Verwaltungsrecht

§ 152a VwGO ist im Hinblick auf die Verletzung rechtlichen Gehörs lex specialis gegenüber § 80 Abs. 7 VwGO

Aktenzeichen  M 21 S7 17.49599

Datum:
15.12.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 80 Abs. 7, § 152a
AsylG AsylG § 36 Abs. 2

 

Leitsatz

§ 152a VwGO ist in Fällen, in dem keine veränderten Umstände geltend gemacht werden und in dem ausgeführt wird, der Eilantrag sei trotz der Bestellung als Bevollmächtigte und trotz des Ersuchens um Einräumung einer Frist zur Antragsbegründung entschieden worden, lex specialis gegenüber § 80 Abs. 7 VwGO, damit die Fristbindung der Anhörungsrüge nicht durch das Abänderungsverfahren unterlaufen werden kann. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Mit Bescheid vom 29. Mai 2017 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (kurz: Bundesamt) die Anträge des Antragstellers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1.), auf Asylanerkennung (Ziffer 2.) und auf subsidiären Schutz (Ziffer 3.) als offensichtlich unbegründet ab, verneinte Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG (Ziffer 4.) und drohte ihm mit einer Ausreisefrist von einer Woche die Abschiebung nach Mali an (Ziffer 5.).
Am 24. Juni 2017 bestätigte der Antragsteller in einer von ihm eigenhändig unterzeichneten Empfangsbestätigung gegenüber der zuständigen Ausländerbehörde insbesondere, diesen Bundesamtsbescheid und eine Kopie der Verfahrensakte erhalten zu haben (Bl. 113 der Bundesamtsakte).
Am 6. November 2017 zeigte die Bevollmächtigte des Antragstellers in den gegen den vorgenannten Bundesamtsbescheid gerichteten Klage- (M 21 K 17.45022) und Eilverfahren (M 21 S. 17.45024) dessen Vertretung an, bat im Klageverfahren um kurzfristige Akteneinsicht sowie im Eilverfahren, ihr als Frist zur Begründung des Eilantrags eine Frist von zwei Wochen nach Einsicht in die Bundesamtsakte zu gewähren.
Am 7. November 2011 verfügte der zuständige Einzelrichter im Klageverfahren, der Bevollmächtigten des Antragstellers Akteneinsicht durch Übersendung einer DVD der Bundesamtsakte zu gewähren. Laut Aktenvermerk und ausweislich des entsprechenden Schreibens der Geschäftsstelle des Gerichts wurde der Bevollmächtigten des Antragstellers im Klageverfahren am 20. November 2017 die Bundesamtsakte in elektronischer Form übersandt.
Wegen der weiteren Sachverhaltsdarstellung wird zunächst auf den zwischen denselben Beteiligten ergangenen Einzelrichterbeschluss nach § 80 Abs. 5 VwGO vom 7. November 2017 (M 21 S. 17.45024) Bezug genommen, mit dem der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers abgelehnt wurde.
Am 27. November 2017 ließ der Antragsteller beim Bayerischen Verwaltungsgericht München beantragen,
den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 7. November 2017 nach § 80 Abs. 7 VwGO aufzuheben.
Zur Begründung wurde durch Schriftsatz vom 27. November 2017 im Wesentlichen ausgeführt, trotz der Bestellung als Bevollmächtigte und trotz des Ersuchens um Einräumung einer Frist zur Antragsbegründung habe der Einzelrichter am 7. November 2017 den Eilantrag abgelehnt. Nunmehr werde zur Begründung des Eilantrags vorgetragen, die Ablehnung des Asylantrags dränge sich nicht auf. Es sei nicht richtig, dass der Antragsteller gegenüber dem Bundesamt vorgetragen habe, Mali nur aus wirtschaftlichen Gründen verlassen zu haben. Aus seiner Aussage gegenüber dem Bundesamt, das Leben in Mali sei für ihn sehr schwierig gewesen, abzuleiten, er habe sein Herkunftsland lediglich aus wirtschaftlichen Gründen verlassen, sei rechtswidrig. Nicht richtig sei auch die Ausführung im angefochtenen Bescheid, der Antragsteller habe ein Schaf seines Arbeitgebers aus wirtschaftlicher Not verkauft. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin liege auch ein nationales Abschiebungsverbot vor. Es bestehe die reelle Gefahr, dass die Konflikte auch auf den Süden Malis übergreifen. Der Antragsteller könne nicht auf internen Schutz, insbesondere nicht auf die Gegend in und um Bamako, verwiesen werden.
Die Antragsgegnerin äußerte sich zu dem Abänderungsantrag nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten zu Eil- und Klageverfahren und auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg, weil er sowohl unzulässig als auch unbegründet ist.
Nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO kann jeder Beteiligte die Änderung oder Aufhebung eines Beschlusses über einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
Das ausdrücklich auf § 80 Abs. 7 VwGO bezogene und daher weder auslegungsnoch umdeutungsfähige anwaltliche Antragsvorbringen, mit dem keine veränderten Umstände geltend gemacht werden und in dem ausgeführt wird, der Eilantrag sei trotz der Bestellung als Bevollmächtigte und trotz des Ersuchens um Einräumung einer Frist zur Antragsbegründung am 7. November 2017 abgelehnt worden, zielt thematisch auf eine Anhörungsrüge (§ 152a VwGO) und nicht auf einen Abänderungsantrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO ab.
Da § 152a VwGO in solchen Konstellationen lex specialis gegenüber § 80 Abs. 7 VwGO ist, damit die Fristbindung der Anhörungsrüge nicht durch das Abänderungsverfahren unterlaufen werden kann (vgl. nur Schoch in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juni 2017 § 80 Rn. 560 m.w.N.), ist der Abänderungsantrag vom 27. November 2017 bereits unzulässig.
Als unzulässig ist er auch unabhängig von dieser Frage der Statthaftigkeit zu beurteilen, weil schon nicht schlüssig vorgetragen ist, inwiefern im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachte Umstände eine Aufhebung des Eilbeschlusses vom 7. November 2017 rechtfertigen sollten. Selbst wenn man die nachträgliche anwaltliche Eilantragsbegründung als Umstand im Sinne des § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO verstünde, fehlt es jedenfalls an einer Auseinandersetzung mit § 36 Abs. 2 Satz 1 AsylG im Antragsvorbringen. Nach dieser letztgenannten Vorschrift übermittelt das Bundesamt bei offensichtlicher Unbegründetheit mit der Zustellung der Entscheidung den Beteiligten eine Kopie des Inhalts der Asylakte. Es ist weder vorgetragen, noch angesichts der entsprechenden, vom Antragsteller am 24. Juni 2017 eigenhändig unterzeichneten Empfangsbestätigung ersichtlich, dass das Bundesamt nicht nach § 36 Abs. 2 Satz 1 AsylG vorgegangen sein könnte. Deswegen war der Antragsteller spätestens seit dem 24. Juni 2017 auch zur Begründung eines Eilantrags in der Lage. Offenbar hat er die erhaltene Kopie des Inhalts seiner Asylakte nicht an seine Bevollmächtigte übergeben. Das ist ihm als eigenes Verschulden zurechenbar und steht von vornherein sowohl einer Stattgabe des vorliegenden Abänderungsantrags als auch dem Erfolg einer Anhörungsrüge aufgrund desselben Sachverhalts entgegen.
Auch in der Sache besteht unter Berücksichtigung der Begründung des Abänderungsantrags und insgesamt gesehen kein Anlass, den Einzelrichterbeschluss nach § 80 Abs. 5 VwGO vom 7. November 2017 (M 21 S. 17.45024) antragsgemäß oder von Amts wegen nach § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO aufzuheben. Insbesondere muss sich der Antragsteller nach wie vor auf internen Schutz verweisen lassen.
Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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