Verwaltungsrecht

Ablehnung der Zulassung zum Studium der Humanmedizin wegen Auslastung des Studiengangs

Aktenzeichen  W 7 E 18.20050 u.a.

Datum:
20.2.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 40328
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
HZV § 39 Abs. 2 S. 1, § 43, § 44 Abs. 3 S. 1, § 50 Abs. 1 S. 2
VwGO § 123 Abs. 3, § 146 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Die jährliche Aufnahmekapazität für das 1., 2. 3. und 4. Fachsemester des Studiengangs Medizin (Teilbereich Vorklinische Medizin) wird gem. §§ 43 ff. HZV aufgrund des Lehrangebots (personellen Ausstattung)unter Anwendung des Curricularnormwertes (CNW) nach Formel 5 der Anlage 5 zur HZV ermittelt und anhand der Regeln der §§ 51 ff. HZV überprüft (ausstattungsbezogene Kapazität). Übersteigt die Zahl der insgesamt in den ersten vier vorklinischen Semestern eingeschriebenen Studierenden die festgelegte Zahl gem. Zulassungszahlsatzung, so kann keine weitere Zulassung erfolgen, auch nicht in eines dieser Semester in dem rechnerisch noch Kapazität vorhanden wäre. (Rn. 10) (Rn. 28 – 31)   (redaktioneller Leitsatz)
2. Ist ein Curricularnormwert normativ vorgegeben, kommt es nicht auf die studiengangspezifische Organisation der Ausbildung an (BeckRS 2012, 26052). Demgegenüber besteht keine gesetzliche Verpflichtung, den studiengangspezifischen Ausbildungsaufwand für Dienstleistungsexporte normativ festzusetzen (BeckRS 2013, 51455). (Rn. 15)(Rn. 19 ) (redaktioneller Leitsatz)
3. ur Berechnung des Schwundausgleichs werden die statistisch erfassten Zu- und Abgänge der im betreffenden Studiengang eingeschriebenen Studierenden zugrunde gelegt. D. h. grundsätzlich zählen auch beurlaubte Studierende (BeckRS 2012, 52589). Werden beurlaubte Studierende – wie vorliegend – nicht mit berechnet, führt dies zu einem kapazitätsgünstigeren Ergebnis und ist deshalb nicht zu beanstanden (BeckRS 2015, 49687). (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
4. Zielvereinbarung zwischen der Hochschule und dem Land, die durch befristete erhöhte Mittelzuweisung zu einer befristeten Erhöhung der Ausbildungskapazitäten führen bleiben kapazitätsrechtlich unberücksichtigt (BeckRS 2015, 49687). (Rn.  27 ) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die vorstehend unter ihren Aktenzeichen aufgeführten Verfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
II. Die Anträge werden abgelehnt.
III. Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
IV. Der Streitwert wird für jedes Verfahren auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1. Die Antragsteller begehren ihre (einstweilige) Zulassung zum ersten Studienabschnitt des Studiengangs Humanmedizin an der J.-M.-Universität W. (JMU) nach den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen des Wintersemesters 2018/2019.
Die JMU hat in § 1 der Satzung über die Festsetzung der Zulassungszahlen der im Studienjahr 2018/2019 an der J.-M.-Universität W. als Studienanfängerinnen und Studienanfänger sowie im höheren Fachsemester aufzunehmenden Bewerberinnen und Bewerber – Zulassungszahlsatzung 2018/2019 – vom 30. Juni 2018 die Zahl der in diesem Fach aufzunehmenden Bewerber (Zulassungszahl) für den ersten Studienabschnitt auf 615 festgesetzt, wobei auf das erste Fachsemester 158 Studienplätze entfallen, auf das zweite Fachsemester 155, auf das dritte 152 und auf das vierte 150.
Mit E-Mail vom 22. November 2018 hat die JMU eine Aufstellung übersandt, der zufolge mit Stand vom 12. November 2018 im ersten Fachsemester – bereinigt um Beurlaubungen – 158 Studierende eingeschrieben sind, im zweiten Fachsemester – bereinigt um Beurlaubungen – 156, im dritten Fachsemester – bereinigt um Beurlaubungen – 159 und im vierten Fachsemester – bereinigt um Beurlaubungen – 143.
2. Die Antragsteller halten die Aufnahmekapazität mit den festgesetzten Zulassungszahlen und der Zahl der vergebenen Studienplätze für nicht ausgeschöpft. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die Antragsschriftsätze und das weitere Vorbringen Bezug genommen.
Die Antragsteller lassen sinngemäß beantragen,
den Antragsgegner zu verpflichten, sie zum Studium der Humanmedizin an der Universität W., teilweise hilfsweise beschränkt auf den vorklinischen Studienabschnitt, nach den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen des Wintersemesters 2018/2019 im ersten Fachsemester, in den Verfahren W 7 E 18.20050 und W 7 E 18.20123 im zweiten Fachsemester, in den Verfahren W 7 E 18.20082, W 7 E 18.20111 und W 7 E 18.20112 im vierten Fachsemester, jeweils hilfsweise einem niedrigeren Fachsemester, einstweilen zuzulassen.
Der Antragsgegner lässt beantragen,
die Anträge abzulehnen.
Auf die Schriftsätze der Kanzlei … … wird verwiesen.
II.
1. Die zulässigen Anträge sind nicht begründet, denn das Gericht hält es nicht für glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO), dass im Wintersemester 2018/2019 an der JMU über die vergebenen Studienplätze hinaus noch weitere freie Studienplätze im Studiengang Humanmedizin (Vorklinik) im ersten, zweiten, dritten oder vierten Fachsemester verfügbar sind.
Maßgebend für die rechtliche Überprüfung der Aufnahmekapazität dieser Lehreinheit ist die Hochschulzulassungsverordnung – HZV – vom 18. Juni 2007 (GVBl S. 401), zuletzt geändert durch Verordnung vom 28. April 2018 (GVBl S. 277).
Gemäß § 44 Abs. 3 Satz 1 HZV wird der Studiengang Medizin für Berechnungszwecke in einen vorklinischen und einen klinischen Teil untergliedert, wobei der vorklinische Teil den Studienabschnitt bis zum Ersten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung nach § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Approbationsordnung für Ärzte (ÄAppO) und der klinische Teil den Studienabschnitt zwischen dem Ersten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung und dem Beginn des Praktischen Jahres nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ÄAppO umfasst. Zur Berechnung der jährlichen Aufnahmekapazität für den Studiengang Medizin sind die Lehreinheiten Vorklinische Medizin, Klinischtheoretische Medizin und Klinischpraktische Medizin zu bilden (§ 44 Abs. 3 Satz 2 HZV). Der vorklinische Teil des Studiengangs wird nach § 44 Abs. 3 Satz 3 HZV der Lehreinheit Vorklinische Medizin, der klinische Teil des Studiengangs der Lehreinheit Klinischpraktische Medizin zugeordnet; die Lehreinheit Klinischtheoretische Medizin erbringt für den Studiengang Medizin Dienstleistungen im Sinne von § 48 HZV.
Die Aufnahmekapazität der Lehreinheit Vorklinische Medizin wird – wie bei jeder anderen Lehreinheit auch – als jährliche Kapazität (§ 39 Abs. 2 Satz 1 HZV) nach den Regeln der §§ 43 ff. HZV aufgrund der personellen Ausstattung (das sog. Lehrangebot) unter Anwendung des Curricularnormwertes (CNW) nach Formel 5 der Anlage 5 zur HZV ermittelt; dieses Ergebnis wird sodann anhand der Regeln der §§ 51 ff. HZV überprüft (ausstattungsbezogene Kapazität).
1.1 Der Antragsgegner hat auf der Basis von 45,86 Planstellen ein Lehrangebot von 337,6 Deputatstunden ermittelt. Im vergangenen Berechnungszeitraum waren 1,4 Deputatstunden mehr angesetzt. Wie von der JMU mit E-Mail vom 7. Februar 2019 erläutert, ergibt sich diese Änderung des Umfangs des Lehrangebots aus einer Korrektur eines Ausweisungsfehlers in der Vorjahresberechnung. Nunmehr berücksichtigt die JMU die Stelle von Frau Dr. K. bereits beim Lehrangebot nicht, weil dieser von Anfang an keine Lehraufgaben übertragen worden sind. Dies ist im Ergebnis nicht zu beanstanden, wie in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zu vorvergangenen Berechnungszeiträumen schon geklärt (vgl. dazu BayVGH, B.v. 22.8.2013 – 7 CE 13.10180 – juris). Durch andere im Vergleich zum Vorjahr erstmalig kapazitätsgünstig veränderte Ansätze auf der Lehrangebotsseite für das Jahr 2018/2019 im Umfang von 8,6 LVS wirkte sich, wie von der JMU erläutert, diese Korrektur bei Gesamtbetrachtung der Lehreinheit nur mit einer Verringerung um 1,4 LVS aus. Letztlich liegt eine Erhöhung des Lehrangebots um 8,6 LVS im Vergleich zum Vorjahr vor. Die Lehrverpflichtung der jeweiligen Lehrpersonen, d.h. die Zahl der zu absolvierenden Lehrveranstaltungsstunden, ergibt sich aus § 4 der Verordnung über die Lehrverpflichtung des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals an Universitäten, Kunsthochschulen und Fachhochschulen (Lehrverpflichtungsverordnung – LUFV) vom 14. Februar 2007, zuletzt geändert durch Verordnung vom 22. Juli 2014 (GVBl S. 286).
1.1.1 An Deputatsverminderungen wurden wie im vergangenen Berechnungszeitraum 20 Lehrveranstaltungsstunden angesetzt. Die Deputatsverminderungen entsprechen denen in den vorhergehenden Berechnungszeiträumen. Diese hat das Gericht ebenso wie der Bayer. Verwaltungsgerichtshof wiederholt überprüft und für bedenkenlos gehalten (vgl. nur B.v. 12.4.2012 – W 7 E 11.20570 u.a.; BayVGH, B.v. 26.8.2011 – Nr. 7 CE 11.10712 u.a.). Es mag zwar sein, dass diese Ermäßigungen bereits vor längerer Zeit gewährt worden sind, es besteht aber kein Anlass, deren Aktualität zu bezweifeln. Die in den Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vertretene Auffassung hat die Kammer zuletzt mit Urteilen vom 26. Juni 2017 – z.B. W 7 K 16.10003 – bestätigt und dabei ihre ständige Rechtsprechung zu dieser Frage bekräftigt, die vom Bayer. Verwaltungsgerichtshof zuletzt mit Beschluss vom 20. November 2018 (7 CE 18.10060 – juris Rn. 13) gebilligt wurde. Bezüglich der um 7 Stunden verringerten Anzahl der Deputatsminderung im Vergleich zum Berechnungszeitraum 2016/2017 wird auf die Rechtsprechung zur Vorjahresberechnung verwiesen (BayVGH, B.v. 20.11.2018 – 7 CE 18.10060 u.a. – juris Rn. 14 ff.; BayVGH, B.v. 27.8.2018 – 7 CE 18.10010 – juris Rn. 12).
1.1.2 Die Universität hat in der streitgegenständlichen Kapazitätsberechnung den nach der Anlage 7 zu § 50 Abs. 1 Satz 2 HZV festgelegten Curricularnormwert für den vorklinischen Teil des Studiengangs Humanmedizin (2,42) auf die am vorklinischen Teil des Studiengangs Humanmedizin beteiligten Lehreinheiten aufgeteilt und in der Summe nicht überschritten. Zu einer weiteren Verringerung ihres Curriculareigenanteils ist die für die Ausbildung der Studenten im vorklinischen Teil des Studiengangs Humanmedizin der Universität berufene Lehreinheit Vorklinische Medizin nicht verpflichtet (vgl. auch BayVGH, B.v. 10.1.2012 – 7 ZB 11.783 – juris Rn. 10 ff m.w.N.; B.v. 1.2.2016 – 7 ZB 15.10191).
Die Curricularnormwerte, die sich an der maximalen Auslastung der Hochschulen orientieren, sind abstrakte Normwerte, die aus vielen konkreten Studienplänen abgeleitet wurden (vgl. Bahro/Berlin, Hochschulzulassungsrecht, 4. Aufl. 2003, § 13 Kapazitätsverordnung Rn. 2 ff.). Sie abstrahieren im Interesse einer gleichmäßigen Auslastung der Hochschulen den Ausbildungsaufwand des jeweiligen Studiengangs und sind für die Kapazitätsberechnungen der einzelnen Hochschulen verbindlich. Die Studienbewerber haben deshalb auch keinen Anspruch auf Unterschreitung des festgesetzten Curricularnormwerts und damit auf eine Erhöhung der Ausbildungskapazität (Anzahl der Studienplätze) zu Lasten der an eine ordnungsgemäße Ausbildung der Studierenden zu stellenden Anforderungen. Für die Berechnung der Aufnahmekapazität und die gerichtliche Prüfung der Kapazitätsberechnung kommt es daher bei Vorgabe eines Curricularnormwerts – anders als bei der normativen Vorgabe lediglich einer „Bandbreite“ möglichen Ausbildungsaufwands eines Studiengangs – auf die von der jeweiligen Hochschule gewählte studiengangspezifische Organisation der Ausbildung nicht an (vgl. auch BayVGH, B.v. 14.6.2012 – 7 CE 12.10025 u.a. – juris Rn. 12 f.). Damit kommt es auch weder auf die tatsächliche Gruppengröße bei Vorlesungen oder Seminaren an der Universität noch darauf an, welche „Betreuungsleistungen“ die Universität im Einzelnen erbringt (vgl. auch BayVGH, B.v. 7.8.2015 – 7 CE 15.10137 u.a. – juris Rn. 12).
1.1.3 Bei den Lehrauftragsstunden nach § 47 HZV hat der Antragsgegner laut Tabellenblatt 3.a Berechnung aus dem Bereich der Titellehre 4,85 Lehrveranstaltungsstunden pro Semester angesetzt. Insgesamt wurden 9,92 Lehrauftragsstunden pro Semester angesetzt. Dies ist nicht zu beanstanden (vgl. BayVGH, B.v. 22.8.2013 – 7 CE 13.10181 u. a. – juris, Rn. 28f).
Aus den bisher ermittelten Zahlenwerten ergibt sich somit ein unbereinigtes Lehrangebot von (337,6 – 20 + 9,92 =) 327,52 Lehrveranstaltungsstunden.
1.1.4 Zur Berechnung des Bedarfs an Dienstleistungen (§ 48 Abs. 1 HZV) sind gemäß § 48 Abs. 2 HZV die Studienanfängerzahlen für die nicht zugeordneten Studiengänge anzusetzen, wobei die voraussichtlichen Zulassungszahlen für diese Studiengänge und/oder die bisherige Entwicklung der Studienanfängerzahlen zu berücksichtigen sind. Für den Ansatz einer Schwundquote findet sich daher keine rechtliche Grundlage. Den Dienstleistungsexport in die nicht zugeordneten Studiengänge nach § 48 Abs. 1 HZV errechnet die JMU mit 47,8118 Lehrveranstaltungsstunden, im Berechnungszeitraum 2017/2018 waren es 49,0516 Lehrveranstaltungsstunden. Die Einzelheiten können dem Tabellenblatt 3.a Berechnung entnommen werden. Die Verpflichtung zum Angebot dieser Dienstleistungen ergibt sich aus den einschlägigen Prüfungs- bzw. Studienordnungen.
Eine gesetzliche Verpflichtung, den studiengangspezifischen Ausbildungsaufwand für Dienstleistungsexporte normativ festzusetzen, besteht nicht (mit ausführlicher Begründung: BayVGH, B.v. 28.5.2013 – 7 CE 13.10105 – juris; B.v. 26.10.09 – 7 CE 09.10565 u.a.).
Bei Zugrundelegung der oben dargestellten Zahlen für den Dienstleistungsexport ergibt sich demnach ein bereinigtes Lehrangebot von (327,52 – 47,8118 =) 279,7082.
1.2 Zur Berechnung der jährlichen Aufnahmekapazität (§ 43 HZV) sind nach § 50 Abs. 1 Satz 2 HZV die in Anlage 7 aufgeführten Curricularnormwerte (CNW) anzuwenden. Der CNW für den vorklinischen Teil des Studiengangs Humanmedizin beträgt danach 2,42. Er wird vorliegend mit 2,42 nicht überschritten, wie sich aus dem Tabellenblatt 2. Statistik der Berechnungsmappe der JMU ergibt.
1.3 Unter Anwendung der Teilquoten der zugeordneten Studiengänge hat der Antragsgegner einen gewichteten Curricularanteil in Höhe von 1,6596 ermittelt (Tabellenblatt 3.a Berechnung). Aus den vorliegenden Zahlenwerten ergibt sich unter Anwendung der Formel 5 Abschnitt II zu § 43 HZV (Anlage 5) eine jährliche Aufnahmekapazität von (2 x 279,7082) : 1,6965 = 329,74. Multipliziert man diesen Zahlenwert mit dem Zp-Wert (Anteilquote nach § 49 HZV) von 0,9325, ergibt dies eine Zahl von 307,5.
1.4 Bei Zugrundelegung eines (zutreffend errechneten) Schwundausgleichsfaktors von 0,9740 (vgl. Tabellenblatt 2. Statistik) errechnet sich eine Zahl von 316 Studienplätzen pro Jahr für Erstsemester, von denen 158 auf das Wintersemester entfallen. Zweifel an der Richtigkeit der Schwundberechnung der Universität bestehen schließlich ebenfalls nicht. Die Studienanfängerzahl ist nach § 53 HZV dann zu erhöhen, wenn zu erwarten ist, dass wegen Aufgabe des Studiums oder Fachwechsels oder Hochschulwechsels die Zahl der Abgänge an Studierenden in höheren Fachsemestern größer ist als die Zahl der Zugänge (Schwundquote). Maßgebend für die Ermittlung der Zugänge und Abgänge sind die jeweiligen statistischen Erhebungen über den Bestand der im betreffenden Studiengang vorhandenen (eingeschriebenen) Studierenden. Eine „Korrektur“ der in die Schwundberechnung einbezogenen Bestandszahlen der Studenten kommt nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nur dann in Betracht, wenn sich die Studentenzahlen aufgrund außergewöhnlicher Einflussfaktoren in „atypischer“ Weise entwickeln und diese im sonstigen Studienverlauf ungewöhnliche Entwicklung in geeigneter Weise rechnerisch auszugleichen oder zu neutralisieren ist. Dies kann etwa bei gerichtlich nachträglich zugelassenen Studenten der Fall sein, wenn sich bei Zugrundelegung der Bestandszahlen eine „ganz ungewöhnliche („positive“) Schwundquote“ ergeben würde (vgl. z. B. BayVGH, B.v. 24.8.2009 – 7 CE 09.10352 u.a. – Rn. 24 ff.). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach entschieden, dass zwar eine über 1,0 liegende (Gesamt-) Schwundquote nach der Systematik des Kapazitätsrechts unzulässig wäre, einzelne, den tatsächlichen Verhältnissen entsprechende und nachvollziehbare Übergangsquoten mit einem Wert geringfügig über 1,0 hingegen nicht zu beanstanden sind (vgl. z. B. BayVGH, B. v. 30.4.2012 – 7 CE 12.10044 u. a. – juris Rn. 24). Ebenso müssen auch Studierende, die nicht mehr an der Fortführung ihres Studiums interessiert sind und deshalb an keinen Lehrveranstaltungen mehr teilnehmen, nicht aus dem Bestand herausgerechnet werden, solange sie immatrikuliert bleiben. Dies gilt auch für beurlaubte Studierende (vgl. z. B. BayVGH, B. v. 30.4.2012 – 7 CE 12.10044 u. a. – juris Rn. 26 f.). Wenn die Universität nach eigenem Bekunden im Rahmen ihrer Schwundberechnung gleichwohl beurlaubte Studierende aus dem Bestand herausrechnet, führt dieses Vorgehen generell zu einem kapazitätsgünstigeren Ergebnis und ist deshalb nicht zu beanstanden (vgl. BayVGH, B.v. 5.8.2015 – 7 CE 15.10118 – juris Rn. 22).
Es liegt in der Natur der Sache, dass die Rückkehr beurlaubter Studierender, die im Semester der Beurlaubung nicht in den Bestandszahlen zur Ermittlung der Schwundquote enthalten sind und erst wieder mit Ablauf des Urlaubssemesters ausgewiesen sind, zu Schwankungen einzelner Übergangsquoten in den Kohorten der Schwundberechnung führen kann. Das Gleiche gilt für gerichtlich oder durch Vergleich veranlasste Zulassungen, die ab dem Zeitpunkt in der Belegung erfasst werden, ab dem sie bei der Universität tatsächlich immatrikuliert sind. Die Anzahl der gerichtlich nachträglich zugelassenen Studenten seit dem Wintersemester 2015/2016 ist nicht so hoch, dass sich daraus eine „ganz ungewöhnliche („positive“) Schwundquote“ ergeben würde. Die größte Zahl gerichtlicher Zulassungen betraf die Rechtsverhältnisse des Wintersemesters 2015/2016: So wurde die Antragsgegnerseite in einstweiligen Rechtsschutzverfahren betreffend die Rechtsverhältnisse des Wintersemesters 2015/2016 verpflichtet, vier Antragsteller vorläufig im zweiten Fachsemester zuzulassen und drei Antragsteller vorläufig im vierten Fachsemester zuzulassen. Dabei wären – wie bereits ausgeführt – einzelne, den tatsächlichen Verhältnissen entsprechende und nachvollziehbare Übergangsquoten mit einem Wert geringfügig über 1,0 nicht zu beanstanden.
Bei Zugrundelegung der durchschnittlichen Übergangsquote q, im Kapazitätsbericht gerundet ausgewiesen mit 0,9824 (siehe Tabellenblatt 2. Statistik), ergeben sich daraus (158 x 0,9824 = 155,2) 155 Studienplätze für das zweite Fachsemester, (158 x 0,9824 x 0,9824 = 152,4) 152 Studienplätze für das dritte Fachsemester und (158 x 0,9824 x 0,9824 0,9824 = 149,8) 150 Studienplätze für das vierte Fachsemester.
1.5. In der Zulassungszahlsatzung 2018/2019 wurden im Wintersemester 158 Studienplätze für das erste, 155 für das zweite Fachsemester, 152 für das dritte Fachsemester und 150 für das vierte Fachsemester festgesetzt.
Die vorübergehende Erhöhung der Studienanfängerzahlen Humanmedizin um 15 Studienplätze pro Semester für die Absolventen der doppelten Abiturjahrgänge vom Wintersemester 2011/2012 bis zum Sommersemester 2014 beruhend auf einer Zielvereinbarung der Universität und des Universitätsklinikums mit dem Bayer. Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst vom April 2011 und dem 1. Nachtrag hierzu ist bereits zum Wintersemester 2014/2015 ausgelaufen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. B.v. 22.8.2013, 7 CE 13.10187 u.a.; B.v. 27.6.2011 – 7 CE 11.10501 u.a. – juris, Rn. 8 ff m.w.N.) gibt es – über die zwischen der Universität und dem Universitätsklinikum mit dem Bayer. Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst zur vorübergehenden Erhöhung der Studienanfängerzahlen Humanmedizin für die Absolventen der doppelten Abiturjahrgänge geschlossenen Zielvereinbarung vom April 2011 sowie dem 1. Nachtrag zu dieser Zielvereinbarung hinaus – keinen Anspruch auf weitergehenden Ausbau der Ausbildungskapazität, auch nicht im Hinblick auf den sogenannten „Hochschulpakt 2020“. Eine dauerhafte Erhöhung der Aufnahmekapazität war mit dieser Zielvereinbarung schon deshalb nicht verbunden, weil die zusätzlichen finanziellen Mittel durch den Haushaltsgesetzgeber nur befristet für die Zeit der Erhöhung der Zulassungszahlen zur Verfügung gestellt worden sind. Die Zielvereinbarung bleibt als Maßnahme zum Ausgleich einer zusätzlichen Belastung der Universität im Übrigen auch kapazitätsrechtlich unberücksichtigt (§ 40 Abs. 2 HZV, vgl. dazu auch BayVGH, B.v. 5.8.2015 – 7 CE 15.10118 – juris Rn. 10).
2. Die 158 Studienplätze für das erste Fachsemester sind ausweislich der von der Universität W. vorgelegten Statistik mit 158 eingeschriebenen Studierenden – drei weitere wurden wegen Beurlaubung nicht einbezogen – ausgeschöpft, weshalb die Anträge auf Zulassung zum ersten Fachsemester abzulehnen waren.
Die 155 Studienplätze für das zweite Fachsemester sind ausweislich der von der Universität W. vorgelegten Statistik mit 156 eingeschriebenen Studierenden – ein weiterer wurde wegen Beurlaubung nicht einbezogen – ausgeschöpft, weshalb die Anträge auf Zulassung zum zweiten Fachsemester abzulehnen waren.
Die 152 Studienplätze für das dritte Fachsemester sind ausweislich der von der Universität W. vorgelegten Statistik mit 159 eingeschriebenen Studierenden – ein weiterer wurde wegen Beurlaubung nicht einbezogen – ausgeschöpft, weshalb die Anträge auf Zulassung zum dritten Fachsemester abzulehnen waren.
Die 150 Studienplätze für das vierte Fachsemester sind ausweislich der von der Universität W. vorgelegten Statistik mit 143 eingeschriebenen Studierenden – vier weitere wurden wegen Beurlaubung nicht einbezogen – zwar nicht ausgeschöpft. Die Anträge auf Zulassung zum vierten Fachsemester waren jedoch im Hinblick auf § 3 Abs. 3 Satz 1 der Zulassungszahlsatzung 2018/2019 abzulehnen. Denn die Zahl der insgesamt in den ersten vier vorklinischen Semestern eingeschriebenen Studenten nach dem Stand vom 12. November 2018 beträgt 616 und übersteigt damit die Zahl der nach der Zulassungszahlsatzung 2018/2019 für das erste bis vierte Fachsemester im ersten Studienabschnitt des Medizinstudiums zuzulassenden Studierenden von 615 um 1.
3. Teilstudienplätze für den ersten Studienabschnitt werden an der Universität W. nicht (mehr) vergeben, weshalb auch die teilweise gestellten Hilfsanträge ohne Erfolg bleiben.
4. Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO.
Streitwert: §§ 52 Abs. 1 und 2, 53 Abs. 3 Nr. 1, 63 Abs. 2 GKG.
Beim Streitwert geht das Gericht vom halben Regelstreitwert aus.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben