Verkehrsrecht

Anforderungen an die Beschwerdebegründung

Aktenzeichen  11 CS 19.1837

Datum:
22.10.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 27464
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5, § 146, § 152 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Für § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO reicht nicht aus, wenn sich der Beschwerdeführer darauf beschränkt, sein Vorbringen aus der ersten Instanz zu wiederholen, oder sich mit pauschalen oder formelhaften Rügen begnügt. Vielmehr muss ein Beschwerdeführer konkret aufzeigen, in welchen Punkten und weshalb die angefochtene Entscheidung aus seiner Sicht nicht tragfähig und überprüfungsbedürftig ist; hieraus muss sich die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Beschlusses und die Notwendigkeit seiner Aufhebung ergeben. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

B 1 S 19.728 2019-08-26 Bes VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Die Beschwerde wird verworfen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen B, L, M und S.
Im April 2019 wurde der Fahrerlaubnisbehörde des Landratsamts Bayreuth bekannt, dass sich beim Antragsteller im Rahmen einer polizeilichen Verkehrskontrolle am 7. Februar 2019 drogentypische Auffälligkeiten gezeigt hatten. Auf Befragen habe der Antragsteller den Konsum eines halben Joints eingeräumt. In der um 2:32 Uhr entnommene Blutprobe wurden nach dem Gutachten des rechtsmedizinischen Instituts des Universitätsklinikums Bonn vom 6. März 2019 neben 3,1 ng/ml Tetrahydrocannabinol (THC), 1,1 ng/ml 11-OH-THC und 26,7 ng/ml THC-COOH 20,7 ng/ml Metamphetamin festgestellt. Durch die chemisch-toxikologischen Untersuchungen sei nachgewiesen, dass der Antragsteller Cannabisprodukte und Metamphetamin konsumiert habe. Die festgestellte Konzentration an Metamphetamin spreche für einen geringen bzw. zurückliegenden Konsum und dafür, dass der Antragsteller zum Zeitpunkt der Blutentnahme nicht unter einer deutlichen Wirkung von Metamphetamin gestanden habe.
Nach dem Schlussvermerk in einem polizeilichen Ermittlungsverfahren vom 9. Juli 2019 fand die Kriminalpolizei bei einer polizeilichen Durchsuchung der Wohnung des Antragstellers am 3. Juni 2019 keine Betäubungsmittel. Der Antragsteller habe erklärt, von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen zu wollen, aber hinzugefügt, dass er in sehr unregelmäßigen Abständen Metamphetamin konsumiere.
Nach Anhörung entzog das Landratsamt dem Antragsteller mit Bescheid vom 14. August 2019 gestützt auf § 11 Abs. 7 FeV, Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV die Fahrerlaubnis und forderte ihn unter Androhung eines Zwangsgelds auf, seinen Führerschein umgehend abzuliefern. Ferner ordnete es die sofortige Vollziehung dieser Verfügungen an.
Hiergegen ließ der Antragsteller beim Verwaltungsgericht Bayreuth am 15. August 2019 Klage erheben und einen Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO mit der Begründung stellen, ein öffentliches Interesse für die Anordnung des Sofortvollzugs sei nicht gegeben. Die Güterabwägung dürfe nicht lediglich formelhaft und mit einer lapidaren und teilweise unrichtigen Begründung erfolgen. Der Antragsgegner vermute lediglich eine Gefährdung der Verkehrssicherheit. Der Antragsteller habe sein besonderes und überwiegendes Interesse an der aufschiebenden Wirkung dargelegt und glaubhaft gemacht. Die zugrunde liegenden Verstöße seien so nicht erfolgt, da das straf- bzw. ordnungswidrigkeitenrechtliche Verfahren noch nicht abgeschlossen sei und er als Schichtarbeiter im Hinblick auf seine fünfköpfige Familie dringend auf den Führerschein angewiesen sei. Ihm drohe ansonsten der Verlust des Arbeitsplatzes. Hinsichtlich der polizeilichen Verkehrskontrolle sei auszuführen, „dass sich hier nicht wirklich ein Drogendelikt bewahrheitet“ habe. Der strafbare Besitz von Betäubungsmitteln habe nicht nachgewiesen werden können. Auch bei der Wohnungsdurchsuchung seien keine Betäubungsmittel gefunden worden. Der Betäubungsmittelkonsum als Selbstschädigung sei straflos. Es sei völlig fehlerhaft, die angegriffene Entscheidung allein auf einen Durchsuchungsbeschluss stützen zu wollen. Der Antragsteller habe zu keinem Zeitpunkt gegenüber der Polizei angegeben, dass er in sehr unregelmäßigen Abständen Metamphetamin konsumiere. Eine solche Aussage finde sich in der ganzen Akte nicht. Unerklärlich sei, wie behauptet werden könne, dass der Antragsteller nach den polizeilichen Ermittlungen vermutlich am 14. März 2019 eine geringe Menge Metamphetamin erworben habe. Hierfür ergäben sich nicht die geringsten Erkenntnisse aus der Strafakte. Vielmehr habe die Staatsanwaltschaft Bayreuth positiv festgestellt, dass ein solcher Erwerb nicht vorliege. Das Ordnungswidrigkeitenverfahren sei noch gar nicht abgeschlossen. Es lägen keine Umstände vor, die für eine fehlende Fahreignung sprächen. Außerdem werde angezweifelt, dass es sich bei der Probe, die angeblich untersucht worden sei, um die Blutwerte des Antragstellers handle, da hier auch schon Verwechslungen vorgekommen seien. Nachdem auch in der Akte etliche Unrichtigkeiten vorhanden sein, müsse die Feststellung der Akte angezweifelt werden. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei hier massiv missachtet. Die Maßnahme sei derart unverhältnismäßig, dass sie keinen Bestand haben könne.
Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mit Beschluss vom 26. August 2019 ab. Der Konsum von Metamphetamin sei durch rechtsmedizinisches Gutachten nachgewiesen. Bereits der einmalige Konsum einer harten Droge schließe die Fahreignung aus. Es komme nicht darauf an, ob nach Drogeneinnahme ein Kraftfahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr geführt worden sei oder der Betroffene dabei unter der Wirkung des Betäubungsmittels gestanden habe. Erst nach einer mindestens einjährigen nachgewiesenen Abstinenz müsse die Fahrerlaubnisbehörde der Frage der Wiedererlangung der Fahreignung nachgehen und könne sie nicht mehr ohne weiteres von einer nach § 11 Abs. 7 FeV i.V.m. Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV feststehenden Nichteignung ausgehen. Für das vorliegende Verfahren habe es keine Bewandtnis, dass das Ordnungswidrigkeitenverfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen sei. Da im Bußgeldverfahren die Fahreignung nicht geprüft werde, entfalteten Bußgeldentscheidungen nach § 3 Abs. 4 Satz 2 2. Halbs. StVG für das behördliche Entziehungsverfahren nur insoweit Bindungswirkung, als sie sich auf die Feststellung des Sachverhalts und die Beurteilung der Schuldfrage bezögen, nicht hingegen hinsichtlich der Eignungsfrage. Unerheblich sei auch, ob der Antragsteller straflos bleiben werde, dass die kriminalpolizeilichen Ermittlungen keinen Nachweis für Drogengeschäfte erbracht hätten und bei der Wohnungsdurchsuchung keine Drogenutensilien gefunden worden seien. All dies wiederlege nicht den Konsum von Metamphetamin am oder kurz vor dem 7. Februar 2019. Der Antragsgegner habe seinen Bescheid auch nicht auf das kriminalpolizeiliche Verfahren gestützt. Nicht entscheidungserheblich sei, ob der Antragsteller bei der Polizei einen unregelmäßigen Konsum eingeräumt habe oder nicht. Im Übrigen fänden sich keine Anhaltspunkte für die unsubstantiierte Behauptung einer Unrichtigkeit der Akten. Auch für die Vermutung, dass die Blutproben vertauscht worden seien, trage der Antragsteller nichts Konkretes vor. Die Kontrollnummer, unter der das Universitätsklinikum Bonn seine Blutprobe untersucht habe, entspreche dem Vorgangsaktenzeichen der Polizeiinspektion Bayreuth-Stadt und dem ärztlichen Bericht des Dr. T., der die Blutprobe auf Alkohol hin untersucht habe. Die Verwechslung von Blutproben stelle einen hochgradig atypischen Sachverhalt dar. Derjenige, der eine derartige Gegebenheit behaupte, müsse daher konkret und nachvollziehbar dartun, warum es in seinem Fall zu einem solchen Ablauf gekommen sein solle. Auch die angekündigte Vorlage eines Drogentests ändere nichts an der Rechtmäßigkeit des Bescheids, da im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung ein Konsum von Metamphetamin belegt und die Fahreignung nicht wiedererlangt worden sei. Nachdem die Fahrerlaubnis beim Fehlen der Fahreignung zwingend zu entziehen sei, gingen die Ausführungen zur Verhältnismäßigkeit fehl. Ein Ermessensspielraum stehe der Fahrerlaubnisbehörde nicht zu. Die Begründung der sofortigen Vollziehung genüge den formellen Anforderungen nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Dass in einer Vielzahl ähnlich gelagerter Fälle das Erlassinteresse regelmäßig mit dem Vollzugsinteresse identisch sei und die Anordnung der sofortigen Vollziehung ähnlich begründet werde, ändere an deren Einzelfallbezogenheit nichts.
Mit seiner Beschwerde, der der Antragsgegner entgegentritt, beantragt der Antragsteller, „die Anordnung der aufschiebenden Wirkung bezüglich der kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Zwangsgeldandrohung in Ziffer 3 des Bescheids aufzuheben“. Zur Begründung wird auf die Klageschrift im Verfahren B 1 K 19.739 Bezug genommen und im Wesentlichen das erstinstanzliche Vorbringen wiederholt. Das Verwaltungsgericht habe nicht berücksichtigt, dass das Strafverfahren gegen den Antragsteller eingestellt worden sei und derzeit „nur“ noch ein Ordnungswidrigkeitenverfahren laufe, was auf eine gewisse Harmlosigkeit eines nicht bewiesenen Verstoßes hinweise. Allein aufgrund des bestrittenen Konsums einer harten Droge habe das summarische Prüfungsverfahren aufgrund des noch offenstehenden Bußgeldverfahrens nicht dazu führen können, dem Antragsteller ohne vorheriges Fahreignungsgutachten sofort die Fahrerlaubnis zu entziehen. Vorliegend sei gutachterlich aufzuklären, ob ihm tatsächlich der behauptete Konsum nachgewiesen werden könne. Das Ergebnis der Blutuntersuchung sei nicht eindeutig belegt. Allein aufgrund der Aktenlage könne nicht davon ausgegangen werden, dass ein verwertbares Gerichtsgutachten vorliege, das Metamphetaminkonsum nachweise. Entgegen den Ausführungen des Gerichts stelle die Verwechslung von Blutproben gerade nicht einen hochgradig atypischen Sachverhalt dar. Dies komme vielmehr immer wieder einmal vor. Der Beschluss sei daher aufzuheben.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde war als unzulässig zu verwerfen.
Wie der Antragsgegner zutreffend geltend gemacht hat, genügt die Begründung bereits nicht den Darlegungsanforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO (§ 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO). Es reicht nicht aus, wenn sich der Beschwerdeführer darauf beschränkt, sein Vorbringen aus der ersten Instanz zu wiederholen, oder sich mit pauschalen oder formelhaften Rügen begnügt (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 146 Rn. 22a f.; Guckelberger in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 146 Rn. 77). Die Gründe der angefochtenen Entscheidung geben den Beschwerdegründen den Inhalt vor (Happ, a.a.O.). Ausgehend von der Entscheidung muss der Beschwerdeführer konkret aufzeigen, in welchen Punkten und weshalb sie aus seiner Sicht nicht tragfähig und überprüfungsbedürftig ist, was voraussetzt, dass er den Streitstoff prüft, sichtet und rechtlich durchdringt und sich mit den Gründen des angegriffenen Beschlusses befasst (Guckelberger, a.a.O. Rn. 76). Aus den fristgerecht dargelegten Gesichtspunkten muss sich die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Beschlusses und die Notwendigkeit seiner Aufhebung ergeben (Guckelberger, a.a.O. Rn. 78).
Hieran fehlt es. Das Verwaltungsgericht hat sich in dem ablehnenden Beschluss mit sämtlichen Einwänden des Antragstellers auseinandergesetzt. Den vom Gericht angeführten Gründen ist die Beschwerde nicht entgegengetreten. Gegen den – entscheidungserheblichen – Nachweis eines Konsums von Metamphetamin durch das rechtsmedizinische Gutachten des Universitätsklinikums Bonn vom 6. März 2019 bzw. dessen Verwertbarkeit hat der Antragsteller lediglich seine schon in erster Instanz vorgetragene Ansicht wiederholt, dass seine Blutprobe verwechselt worden sein müsse, und der Anwendung der einschlägigen obergerichtlichen Rechtsprechung (zuletzt BayVGH, B.v. 4.4.2019 – 11 CS 18.2613 – juris Rn. 14 m.w.N.) durch das Verwaltungsgericht ohne begründete Anhaltspunkte für das Gegenteil pauschal widersprochen. Auch mit den angewandten Rechtsvorschriften, die bei Konsum einer sog. harten Droge ohne weitere Voraussetzungen eine zwingende Entziehung der Fahrerlaubnis vorsehen, hat er sich nicht auseinandergesetzt; ebenso wenig damit, dass das Verwaltungsgericht die sonstigen Einwände für nicht entscheidungserheblich erachtet hat.
Daher kommt es nicht darauf an, ob sich aus dem Beschwerdevortrag noch mit hinreichender Bestimmtheit ermitteln lässt, in welchem Umfang und mit welchem Ziel die Entscheidung des Verwaltungsgerichts angefochten werden soll (vgl. Happ, a.a.O. § 146 Rn. 21). Der letzte Satz der Antragsbegründung deutet darauf hin, dass der Antragsteller auch die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis begehrt, was gegen die Auslegung als auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Zwangsgeldandrohung beschränkte Beschwerde spricht. Insoweit muss allerdings offenbleiben, ob noch ein Rechtsschutzbedürfnis gegeben ist. Denn den Akten lässt sich nicht entnehmen, ob sich die Zwangsgeldandrohung zwischenzeitlich nicht dadurch erledigt hat, dass der Antragsteller seinen Führerschein bei der Fahrerlaubnisbehörde abgeliefert hat (vgl. stRspr, BayVGH, B.v. 6.12.2018 – 11 CS 18.1777 – juris Rn. 14 m.w.N.).
Im Ergebnis ist die Beschwerde jedenfalls mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO als unzulässig zu verwerfen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nr. 1.5 Satz 1 und Nr. 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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