Verwaltungsrecht

2 B 66/20

Aktenzeichen  2 B 66/20

Datum:
14.1.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2021:140121B2B66.20.0
Spruchkörper:
2. Senat

Verfahrensgang

vorgehend Sächsisches Oberverwaltungsgericht, 31. Januar 2020, Az: 12 A 89/17.D, Urteilvorgehend VG Dresden, 22. September 2015, Az: 10 K 1678/13, Urteil

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 31. Januar 2020 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1
Die auf sämtliche Zulassungsgründe (§ 26 Abs. 1 Satz 2 Sächsisches Vermessungs- und Katastergesetz vom 29. Januar 2008, SächsGVBl. 2008, S. 138 – SächsVermKatG -, § 70 SächsDG und § 132 Abs. 2 VwGO) gestützte Beschwerde ist teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet.
2
1. Der 1956 geborene Kläger ist als selbstständiger Vermessungsingenieur tätig. Im Dezember 1999 bestellte ihn das Sächsische Staatsministerium des Innern zum Öffentlich bestellten Vermessungsingenieur des Freistaats Sachsen. Dem Kläger wird in der Disziplinarverfügung vorgeworfen, er habe in 25 Fällen im Zeitraum vom September 2007 bis November 2009 Kosten für seine Amtshandlungen erhoben, bevor der Kostenanspruch entstanden sei (Tatkomplex 1). Ferner habe er entgegen einer behördlichen Weisung keine Auskunft erteilt, sodass sich die Behörde gezwungen gesehen habe, die mit der Weisung erbetenen Auskünfte selbst einzuholen (Tatkomplex 2). Der Kläger habe die fachaufsichtliche Weisung des Staatsbetriebs Geobasisinformation und Vermessung zur Bereitstellung von Unterlagen für eine anlassbezogene Amtsprüfung trotz Mahnung der Behörden erst am 19. Oktober 2010 vollständig umgesetzt (Tatkomplex 3). In acht Fällen habe der Kläger ohne Anträge Katastervermessungen vorgenommen und für diese Amtshandlungen keine Kosten erhoben (Tatkomplex 4). Auch habe er das Straßenbauamt Leipzig bei der Beantragung einer Katastervermessung zu dessen finanziellen Nachteil falsch beraten, den Leistungsbescheid zum Nachteil des Kostenschuldners fehlerhaft erstellt sowie den Zahlungsnachweis über die Erstattung seiner Mehreinnahmen trotz behördlicher Weisung bis zur Klageerhebung nicht vorgelegt (Tatkomplex 5). Schließlich habe er ein Verwaltungsverfahren zur Grenzwiederherstellung nicht ordnungsgemäß durchgeführt und am 10. September 2009 eine falsche Fertigungsaussage getroffen (Tatkomplex 6).
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Mit der Disziplinarverfügung vom 6. Februar 2013 erlegte der Staatsbetrieb dem Kläger eine Geldbuße in Höhe von 3 000 € auf. Das Verwaltungsgericht hat die gegen die Disziplinarverfügung erhobene Klage mit Urteil vom 22. September 2015 abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht die Disziplinarverfügung vom 6. Februar 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Sächsischen Staatsministeriums des Innern vom 30. Oktober 2013 aufgehoben, soweit die festgesetzte Geldbuße 2 000 € übersteigt. Im Übrigen hat das Oberverwaltungsgericht die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es in seinem Urteil vom 31. Januar 2020 im Wesentlichen ausgeführt: § 26 SächsVermKatG sei verfassungsgemäß. Der Gesetzgeber habe die Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure zulässigerweise dem für Beamte geltenden Disziplinarrecht unterworfen. Eine Geldbuße in Höhe von 2 000 € statt 3 000 € sei ausreichend, um das festgestellte einheitliche Dienstvergehen des Klägers zu ahnden und ihn zur künftig pflichtgemäßen Amtsausübung als Öffentlich bestellter Vermessungsingenieur anzuhalten. Hinsichtlich des Tatkomplexes 5 habe der Kläger keine schuldhafte Pflichtverletzung begangen. Auch habe der Kläger die Dauer des Disziplinarverfahrens nicht zu verantworten. Dies führe zu einer deutlichen Verringerung der wegen der nachgewiesenen Vorwürfe des Tatkomplexes 1 (nur bezgl. lfd. Nrn. 7 bis 25) sowie der Komplexe 2, 3, 4 und 6 festgesetzten Geldbuße.
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2. Die Rüge von Verfahrensmängeln ist teilweise unzulässig, im Übrigen ist sie unbegründet. Das Berufungsurteil leidet nicht an den vom Kläger geltend gemachten Verfahrensmängeln.
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a) Der absolute Revisionsgrund des § 138 Nr. 1 VwGO ist nicht gegeben. Das Oberverwaltungsgericht war beim Berufungsurteil vorschriftsmäßig besetzt.
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aa) Nach dem Geschäftsverteilungsplan des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts sind dem 12. Senat (Disziplinarsenat) “alle Sachen der Disziplinargerichtsbarkeit” zugeteilt. Erfasst sind davon sowohl diejenigen gerichtlichen Streitigkeiten, die sich aus der unmittelbaren Anwendung des Sächsischen Disziplinargesetzes ergeben (§§ 1 und 2), als auch solche Gerichtsverfahren, die Folge der nur mittelbaren Anwendung dieses Gesetzes sind. Dies trifft auf Öffentlich bestellte Vermessungsingenieure zu. Verletzen diese die ihnen obliegenden Amtspflichten schuldhaft, richtet sich die Ahndung dieses Dienstvergehens gemäß § 26 Abs. 1 Satz 2 SächsVermKatG nach den disziplinarrechtlichen Vorschriften für Beamte des Freistaates Sachsen, soweit nicht im Sächsischen Vermessungs- und Katastergesetzes etwas Abweichendes bestimmt ist.
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bb) Unbegründet ist auch das Vorbringen der Beschwerde des Klägers, der Senat des Berufungsgerichts sei im Hinblick auf die Beamtenbeisitzer nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen.
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§ 26 Abs. 1 Satz 2 SächsVermKatG sieht die entsprechende Anwendung der disziplinarrechtlichen Vorschriften für Beamte des Freistaates Sachsen auf Dienstvergehen Öffentlich bestellter Vermessungsingenieure vor. Die “entsprechende” Anwendung hat dabei dem Umstand Rechnung zu tragen, dass es sich bei den Öffentlich bestellten Vermessungsingenieuren nicht um Beamte, sondern nach § 20 Abs. 1 Satz 3 SächsVermKatG um Beliehene handelt, d.h. um natürliche Personen, denen aufgrund eines Gesetzes die Erledigung hoheitlicher Aufgaben in den Handlungsformen des öffentlichen Rechts übertragen worden ist.
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§ 48 Abs. 3 Satz 3 bis 5 SächsDG regelt, welche Behörden und Organisationen berechtigt sind, dem zur Wahl der ehrenamtlichen Richter nach § 26 VwGO bestellten Ausschuss Vorschläge für die Beamtenbeisitzer zu unterbreiten. Den in § 48 Abs. 3 Satz 4 SächsDG genannten Spitzenorganisationen der Beamten des Freistaates Sachsen ist nach Maßgabe von § 26 Abs. 1 Satz 2 SächsVermKatG die Landesgruppe Sachsen des Bundes der Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure e.V. (BDVI) gleichzustellen. Mit den “Spitzenorganisationen der Beamten des Freistaates Sachsen” meint der Gesetzgeber die – gesetzlich nicht verfassten – Interessenvertretungen der Beamten des Freistaates, wie den Sächsischen Beamtenbund und den Deutschen Gewerkschaftsverbund. Gemäß § 26 Abs. 1 Satz 2 SächsVermKatG übertragen auf den Bereich der Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure bedeutet diese Vorschrift, dass der seitens des beklagten Freistaates beim Vollzug dieses Gesetzes anerkannte Interessenverband der Vermessungsingenieure vorschlagsberechtigt ist. Dies ist die Landesgruppe Sachsen des Bundes der Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure e.V., die nach § 20 Abs. 2 SächsVermKatG im Verfahren der Bestellung eines freiberuflich tätigen Vermessungsingenieurs zum Öffentlich bestellten Vermessungsingenieur als deren “berufsständische Vertretung” angehört wird. Nach der im Beschwerdeverfahren eingeholten Stellungnahme der Präsidentin des Verwaltungsgerichts Dresden, der die Wahl der Beisitzer des Disziplinarsenats des Oberverwaltungsgerichts oblag, hat die Landesgruppe Sachsen auch Vorschläge unterbreitet, aus denen die beiden Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure gewählt wurden.
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Unbedenklich ist auch, dass die beiden Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure in der Anlage 1 “Landesbeamtenbeisitzer” des Geschäftsverteilungsplans des Oberverwaltungsgerichts aufgeführt sind. Durch ihre Bezeichnung “ÖbV” in der Kategorie “Laufbahngruppe” der Anlage 1 zu Teil E des Geschäftsverteilungsplans wird verdeutlicht, dass es sich bei ihnen um die Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure handelt, die nach § 26 Abs. 3 SächsVermKatG an die Stelle eines Beamtenbeisitzers treten. Die nach dieser Vorschrift ebenfalls mitwirkende Bedienstete der oberen Vermessungsbehörde – “zweite Beamtenbeisitzerin” i.S.v. § 26 Abs. 3 SächsVermKatG – ist ebenso in der Anlage 1 zu Teil E des Geschäftsverteilungsplans bezeichnet.
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b) Die Rüge der Verletzung des Grundsatzes der Unmittelbarkeit der Beweiserhebung (Beschwerdebegründung I 2.) ist unzulässig. Denn es fehlt an der erforderlichen näheren Bezeichnung des Verfahrensmangels i.S.v. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Der – in der Beschwerde nicht weiter erläuterte – Begriff der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (vgl. § 96 VwGO), die nicht die Einvernahme von Zeugen voraussetzt, passt nicht zu den weiteren Ausführungen unter I 2. der Beschwerdebegründung, der Kläger habe das Verfahren so empfunden, als sei ihm eine Darstellung der konkreten Abläufe in den Einzelfällen und der jeweils maßgeblichen Umstände nicht möglich gewesen. Diese Ausführungen deuten eher darauf hin, dass Verstöße gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO oder gegen das Recht auf rechtliches Gehör geltend gemacht werden sollen.
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c) Die Rüge, das Oberverwaltungsgericht habe durch seine Annahme, es sei bei der Übergabe von Vermessungsschriften zu Verzögerungen gekommen (Tatkomplex 1, lfd. Nrn. 7 bis 25), gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO verstoßen (Beschwerdebegründung I 3.), ist unbegründet.
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Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Daraus folgt die Pflicht des Gerichts zur vollständigen und richtigen Feststellung und Erfassung des Sachverhalts (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2012 – 2 C 41.11 – Buchholz 239.1 § 37 BeamtVG Nr. 3 Rn. 20 und Beschluss vom 19. August 2008 – 3 B 11.08 – Buchholz 451.55 Subventionsrecht Nr. 110 Rn. 6), insbesondere bei der Bemessung einer Disziplinarmaßnahme (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2013 – 2 C 3.12 – BVerwGE 146, 98 Rn. 20 und 24; Beschlüsse vom 9. Oktober 2014 – 2 B 60.14 – Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 26 Rn. 41 und vom 24. Januar 2017 – 2 B 75.16 – Buchholz 11 Art. 20 GG Nr. 224 Rn. 21 m.w.N.). Diese Vorgabe hat das Berufungsgericht bei der Annahme von Verzögerungen bei der Übergabe der Vermessungsschriften nicht verletzt.
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Die Verzögerungen ergeben sich unmittelbar daraus, dass der Kläger in den 19 Fällen im Zeitraum vom 3. März 2008 bis zum 23. November 2009 die gesetzlich vorgegebene zeitliche Reihenfolge der von ihm geschuldeten Einreichung der Vermessungsschriften und der Erhebung der Gesamtkosten bei den jeweiligen Antragstellern als Ausgleich für seine Dienstleistungen eigenmächtig umgekehrt und damit – auf der Grundlage der das Revisionsgericht bindenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts – zugleich gegen die ihm von der Aufsichtsbehörde erteilte Weisung zur Kostenerhebung vom 30. September 2005 verstoßen hat.
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d) Unbegründet ist auch die Rüge, das Oberverwaltungsgericht habe § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO dadurch verletzt, dass es in Bezug auf den Tatkomplex 1 den Vortrag des Klägers zu den Abläufen nach dem 30. September 2005 unberücksichtigt gelassen habe (Beschwerdebegründung I 4.).
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Auf das Vorbringen des Klägers zur Frage der Zulässigkeit der Erhebung eines Kostenvorschusses kommt es nicht an. Denn Gegenstand des Tatkomplexes 1 ist die Erhebung der Gesamtkosten durch den Kläger zur Unzeit, nicht die Frage der Zulässigkeit der Erhebung eines Vorschusses oder von Teilkosten. Das Oberverwaltungsgericht hat ausdrücklich festgestellt, dass es bei den 19 Fällen um die Geltendmachung der Gesamtkosten durch den Kläger geht und die von diesem Tatbestand – Gesamtkosten – abweichende und deshalb sachlich unrichtige Bezeichnung der Kostenbescheide durch den Kläger nicht von Bedeutung ist. Ferner hat es in Rn. 103 des Berufungsurteils zur Abgrenzung von der hier allein relevanten Erhebung der Gesamtkosten die vor dem 1. August 2008 bestehende Möglichkeit zur Geltendmachung eines angemessenen Vorschusses und auch die ab dem 1. August 2008 nach § 24 Abs. 3 Satz 2 SächsVermKatG geltende Regelung dargestellt, wonach der Öffentlich bestellte Vermessungsingenieur bei umfangreichen Katastervermessungen und Abmarkungen entsprechend dem Fortschritt seiner Arbeiten vor der Mitteilung Kosten erheben kann.
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Das Vorbringen in der Beschwerdebegründung zu einem Gespräch des Klägers im damals sachlich zuständigen Sächsischen Staatsministerium des Innern im August 2010 ist für die Geltendmachung eines Verstoßes gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO unzureichend. Denn es wird nicht dargelegt, zu welchem Ergebnis dieses Gespräch hinsichtlich der Frage geführt hat, welches Gesetz konkret Vorrang genießt und anzuwenden ist – das Verwaltungskostengesetz des Freistaates Sachsen oder das Sächsische Vermessungsgesetz und ab dem 1. August 2008 das Sächsische Vermessungs- und Katastergesetz -, wobei die Gesetzeslage hinsichtlich der hier allein relevanten Geltendmachung der Gesamtkosten eindeutig im Sinne der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts zu beantworten ist. Bei den Erwägungen zum Vorliegen eines “Milderungsgrundes” (Rn. 121 BU) hat das Oberverwaltungsgericht auf die dem Kläger auch schriftlich mitgeteilte, den gesetzlichen Vorgaben entsprechende Rechtsauffassung des Staatsbetriebs abgehoben.
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e) Das Vorbringen unter I 4.6 der Beschwerdebegründung begründet weder einen Verstoß gegen das rechtliche Gehör des Klägers noch die Verletzung von § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO noch einen Verstoß gegen die dem Oberverwaltungsgericht obliegende Pflicht zur Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen nach § 86 Abs. 1 VwGO. Im Interesse des Klägers bewertet der Senat den – teilweise unklaren – Vortrag unter I 4.6 dahingehend, dass damit auf die mögliche Heranziehung von § 24 Abs. 3 Satz 2 SächsVermKatG abgehoben wird, wonach abweichend von Satz 1 der Öffentlich bestellte Vermessungsingenieur bei umfangreichen Katastervermessungen und Abmarkungen entsprechend dem Fortschritt seiner Arbeit vor der Mitteilung Kosten erheben kann.
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Die Beschwerdebegründung berücksichtigt insoweit nicht, dass Gegenstand der Erwägungen des Oberverwaltungsgerichts zum Tatkomplex 1 jeweils die Erhebung der Gesamtkosten für die Katastervermessungen und Abmarkungen vor Entstehung des Kostenanspruchs ist. Die Vorab-Erhebung der gesamten Kosten kann offenkundig nicht auf § 24 Abs. 3 Satz 2 SächsVermKatG gestützt werden, der ausgehend von seinem Wortlaut, der Systematik und seinem Zweck den Öffentlich bestellten Vermessungsingenieur lediglich zur Erhebung eines Teils der Gesamtkosten ermächtigt.
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f) Die Darlegungen der Beschwerdebegründung unter I 4.7 begründen wiederum keinen Verstoß des Oberverwaltungsgerichts gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Erneut wird auf die Zulässigkeit eines Vorschusses abgestellt, obwohl es beim Tatkomplex 1 um die unzulässige Erhebung der Gesamtkosten für Katastervermessungen und Abmarkungen geht. Irrelevant sind zudem die gesetzlichen Vorgaben für die anderen am Verfahren beteiligten Vermessungsbehörden. Die insoweit eindeutigen gesetzlichen Vorgaben für die Erhebung von Kosten durch Öffentlich bestellte Vermessungsingenieure hat das Oberverwaltungsgericht seinen Erwägungen zugrunde gelegt.
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g) Auch die Rüge, das Oberverwaltungsgericht habe mit seinen Ausführungen zum Tatkomplex 2 das Recht des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt, ist unbegründet (Beschwerdebegründung I 5.).
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Das Recht auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistet jedem Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit, zu dem gesamten Stoff des gerichtlichen Verfahrens in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht Stellung zu nehmen. Das Gericht darf bei seiner Entscheidung nur solche Teile des Prozessstoffes berücksichtigen, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten. Dies setzt deren Kenntnis vom Prozessstoff voraus (stRspr, vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 8. Februar 1994 – 1 BvR 765 u.a. – BVerfGE 89, 381 und vom 27. Oktober 1999 – 1 BvR 385/90 – BVerfGE 101, 106 ). Darüber hinaus darf das Gericht seine Entscheidung nicht ohne vorherigen Hinweis auf einen Gesichtspunkt stützen, mit dem auch ein sorgfältiger Verfahrensbeteiligter nicht zu rechnen brauchte (stRspr, vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 29. Mai 1991 – 1 BvR 1383/90 – BVerfGE 84, 188 und vom 19. Mai 1992 – 1 BvR 986/91 – BVerfGE 86, 133 ). Schließlich gebietet der Grundsatz rechtlichen Gehörs, dass das Gericht den Vortrag der Beteiligten zur Kenntnis nimmt und in Erwägung zieht (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 13. August 1991 – 1 BvR 72/91 – NJW 1992, 299; BVerwG, Urteil vom 21. November 1989 – 9 C 53.89 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 213 S. 33). Das Gericht ist aber nicht verpflichtet, jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen seiner Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. November 1992 – 1 BvR 168/89 u.a. – BVerfGE 87, 363 ).
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Unzutreffend ist der Vorwurf des Klägers, das Oberverwaltungsgericht sei vom Gegenstand der Disziplinarverfügung abgewichen. Das Berufungsgericht hat den Inhalt der Disziplinarverfügung des Beklagten vom 6. Februar 2013 in seinem Urteil für das Revisionsgericht bindend festgestellt (Rn. 6 ff.), weil der Kläger gegen diese tatsächlichen Feststellungen keine Verfahrensrügen erhoben hat. Gegenstand der Disziplinarverfügung (Rn. 17 bis 20) ist insoweit der Vorwurf, der Kläger habe die Weisungen des Staatsbetriebs vom 24. November 2008 und vom 20. April 2009 nicht vollständig umgesetzt, hinsichtlich der Punkte 5.4, 9.1 und 10.1 des Schreibens des Staatsbetriebs vom 24. November 2008 die jeweilige Vergabe der Kategorie zu erläutern. Die Ausführungen des Berufungsgerichts in Rn. 107 seines Urteils weichen vom Gegenstand der Disziplinarverfügung zum Tatkomplex 2 nicht ab. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Kläger sei der Weisung zur Benennung der für die Einordnung der Trennstücke entscheidungserheblichen Grundlagen durch die Vorlage von Luftbildern nur unzureichend nachgekommen, weil die für die Bemessung der Gebühren maßgebliche Zuordnung von Flächen zum Geltungsbereich von städtebaulichen Satzungen – Bebauungsplan, Flächennutzungsplan, Ergänzungssatzung oder Entwicklungssatzung – nicht habe belegt werden können.
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Der Sache nach macht der Kläger insoweit geltend, er habe entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts den Sachverhalt ausreichend erläutert und die erforderlichen Angaben gemacht. Damit geht es um die Bewertung der Frage, ob der Kläger seinen Verpflichtungen nachgekommen ist. Dass ein Gericht bei der ihm obliegenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens eines Verfahrensbeteiligten eine von dessen Einschätzung abweichende Beurteilung vornimmt, begründet keine Verletzung des Rechts dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör.
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Das Berufungsgericht hat sich in Rn. 107 auch mit dem Vorbringen des Klägers zum Vorwurf befasst, er habe die vom Staatsbetrieb angeforderten Unterlagen nicht beibringen können, weil es im ländlichen Raum regelmäßig keine Pläne gebe. Die von der Auffassung des Klägers abweichende rechtliche Bewertung dieses Vorbringens durch das Berufungsgericht verletzt den Kläger nicht in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör.
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h) Die Rüge des Klägers, das Berufungsgericht habe im Hinblick auf den Tatkomplex 3 seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, ist ebenfalls unbegründet (Beschwerdebegründung I 6.).
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Für das Vorliegen eines Verfahrensfehlers ist die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts maßgeblich. Das Oberverwaltungsgericht hat in Bezug auf den Tatkomplex 3 gerade darauf abgestellt, dass der Kläger die Weisung zur Bereitstellung von Unterlagen für die anlassbezogene Amtsprüfung ungeachtet seiner Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieser Weisung hätte befolgen müssen und auch die anwaltliche Beratung das Verschulden des Klägers nach Maßgabe des § 17 StGB nicht ausschließe. Ausgehend von dieser Rechtsauffassung des Berufungsgerichts kommt es auf die Auseinandersetzung des Klägers mit dem Staatsbetrieb über den zulässigen Umfang einer anlassbezogenen Amtsprüfung nicht an. Dementsprechend kann dem Berufungsgericht nicht vorgeworfen werden, es habe bei seiner Entscheidung Sachvortrag des Klägers unberücksichtigt gelassen, auf den es auf der Grundlage der Rechtsansicht des Berufungsgerichts ankommen kann.
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i) In Bezug auf den Tatkomplex 4 hat das Oberverwaltungsgericht festgestellt, dass der Kläger in acht Fällen Gebäudeeinmessungen und Grenzwiederherstellungen vorgenommen hat, ohne dass zum Zeitpunkt der jeweiligen Katastervermessung der hierfür erforderliche schriftliche Antrag vorgelegen habe. Zudem habe er für diese Amtshandlungen bei den jeweiligen Eigentümern keine Kosten erhoben und damit gegen seine Pflicht verstoßen, bei der Vornahme von Amtshandlungen keine Vorteile zu gewähren.
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aa) In der Einleitung zu I 7. der Beschwerdebegründung wird in Bezug auf den Tatkomplex 4 – pauschal – eine Verletzung des rechtlichen Gehörs des Klägers geltend gemacht. Dieses Vorbringen genügt nicht § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Die sich unmittelbar anschließenden Ausführungen zu I 7.1 beziehen sich auf die angebliche Verletzung von § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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bb) Dem Vorbringen unter I 7.1 der Beschwerdebegründung lässt sich nicht entnehmen, welcher Verfahrensfehler geltend gemacht werden soll.
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Mit dem Vorbringen unter I 7.1 der Beschwerdebegründung soll ausweislich der Ausführungen auf S. 10, 2. Absatz, ein Verstoß gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO geltend gemacht werden. Es wird aber schon nicht ausreichend deutlich, ob sich dieser Vortrag in der Beschwerdebegründung auf sämtliche beim Tatkomplex 4 abgehandelte – acht – Gebäudeeinmessungen und Grenzwiederherstellungen oder nur auf die Vermessungsschrift FR 570 – Bad Düben – (lfd. Nr. 6) und die dortige Bestimmung der Grenzpunkte 591 und 589 beziehen soll. Denn auf S. 10 oben der Beschwerdebegründung wird die Aussage des Berufungsgerichts in Rn. 111 des Berufungsurteils zu den Grenzpunkten 591 und 589 – abgesetzt vom übrigen Text in kursiver Schrift – wörtlich wiedergegeben. Die damit angedeutete Beschränkung auf die lfd. Nr. 6 des Tatkomplexes 4 korrespondiert aber nicht mit den weiteren Darlegungen in der Beschwerdebegründung. Unklar ist auch der Vortrag unter I 7.1 zu einem etwaigen Antrag des Klägers bei einem Vermessungsamt. Denn das Oberverwaltungsgericht hat in Bezug auf den Tatkomplex 4 nicht auf einen vom Kläger gestellten Antrag abgehoben. Gegenstand des Vorwurfs ist es, Katastervermessungen ohne Antrag vorgenommen zu haben. § 16 Abs. 2 Satz 1 SächsVermKatG schreibt vor, dass, soweit nichts anderes bestimmt ist, Katastervermessungen auf Antrag vorgenommen werden. Bereits die Vornahme der Vermessungen ohne den erforderlichen Antrag der Flurstückseigentümer oder einer Behörde begründet die Amtspflichtverletzung. Danach ist es auch unerheblich, dass die Vermessungsämter die Ergebnisse der antragslos vorgenommenen Vermessungen übernommen haben.
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cc) Die in I 7.2 der Beschwerdebegründung erhobene Rüge einer den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzenden Überraschungsentscheidung ist unbegründet.
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Der Schutz vor einer Überraschungsentscheidung verlangt, dass das Gericht nicht ohne vorherigen Hinweis auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen braucht (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Mai 1992 – 1 BvR 986/91 – BVerfGE 86, 133 und Kammerbeschluss vom 15. Februar 2011 – 1 BvR 980/10 – NVwZ-RR 2011, 460 Rn. 13 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind hinsichtlich der Annahme des Oberverwaltungsgerichts, die Flurstückseigentümer hätten durch die Nichterhebung der Kosten für die vom Kläger durchgeführten Amtshandlungen unberechtigte Vermögensvorteile in Höhe von 5 548,53 € erlangt, nicht erfüllt. Denn bereits in der Disziplinarverfügung (Nr. 4.1, S. 20) und im erstinstanzlichen Urteil (UA S. 12) wird dieser Betrag genannt.
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dd) Unbegründet ist auch die Rüge in I 7.3 der Beschwerdebegründung, das Berufungsgericht habe durch seine Annahme, bereits die Eintragung im Liegenschaftskataster führe zu einem Vermögensvorteil, § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO verletzt. Denn dem Berufungsgericht kann nicht vorgehalten werden, es habe hinsichtlich der Frage, ob die Katastervermessungen, die der Kläger ohne den nach § 16 Abs. 2 SächsVermKatG erforderlichen Antrag vorgenommen hat, i.S.v. § 2 Abs. 1 Satz 1 SächsVwKG 2003 “im Interesse der jeweiligen Grundstückseigentümer vorgenommen” worden seien, den festgestellten Sachverhalt nicht vollständig berücksichtigt. Das Berufungsgericht konnte bei der Anwendung von § 2 Abs. 1 Satz 1 SächsVwKG 2003 davon ausgehen, dass der Eigentümer eines Grundstücks durch die korrekte Erfassung im Liegenschaftskataster, die auf den vom Kläger bei den zuständigen Behörden eingereichten Vermessungsergebnissen beruht, insoweit einen unmittelbaren Vorteil erlangt, als sein Gebäudebestand nunmehr im Rechtsverkehr auch mittels des Liegenschaftskatasters nachgewiesen werden kann (OVG Bautzen, Urteil vom 2. März 2015 – 5 A 60/12 – SächsVBl. 2015, 167 Rn. 42).
35
j) Auch in Bezug auf den Tatkomplex 6, soweit es um den Vorwurf der Fertigungsaussage zur Katastervermessung am 10. September 2009 geht, hat das Oberverwaltungsgericht den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör nicht verletzt (Beschwerdebegründung I 8.).
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Das Vorbringen des Klägers in der Berufungsinstanz zur Frage der Einreichung einer Vermessungsschrift am 10. September 2009 hat das Oberverwaltungsgericht ausweislich der Ausführungen in Rn. 77 des Berufungsurteils zur Kenntnis genommen. Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs gebietet nur, dass das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen wird (stRspr, BVerfG, Beschluss vom 3. Juni 1987 – 1 BvR 313/85 – BVerfGE 75, 369 ), nicht aber, dass das Gericht den Vorstellungen eines Beteiligten folgt (BVerfG, Beschluss vom 12. April 1983 – 2 BvR 678/81 u.a. – BVerfGE 64, 1 ). Art. 103 Abs. 1 GG vermittelt insbesondere keinen Schutz davor, dass ein Gericht aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts das Vorbringen eines Beteiligten nicht weiter aufnimmt (BVerfG, Beschluss vom 21. April 1982 – 2 BvR 810/81 – BVerfGE 60, 305 m.w.N.).
37
In Bezug auf den Tatkomplex 6 hat das Berufungsgericht – in Übereinstimmung mit der Disziplinarverfügung – festgestellt, dass der Kläger nach dem Grenztermin vom 19. Juni 2008 am 10. September 2009 eine Fertigungsaussage zur Katastervermessung in der Gemarkung Zscheppelin abgegeben hat. Diese Feststellung wird durch die Disziplinarakten des Staatsbetriebs gedeckt, auf deren Inhalt das Oberverwaltungsgericht verwiesen hat. Nach der zum damaligen Zeitpunkt maßgeblichen Nr. 33 Abs. 2 Satz 1 der Katastervermessungsvorschrift vom 9. September 2003, geändert durch die Verwaltungsvorschrift vom 25. April 2005 (vgl. Gerichtsakte S. 163 ff.), bescheinigt eine von einem Öffentlich bestellten Vermessungsingenieur getroffene Fertigungsaussage, dass die Katastervermessung und Abmarkung dem Antrag entsprechen, gemäß den Vorschriften durchgeführt wurden sowie vollständig und richtig dokumentiert sind. Der Kläger geht aber selbst davon aus, dass diese Voraussetzungen für die Abgabe einer Fertigungsaussage mit dieser Bedeutung am 10. September 2009 nicht erfüllt waren.
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In der Beschwerdebegründung wird hinsichtlich des angeblich vom Berufungsgericht übergangenen Sachvortrags des Klägers auf die Berufungsbegründung vom 14. April 2017 verwiesen (dort S. 15), die wiederum auf das Vorbringen im Schriftsatz der früheren Bevollmächtigten des Klägers vom 7. September 2012 (Band V des Disziplinarverfahrens, S. 307 bis 351) Bezug nimmt. Auf den dortigen Vortrag des Klägers, aufgrund der fehlenden notariellen Einigung habe er am 10. September 2009 die Vermessungsschrift zur Übernahme in das Liegenschaftskataster beim Vermessungsamt in Torgau – gar – nicht einreichen können, kommt es nach der für das Vorliegen eines Verfahrensfehlers maßgeblichen Rechtsauffassung des Berufungsgerichts nicht an. Denn dieses hat die Verletzung der dem Kläger obliegenden Amtspflicht allein darin begründet gesehen, dass der Kläger am 10. September 2009 eine Fertigungsaussage getroffen hat, die für die übrigen Behörden eine besondere Bedeutung hat. Die im Schriftsatz vom 7. September 2012 erwähnten Schreiben des Klägers an den Staatsbetrieb im Zeitraum ab Juni 2010 sind in diesem Zusammenhang unerheblich, weil es auf die dargelegte Bedeutung der Erklärung des Klägers vom 10. September 2009 ankommt.
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k) Die Darlegungen unter I 9. der Beschwerdebegründung führen nicht zur Annahme, das Oberverwaltungsgericht habe § 108 Abs. 2 VwGO dadurch verletzt, dass es das Verhalten von Behörden des beklagten Freistaates bei der Bemessungsentscheidung unberücksichtigt gelassen habe.
40
Der Grundsatz rechtlichen Gehörs verlangt, dass das Gericht den Vortrag der Beteiligten zur Kenntnis nimmt und in Erwägung zieht (BVerfG, Kammerbeschluss vom 13. August 1991 – 1 BvR 72/91 – NJW 1992, 299; BVerwG, Urteil vom 21. November 1989 – 9 C 53.89 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 213 S. 33). Es ist jedoch davon auszugehen, dass dies in der Regel geschehen ist. Das Oberverwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass bei der ihm obliegenden Bemessungsentscheidung alle be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind. Dazu gehört auch das Verhalten der Behörde, der z.B. ein verspätetes Einleiten des Disziplinarverfahrens anzulasten ist. Aus dem Gebot des rechtlichen Gehörs folgt aber nicht die Verpflichtung des Gerichts, jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen seiner Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. November 1992 – 1 BvR 168/89 u.a. – BVerfGE 87, 363 ; BVerwG, Beschluss vom 20. Juli 2020 – 2 B 33.20 – Rn. 5).
41
l) Unbegründet ist schließlich die Verfahrensrüge unter I 10. der Beschwerdebegründung, durch die Ausführungen zur Bemessung der Geldbuße habe das Oberverwaltungsgericht § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO verletzt.
42
Aus den Ausführungen in Rn. 89 seines Urteils ist zu schließen, dass das Oberverwaltungsgericht hinsichtlich des Tatkomplexes 5 nicht von einer schuldhaften Pflichtverletzung durch den Kläger ausgegangen ist. Wie sich den weiteren Darlegungen in Rn. 89 des Berufungsurteils entnehmen lässt, ist dieser Umstand vom Berufungsgericht bei der konkreten Bemessung der Disziplinarmaßnahme auch in Gestalt der Reduzierung der festgesetzten Geldbuße berücksichtigt worden.
43
3. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr der Kläger beimisst.
44
Grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine – vom Beschwerdeführer zu bezeichnende – grundsätzliche, bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder einer Weiterentwicklung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf und die für die Entscheidung des Revisionsgerichts erheblich sein wird (stRspr, BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961 – 8 B 78.61 – BVerwGE 13, 90 ). Das ist hier nicht der Fall.
45
Die vom Kläger als grundsätzlich bedeutsam bezeichnete Frage,
“ob § 26 Abs. 1, 2 und 3 SächsVermKatG mit höherrangigem Recht, insbesondere Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 20 Abs. 3 GG vereinbar ist,”
führt nicht zur Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, weil sie mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation und auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Sinne des Berufungsgerichts beantwortet werden kann. Der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf es daher nicht.
46
a) Nach § 20 Abs. 1 Satz 3 SächsVermKatG ist der Öffentlich bestellte Vermessungsingenieur Beliehener. Damit hat der Gesetzgeber natürlichen Personen die Erledigung hoheitlicher Aufgaben in den Handlungsformen des öffentlichen Rechts überantwortet. Bei den Aufgaben des öffentlichen Vermessungswesens handelt es sich um Funktionen, die der Gesetzgeber auch dem eigenen Verwaltungsapparat vorbehalten könnte (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 18. Juni 1986 – 1 BvR 787/80 – BVerfGE 73, 280 und vom 1. Juli 1986 – 1 BvL 26/83 – BVerfGE 73, 301 ).
47
Hat der Gesetzgeber, wie hier, die Wahrnehmung staatlicher Aufgaben Berufen außerhalb des öffentlichen Dienstes anvertraut, kann er in Anlehnung an Art. 33 GG die Wirkungen des Grundrechts der Berufsfreiheit durch Sonderregelungen zurückdrängen (BVerfG, Beschluss vom 1. Juli 1986 – 1 BvL 26/83 – BVerfGE 73, 301 ). Gemessen hieran sind insbesondere solche gesetzlichen Vorschriften zulässig, die die effektive Erfüllung dieser bedeutsamen staatlichen Aufgaben durch den Beliehenen sicherstellen. Dementsprechend ist es mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit und auch mit Art. 20 Abs. 3 GG vereinbar, dass der Gesetzgeber im öffentlichen Interesse mit der Beleihung zugleich Regeln vorsieht, die, vergleichbar der Rechtslage bei der Erledigung der staatlichen Aufgaben durch beamtete Bedienstete, die dauerhafte Erfüllung der mit der Übertragung verbundenen Amtspflichten gewährleisten (vgl. auch § 19 des Gesetzes über die Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure im Land Sachsen-Anhalt – ÖbVermIngG LSA – vom 22. Mai 1992, GVBl. LSA 1992, 367 und § 12 des Thüringer Gesetzes über die Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure – ThürGÖbVI – von 22. März 2005, GVBl. S. 115).
48
Wie im Bereich des Beamtenrechts ist auch bei der disziplinarrechtlichen Ahndung von Dienstvergehen von Beliehenen die Abgrenzung zum Strafrecht und dessen Funktion grundlegend (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Juni 2019 – 2 B 82.18 – Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 67 Rn. 8). Das Strafrecht ist vom Vergeltungsprinzip mit dem Ziel der individuellen Sühne durch ein Unwerturteil über gemeinschaftswidriges Verhalten und strafrechtliche Sanktionen geprägt. Demgegenüber ist es bei Beamten wie auch bei Beliehenen ausschließlich Zweck des Disziplinarverfahrens, das Vertrauen in die Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit des Amtswalters und damit die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung zu gewährleisten. Bei der disziplinarrechtlichen Ahndung sind das Schuldprinzip und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Übermaßverbot) zu beachten (BVerfG, Kammerbeschluss vom 8. Dezember 2004 – 2 BvR 52/02 – BVerfGK 4, 243 m.w.N.). Die auch durch eine Disziplinarverfügung der oberen Vermessungsbehörde zu verhängenden Disziplinarmaßnahmen des Verweises und der Geldbuße (§ 26 Abs. 2 Satz 2 SächsVermKatG) sollen den Betroffenen an seine Dienstpflichten erinnern und damit die zukünftige ordnungsgemäße Erledigung der Amtsgeschäfte sicherstellen. Wiegt allerdings das Dienstvergehen des Öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs so schwer, dass er das Vertrauen des Beklagten oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat, ist er aus dem Amt zu entfernen.
49
b) Auch die Frage der hinreichenden Bestimmtheit der dem Öffentlich bestellten Vermessungsingenieur obliegenden Amtspflichten, deren schuldhafte Verletzung zur Annahme eines Dienstvergehens führt, begründet nicht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache.
50
Art. 103 Abs. 2 GG gilt generell auch für das Disziplinarverfahren (BVerfG, Beschluss vom 11. Juni 1969 – 2 BvR 518/66 – BVerfGE 26, 186 ). Die Weite der gesetzlichen Bestimmungen über die Amtspflichten von Beamten oder Beliehenen begegnet im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 GG aber keinen Bedenken. Generalklauseln sind gerechtfertigt, weil eine vollständige Aufzählung der mit einem Beruf verbundenen Pflichten nicht möglich und in der Regel auch nicht nötig ist. Denn es handelt sich um Normen, die nur den Kreis der Berufsangehörigen betreffen, aus denen sich die ihnen gestellten Aufgaben ergeben und daher für sie im Allgemeinen leicht erkennbar sind (BVerfG, Kammerbeschluss vom 6. Mai 2008 – 2 BvR 337/08 – NJW 2008, 2568 Rn. 24).
51
c) Schließlich führt auch die Bestimmung des § 26 Abs. 1 Satz 2 SächsVermKatG, die disziplinarrechtlichen Vorschriften für Beamte des Freistaates Sachsen entsprechend anzuwenden, sofern im Sächsischen Vermessungs- und Katastergesetzes nichts Abweichendes bestimmt ist, nicht zur Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Denn dabei handelt es sich um eine zulässige und vom Gesetzgeber häufig verwendete Regelungstechnik – z.B. § 20 Abs. 7a BKGG, § 50 Abs. 3 EStG oder § 173 Satz 1 VwGO -, deren Handhabung keine Probleme aufwirft.
52
4. Die Rüge der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ist unzulässig.
53
Eine die Revision eröffnende Divergenz ist nur dann i.S.v. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten, ebensolchen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 – 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14). Das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt weder den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenz- noch denen einer Grundsatzrüge (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Januar 1995 – 6 B 39.94 – Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 342 S. 55).
54
a) In Bezug auf die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, das Disziplinarverfahren sei am 27. Januar 2012 wirksam durch den Geschäftsführer des Staatsbetriebs Geobasisinformation und Vermessung Sachsen eingeleitet worden, wird keine Divergenz i.S.v. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO aufgezeigt. Denn es fehlt an der Darlegung der rechtssatzmäßigen Abweichung von Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts. Vielmehr wird der Sache nach nur die Anwendung dieser Grundsätze auf den konkreten Sachverhalt – und damit die Richtigkeit des Berufungsurteils – gerügt. Die Beschwerde macht insoweit lediglich geltend, nach Maßgabe der herangezogenen Beschlüsse des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. November 2008 – 2 B 63.08 – (Buchholz 235.1 § 17 BDG Nr. 1 Rn. 6 ff.) und vom 27. Oktober 2016 – 2 B 66.16 – (Buchholz 235.1 § 19 BDG Nr. 1 Rn. 8 ff.) sei nicht von einer wirksamen Einleitung des Disziplinarverfahrens auszugehen.
55
b) Auch weicht das Berufungsurteil nicht rechtssatzmäßig vom Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. November 2018 – 2 C 60.17 – (BVerwGE 163, 356) ab.
56
Der der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entnommene Rechtssatz betrifft einerseits die Fallgestaltung der nachgewiesenen Kausalität zwischen der verspäteten Einleitung eines Disziplinarverfahrens und dem weiteren Fehlverhalten des Beamten – ab dem idealtypischen Zeitpunkt der ordnungsgemäßen Einleitung des Disziplinarverfahrens – und andererseits die Fälle, in denen nicht ausgeschlossen werden kann, dass ab diesem Zeitpunkt das weitere Fehlverhalten des Beamten unterblieben wäre. Das Berufungsgericht ist in Rn. 121 BU gerade von der umgekehrten Fallgestaltung ausgegangen. Es hat in Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls festgestellt, dass die Verzögerung des Disziplinarverfahrens durch den Staatsbetrieb für das weitere disziplinarrechtlich relevante Fehlverhalten des Klägers nicht ursächlich war. Denn der Kläger habe in Kenntnis der Rechtsauffassung des Staatsbetriebs und dessen Weisungen über viele Jahre hinweg von den jeweiligen Antragstellern – entgegen der gesetzlichen Regelung – vor der Einreichung des Vermessungsergebnisses bei der zuständigen Vermessungsbehörde Kosten erhoben und die Einreichung der Ergebnisse von einem entsprechenden Zahlungseingang abhängig gemacht.
57
c) Auch im Hinblick auf den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Mai 2010 – 2 B 5.10 – (USK 2010-156) wird in der Beschwerdebegründung zur Bedeutung der überlangen Dauer des Disziplinarverfahrens keine Divergenz i.S.v. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO aufgezeigt. Denn es fehlt an der Darlegung der rechtssatzmäßigen Abweichung von dieser Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. In der Beschwerdebegründung wird gerade eingeräumt, das Berufungsgericht sei davon ausgegangen, dass sich jede überlange Dauer eines Disziplinarverfahrens auswirke. Der Sache nach beanstandet wird vielmehr die konkrete Anwendung der Grundsätze zur mildernden Wirkung einer überlangen Verfahrensdauer durch das Oberverwaltungsgericht, weil nach Ansicht der Beschwerde nach Maßgabe der Grundsätze des Bundesverwaltungsgerichts angesichts der Einzelumstände – auch bei Berücksichtigung der Verzögerung bei der Einleitung des Disziplinarverfahrens – eine Disziplinarverfügung nicht mehr in Betracht gekommen wäre. Die – von einem Beteiligten geltend gemachte – unrichtige Anwendung von Rechtssätzen des Bundesverwaltungsgerichts auf den konkreten Sachverhalt begründet nicht die Rüge der Divergenz nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO.
58
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 26 Abs. 1 Satz 2 SächsVermKatG, § 78 Abs. 4 SächsDG und § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren bedarf es nicht, weil sich die Gerichtsgebühr aus dem Gebührenverzeichnis ergibt (§ 26 Abs. 1 Satz 2 SächsVermKatG und Anlage zu § 79 SächsDG).


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