Verwaltungsrecht

Abgrenzung Berufungsverfahren und Folgeantrag

Aktenzeichen  21 ZB 17.31601

Datum:
13.11.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 132524
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 71 Abs. 1 S. 1, § 78 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 2

 

Leitsatz

1 Bei einem syrischen Staatsangehörigen, der als einziger Sohn der Familie endgültig vom Militärdienst freigestellt wurde, fehlt es für die Unterstellung einer oppositionellen Haltung – anders als bei Wehrpflichtigen und Reservisten – am Anknüpfungspunkt der Ausreise trotz Militärdienstpflichtigkeit. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
2 Unanfechtbarkeit iSd § 71 Abs. 1 S. 1 AsylG liegt auch bei dem Ausschluss der rechtlichen Möglichkeit, den Streitstoff in einem Berufungsverfahren umfassend überprüfen zu lassen, vor. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 4 K 17.34763 2017-09-28 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung für das Zulassungsverfahren wird abgelehnt.

Gründe

1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Der Kläger hat entgegen § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG keinen der in § 78 Abs. 3 AsylG genannten Zulassungsgründe ausreichend dargelegt.
1.1 Die Berufung ist nicht wegen Divergenz (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG) zuzulassen. Die Darlegung der Divergenz erfordert neben der genauen Bezeichnung des Gerichts und der zweifelsfreien Angabe seiner Divergenzentscheidung auch die Darlegung, welcher tragende Rechts- oder Tatsachensatz in dem Urteil des Divergenzgerichts enthalten ist und welcher bei Anwendung derselben Rechtsvorschrift in dem angefochtenen Urteil aufgestellte tragende Rechts- oder Tatsachensatz dazu in Widerspruch steht (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 73). Dem genügt das Zulassungsvorbringen erkennbar nicht.
Das Verwaltungsgericht ist vielmehr – dem Urteil des Senats vom 12. Dezember 2016 (21 B 16.30371 – juris Rn. 85 ff.) folgend – davon ausgegangen, dass der Kläger, der als einziger Sohn der Familie endgültig vom Militärdienst freigestellt ist, im Falle einer Rückkehr nach Syrien nicht beachtlich wahrscheinlich von staatlichen Sicherheitskräften in Anknüpfung an eine (unterstellte) oppositionelle Gesinnung verfolgt wird. Beim Kläger fehle es für die Unterstellung einer oppositionellen Haltung – anders als bei Wehrpflichtigen und Reservisten – am Anknüpfungspunkt der Ausreise trotz Militärdienstpflichtigkeit (UA S. 4). Letzteren Fall aber betrifft gerade das von Klägerseite zitierte Urteil des Senats vom 12. Dezember 2016, 21 B.16.30372 (juris).
1.2 Die Berufung ist auch nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) zuzulassen.
Der Kläger beruft sich auf eine Veränderung der Sachlage nach Erlass des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 28. September 2017. Er habe seinen Reisepass zur Verlängerung der Geltungsdauer über Juni 2018 hinaus nach Syrien zu seiner Mutter geschickt. Am 2. November 2017 habe er den Pass mit dem Stempel „ungültig“ per Post zurückerhalten (Vorlage des Passes als Beweismittel). Seiner Mutter sei gedroht worden, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Syrien sofort vom Geheimdienst verhaftet, dauerhaft inhaftiert, gefoltert oder gar getötet werde.
Die Einführung neu eingetretener Tatsachen oder neuer Beweismittel in das Antragsverfahren kommt nur dann in Betracht, wenn im Hinblick auf diese zugleich die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung erfüllt sind, insbesondere, wenn damit eine die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung eröffnende Tatsachenfrage verallgemeinerungsfähiger Tragweite betroffen ist. Betreffen diese Tatsachen und Beweismittel hingegen nur Umstände des konkreten Einzelfalls, können diese allein mit einem Folgeantrag (§ 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG) geltend gemacht werden (Marx, AsylG, 9. Aufl. 2017, § 78 Rn. 39 m.w.N.). Wegen der eingeschränkten Möglichkeit des Zugangs zu einer zweiten Tatsacheninstanz ist – für die Abgrenzung zwischen Einbringen neuer Tatsachen oder Beweismittel in ein Berufungsverfahren einerseits und einem Folgeantrag andererseits – das Merkmal „nach … unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags“ in § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG in dem Sinn zu verstehen, dass Unanfechtbarkeit den Ausschluss der rechtlichen Möglichkeit darstellt, den Streitstoff in einem Berufungsverfahren umfassend überprüfen zu lassen (VGH BW, B.v.11.1.1994 – A 14 S 2164/93 – juris Rn. 3).
Vorliegend betrifft das neue Beweismittel (Pass mit dem Stempel „ungültig“) samt dem diesbezüglichen Vorbringen des Klägers ersichtlich nur den Einzelfall. Der Senat hat nicht darüber zu befinden, wie ein Folgeantrag des Klägers zu beurteilen wäre.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.
3. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung für das Zulassungsverfahren war abzulehnen, weil die Rechtsverfolgung aus den genannten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 28. September 2017 rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


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