren erkennbaren Willen zu einem kurzen sexuell motivierten Kontakt zwischen dem Glied des Angeklagten und dem Mund der Nebenklägerin. Die Feststellungen zum Sachverhalt beruhen auf einer umfassenden Würdigung des Beweisergebnisses der mehrtätigen Hauptverhandlung, insbesondere auf den Angaben der Nebenklägerin, die einer detaillierten Aussageanalyse unterzogen wurden. Der festgestellte Sachverhalt ist nach dem neuen Sexualstrafrecht als sexueller Übergriff gemäß § 177 Abs. 1 StGB n.F. strafbar als Folge der Missachtung des sexuellen Selbstbestimmungsrechts der Betroffenen. Angesichts der Besonderheiten des Falles hat die Kammer einerseits einen besonders schweren Fall nach § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB n.F. (Vergewaltigung) abgelehnt und ist andererseits von einem minder schweren Fall nach § 177 Abs. 9 Hs. 1 StGB n.F. ausgegangen. Letztlich mündeten die strafmildernden Umstände unter Anwendung der Strafrahmenerweiterung des § 47 Abs. 2 StGB in der Verhängung einer Geldstrafe.
I. Persönliche Verhältnisse
(…)
II. Sachverhalt
1. Vortatgeschehen
Die x geborene Nebenklägerin K. war seit 2011 als medizinische Fachangestellte im Palliativzentrum des Klinikums B. tätig. Sie wurde sowohl in der Palliativstation als auch in der Palliativambulanz eingesetzt. In der ambulanten Abteilung war sie mit der Fertigung von Rezepten und Abrechnungen betraut. Organisatorisch war und ist das Palliativzentrum in einen pflegerischen und einen ärztlichen Bereich aufgeteilt. Ersterem waren die Pflegekräfte (Krankenschwestern, Pfleger, medizinische Fachangestellte) zugeordnet, die dem Pflegedienstleiter unterstellt waren, letzterem waren alle in der Palliativabteilung tätige Ärzte, die dem Angeklagten als Chefarzt unterstellt waren, zugeordnet. Darüber hinaus war der Angeklagte in seiner Funktion als leitender Chefarzt organisatorisch- und erlösverantwortlich für die Palliativabteilung. In der täglichen Arbeitspraxis verhielt es sich so, dass die Pflegekräfte auch den Weisungen der Ärzte, insbesondere den Anordnungen des Chefarztes, nachkamen. Auch war es den Ärzten möglich, über die Vorgesetzten des Pflegedienstes Einfluss auf Einsatzort, Tätigkeitsfeld und etwaige arbeitsrechtliche Maßnahmen (z.B. Versetzung) bezüglich der Pflegekräfte zu nehmen.
Anfang 2014 fragte der Angeklagte die Nebenklägerin in den Räumlichkeiten der Palliativabteilung während der Arbeitszeit erstmals, ob sie ihm „einen blasen“ wolle. Die darüber entsetzte Nebenklägerin ging hierauf nicht ein. In der Folgezeit nahm der Angeklagte vor allem via Mobiltelefon über den Nachrichtendienst „WhatsApp“ Kontakt mit sexualisiertem Inhalt zur Nebenklägerin mit dem Ziel auf, die Nebenklägerin zur Ausübung des Oralverkehrs an ihm zu gewinnen. Darüber hinaus forderte der Angeklagte die Nebenklägerin auf, sich während der Arbeit in bestimmter Weise zu kleiden, etwa für ihn einen kurzen Rock und „Strapse“ anzuziehen. Weiterhin verlangte der Anklagte von ihr, ihm ein Bild ihrer nackten Brust zuzuschicken. Nachdem die Nebenklägerin die Ansinnen des Angeklagten zunächst abgelehnt hatte, kam sie im Lauf der Zeit seinem Drängen nach, kleidete sich in der verlangten Weise und sendete ihm schließlich ein Foto ihres unbekleideten Busens über „WhatsApp“. Auch erwiderte sie zum Teil die vom Angeklagten ausgehende Kommunikation mit sexualisiertem Inhalt. Der Angeklagte nahm am Arbeitsplatz zunehmend körperlichen Kontakt zur Angeklagten auf, indem er ihr etwa über das Bein streichelte, ihr unter den Rock und an die Brüste fasste und die von ihr bisweilen getragenen „Strapse“ aus nächster Nähe „in Augenschein nahm“.
Im Zeitraum Mitte 2015, erstmals am 16. Juli 2015, bis Mitte Juli 2016 kam es bei mindestens vier Gelegenheiten zu sexuellen Kontakten des Angeklagten mit der Nebenklägerin in Form von an ihm durchgeführten Oralverkehr. Die Nebenklägerin kam jeweils während der Arbeitszeit am Arbeitsplatz – einmal in einem Kellerbüro im Außenstützpunkt B., mindestens zweimal in den Räumlichkeiten (Büro und Toilette) der Palliativabteilung in B. – dem Verlangen des Angeklagten nach Oralverkehr nach. Sie übte am Angeklagten, nachdem dieser sich jeweils versicherte und dafür Sorge getragen hatte, nicht von Dritten überrascht zu werden (etwa, indem er sich während des Geschlechtsaktes mit dem Rücken gegen die in seine Richtung zu öffnende Zimmertür lehnte), den jeweils nur kurze Zeit andauernden Oralverkehr bis zum Samenerguss – beim ersten Mal auf die Bluse der Nebenklägerin, bei den weiteren Gelegenheiten in ihren Mund – aus. Teilweise musste sich die Nebenklägerin hiernach übergeben, ohne dass dies der Angeklagte, der sich im Anschluss an den Oralverkehr jeweils sogleich wieder von ihr trennte, wahrnahm. Zu sexuellen Handlungen an der Zeugin K. durch den Angeklagten kam es zu keinem Zeitpunkt.
Die Initiative zur Kommunikation mit sexualisiertem Inhalt, die Forderung nach einer bestimmten Bekleidungswahl der Nebenklägerin, die Berührungen ihres Körpers und das Verlangen nach dem praktizierten Oralverkehr gingen jeweils vom Angeklagten aus. Innerlich lehnte die Nebenklägerin sexualbezogenen Kontakt und Körpernähe zum Angeklagten, insbesondere die Durchführung von Oralverkehr an ihm, ab, ohne dies ihm gegenüber deutlich zu machen. Sie kam den Forderungen des Angeklagten jeweils aus Furcht vor negativen Folgen für ihre berufliche Tätigkeit im Falle ihrer Ablehnung und in der Hoffnung, „er werde irgendwann damit aufhören“, nach. Aus demselben Grund ging sie teilweise auch auf die von ihm angestoßene Kommunikation mit sexualisiertem Inhalt via „WhatsApp“ ein. Ausdrückliche oder konkludente Drohungen, etwa mit Blick auf das Arbeitsverhältnis der Nebenklägerin, sprach der Angeklagte allerdings zu keinem Zeitpunkt aus. Der Angeklagte, der die Nebenklägerin – ebenso wie sie ihn – fortwährend „Siezte“, verlangte indessen von ihr, die sexualbezogenen Geschehnisse als „gemeinsames Geheimnis“ zu betrachten und keiner dritten Person davon zu erzählen. Insbesondere verlangte er von ihr, die Chatnachrichten mit sexualbezogenem Inhalt stets umgehend zu löschen. Das berufliche Verhältnis des Angeklagten zur Nebenklägerin im Übrigen blieb unverändert.
Im September 2016 ging die Nebenklägerin eine neue Beziehung ein. Dies teilte sie noch im selben Monat dem Angeklagten mit. Zwischen ihnen kam es danach bis zum 20. Dezember 2016 zu keinen sexualbezogenen Begegnungen mehr.
2. Die Tat
Am 20. Dezember 2016 zwischen 11.00 Uhr und 12.00 Uhr ging die Nebenklägerin K. in den Büroräumlichkeiten des ambulanten Außenstützpunktes (SAPV) der Palliativabteilung des Klinikums B. in N. ihrer Arbeitstätigkeit nach und befand sich zunächst allein im Büro. Der im weiteren Verlauf zufällig hinzugekommene Angeklagte wurde von der Zeugin K. auf sein Klingeln hin eingelassen. Während die Nebenklägerin im Büro ein beruflich veranlasstes Telefonat führte, streichelte der Angeklagte sie unvermittelt im Nackenbereich und griff ihr unter das Oberteil. Als das Mobiltelefon des Angeklagten klingelte, ließ er von der Nebenklägerin ab und führte ein kurzes Telefonat im Vorraum. Zwischenzeitlich kam eine Kollegin der Nebenklägerin, die Zeugin G., von einem Außentermin in das Büro zurück und setzte sich an ihren im gleichen Raum befindlichen Schreibtisch. Als die Zeugin G. telefonierte, veranlasste der Angeklagte die Nebenklägerin unter dem Vorwand, er wolle sie wegen einer Abrechnung unter vier Augen sprechen, mit ihm in die neben Büro und Vorraum gelegene Küche zu gehen. Die Nebenklägerin ging dabei davon aus, dass der Angeklagte von ihr die erneute Ausübung von Oralverkehr an ihm begehren würde, der Angeklagte war sich seinerseits bewusst, dass die Nebenklägerin – aufgrund des vorgebrachten dienstlichen Grundes – dem Verlangen, mitzukommen, kaum widersprechen konnte.
In der Küche angekommen, schloss der Angeklagte die Küchentür und stellte sich so vor der Tür – mit seinem Rücken der Tür zugewandt – auf, dass die Nebenklägerin am Angeklagten hätte vorbeigehen müssen, um die Küche verlassen zu können. Die Nebenklägerin stand schräg vor dem Angeklagten mit dem Rücken zur Tür der von der Küche abgehenden Toilette. Dabei hielt sie demonstrativ ihre beiden Hände hinter ihrem Rücken verschränkt. Die sich anschließende Aufforderung des Angeklagten, ihm „einen zu blasen“, lehnte die Nebenklägerin für den Angeklagten deutlich hörbar mit der Begründung ab, dass sie das nicht mache, da sie einen Freund habe. Gleichwohl nahm der Angeklagte mit seiner Hand einen der beiden hinter dem Rücken der Nebenklägerin verschränkten Arme und versuchte, ihn nach vorne in Richtung seines Gliedes zu führen. Da der Angeklagte nur wenig Kraft aufwendete, konnte die Nebenklägerin ihre Hände hinter dem Rücken verschränkt halten. Daraufhin verlangte der Angeklagte, der zwischenzeitlich sein nicht erigiertes Glied aus seiner Hose geholt hatte, mehrfach von der Nebenklägerin, dass sie sein Glied noch einmal küssen und in den Mund nehmen solle. Vom Angeklagten wahrgenommen erwiderte die Nebenklägerin, dass sie das nicht möchte. Trotzdem drängte der Angeklagte im Folgenden weiter verbal darauf, dass die Nebenklägerin seinen Penis nochmals küssen und in den Mund nehmen solle, und äußerte, dass dies das letzte Mal sei und er danach aufhören werde. Währenddessen hielt er sein nicht erigiertes Glied in einer Hand. Obwohl sie dies weiterhin ablehnte, gab die Nebenklägerin sodann aus Furcht vor einer Verschlechterung des beruflichen Verhältnisses zum Angeklagten und in der Hoffnung, er werde sie künftig nicht weiter belästigen, seinem entblößten Glied einen Kuss und nahm die Hälfte seines weiterhin nicht erigierten Gliedes für ein bis zwei Sekunden in den Mund, wobei der Angeklagte den entgegenstehenden Willen der Nebenklägerin zumindest für möglich hielt und billigend in Kauf nahm. Dabei beugte sich die Nebenklägerin im Stehen nach vorne, ohne dass sie mit ihren Händen das Glied, das der Angeklagte fortwährend in seiner Hand hielt, berührte. Der Angeklagte seinerseits berührte die Nebenklägerin währenddessen nicht weiter. Nachdem sie sein Glied für einen kurzen Moment in den Mund genommen hatte, hörte die Nebenklägerin sogleich wieder auf und sagte zum Angeklagten, dass dies reiche. Als der Angeklagte, der nicht zum Samenerguss gekommen war, die Fortsetzung des Oralverkehrs mit dem Hinweis darauf, dass er „jetzt aber müsse“, verlangte, erwiderte die Nebenklägerin, dass er sich dann „einen runterholen“ müsse.
Der Angeklagte, der mittlerweile seine Hose hochgezogen hatte, legte sodann seine beiden Händen zunächst auf die Schulter der Nebenklägerin – die weiterhin Körperkontakt zu ihm ablehnte -, fasste sie anschließend mit den Händen leicht am Gesicht und küsste sie zum Abschied kurz auf den Mund, wobei er den entgegenstehenden Willen der Nebenklägerin wiederum jedenfalls für möglich hielt und billigend in Kauf nahm. Bei diesem Kuss drang der Angeklagte für kurze Zeit mit seiner Zunge in den Mundraum der regungslosen Nebenklägerin ein.
Anschließend machte der Angeklagte die Küchentür auf und ging in den Vorraum hinaus, wobei er laut von einer Abrechnung sprach, um die sexualbezogenen Geschehnisse in der Küche zu verschleiern. Hiernach verließ er umgehend den Außenstützpunkt, ohne sich von der Zeugin G. zu verabschieden. Die Nebenklägerin ging in das Büro zurück und setzte dort ihre Arbeitstätigkeit fort.
Mit am 07. Februar 2017 eingegangenem Schreiben ihres Bevollmächtigten vom selben Tage ließ die Nebenklägerin Strafantrag stellen.
3. Die Folgen der Tat
In den Folgetagen ging es der Nebenklägerin wegen der verfahrensgegenständlichen Tat psychisch schlecht, sie konnte deswegen ihrer Arbeitstätigkeit nicht mehr ordentlich nachkommen. Am Abend des 23. Dezember 2016 brach sie psychisch zusammen. Im Januar 2017 war sie deshalb für mehrere Wochen krankgeschrieben. Bis kurz vor der Hauptverhandlung erlitt sie wegen des Vorfalls vom 20. Dezember 2016 während der Verrichtung ihres Dienstes im Palliativzentrum in unregelmäßigen Abständen Weinkrämpfe. Auch aufgrund der hervorgerufenen Schlafstörungen befindet sich die Geschädigte K. seit Anfang Januar 2017 in therapeutischer Behandlung. Gleichwohl ist ihr eine vollständige Aufarbeitung der Tat und der vorangegangenen sexualbezogenen Kontakte zum Angeklagten noch nicht gelungen.
4. Offenbarung der Tat gegenüber Dritten
Die Nebenklägerin erwähnte erstmals am 23. Dezember 2016 gegenüber ihrer unmittelbaren Vorgesetzten, der Zeugin R. – allgemein gehalten -, dass der Angeklagte ihr körperlich zu nahe gekommen sei, nachdem sie von R. auf der Arbeit angesprochen worden war, ob mit ihr etwas nicht stimme.
Am Abend desselben Tages vertraute sich die Nebenklägerin ihrem Lebensgefährten, dem Zeugen B., an, dem sie sowohl vom Geschehen am 20. Dezember 2016 als auch von den von ihr innerlich abgelehnten vorherigen sexuellen Kontakten zum Angeklagten erzählte.
Am Folgetag, 24. Dezember 2016, berichtete sie im Rahmen eines längeren Gesprächs der Zeugin R., dass es über einen längeren Zeitraum zu vier bis fünf sexuellen Kontakten in Form von Oralverkehr mit dem Angeklagten gekommen sei und schilderte dabei auch die wesentlichen Umstände des Vorfalls vom 20. Dezember 2016.
Wenige Tage später offenbarte die Nebenklägerin die Geschehnisse einer weiteren Kollegin, der Zeugin H. Sie schilderte dabei sowohl dass drängende Verhalten des Angeklagten in der Vergangenheit als auch die Geschehnisse beim letzten Vorfall in N. Eine weitere Schilderung erfolgte Ende Dezember 2016 gegenüber dem Pflegedienstleiter, dem Zeugen S.
Am 04. Januar 2017 ließ die Nebenklägerin sich – gemeinsam mit den Zeuginnen R., H. und K. – anwaltlich beraten, wobei die Nebenklägerin zu diesem Zeitpunkt die Erstattung einer Strafanzeige ablehnte.
Am 04. Januar 2017 schilderte die Nebenklägerin gegenüber dem Leiter des Klinikums B., dem Zeugen F., und dem Leiter der Personalabteilung, dem Zeugen W., erneut, dass es mehrfach, letztmals am 20. Dezember 2016, sexualbezogene Kontakte mit dem Angeklagten gegeben habe. Eine Strafanzeige wollte die Nebenklägerin zu diesem Zeitpunkt nicht stellen.
Nachdem infolge von am 10./11. Januar 2017 erschienenen Pressveröffentlichungen über die Freistellung und das Hausverbot des Angeklagten am 11. Januar 2017 ein Ermittlungsverfahren von Amts wegen eingeleitet worden war, wurde die Nebenklägerin am 12. Januar 2017 zuhause von der Kriminalpolizei – für sie völlig überraschend – abgeholt und es kam in den polizeilichen Diensträumlichkeiten zu einer Vernehmung, in der sie dem Vernehmungsbeamten auch den Vorfall vom 20. Dezember 2016 detailliert schilderte.
III. Beweiswürdigung
In der Hauptverhandlung hat keine Verständigung zwischen den Verfahrensbeteiligten im Sinne des § 257c StPO stattgefunden. Die getroffenen Feststellungen der Kammer beruhen auf dem Beweisergebnis der durchgeführten Hauptverhandlung (…).
Die Feststellungen zu den unmittelbaren Tatgeschehnissen beruhen auf dem Ergebnis der umfassenden Beweisaufnahme, insbesondere auf den glaubhaften und widerspruchsfreien Bekundungen der Nebenklägerin, der Zeugin K. (…)
Die von der Nebenklägerin angeführte Motivationslage, warum sie trotz ihres Widerwillens am 20. Dezember 2016 letztlich doch dem Drängen des Angeklagten nachgegeben habe und es zum kurzen Kontakt ihres Mundes mit seinem Glied gekommen sei, – Angst vor beruflichen Nachteilen im Falle einer Zurückweisung des Angeklagten und Hoffnung, dass er danach weitere sexuelle Annäherungen unterlasse – wird gestützt durch die von der Kammer gewonnene Erkenntnis, dass die Nebenklägerin dem Angeklagten gegenüber jedenfalls faktisch umfassend weisungsgebunden war und er als leitender Chefarzt auch auf ihre berufliche Tätigkeit Einfluss hätte nehmen können. Dass sich die betroffenen Pflegekräfte durch die sexualisierten Kontaktaufnahmeversuche des Angeklagten mitunter unter Druck gesetzt fühlten und Angst vor beruflichen Nachteilen im Falle einer dem Angeklagten ungenehmen Reaktion hatten, so dass sie auf seine sexualisierten Ansinnen – obschon mit innerlichem Widerwillen – zunächst „wunschgemäß“ reagierten, wird zudem durch die glaubhaften und widerspruchsfeien Angaben der Zeuginnen Kn. und H. bestätigt, ohne dass insofern die Angaben der Zeuginnen R. und U. entgegenstehen.
Ebenso nachvollziehbar, wenn nicht gar naheliegend, ist die Befolgung der vor der mitanwesenden Kollegin G. ausgesprochenen Aufforderung des Angeklagten, er müsse die Nebenklägerin wegen einer Abrechnung in der Küche sprechen, da sich die weisungsgebundene Nebenklägerin einer – wenn auch nur vorgeschobenen, doch gegenüber Dritten so verlautbarten – dienstlichen Anweisung des Angeklagten nicht ohne Weiteres entziehen hätte können, ohne dass dies vor der anwesenden Kollegin G. auffällig gewesen wäre.
Gleichermaßen plausibel sind die von der Nebenklägerin angeführten Erwägungen, warum sie am 20. Dezember 2016 zum ersten Mal offen ihren Widerwillen zeigte, nämlich, da sie sich nunmehr wieder in einer Beziehung befinde und ein beruflicher Wechsel des Angeklagten nach D. im Raum stand, was jeweils unstreitig ist. Dass die Nebenklägerin in Bezug auf den Angeklagten einen „Schlussstrich“ ziehen und ihre neue Beziehung nicht mit außerpartnerschaftlichen intimen Kontakten belasten wollte, ist einleuchtend. Dass eine berufliche Veränderung des Angeklagten an das Klinikum D. bereits Mitte Dezember 2016 ernsthaft in Betracht kam, wird vom ihm selbst eingeräumt, ebenso wie der Umstand, dass hiervon mehrere Mitarbeiter, unter anderem die Nebenklägerin, informiert waren. Würde sich der Angeklagte örtlich verändern und die Stelle wechseln, wäre eine Einflussmöglichkeit des Angeklagten auf das berufliche Fortkommen der Nebenklägerin kaum mehr gegeben, so dass der Anlass für ihre Sorge – Furcht vor beruflichen Nachteilen im Falle seiner Zurückweisung – wegfallen würde.
Weiterhin ist die Ambivalenz, dass die Nebenklägerin trotz des von ihr geäußerten Widerwillens dem massiven Drängen des Angeklagten für einen kurzen Moment Folge leistete, für das Gericht damit schlüssig auflösbar, dass sie letztlich in ihr „altes Verhaltensmuster“ verfiel: Sie berührte mit ihrem Mund für einen kurzen Moment sein Geschlechtsteil zur Erfüllung seiner Forderung trotz ihres unverändert entgegenstehenden Willens aus Angst vor beruflichen Nachteilen und in der Hoffnung, der Angeklagte belästige sie danach nicht mehr weiter. Bei Würdigung der Gesamtumstände befand sich die Nebenklägerin durchaus in einer objektiv und erst recht subjektiv nachvollziehbaren Drucksituation im Rahmen eines dynamischen Geschehens, die sich aus Folgendem ergibt: Der Angeklagte, der als leitender Chefarzt an der Spitze des klinischen Betriebs, in dem sie arbeitete, stand, gegenüber dem sie weisungsabhängig war und der ihr körperlich überlegen war, bedrängte sie am Arbeitsplatz massiv verbal und auch körperlich (durch den Versuch, ihre Hand an sein Glied zu ziehen) und forderte von ihr trotz ihres zum Ausdruck gebrachten verbalen und körperlichen Widerstandes beharrend die Ausübung von Oralverkehr. In concreto verlangte er von ihr – zumal mit bereits entblößtem Glied vor ihr stehend – mehrfach, sie solle sein Glied noch einmal küssen und in den Mund nehmen, danach werde er aufhören. Hinzu kommt, dass sie sich der konkreten Situation in der Küche nicht ohne Weiteres entziehen konnte, da der Angeklagte vor der geschlossenen Ausgangstür stand. Außerdem konnte die Nebenklägerin nicht mit Sicherheit davon ausgehen, dass der Angeklagte tatsächlich den im Raum stehenden beruflichen Wechsel nach D. vollzieht, ebenso wie für sie unklar war, wann genau der etwaige Wechsel vonstattengehen würde. Nach ihrem Vorstellungsbild waren daher im Falle ihrer völligen Verweigerung negative Folgen für ihr berufliches Verhältnis zum Angeklagten nicht auszuschließen. Darüber hinaus war die Wortwahl des Angeklagten („noch einmal küssen und in den Mund nehmen, dann höre ich auf, versprochen“) dazu geeignet, die Hoffnung der Nebenklägerin zu begründen, er unterlasse künftig seine für sie inakzeptablen sexualbezogenen Forderungen, wenn sie seinem Verlangen noch ein letztes Mal nachkomme. Dass die Nebenklägerin unter diesen sie bedrückenden und bedrängenden Umständen trotz entgegenstehenden Willens der Forderung des Angeklagten nach einem intimen Kontakt in der verlangten Weise („noch einmal küssen und in den Mund nehmen“) jedenfalls für eine kurze Zeit nachkam, um sich auf die Erfüllung seiner Forderung berufen und damit die sie belastende Situation beenden zu können („das reicht“), ist aus Sicht der Kammer letztlich nicht widersprüchlich.
In diesem Zusammenhang verkennt die Kammer freilich nicht, dass auch die „Version“ des Angeklagten („nachdem sie sein Glied zweimal geküsst habe, habe sie erstmals – für ihn völlig überraschend – geäußert: ‚Mehr gibt’s net!‘, da sie in einer Beziehung sei.“) nicht zwingend unstimmig ist: So ist es etwa denkbar, dass der Gesinnungswandel der Nebenklägerin mit Blick auf ihre bestehende Beziehung erst während des beginnenden, zunächst auch von ihr angestrebten, intimen Kontaktes eingetreten sein könnte. Aus den vorstehenden und nachfolgenden Erwägungen ist die Kammer indes vom Wahrheitsgehalt der Darstellung der Nebenklägerin überzeugt (…).
Feststellungen zum subjektiven Tatbestand:
Die Kammer ist angesichts der Gesamtumstände davon überzeugt, dass der Angeklagte zum Zeitpunkt der Berührung seines Geschlechtsteils durch die Nebenklägerin sowie zum Zeitpunkt des danach von ihm ausgeführten Kusses auf den Mund der Nebenklägerin ihren (fortbestehenden) entgegenstehenden Willen zumindest für möglich hielt und billigend in Kauf nahm und sich über diesen zur Durchsetzung seiner Interessen hinwegsetzte („na wenn schon“).
aa) Bereits im September 2016 hatte die Nebenklägerin dem Angeklagten mitgeteilt, dass sie sich in einer neuen Beziehung befinde. Bis zum 20. Dezember 2016 war es deshalb auch zu keinen sexuellen Annäherungen des Angeklagten mehr gekommen, ebenso wenig wie die Nebenklägerin dahingehende Signale ausgesendet hatte.
Am 20. Dezember 2016 im Außenstützpunkt N. berührte der Angeklagte die telefonierende Nebenklägerin zunächst unvermittelt im Nackenbereich und griff ihr unter das Oberteil, ohne dass sie jedoch auf seine Berührungen einging. Zu Beginn der Zusammenkunft in der Küche stellte die Nebenklägerin auf sein Verlangen nach Oralverkehr hin klar, dass sie keinen Oralverkehr an ihm ausüben wolle, da sie sich in einer Beziehung befinde. Auch körperlich zeigte sie ihren Widerwillen, indem sie ihre Hände auf dem Rücken verschränkt hielt und durch Kraftaufwendung den Versuch des Angeklagten, ihre Hand vorzuziehen und an sein Glied zu führen, abwehrte. Als der Angeklagte sie dennoch weiter zum Oralverkehr aufforderte, brachte die Nebenklägerin abermals verbal zum Ausdruck, dass sie dies nicht möchte.
Vor diesem Hintergrund ist die Kammer überzeugt, dass die dezidiert und nachhaltig geäußerte ablehnende Haltung der Nebenklägerin dem Angeklagten nicht verborgen geblieben ist. Die vorbezeichneten Gesamtumstände tragen die Überzeugung der Kammer, dass der Angeklagte trotz seines naheliegenden Zustandes der sexuellen Erregung auch in dem kurzen maßgeblichen Moment, als es nach seinem fortgesetzten verbalen Drängen („Noch einmal küssen und in den Mund nehmen, dann höre ich damit auf, versprochen“) zum eigentlichen Intimkontakt (Berührung des Geschlechtsteils durch den Mund der Nebenklägerin) kam, es für möglich hielt, dass dem nicht die Aufgabe des entgegenstehenden Willens der Nebenklägerin, sondern ihr Nachgeben als Ausweg aus der sie bedrückenden Lage zur Beendigung seines sexuellen Bedrängens unter Beibehaltung ihrer ablehnenden Haltung zugrunde liegt. Zur Durchsetzung seiner sexuellen Interessen (Bedienung mit Oralverkehr), denen ein aktiver Beitrag der Nebenklägerin immanent war, nahm er indes letzteres zumindest billigend in Kauf. Zu berücksichtigen war dabei insbesondere der Umstand, dass es keinerlei Änderung in der Motivationslage der Nebenklägerin – sie wolle es nicht wegen ihres neuen Freundes – gab; die Beziehung der Nebenklägerin bestand unverändert fort.
Hinsichtlich des nachfolgenden Kusses wurde der erkennbar fortgesetzt entgegenstehende Wille der Nebenklägerin auch dadurch offenbar, dass der sexuelle Kontakt nur ausgesprochen kurze Zeit (ein bis zwei Sekunden) andauerte und die Nebenklägerin anschließend wiederum ihren Widerstand („Das reicht“) verbal kommunizierte. Angesichts des unmittelbar vorher geäußerten Widerwillens und der nur kurzen Dauer des Intimkontakts konnte der Angeklagte nicht davon ausgehen, die Nebenklägerin habe ihre Einstellung geändert und sei nunmehr mit einem Kuss einverstanden. Ihr kontinuierlicher Widerwille trat schließlich auch darin zutage, dass sie auf das erneute Drängen des Angeklagten („Er müsse jetzt aber“) abermals ablehnend („Dann müssen Sie sich einen runter holen“) reagierte.
Unter diesen Umständen – vorherige mehrfach zum Ausdruck gebrachte (verbale) Ablehnung von Körperkontakt zum Angeklagten – ist aus Sicht der Kammer der Schluss zu ziehen, dass der Angeklagte auch während des hiernach einseitig von ihm ausgehenden Kusses auf den Mund der Nebenklägerin zumindest mit ihrem (fortgesetzten) entgegenstehenden Willen rechnete und sich über diesen billigend hinwegsetzte.
Kritisch beleuchtet hat die Kammer dabei einen möglicherweise vorsatzausschließenden Einfluss der vorangegangenen Oralsexualkontakte zwischen den Beteiligten, in deren Rahmen die Nebenklägerin am Angeklagten Oralverkehr bis zum Samenerguss ausgeübt hatte, ohne dass sie ihren entgegenstehenden Willen zum Ausdruck gebracht hatte, auf das Vorstellungsbildes des Angeklagten zum maßgeblichen Zeitpunkt der gegenständlichen Sexualkontakte. Gleichermaßen kritische Prüfung bei Würdigung des Vorstellungsbildes des Angeklagten hat der Umstand erfahren, dass die Nebenklägerin auf die Aufforderung des Angeklagten hin, sie wegen einer Abrechnung in der Küche sprechen zu müssen, ihm ohne Bekundung von Widerwillen in die Küche gefolgt war, obwohl der Nebenklägerin sein tatsächliches Ansinnen – Verlangen nach Oralverkehr – aus früheren sexuellen Begegnungen bekannt war. Den genannten Umständen kommt jedoch in Ansehung der überholenden Entwicklung des Geschehens in der Küche (verbal und körperlich eindeutig zum Ausdruck gebrachte ablehnende Haltung der Nebenklägerin) in Bezug auf den tatrelevanten Vorstellungshorizont des Angeklagten keine ausschlaggebende Bedeutung zu, da ihm im maßgeblichen Zeitpunkt der klar geäußerte Widerwille der Nebenklägerin bekannt war.
bb) Hingegen verblieben aus Sicht der Kammer in Anwendung des Grundsatzes „in dubio pro reo“ restliche Zweifel daran, dass der an die Nebenklägerin gerichteten Aufforderung des Angeklagten, sie solle das letzte Mal Oralverkehr an ihm ausführen, er verspreche, danach damit aufzuhören, nach dem subjektiven Vorstellungsbild des Angeklagten Drohqualität zukommen sollte. Eine solche könnte der von ihm verwendeten Wortwahl dahingehend beizumessen sein, dass er der Nebenklägerin mit der Fortsetzung seines – ihr unerwünschten – sexuellen Drängens in der Zukunft für den Fall drohte, dass sie ihn nicht umgehend mit Oralverkehr bediene. Indessen ließe sich die nämliche Wortwahl nach dem Vorstellungsbild des Angeklagten im Rahmen des dynamischen Geschehens auch als „Höhepunkt“ seines ausschließlich auf die Gegenwart bezogenen, von Erregung geprägten Drängens erklären, ohne dass damit zwingend die Inaussichtstellung eines Bedrohungsszenarios für die Zukunft in Form der Fortsetzung von unerwünschtem sexuellen Bedrängen verbunden sein sollte. Jedenfalls steht insoweit aus Sicht der Kammer nicht mit der erforderlichen Sicherheit fest, dass der Angeklagte es subjektiv für möglich hielt und billigte, dass die Nebenklägerin durch die Furcht vor der Realisierung eines empfindlichen künftigen Übels (weiteres Bedrängen in der Zukunft) zur Zurückstellung ihres entgegenstehenden Willens im gegenwärtigen Moment (nötigungsbedingter Verzicht auf weitere Ablehnung) bewegt werden sollte. Es verbleiben letztlich Restzweifel daran, ob der Vorsatz des Angeklagten den insoweit erforderlichen Finalzusammenhang umfasste.
Davon unberührt bleibt – wie ausgeführt (oben aa) – die Überzeugung der Kammer, dass der Angeklagte zum maßgeblichen Zeitpunkt der sexualbezogenen Oralkontakte (Berührung seines Gliedes durch den Mund der Nebenklägerin und Kuss auf ihren Mund durch den Angeklagten) mit dem kontinuierlich entgegenstehenden Willen der Nebenklägerin rechnete und diesen gleichwohl billigte.
cc) Demgegenüber konnte sich die Kammer keine abschließende Überzeugung davon bilden, dass der Angeklagte zum Zeitpunkt des den Geschehnissen in der Küche vorgelagerten Streichelns des Nackenbereichs des Nebenklägerin und des Griffes unter ihr T-Shirt ihre fehlende Zustimmung zumindest billigend in Kauf nahm. In Anbetracht der – wenn auch längere Zeit zurückliegenden – vorangegangenen sexualbezogenen Kontakte mit der Nebenklägerin, die in der Ausübung von Oralverkehr an ihm bei mindestens vier Gelegenheiten mündeten, ohne dass die Nebenklägerin bisher ihren Widerwillen unmissverständlich kommuniziert hatte, kann in Anwendung des Zweifelssatzes nicht ausgeschlossen werden, dass der Angeklagte zu diesem Zeitpunkt noch in der Annahme handelte, die Nebenklägerin stimme diesen Berührungen als willkommener Ausdruck seiner Wertschätzung und sexuellen Werbung zu.
IV. Rechtliche Würdigung
Indem der Angeklagten am 20. Dezember 2016 zur Befriedigung seiner sexuellen Interessen die Nebenklägerin gegen ihren erkennbaren Willen dazu veranlasste, mit ihrem Mund sein Geschlechtsteil zu berühren, hat er sich des sexuellen Übergriffs gemäß § 177 Abs. 1 StGB in der Fassung des am 10. November 2016 in Kraft getretenen Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung vom 04. November 2016 (BGBl. I S. 2460 ff.) strafbar gemacht.
Voranzustellen ist, dass in Anbetracht der umfassenden gerichtlichen Kognitionsbefugnis und -pflicht hinsichtlich der in Rede stehenden prozessualen Tat (vgl. § 264 StPO) eine Strafbarkeit unter den Gesichtspunkten der §§ 177, 184i StGB in Bezug auf die drei festgestellten sexualbezogenen Teilhandlungen zu prüfen war, nämlich vorgelagerte Körperberührungen (Streicheln des Nackenbereichs der Nebenklägerin und Griff unter ihr Oberteil) durch den Angeklagten (unten 1), oraler Kontakt mit dem Glied des Angeklagten durch die Nebenklägerin (unten 2) sowie anschließender Kuss des Angeklagten auf den Mund der Nebenklägerin (unten 3).
Ausgangspunkt der rechtlichen Würdigung ist, dass eine Strafbarkeit nach § 177 Abs. 1 StGB voraussetzt, dass eine sexuelle Handlung im Sinne von § 184h Nr. 1 StGB vorliegt, d.h. dass die sexualbezogene Handlung im Hinblick auf das jeweils geschützte Rechtsgut von einiger Erheblichkeit ist. Ist diese vorausgesetzte Erheblichkeitsgrenze nicht erreicht, kommt eine Strafbarkeit nach dem ebenfalls seit 10. November 2016 geltenden neuen Straftatbestand der sexuellen Belästigung gemäß der Vorschrift des § 184i Abs. 1 StGB in Betracht (vgl. BT-Dr. 19/9097, 21), nach der sich strafbar macht, wer eine andere Person in sexuell bestimmter Weise körperlich berührt und dadurch belästigt.
1. Berührung des Nackenbereichs und Griff unter das Oberteil
Unter Anwendung dieser Grundsätze ist das dem Geschehen in der Küche vorgelagerte Streicheln des Nackenbereichs der Nebenklägerin durch den Angeklagten im Büroraum und sein kurzer Griff unter ihr Oberteil nicht strafbar. Mit Blick auf § 177 Abs. 1 StGB fehlt es bereits an einer sexualbezogenen Handlung von einiger Erheblichkeit im Sinne des § 184h Nr. 1 StGB (siehe Fischer, StGB, 65. Auflage 2017, § 184h Rn. 5 ff.), zumal konkrete Feststellungen dazu, ob und in welcher Intensität der Angeklagte dabei den Brustbereich der Nebenklägerin berührte, nicht getroffen werden konnten. Im Zusammenhang mit einer denkbaren Strafbarkeit nach § 184i Abs. 1 StGB fehlt es nicht ausschließbar am erforderlichen „Belästigungsvorsatz“ (vgl. Fischer, StGB, 65. Auflage 2017, § 184i Rn. 8 f.).
2. Oraler Kontakt der Nebenklägerin mit dem Glied des Angeklagten
Indem der Angeklagte die Nebenklägerin gegen ihren erkennbar entgegenstehenden Willen dazu veranlasste, seinem Geschlechtsteil einen Kuss zu versetzen und dieses kurz in den Mund zu nehmen, hat er sich des sexuellen Übergriffs nach § 177 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
Nach § 177 Abs. 1 StGB macht sich in der vorliegend allein einschlägigen zweiten Handlungsalternative strafbar, wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen von ihr (an sich) vornehmen lässt.
a) aa) In objektiver Hinsicht ist maßgeblich der erkennbare entgegenstehende Wille des Opfers. Die Überwindung von Widerstand des Opfers durch den Täter durch Nötigungsmittel (Gewalt oder Drohung) ist nicht mehr zwingende Bedingung der Strafbarkeit. Der strafrechtliche Schutz des Rechtsguts der sexuellen Selbstbestimmung darf nach dem Willen des Gesetzgebers nicht davon abhängen, ob das Opfer es, gegebenenfalls unter hohen Risiken und ohne konkrete Erfolgsaussichten, gegen den Täter verteidigt oder dies zumindest versucht. Setzt sich der Täter über den erkennbaren entgegenstehenden Willen des Opfers hinweg, verletzt er bereits hierdurch und unabhängig von der Motivlage oder etwaigen Verteidigungshandlungen des Opfers dessen Recht auf sexuelle Selbstbestimmung. Im Grundsatz muss ein „Nein“ des Opfers ausreichen und akzeptiert werden (BT-Dr. 19/9097, 21, Hörnle, NStZ 2017, 13). Der Verzicht auf Nötigungselemente gründet im Schutz der freien Entscheidung über das „Ob“, das „Wann“ und das „Wie“ einer sexuellen Begegnung (Renzikowski, NJW 2015, 3553).
Ob der entgegenstehende Wille des Opfers erkennbar ist, ist aus der Sicht eines objektiven Dritten zu beurteilen. Für diesen ist der entgegenstehende Wille erkennbar, wenn das Opfer ihn zum Tatzeitpunkt entweder ausdrücklich (verbal) erklärt oder konkludent (zum Beispiel durch Weinen oder Abwehren der sexuellen Handlung) zum Ausdruck bringt. Unerheblich ist, aus welchen Gründen das Opfer die sexuelle Handlung ablehnt. Der bloße innere Vorbehalt des Opfers ist jedoch nicht maßgeblich. Von jeder Person kann erwartet werden, ihren Willen eindeutig und klar auszudrücken. Das Tatopfer muss seinen entgegenstehenden Willen somit tatsächlich in einer ausdrücklichen oder konkludenten Äußerungshandlung zum Ausdruck gebracht haben (BT-Dr. 19/9097, 22 f., Hörnle, NStZ 2017, 13, 15; Renzikowski, NJW 2015, 3553, 3554; Fischer, StGB, 65. Auflage 2017, § 177 Rn. 12).
Für eine Strafbarkeit nach § 177 Abs. 1 StGB ist danach zu verlangen, dass das Gesamtverhalten des Opfers eindeutig und konsistent Ablehnung signalisiert. Ergibt sich aus der Beobachterperspektive dagegen ein ambivalentes Bild, ist Strafbarkeit zu verneinen. Eine aktive Mitwirkung des Opfers kann Ambivalenz erzeugen, dies muss aber nicht der Fall sein (vgl. BT-Dr. 19/9097, 23; Hörnle, NStZ 2017, 13, 15). Im Falle einer Beziehungsgemengelage sind die gesamten Hintergründe der Situation und der Beziehung zu berücksichtigen (vgl. Renzikowski, NJW 2015, 3553, 3554).
Voranzustellen ist im Zusammenhang mit der vorliegend allein in Betracht kommenden Konstellation der zweiten Handlungsvariante des § 177 Abs. 1 StGB (der Täter lässt an sich eine sexuelle Handlung gegen den erkennbaren Willen des Opfers ausführen), dass dieser Variante bereits tatbestandsmäßig eine gewisse Ambivalenz (aktive Mitwirkung des Opfers gegen den erkennbaren Willen ohne Nötigung des Täters) innewohnt (vgl. dazu Fischer, StGB, 65. Auflage 2017, § 177 Rn. 8 und 15, der verkennt, dass diese Ambivalenz in Konstellationen wie der hiesigen auflösbar ist.
bb) Konkret stellt hier der offenkundig sexuell geprägte Kontakt des Mundes der Nebenklägerin mit dem – zumal entblößten – männlichen Geschlechtsteil unzweifelhaft eine sexuelle Handlung von einigem Gewicht im Hinblick auf das geschützte Rechtsgut der sexuellen Selbstbestimmung der Nebenklägerin dar (vgl. dazu Fischer, StGB, 65. Auflage 2017, § 184h Rn. 5 f.).
In Anbetracht der Gesamtumstände war zum maßgeblichen Zeitpunkt des kurzen oralen Kontaktes zwischen Glied des Angeklagten und Mund der Nebenklägerin ihr weiterhin entgegenstehender Wille aus der Perspektive eines objektiven Dritten erkennbar: Die Nebenklägerin hatte verbal (zweimal klares „Nein“) und körperlich (Widerstand gegen den Versuch des Angeklagten, ihre auf dem Rücken verschränkte Hand an sein Glied zu führen) eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass sie sexuellen Kontakt zum Angeklagten in der maßgebenden konkreten Situation ablehnte. Allein aufgrund der vom Angeklagten veranlassten, nach außen zutage tretenden Drucksituation (massives fortgesetztes verbales Drängen des Angeklagten trotz geäußerten Widerwillens der Nebenklägerin; Bedrängen der gegenüber dem Angeklagten weisungsgebundenen Nebenklägerin am Arbeitsplatz und Standpunkt des Angeklagten vor der geschlossenen Ausgangstür, d.h. Ausnutzen einer besonderen Umgebung, der sich die Nebenklägerin nicht ohne Weiteres entziehen konnte) übte diese den Intimkontakt für ganz kurze Zeit (ein bis zwei Sekunden) aus, um hierauf sogleich wieder Widerstand verbal zu bekunden („Das reicht“). Unter diesen Umständen stellt sich die kurzfristige aktive Mitwirkung der Nebenklägerin aus Sicht eines objektiven Betrachters nicht als Aufgabe ihres zunächst entgegenstehenden Willens als Erfolg der kommunikativen Bemühungen des Angeklagten im Sinne eines „Überredens“ oder „Zuredens“ dar. Vielmehr ist ihre gefestigte ablehnende Haltung durchgehend erkennbar.
b) In subjektiver Hinsicht setzt § 177 Abs. 1 StGB Vorsatz voraus, vgl. § 15 StGB. Der subjektive Tatbestand ist danach jedenfalls erfüllt, wenn es der Täter zumindest billigend in Kauf nimmt, dass die sexuelle Handlung gegen den objektiv erkennbaren entgegenstehenden Willen des Opfers geschieht (vgl. Hörnle, NStZ 2017, 13, 15; Fischer, StGB, 65. Auflage 2017, § 177 Rn. 16).
Dadurch, dass der Angeklagte den fortbestehenden Widerwillen der Nebenklägerin zu diesem Zeitpunkt für möglich hielt und billigend in Kauf nahm, sich zur Durchsetzung seiner sexuellen Interessen jedoch hierüber hinwegsetzte, erfüllte er den subjektiven Tatbestand des § 177 Abs. 1 StGB. Er handelte jedenfalls mit bedingtem Vorsatz. Ebenso war dem Angeklagten der sexuelle Charakter dieses Kontaktes bekannt, ging es ihm doch unstreitig um die Befriedigung seiner sexuellen Bedürfnisse.
c) Entgegen der Annahme des Anklagevorwurfes sind jedoch die Voraussetzungen des § 177 Abs. 2 Nr. 4 und Nr. 5 StGB nicht verwirklicht, da die Kammer jedenfalls keinen erforderlichen „Nötigungsvorsatz“ des Angeklagten festzustellen vermochte. Unbeschadet dessen schließt sich die Kammer in jedem Fall der Auffassung an, wonach für das Verhältnis von § 177 Abs. 1 und Abs. 2 StGB vom Vorrang des Absatzes 1 auszugehen ist (vgl. Hörnle, NStZ 2017, 13, 16). § 177 Abs. 2 StGB regelt nach dem gesetzgeberischen Willen allein die Konstellationen, in denen die Äußerung eines entgegenstehenden Willens dem Opfer nicht zuzumuten oder faktisch nicht möglich ist. § 177 Abs. 2 StGB setzt hiernach voraus, dass ein der sexuellen Handlung entgegenstehender Wille des Opfers nicht erkennbar ist (vgl. BT-Dr. 19/9097, 23). Wurde Ablehnung tatsächlich (erkennbar) kommuniziert und ist mithin § 177 Abs. 1 StGB einschlägig, muss jedenfalls für die Tatbestandsmäßigkeit nicht mehr geprüft werden, ob ein Fall des § 177 Abs. 2 StGB vorliegt (so auch Hörnle, NStZ 2017, 13, 16).
3. Kuss auf den Mund der Nebenklägerin durch den Angeklagten
Indem der Angeklagte im Anschluss an den oralen Gliedkontakt die Nebenklägerin mit beiden Händen an die Schulter fasste, ihr Gesicht leicht mit beiden Händen festhielt und ihr währenddessen einen einseitigen kurzen Kuss gab, wobei seine Zunge in ihren Mundraum eindrang, hat sich der Angeklagte der sexuellen Belästigung nach § 184i Abs. 1 StGB strafbar gemacht. Da die Nebenklägerin unter dem 07. Februar 2017 form- und fristgerecht Strafantrag gestellt hat, ist diese Tat auch verfolgbar, § 184i Abs. 3 StGB.
a) In Anbetracht der Umstände des Einzelfalls ist der einseitig vom Angeklagten ausgehende Kuss auf den Mund der Nebenklägerin, auch wenn dieser mit einem Eindringen in den Mund der Nebenklägerin verbunden war, nicht als sexualbezogene Handlung von einiger Erheblichkeit im Sinne des § 184h Nr. 1 StGB zu qualifizieren. Daher scheidet insoweit eine Strafbarkeit nach § 177 Abs. 1 Handlungsvariante 1 StGB von vornherein aus, obschon der Angeklagte auch insoweit sich zumindest bedingt vorsätzlich über ihren aus objektiver Beobachterperspektive erkennbar weiterhin entgegenstehenden Willen hinwegsetzte. Aus derselben Erwägung scheidet eine Strafbarkeit nach § 177 Abs. 5 Nr. 1 StGB n.F. von vornherein aus, unbeschadet dessen, dass angesichts der festgestellten nur geringen Kraftaufwendung des Angeklagten („leichtes Fassen des Gesichts der Nebenklägerin mit seinen Händen“) keine physische Kraftentfaltung im Sinne einer tatbestandsmäßigen Gewaltanwendung erreicht wurde.
aa) Eine sexuelle Handlungen nach § 184h Nr. 1 StGB setzt voraus, dass diese im Hinblick auf das jeweils geschützte Rechtsgut von einiger Erheblichkeit ist. Ob die Schwelle der Erheblichkeit für das betroffene Rechtsgut überschritten wurde, ist nach Art, Intensität und Dauer der sexualbezogenen Handlung und der Beziehung der Beteiligten untereinander zu beantworten, wobei die gesamten Begleitumstände des Tatgeschehens zu berücksichtigen sind (vgl. BGH NStZ-RR 2007, 12 f.; BGH NStZ 1992, 432; BGH StV 2000, 197; stRspr). Die sexuelle Selbstbestimmung ist am ehesten bei Kontakt an Geschlechtsorganen verletzt. Abhängig von der Einwirkungsintensität im Einzelfall können aber auch Berührungen an anderen Körperregionen die Schwelle der Erheblichkeit überschreiten. Ein Kuss kann dabei bei erwachsenen Personen verschiedenen Geschlechts nicht stets und ohne Rücksicht auf die Begleitumstände als sexuelle Handlung von einiger Erheblichkeit gewertet werden (BGH NStZ-RR 2007, 12 f.). Dies gilt auch für den Zungenkuss (BGH StrafV 1983, 415 f.; vgl. dazu auch BGH; NStZ-RR 2017, 242). Als maßgebliche Umstände für die vorzunehmende Bewertung kommen insbesondere Intensität und Dauer des Kusses sowie etwaige begleitende Handlungen, wie Berührungen des Körpers, das Verhältnis zwischen Täter und Opfer und die konkrete Tatsituation in Betracht (vgl. OLG München, Urteil vom 20. Oktober 2008 – 5 St RR 180/08 -, Rn. 8, juris; OLG Brandenburg, NStZ-RR 2010, 45 f.).
bb) Vorliegend bedingen die kurze Dauer (wenige Sekunden) und geringe Intensität (kurzes Spüren seiner Zunge im Mundraum) des Zungenkusses, die geringe Intensität der den Kuss begleitenden Handlung (Festhalten des Gesichtes der Nebenklägerin durch den Angeklagten mit leichter Kraftentfaltung), der Umstand des vorangegangenen (abgeschlossenen) Kontakts mit dem Geschlechtsorgan des Angeklagten unter aktiver Mitwirkung der Nebenklägerin sowie die früheren sexuellen Kontakte zwischen den Beteiligten aus Sicht der Kammer eine Einordnung unterhalb der Schwelle der Unrechtsbewertung der §§ 177 Abs. 1, 184h Nr. 1 StGB, zumal der Kuss das Gepräge eines Abschiedskusses aufwies.
b) Demgegenüber verwirklicht der der Nebenklägerin entgegen ihren erkennbaren Willen „aufgedrängte“ Zungenkuss des Angeklagten die Tatbestandsvoraussetzungen der sexuellen Belästigung nach § 184i Abs. 1 StGB. Der Zungenkuss berührte die Nebenklägerin in sexuell bestimmter Weise körperlich. Ihm kommt mit Blick auf das Eindringen in den Körper eines anderen und – hier zusätzlich – mit Blick auf den kurz davor erfolgten Intimkontakt zwischen den Beteiligten ein sexuelles Gepräge zu (vgl. dazu Fischer, StGB, 64. Auflage 2017, § 184i Rn. 4 f.) Da der Zungenkuss gegen den erkennbaren Willen der Nebenklägerin erfolgte, ist hierin auch eine Belästigung im Sinne des § 184i Abs. 1 StGB zu sehen.
Unter den gegebenen Umständen – wiederholt zum Ausdruck gebrachte verbale Ablehnung von Körperkontakt zum Angeklagten seitens der Nebenklägerin – handelte der Angeklagte zumindest mit bedingtem „Belästigungsvorsatz“. Zum Zeitpunkt des einseitig von ihm ausgehenden Kusses auf den Mund der Nebenklägerin hielt er ihren (fortgesetzt) entgegenstehenden Willen zumindest für möglich und setzte sich über diesen billigend hinweg.
4. Konkurrenzen
Der in Bezug auf den Zungenkuss erfüllte § 184i Abs. 1, Abs. 3 StGB tritt im Wege der angeordneten Gesetzeskonkurrenz (vgl. § 184i Abs. 1 a.E.) hinter dem in Bezug auf den oralen Kontakt mit dem Glied des Angeklagten einschlägigen § 177 Abs. 1 StGB zurück. Insoweit ist angesichts des zeitlich, örtlich und situativ unmittelbar zusammenhängenden Geschehens von einer prozessualen Tat auszugehen.
V. Rechtsfolgen
1. Strafrahmenbestimmung
Der Strafrahmen des § 177 Abs. 1 StGB n.F. sieht Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren vor. Im Ergebnis erachtet die Kammer in Anbetracht der außergewöhnlichen Umstände des Einzelfalles die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens des minder schweren Falls nach § 177 Abs. 9 Hs. 1 StGB n.F. für gerechtfertigt, so dass sich der maßgebliche Strafrahmen auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren beläuft.
a) Der Strafrahmen des § 177 Abs. 6 Satz 1 StGB – Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren – kommt nicht zum Tragen, da die Voraussetzungen eines benannten oder unbenannten besonders schweren Falles nicht gegeben sind. Insbesondere sind die Voraussetzungen einer Vergewaltigung (§ 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB) in Anbetracht der besonderen Umstände des Einzelfalls nicht gegeben.
aa) Nach § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB liegt ein besonders schwerer Fall in der Regel vor, wenn der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung).
Der Gesetzgeber bedient sich damit im Hinblick auf die hier allein in Rede stehende zweite Variante der beischlafähnlichen sexuellen Handlungen gleich zweifach der Exemplifikationsmethode, weil nicht nur der besonders schwere Fall durch das Regelbeispiel erläutert, sondern auch die besondere Erniedrigung ihrerseits durch das Merkmal des Eindringens näher konkretisiert wird. Die besondere Erniedrigung als Voraussetzung des Regelbeispiels ist dabei – nicht anders als ein Tatbestandsmerkmal – im Wege der Subsumtion festzustellen. Nur soweit demnach das Regelbeispiel verwirklicht ist, tritt die Indizwirkung für das Vorliegen eines besonders schweren Falles ein. Und erst nach dieser Prüfung ist überhaupt Raum für Strafzumessungserwägungen, sei es, dass die Indizwirkung widerlegt oder ein sonstiger besonders schwerer Fall begründet werden soll (zusammenfassend zum gesetzeswortgleichen alten Recht Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Auflage 2014, § 177 Rn. 20a m.w.N; Fischer, StGB, 65. Auflage 2017, § 177 Rn. 143 f.).
Eine besondere Erniedrigung liegt vor, wenn das Opfer unter Missachtung der Menschenwürde über die Verwirklichung des Grundtatbestandes hinaus zum bloßen Objekt herabgesetzt wird und dies gerade durch die Art und Weise der sexuellen Handlung zum Ausdruck kommt (vgl. Eisele a.a.O.; Fischer, a.a.O. Rn. 150).
Im Fall des Eindringens des männlichen Gliedes in den Mund des Opfers wird in aller Regel die besondere Erniedrigung anzunehmen sein, so dass insoweit eine ausdrückliche Erörterung im Urteil grundsätzlich entbehrlich ist (vgl. Eisele, a.a.O. m.w.N.). Bestehen indes – wie hier – gewichtige mildernde Gesichtspunkte, ist eine umfassende Prüfung des gesamten Tatbildes einschließlich aller subjektiver Momente und der Täterpersönlichkeit erforderlich (Fischer a.a.O. Rn. 150 a.E.; in diese Richtung auch BGH, Urteil vom 10. Oktober 2007 – 5 StR 249/07 – Rn. 3 f., juris = StV 2008, 81).
bb) In Ansehung der vorliegend besonderen Umstände, die für die tat- und täterbezogene Wertung in Betracht kommen, ist nach einer Gesamtbetrachtung trotz des Eindringens des Gliedes in den Mundraum der Nebenklägerin (und des vorgehenden Kusses auf das Glied) eine besondere Erniedrigung zu verneinen. Die „Regelwirkung“ der besonderen Erniedrigung einer mit dem Eindringen in den Körper verbundenen sexuellen Handlung ist hier ausnahmsweise widerlegt: Erheblich mildernd ist zu berücksichtigen, dass das Eindringen in den Mundraum der Nebenklägerin von ausgesprochen kurzer Dauer („ein bis zwei Sekunden“) war, es währenddessen zu keiner weiteren Körperberührung durch den Angeklagten kam (er etwa die Nebenklägerin nicht mit seinen Händen berührte oder festhielt), die Nebenklägerin ihrerseits den Angeklagten nicht weiter (etwa mit ihren Händen) berührte, die Intensität des Intimkontakts (ein Kuss auf das Geschlechtsteil und Eindringen der Hälfte des nicht erigierten Gliedes in den Mundraum) nicht übermäßig war, der Angeklagte nicht ejakulierte, die Nebenklägerin aktiv mitwirkte und den weiteren Intimkontakt sogleich wieder beendete („Das reicht“), was der Angeklagte letztlich akzeptierte, sowie dass vor der Tat – wenn auch längere Zeit zurückliegend – bei mindestens vier Gelegenheiten Oralverkehr durch die Nebenklägerin am Angeklagten bis zum Samenerguss ausgeübt worden war, ohne dass diese hierbei ihren Widerwillen nach außen kommuniziert hatte. Zwar ist auf der anderen Seite nicht zu verkennen, dass den schuldmindernden Aspekten schulderschwerende Umstände gegenüberzustellen sind (verbales sexuelles Drängen des Angeklagten trotz geäußerter Ablehnung, verbunden mit körperlichem Bedrängen in Form des Versuchs, eine hinter dem Rücken verschränkte Hand der Nebenklägerin an sein Glied zu ziehen, obschon nur mit geringer Kraftaufwendung; anschließender Zungenkuss auf den Mund der Nebenklägerin trotz fortdauernder ablehnender Haltung; Ausnutzen seiner Vorgesetztenstellung am Arbeitsplatz zur Herbeiführung des sexuellen Kontaktes).
In einer Gesamtwürdigung kommt den schuldmildernden Gesichtspunkten jedoch insbesondere mit Blick auf die kurze Dauer und die im unteren Bereich denkbarer sexueller Oralkontakte anzusiedelnde Intensität des Intimkontakts sowie die aktive Mitwirkung und Beendigung der Intimität durch die Nebenklägerin derartiges Gewicht zu, dass keine durch die Art und Weise der sexuellen Handlung begründete Degradierung der Nebenklägerin zum bloßen Sexualobjekt unter Missachtung ihrer Menschwürde anzunehmen ist.
cc) Aus denselben Erwägungen ist auch kein unbenannter besonders schwerer Fall im Sinne von § 177 Abs. 6 Satz 1 StGB gegeben.
dd) Die Kammer verkennt auch nicht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB a.F. (= § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB n.F.), wonach der Schuldspruch nach der Legaldefinition „wegen Vergewaltigung“ auch dann ergehen sollte, wenn eine in den Körper eindringende Handlung ausnahmsweise nicht als besonders erniedrigend angesehen wird und daher der Strafrahmen des besonders schweren Falls keine Anwendung findet (vgl. Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl. 2014, § 177 Rn. 23; Ziegler, in: Beck‘scher Onlinekommentar zum StGB, 36. Edition Stand: 01.11.2017, § 177 Rn. 81; Fischer, StGB, 65. Aufl. 2017, § 177 Rn. 162 jeweils mit Nachweisen aus der BGH-Rspr).
Dagegen sprach in Bezug auf beischlafähnliche Handlungen bereits bisher, dass die Legaldefinition des § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB a.F. (= § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB n.F.) nur für Beischlaf und in den Körper eindringende Handlungen, die besonderes erniedrigend sind, gilt. Der Schuldspruch wegen „Vergewaltigung“ setzt voraus, dass alle Merkmale des Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB n.F. erfüllt sind, also auch eine besondere Erniedrigung bei Handlungen, die nicht Beischlaf sind. Fälle der „Vergewaltigung“ sind nach dem klaren Wortlaut eine Untergruppe der „besonders erniedrigenden“ Handlungen. Daher kann es nicht erniedrigende Vergewaltigungen nicht geben (vgl. Fischer, a.a.O. m.w.N.).
Für das neue Recht kommt hinzu, dass bereits die Kombination eines sexuellen Übergriffs nach § 177 Abs. 1 StGB mit dem Eindringen in den Körper zur Verwirklichung des § 177 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB genügen kann, ohne dass klassische Nötigungsmittel (Gewalt oder Drohung mit Gewalt) bzw. einschüchternde Tatmodalitäten überhaupt vorliegen müssen (vgl. dazu Hörnle, NStZ 2017, 13, 19 f.). Anders als bislang ist die Vergewaltigung mithin nicht mehr davon abhängig, dass der Täter das Opfer durch Gewalt, durch Drohung mit Gewalt oder durch das Ausnutzen einer schutzlosen Lage in sexueller Weise nötigt. Eine Vergewaltigung liegt vielmehr auch dann vor, wenn der Täter ohne eine Nötigung die Voraussetzungen der § 177 Absätze 1 oder 2 erfüllt (vgl. BT-Dr. 19/9097, 28, wo folgendes Beispiel angeführt wird: Das Opfer lehnt die sexuelle Handlung ausdrücklich ab. Der Täter übt gleichwohl den Beischlaf an dem Opfer aus).
Jedenfalls dann, wenn – wie hier – die besonders erniedrigende Wirkung der mit einer Penetration verbundenen beischlafähnlichen Handlung zu verneinen ist und einer Tat nach § 177 Abs. 1 StGB keine Nötigung zugrunde liegt, wird aus Sicht der Kammer die noch dazu sprachlich nicht passende Bezeichnung „VerGEWALTigung“ dem Unrechtsgehalt der Tat nicht mehr ansatzweise gerecht. Gerade die vorliegende Konstellation zeigt, dass eine mit der Tenorierung „Vergewaltigung“ einhergehende Stigmatisierung des Angeklagten auch unter dem Gesichtspunkt des rechtsstaatlichen Übermaßverbotes nicht angemessen sein kann. Vorliegend hat es daher mit dem Schuldspruch „sexueller Übergriff“ sein Bewenden.
b) Zudem hält die Kammer die Heranziehung des Ausnahmestrafrahmens des minder schweren Falles nach § 177 Abs. 9 Hs. 1 StGB n.F. für geboten.
Vorauszuschicken ist, dass die Kammer nicht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 177 StGB a.F. verkennt, wonach in der Konstellation, dass trotz Verwirklichung des Regelbeispiels dessen Regelwirkung wegen gewichtiger schuldmindernder Umstände entfällt, eine weitergehende Milderung des Normalstrafrahmens und die Bemessung der Strafe aus dem Rahmen für den minder schweren Fall nur in extremen Ausnahmefällen in Betracht kommen kann (BGH, Beschluss vom 01. August 2017 – 2 StR 185/17 – Rn. 4 f. m.w.N.; BGH NStZ-RR 2007, 373; Fischer, a.a.O. Rn. 158 f. und 191 f. jeweils m.w.N.). Indes ist fraglich, ob dies auch für die hiesige Konstellation gelten kann, in der erheblich schuldmindernde tat- und täterbezogene Gesichtspunkte dazu führen, dass die tatbestandsähnlichen Voraussetzungen des benannten Regelbeispiels für sich genommen abzulehnen waren, d.h. von vornherein nicht von der Verwirklichung eines Regelbeispiels auszugehen ist. In jedem Fall erkennt die Kammer vorliegend derart außergewöhnliche Milderungsgründe an, die selbst einen extremen Ausnahmefall im Sinne der vorbezeichneten Rechtsprechung begründen und auch eine doppelte Milderung rechtfertigen würden.
aa) Ein minder schwerer Fall liegt vor, wenn das gesamte Tatbild, einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit, vom Durchschnitt der gewöhnlich vorkommenden Fälle so sehr abweicht, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten erscheint. Für die Prüfung dieser Frage ist eine Gesamtbetrachtung erforderlich, bei der alle Umstände heranzuziehen und zu würdigen sind, die für die Wertung der Tat und des Täters in Betracht kommen, gleichgültig, ob sie der Tat selbst innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder nachfolgen (stRspr vgl. nur BGHSt 26, 97 (98 f.) = NJW 1975, 1174). Die strafmildernden Umstände sind demnach den straferschwerenden Umständen gegenüberzustellen und mit diesen abzuwägen. Die Milderungsgründe müssen gegenüber den Strafschärfungsgründen so erheblich überwiegen, dass der Regelstrafrahmen verfehlt wäre.
Bei der Strafrahmenwahl sind mithin auch sämtliche tatwie täterbezogenen Strafzumessungsgesichtspunkte gemäß § 46 StGB zu berücksichtigen, darüber hinaus sonstige Zumessungsgesichtspunkte wie etwa möglicherweise zum Tragen kommende vertypte Strafmilderungsgründe.
bb) Vertypte Milderungsgründe sind im Rahmen dieser Gesamtabwägung vorliegend nicht zu berücksichtigen, da solche nicht vorhanden sind. Die Kammer hat im Rahmen der Gesamtschau folgende allgemeine Gesichtspunkte berücksichtigt.
Zugunsten des Angeklagten spricht tatbezogen, dass
– die Intensität des Intimkontakts im unteren Bereich denkbarer Sexualkontakte anzusiedeln ist (kurze Dauer des Eindringens der Hälfte des nicht erigierten Gliedes in den Mundraum von „ein bis zwei Sekunden“, währenddessen keine weitere Körperberührung durch den Angeklagten bzw. durch die Nebenklägerin, keine Ejakulation),
– die Nebenklägerin am Intimkontakt aktiv mitgewirkt und diesen umgehend beendet hat („Es reicht“), was der Angeklagte letztlich akzeptierte,
– frühere Sexualkontakte zwischen den Beteiligten vor der Tat, wenn auch länger Zeit zurückliegend, bei mindestens vier Gelegenheiten stattgefunden hatten (in Gestalt der Ausübung von Oralverkehr durch die Nebenklägerin am Angeklagten bis zum Samenerguss, ohne dass diese hierbei ihren innerlichen Widerwillen nach außen hin zum Ausdruck gebracht hatte),
– die Tat bis vor wenigen Wochen vor ihrer Begehung nicht strafbar gewesen wäre (Eine Strafbarkeit nach § 240 Abs. 1, Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 StGB a.F. käme mangels Nötigungsvorsatzes nicht in Betracht) und
– dass die Nebenklägerin letztlich kein dezidiertes Strafverfolgungsinteresse hat, sowie täterbezogen, dass
– der Angeklagte nicht vorbestraft ist und bis zum Bekanntwerden der Tat in der Gesellschaft sozial integriert (Familie, Beruf) gelebt hat, wobei ihm als leitender Chefarzt eine besondere gesellschaftliche Stellung zukam,
– das langjährig gefestigte soziale Leben des Angeklagten durch das Bekanntwerden der Tat und der weiteren außerehelichen intimen Kontakte zerbrochen ist (Verlust seiner Anstellung als Chefarzt und Trennung von seiner Familie), verbunden mit spürbaren finanziellen Einbußen (Verkauf des ehemaligen Familienwohnheims, erhebliche Einkommensverluste infolge des Verlustes seines vorherigen Arbeitsplatzes),
– seine berufliche Zukunft ungewiss ist (die Aufnahme der angestrebten Chefarzttätigkeit am Klinikum D. sowie das Ergebnis des eingeleiteten behördlichen Verfahrens auf Ruhen seiner Approbation als Arzt sind maßgeblich vom Ausgang dieses Strafverfahrens abhängig),
– der Angeklagte im Nachgang zur Tat im Hinblick auf sein (strafrechtliches und arbeitsrechtliches) Fehlverhalten und den Verlust seines Arbeitsplatzes einer außergewöhnlich großen, ihn und seine Familie belastenden Medienberichterstattung ausgesetzt war, in deren Rahmen teilweise seine Privatsphäre verletzt wurde (Abbildung ungepixelter Lichtbilder, die das Gesicht des Angeklagten zeigen; Nennung seines vollständigen Namens),
– durch das öffentliche Bekanntwerden der gegen den Angeklagten erhobenen Vorwürfe auch seine Familie in negativer Weise tangiert wurde (Umzug infolge des Verkaufs des Familienheims an einen anderen Ort, Schulwechsel seiner Tochter infolge Anfeindungen an der bisherigen Schule),
– der Angeklagte infolge des Verlustes seines sozialen Lebens einen ernstzunehmenden Suizidversuch unternahm, der zu einem lebensbedrohlichen Zustand des Angeklagten führte, weswegen er einige Tage stationär ärztlich behandelt werden musste,
– er als Folge der Tat und ihrer Begleiterscheinungen (Verlust seines bisherigen sozialen Lebens, mediale Berichterstattung) seit Anfang Januar 2017 psychisch erkrankt ist (Anpassungsstörung und Depressionen), weswegen er sich in psychologische Behandlung begeben hat, und
– er sich etwa einen Monat in Untersuchungshaft befand, wobei er durch seinen bisherigen Lebensweg und die vor der Inhaftierung innegehabte gesellschaftliche Stellung als Chefarzt sowie seine (labile) psychische Disposition als deutlich vermehrt haftempfindlich einzustufen ist.
Dem steht nachteilig entgegen, dass
– die Nebenklägerin als Tatopfer bis heute psychisch unter der Tat und den vorangegangenen, innerlich von ihr abgelehnten Sexualkontakten leidet (etwa schläft sie seitdem schlechter), deswegen im Januar 2017 mehrere Wochen krankheitsbedingt arbeitsunfähig war, auch danach für längere Zeit in der Ausübung ihres Berufes beeinträchtigt war (bis vor kurzem litt sie unter Weinkrämpfen am Arbeitsplatz in unregelmäßigen Abständen) und sich deshalb bis heute in therapeutischer Behandlung befindet, ohne dass ihr bislang eine Aufarbeitung der Tat vollständig gelang,
– der Angeklagte die Nebenklägerin verbal und auch körperlich sexuell bedrängte (trotz geäußerter Ablehnung der Nebenklägerin mehrfache Aufforderung des Angeklagten, an ihm den Oralverkehr auszuüben; Versuch des Angeklagten, die hinter ihrem Rücken verschränkte Hand der Nebenklägerin an sein Glied zu ziehen, obschon nur mit geringem Kraftaufwand),
– er sie nach dem Intimkontakt mit den Händen leicht am Gesicht fasste und ihr einen Zungenkuss auf den Mund gab, obwohl die Nebenklägerin Körperkontakt zum Angeklagten weiterhin erkennbar ablehnte, wodurch der Angeklagte den – allerdings subsidiären – Straftatbestand der sexuellen Belästigung nach § 184i Abs. 1, Abs. 3 StGB verwirklicht hat, und
– der Angeklagte zur Herbeiführung des Sexualkontaktes seine Vorgesetztenstellung am Arbeitsplatz ausnutzte, indem er die ihm gegenüber faktisch weisungsgebundene Nebenklägerin unter dem Vorwand eines dienstlichen Grundes aufforderte, mit ihn in den Küchenraum zu gehen, und sich damit zur Tatbegehung bewusst einer Umgebung bediente, der sich die Nebenklägerin nicht ohne Weiteres entziehen konnte.
Im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung kommt den schuldmildernden Gesichtspunkten insbesondere mit Blick auf die im unteren Bereich denkbarer sexueller Oralkontakte anzusiedelnde Intensität des Intimkontakts, die aktiven Mitwirkung und Beendigung der Intimität durch die Nebenklägerin, die vorangegangenen sexualbezogenen Begegnungen zwischen den Beteiligten und die schwerwiegenden Folgen der Tat für das bisherige soziale Leben des Angeklagten derart überwiegendes Gewicht zu, so dass allein der gemilderte Strafrahmen den Besonderheiten des Falles gerecht werden kann. Innerhalb der Gesamtbetrachtung hat die Kammer nicht die erheblichen psychischen Folgen der Tat für die Nebenklägerin verkannt sowie den Umstand, dass einige der zugunsten des Angeklagten sprechenden Aspekte bereits im Rahmen der Erörterung des besonders schweren Falls Berücksichtigung fanden.
2. Strafzumessung
Innerhalb des hiernach maßgeblichen Strafrahmens hat die Kammer bei der Abwägung der für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände unter Berücksichtigung der Grundsätze des § 46 StGB alle zuvor im Rahmen der Strafrahmenwahl genannten Strafzumessungskriterien nochmals herangezogen, geprüft, und – obgleich mit schwächerem Gewicht, weil die deshalb bereits erfolgte Strafrahmenverschiebung einschränkend zu berücksichtigen war – bewertet. Im Einzelnen wird auf die vorstehenden Ausführungen Bezug genommen (oben 1 b bb).
a) Unter Berücksichtigung dieser für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte sowie sämtlicher weiterer sich aus § 46 Abs. 1, Abs. 2 StGB ergebenden Strafzumessungsgründe ist nach Überzeugung der Kammer in jedem Fall eine Freiheitsstrafe von weniger als 6 Monaten tat- und schuldangemessen.
b) Demgemäß ist der Anwendungsbereich der (möglichen) Strafrahmenerweiterung des § 47 Abs. 2, Abs. 1 StGB (anstatt § 12 Abs. 1 EGStGB) eröffnet, da der auf die Tat anzuwendende konkrete Strafrahmen des § 177 Abs. 9 Hs. 1 StGB ein erhöhtes Mindestmaß der Freiheitsstrafe androht (siehe dazu BGH NJW 2015, 1769, 1770; Fischer, StGB, 65. Aufl. 2017, § 47 Rn. 12; Stree/Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl. 2014, § 47 Rn. 9). Daher war zur prüfen, ob besondere Umstände, die in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters liegen, die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe von unter 6 Monaten zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich machen (vgl. zum Prüfungsmaßstab Fischer, a.a.O. Rn. 7 ff. m.w.N.; OLG Düsseldorf, NStZ-RR 2013, 202).
Dies war hier abzulehnen. Im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller oben aufgezeigter, die Tat und den Täter kennzeichnender Umstände erweist sich die Verhängung einer Freiheitsstrafe von unter 6 Monaten unfraglich als nicht unerlässlich, insbesondere mit Blick auf die Intensität der Tat am unteren Rand denkbarer sexueller Übergriffe und die Vorstrafenfreiheit des Angeklagten.
Demnach ist unter Anwendung der Strafrahmenerweiterung des § 47 Abs. 2 Satz 2, Satz 1 StGB die Verhängung einer Geldstrafe geboten.
c) Im Mindestmaß ist vorliegend ausweislich § 47 Abs. 2 Satz 2 StGB (in Verbindung mit § 177 Abs. 9 Hs. 1 StGB, der im Mindestmaß Freiheitsstrafe von 3 Monaten vorsieht) eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zugrunde zu legen. Im Höchstmaß dürfen 180 Tagessätze nicht erreicht werden, da sonst eine Diskrepanz gegenüber der nicht verhängten Freiheitsstrafe entstünde (vgl. BGH NJW 2015, 176, 1770 Rn. 20 a.E.; Fischer, StGB, 65. Aufl. 2017, § 47 Rn. 14; Stree/Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl. 2014, § 47 Rn. 9 m.w.N.). Die Kammer ist sich dabei bewusst, dass es zuvor keiner Festlegung einer bestimmten Höhe der (fiktiven) kurzen Freiheitsstrafe bedarf (vgl. Fischer, a.a.O. Rn. 12 m.w.N. und Rn. 14). Ebenso wenig wird verkannt, dass § 47 Abs. 2 Satz 2 StGB keine schematische Umrechnung einer fiktiv zuzumessenden Freiheitsstrafe in Geldstrafe anordnet (Fischer, a.a.O., Rn. 14).
Nach Abwägung der vorbezeichneten für und gegen den Angeklagten sprechenden Strafzumessungskriterien erachtet die Kammer indes die Verhängung einer Geldstrafe in Höhe von
120 Tagessätzen
für tat- und schuldangemessen, §§ 46, 40 Abs. 1, Abs. 4 StGB. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen wird auf die oben aufgeführten Strafzumessungskriterien verwiesen (oben 1 b bb). Einer Feststellung der Anrechnung der verbüßten Untersuchungshaft auf die Geldstrafe durch das Tatgericht bedarf es nicht, da sich § 51 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 StGB unmittelbar an die Vollstreckungsbehörden richtet (vgl. BGH NStZ 1994, 335 m.w.N.). Der Ausnahmefall des § 51 Abs. 1 Satz 2 StGB, wonach die Anrechnung unter besonderen Umständen im Hinblick auf Nachtatverhalten eines Angeklagten unterbleiben kann, liegt hier offensichtlich nicht vor.
d) Die Höhe eines Tagessatzes bestimmte die Kammer unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten, ausgehend von seinem durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommen, § 40 Abs. 2, Abs. 3 StGB.
Zur angemessenen Berücksichtigung der abziehbaren Belastungen für Steuern, berufsbedingte Aufwendungen und Vorsorgekosten für Krankenversicherung und Altersvorsorge nahm die Kammer einen pauschalen Abzug von 40% vom zugrunde zu legenden durchschnittlichen monatlichen Bruttoeinkommen von 9.000,- EUR, das der Angeklagte aus seiner derzeit ausgeübten selbständigen Beratertätigkeit erzielt, vor (siehe dazu Fischer, StGB, 64. Aufl. 2017, § 40 Rn. 13 m.w.N.). Bei Bestimmung des pauschalen Abzugs von 40% wurden die Angaben des Angeklagten herangezogen, soweit er sich zu relevanten monatlichen Ausgaben eingelassen hat („900,- EUR für Krankenversicherung im Monat“), § 40 Abs. 3 StGB.
Von dem insofern bereinigten Einkommen (40% von 9.000,- EUR = 5.400,- EUR) nahm die Kammer einen weiteren Abzug in Höhe der pro Monat tatsächlich geleisteten Unterhaltsverpflichtungen für seine drei Kinder (zwei minderjährige Kinder und volljähriges Kind, das sich noch in Ausbildung befindet bzw. studiert) von insgesamt 1.700,- EUR vor (vgl. Fischer, a.a.O. Rn. 14 m.w.N.).
Weitergehende Verbindlichkeiten (etwa im Hinblick auf die monatlichen Mietkosten oder Fahrzeugleasingraten) blieben unberücksichtigt, da insoweit besondere für einen Abzug streitende Umstände nicht erkennbar sind (siehe Fischer a.a.O. Rn. 15 f. m.w.N.)
Ausgehend vom hiernach maßgeblichen „Nettoeinkommen“ in Höhe von (5.400,- EUR – 1.700,- EUR =) 3.700,- EUR war die Tagessatzhöhe festzusetzen auf (abgerundet) 120,- EUR.
Die schlussendlich amtswegig vorzunehmende Prüfung, ob die Gewährung von Zahlungserleichterungen im Sinne von § 42 StGB veranlasst ist, ergab keine diesbezüglichen Anhaltspunkte, zumal der Angeklagte eine Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000,- EUR eingebracht hat und in Ansehung des zur Hälfte ihm zugeflossenen Erlöses aus dem Verkauf des ehemaligen Familienheims über nicht unerhebliches Vermögen verfügt.
VI. Maßregeln der Besserung und Sicherung
Die Eingangsvoraussetzungen der Sicherungsmaßregel des Berufsverbots gemäß § 70 Abs. 1 StGB – Anhaltspunkte für eine solche nach §§ 63, 64 StGB haben sich nicht ergeben – sind nicht erfüllt. Da das – überdies „lediglich“ einmalig festgestellte – strafrechtlich relevante Fehlverhalten des Angeklagten in keinem inneren Zusammenhang mit der Verrichtung seiner ärztlichen Tätigkeit gegenüber Patienten steht, fehlt es offenkundig an den Voraussetzungen für ein strafrechtliches Berufsverbot. Aus Sicht der Kammer spricht auch mit Blick auf die im Rahmen des Strafverfahrens gewonnenen Erkenntnisse nichts gegen die weitere Ausübung der Tätigkeit als praktizierender Arzt durch den Angeklagten. Insbesondere waren Patienten von dem festgestellten Fehlverhalten des Angeklagten in keiner Weise betroffen, geschweige denn hierdurch gefährdet. Bei dem Angeklagten handelt es sich vielmehr – nach dem von der Kammer gewonnenen Eindruck unter Berücksichtigung der Ergebnisse der umfangreichen Beweisaufnahme – um einen fachlich hervorragend qualifizierten und außerordentlich engagierten Facharzt. Unter dem Eindruck des Strafverfahrens dürfte ein zukünftiges grenzüberschreitendes sexualbezogenes Verhalten des Angeklagten gegenüber Mitarbeiterinnen nicht zu erwarten sein.
VII. Kostenentscheidung
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 464 Abs. 1, Abs. 2, 465 Abs. 1, 472 Abs. 1 Satz 1 StPO.

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