Verkehrsrecht

Schadensersatz, Verkehrsunfall, Reparaturkosten, Wiederbeschaffungswert, Unfall, Betriebsgefahr, Restwert, Sachschaden, Totalschaden, Unfallhergang, Fahrzeug, Streitwert, Verschulden, Unkostenpauschale, Kosten des Rechtsstreits, wirtschaftlicher Totalschaden, vorgerichtlicher Anwaltskosten

Aktenzeichen  31 O 714/20

Datum:
16.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 41265
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Deggendorf
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Gründe

I. Die Klage ist im Wesentlichen begründet.
Der Anspruch des Klägers gegen die Beklagten auf Zahlung der in der Hauptsache noch offenen Forderungen folgt aus § 823 BGB, § 7 Abs. 1, 17, 18 StVG, gegen die Beklagte zu 2 zusätzlich aus § 115 Abs. 1 Nr. 4 VVG.
1. Für die Folgen des streitgegenständlichen Unfalls haftet die Beklagtenseite alleine; ein mitwirkendes Verschulden der Klägerseite ist nicht festzustellen; die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs tritt hinter dem weit überwiegenden Verschulden der Beklagtenseite vollumfänglich zurück.
Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
Zum Unfallhergang hat das Gericht die Fahrer der beiden Fahrzeuge, nämlich den klägerischen Zeuge K. und den Beklagten zu 1 angehört. Beide Fahrer haben zur Überzeugung des Gerichts wahrheitsgemäß ausgesagt und den Unfall so, wie er sich ihnen dargestellt hat und wie er Ihnen heute noch in Erinnerung ist, unverfälscht wiedergegeben.
Hieraus folgt – insoweit stimmen die Aussagen ohnehin überein -, dass vorneweg der klägerische Zeuge mit dem klägerischen Traktor gefahren ist, und dahinter ein Lastwagen, der Baumstämme transportierte. Diese Lastwagen war so groß, offensichtlich so hoch und so breit, dass bei der Geradeausfahrt sowohl dem klägerischen Zeugen der Blick auf den Beklagten zu 1 als auch dem Beklagten zu 1 der Blick auf den klägerischen Traktor verstellt war.
Zur Überzeugung des Gerichts folgt des Weiteren aus der Aussage des klägerischen Zeugen, dass dieser rechtzeitig den linken Blinker gesetzt hat und sich mehrfach nach links hinten umgesehen hat, bevor er das Abbiege-Manöver nach links eingeleitet hat. Ein irgendwie geartetes Fehlverhalten ist der Klägerseite daher nicht vorzuwerfen.
Der Beklagte zu 1 hingegen hat ein Überholmanöver eingeleitet zu einem Zeitpunkt, an dem er schon nach eigener Darstellung nicht sehen konnte, was sich vor dem Holzlaster abgespielt hat. Er hat also aufs Geratewohl überholt. Insbesondere hat er glaubhaft dargestellt, dass er davon, dass vor dem Holzlaster ein Traktor fuhr (was er erst bei Überholen des Lasters sehen konnte), schlicht überrascht war.
Die Behauptung der Beklagtenvertreter, am Traktor sei der linke Blinker nicht gesetzt gewesen, ist durch den Beklagten zu 1 gerade nicht bestätigt worden; vielmehr hat er glaubwürdig angegeben, der Unfall habe sich so schnell abgespielt, dass er keine Zeit mehr gehabt habe, darauf zu achten, ob an dem Traktor ein Blinker gesetzt war oder nicht.
Die diesbezügliche Behauptung der Beklagtenvertreter ist also offenkundig ins Blaue hinein aufgestellt worden.
Zusammengefasst ist in keiner Weise ersichtlich, inwieweit der klägerische Zeuge K. sich falsch verhalten hätte (ein Verstoß gegen welche Vorschrift auch immer der StVO ist dem Zeugen K. gerade nicht vorzuwerfen) und wie es ihm möglich gewesen wäre, den Unfall zu vermeiden. Auch die Beklagtenvertreter werden nicht behaupten wollen, der klägerische Fahrer habe deshalb nicht abbiegen dürfen, weil er nicht sehen konnte, was sich hinter dem Holzlaster abspielt, und weil er damit habe rechnen müssen, dass ein anderer Verkehrsteilnehmer, hier der Beklagte zu 1, grob verkehrswidrig zu einem Überholmanöver ansetzt.
Demgegenüber hat sich der Erstbeklagte grob verkehrswidrig verhalten. Er hat selbst eingeräumt, den Traktor vor dem Holzlaster nicht gesehen zu haben. Dies ist nachvollziehbar und dadurch erklärbar, dass der Laster so groß war, dass er dem Beklagten zu 1 den Blick auf den Verkehrsraum vor dem Laster verstellt hat. Unter diesen Umständen konnte der Beklagte zu 1 naturgemäß nicht absehen, ob es ihm möglich sein würde, das Überholmanöver ohne Gefahr und Schaden für sich und andere abzuschließen. Er hat damit durch sein Überholmanöver gegen die Vorschriften des § 1 II StVO (Schädigung und Gefährdung anderer Verkehrsteilsnehmer) und des § 5 III Nr. 1 1 StVO (Überholen bei unklarer Verkehrslage) verstoßen.
Hinter diesem groben Fehlverhalten des Beklagten zu 1 tritt eine Betriebsgefahr der Klägerseite vollständig zurück.
2. a) aa) Hinsichtlich der Schadenshöhe ist der Wiederbeschaffungswert des klägerischen Traktors von 13.624,45 € unstreitig geblieben.
bb) Für die Entscheidung des Rechtsstreits ist davon auszugehen, dass der Restwert des klägerischen Traktors mit 3.000 €, nicht wie beklagtenseits behauptet mit 3.850 € anzusetzen ist. Das Gericht entscheidet dies, ohne, wie beklagtenseits angeregt, hierüber ein Sachverständigengutachten einzuholen. Denn das Vorbringen der Klägerseite, dass der Traktor mit 3.000 € an die Zeugin K. verkauft wurde, dass also der durch den privaten Sachverständigen F. angegebene Restwert durch Verkauf erlöst worden sei, ist durch die Beklagtenseite nicht bestritten und durch den Zeugen K., Sohn der Käuferin, sogar bestätigt worden. Angesichts des Umstandes, dass der Privatsachverständige der Klägerseite einen Restwert von 3.000 € ausgeworfen hat (der Privatsachverständige der Beklagtenseite einen Betrag von 3.850 €) und angesichts des weiteren Umstandes, dass der auf Klägerseite privatsachverständig angesetzte Restwert mehr als 75% desjenigen Restwertes beträgt, den die Beklagtenseite privatsachverständig beraten auswirft, handelte die Klägerseite jedenfalls nicht schuldhaft (§ 254 II BGB), wenn sie das Fahrzeug zu einem jedenfalls vertretbaren Restwert von 3.000 € verkaufte; dem Kläger ist also in der Tat ein anzuerkennender Schaden am Fahrzeug in Höhe von bereinigt 10.627,45 € entstanden.
b) Der Wert des Kreiselheuers mit 1.715,69 € ist zwischen den Parteien unstreitig.
c) Die Beklagten schulden auch beinahe vollständig die Begleichung der Sachverständigenkosten.
aa) Bei der Beurteilung der Frage, welche außergerichtlichen Sachverständigenkosten durch einen Privatsachverständigen angesetzt werden dürfen, ist zunächst darauf zu verweisen, dass die Kosten eines privat eingeholten Sachverständigengutachtens zu den mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und gemäß § 249 Abs. 1 BGB auszugleichenden Vermögensnachteilen gehören. Für die Frage der Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit einer solchen Begutachtung ist auf die Sicht des Geschädigten zum Zeitpunkt der Beauftragung abzustellen. Demnach kommt es darauf an, ob ein verständiger und wirtschaftlich denkender Geschädigter nach seinen Erkenntnissen und Möglichkeiten die Einschaltung eines Sachverständigen für geboten erachten durfte.
Dies ist hier der Fall. Wie gerade das Verhalten der Zweitbeklagten im vorliegenden Fall zeigt, ist ein Laie, also jemand, der nicht selbst auf dem Gebiet der Fahrzeugreparatur oder des Fahrzeughandels tätig ist, nicht in der Lage, die ihm zustehenden Rechte gegenüber Versicherungen sachgerecht durchzusetzen. Insbesondere benötigt er im Regelfall einen privaten Sachverständigen, um sinnvoll beziffern zu können, in welcher Höhe ihm überhaupt ein Schaden entstanden ist.
bb) Hinsichtlich der Frage, in welcher Höhe private Sachverständigenkosten zu ersetzen sind, schließt sich das Gericht der Auffassung des Oberlandesgerichts München (10 U 579/15) in vollem Umfang an.
Zu erstatten sind daher jedenfalls das Grundhonorar gemäß der Tabelle zur „Honorarbefragung 2008“ des Bundesverbandes der freiberuflichen und unabhängigen Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen e.V., die zutreffend auf die Höhe der Reparaturkosten bzw. im Totalschadensfall auf den Wiederbeschaffungswert abstellt, sowie die Nebenkosten in Form von Lichtbildern, zurückgelegten Kilometern und in Form von Schreibkosten nebst Pauschale.
(1) Hinsichtlich des Heuers (Wiederbeschaffungswert unstreitig 1.750 €) ist daher eine Grundgebühr von 402 € angemessen, für die 11 Lichtbilder zu je 2,00 € ein Betrag von 22 €, für die zurückgelegten 15 Kilometer zu je 0,70 € ein Betrag von 10,50 €, für die 6 angefangenen Seiten zu je 1,80 € ein Betrag von 10,80 €, und eine Telefonpauschale von 15 €, insgesamt somit ein Betrag von netto 460,30 €. Hierzu sind 16% Umsatzsteuer zu addieren, sodass der Klägerseite aus der geltend gemachten Rechnung gemäß Anlage K4 insoweit 533,94 € zustehen.
(2) Aus der Rechnung gemäß Anlage K3 (Reparaturkosten 13.919,85 €) stehen der Klägerseite zu eine Grundgebühr in Höhe von 1.146 € sowie für 18 Lichtbilder zu je 2,00 € ein Betrag von 36 €, eine Telekommunikationspauschale von 15 € sowie für 10 angefangene Seiten zu je 1,80 € Schreibkosten in Höhe von 18 €; entgegen der Behauptung der Beklagtenvertreter macht die Klägerseite ausweislich der Rechnung K3 gerade keine gesonderten Fahrkosten geltend („Fahrkosten 0 km A 1,20 0,00 €“). Insoweit steht der Klägerseite daher aus der Rechnung K3 ein Betrag zu in Höhe von (einschließlich 16% Umsatzsteuer) 1.409,40 €, also mehr als auf Klägerseite veranschlagt (§ 308 I ZPO).
d) Unstreitig sind zwischen den Parteien sodann die Schadenspositionen
– Unkostenpauschale 25 €
– Transportkosten Traktor 130,50 €
– Rechnung Maschinenring 373,19 €
e) Insgesamt stehen der Klägerseite daher 10.627,45 € + 1.715,69 € + 1.360,91 € + 533,94 € + 25 € + 130,50 € + 373,19 € zu, in der Summe also 14.766,68 €. Hiervon abgezogen die unstreitig beklagtenseits geleisteten 4.404,03 €, ergibt sich ein beklagtenseits geschuldeter Restbetrag von 10.362,65 €.
f) Der Anspruch auf die geltend gemachten Zinsen folgt aufgrund der Mahnung gemäß Anlage K7 aus § 286 Abs. 1 BGB, wobei insoweit die Rechnung des Maschinenrings, die in der Mahnung K 7 nicht enthalten ist, erst ab Rechtshängigkeit (§ 291 BGB) zu verzinsen ist.
g) Als weitere Schadensposition hat die Klägerseite Anspruch auch auf Ausgleichung der vorgerichtlichen Anwaltskosten. Diese sind ausgehend von einem Streitwert von 14.909,18 € auf Klägerseite zutreffend berechnet wurden (Blatt 5 der Klageschrift) mit 1.003,40 €. Hiervon sind die unstreitig beklagtenseits bereits vor Rechtshängigkeit bezahlten 480,12 € abzuziehen, sodass der Klägerseite insoweit noch 523,28 € zustehen.
Woher die Beklagten ihre Behauptung nehmen, der Kläger sei rechtsschutzversichert und seine Versicherung habe die Anwaltskosten bezahlt, ist unerfindlich und nicht näher dargestellt worden; es handelt sich daher abermals um eine prozessual unbeachtliche Behauptung ins Blaue hinein.
Der Anspruch auf die geltend gemachten Zinsen folgt insoweit aus § 291 BGB.
II. Kosten: § 92 Abs. 2 Nummer 1 ZPO
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 709 ZPO
Der Streitwert folgt der Klageforderung in der Hauptsache.


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