Aktenzeichen 1 ZB 19.838
BayBO Art. 54 Abs. 2 S. 4
Leitsatz
1 Die Geltendmachung ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) verlangt zur Erfüllung der Darlegungsanforderungen gem. § 124a Abs. 4 S. 4, Abs. 5 S. 2 VwGO eine substanzielle Erörterung des in Anspruch genommenen Zulassungsgrundes. Eine schlichte, unspezifizierte Behauptung der Unrichtigkeit der angegriffenen Entscheidung genügt nicht. (Rn. 3) (red. LS Alexander Tauchert)
2 Wenn eine Partei bereits im behördlichen Verfahren aufgefordert wurde, den von ihr vorgetragenen Einwand (hier: der Vermietung) näher darzulegen und zu beweisen, liegt kein Verfahrensfehler des Gerichts vor, wenn es auf den Umstand, dass Nachweise hierfür erbracht werden müssen, nicht hingewiesen hat. Zudem ist damit nicht ausreichend dargetan, inwieweit die Gerichtsentscheidung auf diesem Verfahrensfehler beruhen kann. (Rn. 6) (red. LS Alexander Tauchert)
Verfahrensgang
M 9 K 17.6072 2019-03-13 VGMUENCHEN VG München
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
Gründe
Die Klägerin wendet sich Eigentümerin eines mit einem Wochenendhaus bebauten Grundstücks gegen eine baurechtliche Betretensanordnung, mit der sie verpflichtet wird, der Bauaufsichtsbehörde Zutritt zu den Räumen des Hauses zu gewähren. Die hiergegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. In dem Urteil wird ausgeführt, dass die Anordnung rechtmäßig sei, da konkrete Anhaltspunkte dafür vorlägen, den Baubestand auf eine etwaige baugenehmigungspflichtige Änderung zu überprüfen. Nachdem in dem Objekt bis zu vier Personen ohne erkennbare Verbindung gemeldet gewesen seien und ein Mieter sich vier Monate dort aufgehalten habe, bestehe der durch Tatsachen belegte Verdacht, dass das Kellergeschoss zu Wohnzwecken umgenutzt und eine zweite Wohneinheit errichtet worden sei, sowie das Wochenendhaus an einen wechselnden Personenkreis vermietet werde.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und des Vorliegens eines Verfahrensmangels (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) sind nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Art und Weise dargelegt.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838). Die Geltendmachung ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) verlangt zur Erfüllung der Darlegungsanforderungen gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO eine substanzielle Erörterung des in Anspruch genommenen Zulassungsgrundes. Eine schlichte, unspezifizierte Behauptung der Unrichtigkeit der angegriffenen Entscheidung genügt nicht. Der Rechtsmittelführer muss vielmehr konkret darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis mit überwiegender Wahrscheinlichkeit falsch ist (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 62 f.; BayVGH, B.v. 4.7.2017 – 1 ZB 14.1681 – juris Rn. 4; B.v. 12.5.2017 – 15 ZB 16.1365 – juris Rn. 11; B.v. 8.10.2014 – 12 ZB 13.1087 – BayVBl 2015, 195). Diese Voraussetzungen erfüllt der Zulassungsantrag nicht.
Das Verwaltungsgericht hat die angeordnete Überprüfungsbefugnis einschließlich des Betretungsrechts nach Art. 54 Abs. 2 Satz 4 BayBO i.V.m. Art. 13 Abs. 7 GG bejaht, da eine dringende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung bestehe (vgl. BayVGH, B.v. 9.12.2015 – 1 ZB 14.1937 – juris Rn. 4; BayVGH, B.v. 26.3.2012 – 9 ZB 08.1359 – juris Rn. 15). Anhaltspunkte dafür, dass bei der Nutzung gegen die Vorschriften über die Baugenehmigungspflicht verstoßen wird, bestünden schon aufgrund der Meldung von vier Personen in dem Gebäude und der damit zu vermutenden Errichtung einer zweiten Wohneinheit.
Hiergegen wendet die Klägerin nur ein, dass die gleichzeitige Meldung von vier Personen, nicht logisch zwingend eine Ausdehnung der Wohnnutzung bedinge, weil der Platzbedarf einer Person individuell unterschiedlich sei. Die Zulassungsbegründung beschränkt sich darauf, der Annahme des Verwaltungsgerichts zu widersprechen. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den vom Verwaltungsgericht genannten Indizien, die die Vermutung von Baurechtsverstößen begründen können, enthält die Zulassungsbegründung nicht. Insbesondere setzt sie sich nicht damit auseinander, dass das Verwaltungsgericht nicht allein auf die Meldung von vier Personen abgestellt hat, sondern auch darauf verwiesen hat, dass diese offenbar nicht in engerer Beziehung zueinander stehen sowie für spätere Bewohner trotz ersichtlicher Nutzung eine Meldung offenbar unterblieben ist. Im Übrigen setzt die Befugnis nach Art. 54 Abs. 2 Satz 4 BayBO nicht voraus, dass ein Verstoß gegen baurechtliche Vorschriften vorliegt, vielmehr reicht schon die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines solchen Verstoßes aus (vgl. BayVGH, B.v. 26.3.2012 a.a.O. Rn. 13; Dirnberger in Simon/Busse, BayBO, Stand April 2019, Art. 54 Rn. 138). Soweit sie pauschal Fehler bei der Beweiswürdigung geltend macht, fehlt es an einer nachvollziehbaren Darlegung der Gründe für eine Zulassung der Berufung.
Die Berufung ist auch nicht wegen eines Verfahrensfehlers zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Die Klägerin macht geltend, das Verwaltungsgericht habe es unterlassen, vor der mündlichen Verhandlung darauf hinzuweisen, dass sie Nachweise über die Vermietung des Objekts vorlegen müsse. Soweit die Klägerin damit eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 108 Abs. 2 VwGO) oder des Untersuchungsgrundsatzes (§ 86 Abs. 1 VwGO) rügen, legt sie schon nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Art und Weise dar, inwiefern die Entscheidung des Verwaltungsgerichts auf dem Verfahrensmangel beruhen kann. Im Übrigen musste die Klägerin damit rechnen, dass der von ihr vorgetragene Einwand der Vermietung näher darzulegen und zu beweisen ist. Dazu wurde sie bereits im behördlichen Verfahren aufgefordert, nachdem sie allein in der Lage ist, diese Behauptung zu belegen. Das Gericht war daher nicht aufgrund seiner Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) gehalten, den ausschließlich in der Sphäre der Klägerin liegenden Umstand der Vermietung aufzuklären (vgl. BVerwG, B.v. 16.2.1995 – 1 B 205.93 – NVwZ 1995,473). Es ist Sache der Klägerin entsprechend ihrer Mitwirkungspflicht (§ 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 VwGO) den Nachweis hierfür zu führen (vgl. BayVGH, B.v. 10.5.2019 – 1 ZB 17.1039 – juris Rn. 6).
Auch soweit die Klägerin des Weiteren Fehler bei der Tatsachenfeststellung und Sachverhaltswürdigung sowie einen Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz geltend macht, fehlt es an einer nachvollziehbaren Darlegung der Gründe für die Zulassung der Berufung.
Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen, da ihr Rechtsmittel erfolglos geblieben ist (§ 154 Abs. 2 VwGO). Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG und entspricht dem vom Verwaltungsgericht festgesetzten Betrag.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).