Verwaltungsrecht

Ablehnung des Antrags auf Erteilung einer Baugenehmigung nach bestandskräftiger Beseitigungsanordnung, Kein Wiederaufgreifen des Verfahrens

Aktenzeichen  1 ZB 22.370, 1 ZB 22.463

Datum:
12.5.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 12049
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 35
BayVwVfG Art. 51

 

Leitsatz

Verfahrensgang

M 29 K 21.3147 2021-09-15 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Verfahren 1 ZB 22.370 und 1 ZB 22.463 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
II. Die Anträge auf Zulassung der Berufung werden abgelehnt.
III. Der Kläger hat die Kosten der Zulassungsverfahren zu tragen.
IV. Der Streitwert für die Zulassungsverfahren wird auf insgesamt 12.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger begehrt die (nachträgliche) Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung einer Einfriedung als Gabionenwand auf den Grundstücken FlNr. …17, …16, …19, die bis zu deren Veräußerung im September 2019 in seinem Eigentum standen, sowie dem Grundstück FlNr. …3, Gemarkung G … Darüber hinaus wendet er sich gegen die Androhung eines Zwangsgeldes zur Durchsetzung der bestandskräftigen Anordnung zur Beseitigung der Gabionenwand und begehrt die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich der Beseitigungsanordnung.
Die gegen die Anordnung der Beseitigung der Gabionenwand erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 25. September 2019 (M 29 K 17.2023) abgewiesen. Die genehmigungspflichtige Einfriedung befinde sich im Außenbereich und beeinträchtige als sonstiges Vorhaben im Sinn von § 35 Abs. 2 BauGB öffentliche Belange. Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 19. Mai 2020 wurde der Antrag auf Zulassung der Berufung abgelehnt (1 ZB 19.2395), mit Beschluss vom 15. Juli 2020 die hiergegen erhobene Anhörungsrüge des Klägers zurückgewiesen (1 ZB 20.1382).
Mit Schreiben vom 13. Oktober 2020 teilte das Landratsamt dem Kläger auf seinen Antrag auf Wiederaufgreifen des Beseitigungsverfahrens mit, dass angesichts der rechtskräftig abgeschlossenen Gerichtsverfahren kein Raum für weitere Verhandlungen sei, stellte mit Schreiben vom 27. Oktober 2020 das angedrohte Zwangsgeld fällig und drohte ein weiteres Zwangsgeld an. Mit Bescheid vom 11. Mai 2021 lehnte das Landratsamt den gemeinsam mit den neuen Eigentümern gestellten Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung für die „Tektur zum gen. Eingabeplan BV.Nr. 186073 vom 10. Juli 1980 für die Errichtung einer Einfriedungsmauer als Gabionenwand“ ab.
Die dagegen gerichteten Klagen hat das Verwaltungsgericht jeweils mit Urteil vom 15. September 2021 abgewiesen. Die Ablehnung des Antrags auf Erteilung einer Baugenehmigung folge aus der bestandskräftigen Beseitigungsanordnung, mit der die materielle Rechtswidrigkeit des Vorhabens festgestellt worden sei. Diese könne bei gleichbleibender Sach- und Rechtslage nicht durch einen später gestellten Bauantrag in Frage gestellt werden. Ungeachtet dessen sei das Vorhaben nach wie vor bauplanungsrechtlich unzulässig, eine Änderung der Sach- und Rechtlage sei weder vorgetragen noch ersichtlich. Die Androhung eines weiteren Zwangsgeldes sei rechtmäßig, der Kläger habe keinen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens hinsichtlich der Beseitigungsanordnung.
II.
Die Anträge auf Zulassung der Berufung haben keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor bzw. sind nicht dargelegt (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 8.5.2019 – 2 BvR 657/19 – juris Rn. 33; B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838). Das ist nicht der Fall.
1.1 Hinsichtlich der Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die materielle Rechtswidrigkeit des Vorhabens sich bereits aus der bestandskräftigen Beseitigungsanordnung ergibt und das Vorhaben weiterhin bauplanungsrechtlich unzulässig ist, werden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung nicht aufgezeigt.
Eine Beseitigungsanordnung nach Art. 76 Abs. 1 BayBO stellt auch die Unzulässigkeit des Vorhabens fest. Ein neuer, durch keine Sach- und Rechtsänderung ausgelöster Bauantrag kann nach rechtskräftiger Bestätigung der Beseitigungsanordnung diese Feststellung nicht mehr in Frage stellen (vgl. BayVGH, B.v. 23.11.2015 – 1 ZB 15.1978 – BayVBl 2016, 383; U.v. 11.12.1987 – 26 B 84 A.1071 – BayVBl 1989, 312). Nach dem rechtskräftigen Urteil des Verwaltungsgerichts vom 25. September 2019 (M 29 K 17.2023) befindet sich die genehmigungspflichtige Einfriedung im Außenbereich und beeinträchtigt als sonstiges Vorhaben im Sinn von § 35 Abs. 2 BauGB öffentliche Belange. Das Vorhaben ist daher bauplanungsrechtlich nicht genehmigungsfähig.
Soweit der Kläger in der Zulassungsbegründung beanstandet, dass das Verwaltungsgericht den Antrag auf Wiederaufgreifen des (Beseitigungs-)Verfahrens nicht berücksichtigt habe, trifft das ausweislich des angefochtenen Urteils weder zu (M 29 K 21.3147 UA S. 4, 5) noch reicht allein die Stellung eines solchen Antrags für die Annahme einer veränderten Rechtslage aus. Darüber hinaus kommt es auf die vorgetragenen Gründe nicht entscheidend an. Denn eine Änderung der Sach- und Rechtslage in Bezug auf die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens wird damit nicht dargelegt. Der Vortrag des Klägers ist auch nicht geeignet, die zutreffende Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass das Vorhaben im bauplanungsrechtlichen Außenbereich liegt, da es vorliegend an einem Ortsteil im Sinn des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB fehlt, nachträglich in Frage zu stellen. Die behauptete Unstimmigkeit der Beseitigungsanordnung im Hinblick auf die Länge der Gabionenwand und eine damit einhergehende Untätigkeit des Landratsamts ist für die Richtigkeit der Annahme des Verwaltungsgerichts zur bauplanungsrechtlichen Unzulässigkeit des Vorhabens nicht maßgeblich. Die Bezugsobjekte wurden bereits im rechtskräftig abgeschlossenen gerichtlichen Verfahren vorgetragen und sind weder geeignet, die maßgebliche Sachlage zu ändern noch rechtfertigen sie eine abweichende Entscheidung.
1.2 Das Zulassungsvorbringen zeigt auch keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Annahme des Verwaltungsgerichts auf, dass die Androhung eines weiteren Zwangsgeldes gegen den Kläger zur Durchsetzung der Pflicht zur Beseitigung der Gabionenwand rechtmäßig ist und der Kläger keinen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens hat. Soweit der Kläger sich im Zulassungsvorbringen auf die Rüge beschränkt, dass das Verwaltungsgericht das Ordnungswidrigkeitenverfahren vor dem Amtsgericht Fürstenfeldbruck (Az. 3 OWi 48 Js 28053/20) nicht gewürdigt habe, übersieht er, dass dieses Verfahren weder für die hier streitgegenständliche Vollstreckung der sich aus dem bestandskräftigen Bescheid vom 18. April 2017 resultierenden Beseitigungspflicht noch für das Wiederaufgreifen des (abgeschlossenen) Verwaltungsverfahrens entscheidungserheblich ist, da es allein die zu verfolgende Ordnungswidrigkeit und den in der Folge erlassenen Bußgeldbescheid betrifft. Im Übrigen weist der Beklagte zu Recht darauf hin, dass sich aus dem Urteil des Amtsgerichts vom 18. Februar 2021 keine abweichende Rechtsauffassung ergibt. Im Verfahren der Androhung eines weiteren Zwangsgeldes kann er mit den geltend gemachten Widersprüchen in der Beseitigungsverfügung vom 18. April 2017 nicht mehr gehört werden (Art. 38 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 3 BayVwZVG). Dass die Rechtmäßigkeit der Grundverfügung bei dem Fälligstellen des angedrohten Zwangsgeldes und der erneuten Zwangsgeldandrohung regelmäßig nicht mehr geprüft wird, ist auch im Hinblick auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes unbedenklich (vgl. BayVGH, B.v. 19.2.2021 – 1 ZB 20.2691 – juris Rn. 4).
Auch die Zulassungsbegründung im Schriftsatz vom 8. März 2022 legt hinsichtlich der Beseitigungsanordnung nicht ansatzweise Wiederaufnahmegründe im Sinn des Art. 51 Abs. 1 BayVwVfG dar. Mit der Kritik an der Widersprüchlichkeit der Beseitigungsanordnung in Gestalt einer vermeintlich fehlerhaften Beurteilung der Länge des zu beseitigenden Teilstücks im Beseitigungsbescheid des Landratsamts übersieht der Kläger, dass die Einbuchtungen für die Einfahrten in das klägerische Grundstück bereits im Verwaltungsverfahren dokumentiert wurden und von seinem früheren Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 19. Dezember 2019 (vgl. Bl. 723 f. der Verfahrensakte des Landratsamts) im rechtskräftig abgeschlossenen Klageverfahren vorgetragen wurde. Sofern der Kläger die Aufnahme von für ihn günstigen Vorgängen in die Verfahrensakte begehrt steht es ihm frei, bei der Behörde einen entsprechenden Antrag zu stellen.
2. Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich zugleich, dass die Streitsachen keine besonderen und tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO aufweisen, die eine Zulassung der Berufung erforderlich machen würden. Ungeachtet der Frage der hinreichenden Darlegung der Zulassungsgründe können die von dem Kläger aufgeworfenen Fragen bereits im Zulassungsverfahren geklärt werden. Allein die unterschiedliche Bewertung der vorliegenden Sachverhalte durch das Verwaltungsgericht und den Kläger genügt nicht für die Darlegung besonderer und tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeiten (vgl. BayVGH, B.v. 30.7.2018 – 9 ZB 16.1068 – juris Rn. 14).
3. Auch der vom Kläger sinngemäß geltend gemachte Verfahrensmangel (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) in Gestalt eines Gehörsverstoßes liegt nicht vor.
Die auf die Nichtgewährung der (beantragten) Akteneinsicht gestützte Rüge einer Gehörsverletzung (Art. 103 Abs. GG, § 100 VwGO) greift nicht durch. Denn nicht jede Nichtgewährung einer beantragten Akteneinsicht begründet eine Verletzung des rechtlichen Gehörs. Es kommt vielmehr auf die Umstände des Einzelfalls an (vgl. BVerwG, B.v. 8.6.2011 – 9 B 23.11 – juris Rn. 4). Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs ist insbesondere dann nicht verletzt, wenn ein Beteiligter es versäumt, eine ihm durch das Prozessrecht eröffnete, zumutbare Möglichkeit zu nutzen, um sich Gehör zu verschaffen (vgl. BayVGH, B.v. 15.6.2020 – 6 ZB 20.980 – juris Rn. 17).
Gemessen an diesen Maßstäben lässt die Zulassungsbegründung keinen Verstoß gegen das rechtliche Gehör erkennen. Der Schriftsatz des Beklagten vom 20. Juli 2021, mit dem die Behördenakte vorgelegt wurde, wurde dem Klägerbevollmächtigten am 2. August 2021 zur Kenntnis übersandt. Trotz der Ladung vom 29. Juni 2021 erfolgte erst am 31. August 2021 ein Hinweis des Klägerbevollmächtigten auf die bisher nicht gewährte Akteneinsicht und die Bitte um Terminverlegung. Eine Akteneinsicht wurde auch nicht nach Eingang des gerichtlichen Schreibens vom 2. September 2021, mit dem die Terminverlegung abgelehnt und die Möglichkeit zu Akteneinsicht aufgezeigt wurde, beantragt. Der Bevollmächtigte muss sich selbst rechtzeitig um die Akteneinsicht bemühen (vgl. BVerwG, B.v. 10.10.1989 – 9 B 268.89 – BayVBl 1990, 317). Es bestand ausreichend Zeit, um die Behördenakte bei Gericht einzusehen oder um kurzfristige Überlassung der Akte nachzusuchen. Auch die Corona-Pandemie zwingt zu keiner anderen Betrachtungsweise, da eine Akteneinsicht bei Beachtung der dazu bekannten Regeln unbedenklich ist.
Der Kläger hat die Kosten der Zulassungsverfahrens zu tragen‚ da seine Rechtsmittel erfolglos geblieben sind (§ 154 Abs. 2 VwGO). Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1‚ § 47 Abs. 1 und 3‚ § 52 Abs. 1 GKG und entspricht jeweils den vom Verwaltungsgericht festgesetzten Beträgen.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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