Verwaltungsrecht

Abschiebeschutz für wegen Straffälligkeit ausgewiesenen türkischen Staatsbürger

Aktenzeichen  M 10 K 18.2153

Datum:
25.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 6298
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 11 Abs. 5, § 53 Abs. 1, Abs. 3, § 60 Abs. 7

 

Leitsatz

1. Angesichts der wiederholten Straffälligkeit des Klägers, der besonderen Schwere der Tat – Verurteilung wegen besonders schwerer Vergewaltigung – und der Persönlichkeit des Klägers, der aufgrund seiner Erkrankung voraussichtlich für lange Zeit nicht in der Lage sein wird, das von ihm begangene Unrecht einzusehen, sind die Ausweisung und die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf acht Jahre unter der Bedingung nachgewiesener Straffreiheit rechtmäßig. (Rn. 30 – 56) (redaktioneller Leitsatz)
2. Trotz grundsätzlicher Behandelbarkeit seiner Erkrankungen (Niereninsuffizienz mit Dialysepflicht, paranoide Schizophrenie) in der Türkei, könnte der wegen seiner desolaten körperlichen und psychischen Verfassung nur äußerst gering belastbare und psychopathologisch instabile Kläger die dort vorhandenen Behandlungsmöglichkeiten tatsächlich nicht in Anspruch nehmen, wäre auf sich gestellt völlig hilflos und müsste eine massive Verschlimmerung seiner Erkrankungen befürchten. (Rn. 64) (redaktioneller Leitsatz)
3. Stehen der Abschiebung zwingende rechtliche Gründe entgegen, würde die Abschiebungsandrohung ihren Zweck verfehlen. In einem solchen Fall ist die Abschiebungsandrohung insgesamt und nicht nur hinsichtlich ihrer Zielstaatsbestimmung rechtswidrig. (Rn. 67) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Bescheid der Beklagten vom 6. April 2018 wird in Nummer 3 des Bescheids aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Von den Kosten des Verfahrens hat der Kläger 3/4 und die Beklagte 1/4 zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beteiligten dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweils andere Beteiligte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

A.
Soweit sich der Kläger gegen seine Ausweisung (Nummer 1 des Bescheids) sowie das Einreise- und Aufenthaltsverbot von acht bzw. zehn Jahren (Nummer 2 des Bescheids) wendet, ist die zulässige Klage unbegründet (nachfolgend I.). Die Klage ist jedoch hinsichtlich der in Nummer 3 des Bescheids vom 6. April 2018 angeordneten bzw. angedrohten Abschiebung in die Türkei begründet. Insoweit ist der Bescheid rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO (nachfolgend II.).
I. Die im streitgegenständlichen Bescheid verfügte Ausweisung sowie das Einreise- und Aufenthaltsverbot sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Ermessensentscheidung der Beklagten ist auch unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht zu beanstanden, § 114 VwGO.
Für die rechtliche Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ausweisungsentscheidung ist auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung durch das Gericht abzustellen (BVerwG, U.v. 10.7.2012 – 1 C 19.11 – BVerwGE 143, 277 ff.).
1. Die Ausweisung findet ihre Rechtsgrundlage in § 53 Abs. 1 und 3 AufenthG i.V.m. Art. 14 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG-Türkei vom 19. September 1980 (ANBA 1981, 4 = InfAuslR 1982, 33; – ARB 1/80 -). Denn der Kläger besitzt eine Rechtsposition nach Art. 7 Satz 2 ARB 1/80:
a) Die Eltern des in Deutschland geborenen Klägers waren beide mindestens drei Jahre in Deutschland beschäftigt (vgl. die jeweiligen Versicherungsverläufe der Deutschen Rentenversicherung, S. 224 ff. und S. 232 ff. der Behördenakten). Dass beide Eltern mittlerweile in Rente sind, ist aufgrund des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift („beschäftigt waren“) und des Sinn und Zwecks der Rente als Surrogat für eine vorherige Erwerbstätigkeit unschädlich. Die Eltern des Klägers haben sich durch ihre jahrelange Tätigkeit in Deutschland daher eine gefestigte Rechtsposition „erarbeitet“, die ihnen – und aufgrund dessen mittelbar dem Kläger – auch nach Eintritt in die Rente erhalten bleibt (EuGH, U.v. 19.11.1998 – C-210-97 – NVwZ 1999, 281 Rn. 47).
b) Indem der Kläger 2014 sein Physikstudium erfolgreich mit einem Bachelor beendete, hat er eine Berufsausbildung i.S.d. Art. 7 Satz 2 ARB 1/80 abgeschlossen.
Eine Berufsausbildung ist jede Ausbildung, die auf eine Qualifikation für einen bestimmten Beruf oder eine bestimmte Beschäftigung vorbereitet oder die die besondere Befähigung zur Ausübung eines solchen Berufes oder einer solchen Beschäftigung verleiht, unabhängig von Alter und Ausbildungsniveau der Schüler oder Studenten und selbst dann, wenn der Lehrplan auch allgemeinbildenden Unterricht enthält (OVG Rheinland-Pfalz, U.v. 11.6.99 – 10 A 12674/98 – InfAuslR 1999, 385). Ein Physikhochschulstudium befähigt zweifellos dazu, einen Beruf in dem weiten Forschungsgebiet der Physik zu ergreifen. Insbesondere bedarf es dazu nicht erst eines abgeschlossenen Masterabschlusses, der lediglich eine weitere Stufe der Qualifizierung ermöglicht und auch in der Praxis lediglich von einem geringen Prozentsatz der Bachelorabsolventen überhaupt angestrebt wird.
c) Dass die Beklagte ihren Bescheid zu Unrecht auf Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 gestützt hat, ist unschädlich, da das Gericht die Begründung umfassend zu prüfen hat und gegebenenfalls austauschen muss.
2. Demzufolge kann der Kläger gemäß § 53 Abs. 3 AufenthG i.V.m. Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 nur ausgewiesen werden, wenn sein persönliches Verhalten gegenwärtig eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland darstellt und die Maßnahme für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist (EuGH, U.v. 8.12.2011 – Rs. C-371/08, Ziebell – NVwZ 2012, 422). Das ist hier der Fall. Denn das persönliche Verhalten des Klägers stellt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, § 53 Abs. 3 AufenthG (nachfolgend a)). Die Ausweisung ist weiterhin für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich, da das Ausweisungsinteresse gegenüber dem Bleibeinteresse des Klägers im Rahmen einer Abwägung überwiegt (nachfolgend b)).
a) Die Entscheidung der Ausländerbehörde darüber, ob der Ausländer eine (schwerwiegende) Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, ist in vollem Umfang gerichtlich überprüfbar, ohne dass dabei eine Bindung an strafgerichtliche Vorgaben bestünde (BVerwG, U. v. 13.12.2012 – 1 C 20/11 – NVwZ 2013, 733; BayVGH, U.v. 30.10.2012 – 10 B 11.2744 – BeckRS 2012, 59963). Für die festzustellende Wiederholungsgefahr gilt ein mit zunehmendem Ausmaß des möglichen Schadens abgesenkter Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts. An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist. Dabei darf die auf der Grundlage aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Beurteilung, ob das persönliche Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellt, im Hinblick auf die erforderliche Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts den Rang des bedrohten Rechtsguts nicht außer Acht lassen, denn dieser bestimmt die mögliche Schadenshöhe (BVerwG, U. v. 4.10.2012 – 1 C 13.11 – juris Rn. 18; BVerwG, U.v. 10.7.2012 – 1 C 19.11 – BVerwGE 143, 277 ff.).
Vorliegend sind die Schutzgüter der sexuellen Selbstbestimmung und der körperlichen und physischen Integrität gefährdet, die in der Hierarchie der in den Grundrechten enthaltenen Wertordnung einen sehr hohen Rang einnehmen (BVerwG, U.v. 10.7.2012 -1 C 19.11 – BVerwGE 143, 277 ff.).
Das Gericht ist bei Würdigung aller Umstände des Einzelfalls davon überzeugt, dass vom Kläger nach wie vor eine ernsthafte und gegenwärtige Wiederholungsgefahr ausgeht.
Dabei sei zunächst darauf hingewiesen, dass davon auch die zuständige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts München I auszugehen scheint, die zuletzt mit Beschluss vom 5. November 2020 die Fortdauer der Unterbringung des Klägers in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet hat. Dabei berief sich die Kammer insbesondere auf das Gutachten einer von ihr beauftragten externen Gutachterin, die zu dem Ergebnis kam, dass noch keine Entlassungsreife angenommen werden könne, da vom Kläger weiterhin erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten seien. Auch das …-Klinikum habe sich gegen eine vorzeitige Entlassung ausgesprochen und sei der Ansicht, dass der Untergebrachte (der Kläger) weiterhin zu der Anlassverurteilung vergleichbaren Straftaten in der Läge wäre. Die Strafvollstreckungskammer schließe sich den übereinstimmenden fachärztlichen Einschätzungen nach Aktenlage sowie aufgrund der Ergebnisse des Anhörungstermins und des dort gewonnenen persönlichen Eindrucks vom Untergebrachten (dem Kläger) an. Für eine ausreichende Verbesserung der Gefährlichkeitsprognose bedürfe es weiterer therapeutischer Einwirkungen und Erprobungen innerhalb des geschützten Rahmens der Unterbringung.
Diesem Eindruck schließt sich die erkennende Kammer aus den folgenden Erwägungen an:
Bei der Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Tat, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (BayVGH, U.v. 28.06.2016 – 10 B 15.1854 – BeckRS 2016, 50099).
Für das Vorliegen einer ernsthaften und gegenwärtigen Wiederholungsgefahr sprechen zunächst die konkreten Umstände der Tatbegehung. Der Kläger hat bei der Begehung der Straftaten bewusst eine Situation ausgenutzt, in der sein Opfer besonders hilflos war und keine Ausweichmöglichkeit besaß. Dazu bedurfte es eines ausgeklügelten Tatplans, sodass sich das Vorgehen des Klägers als durchaus perfide darstellte, zumal sich die bisherigen Straftaten zumeist gegen zufällig ausgewählte Opfer richteten, die lediglich zur falschen Zeit am falschen Ort waren. Den Kläger scheint es insbesondere nicht abzuschrecken, dass seine Gewalttaten, die er an öffentlichen Orten beging, von Zeugen beobachtet werden könnten und er entsprechend leicht als Täter ermittelt werden kann. Dies zeugt von seiner Gleichgültigkeit gegenüber der Werteordnung und spricht dafür, dass er auch in Zukunft schwere Straftaten begehen könnte. Gerade die Tatsache, dass der Kläger innerhalb kürzester Zeit mehrere Taten am selben Tatort beging bzw. begehen wollte, obwohl er damit rechnen musste, dass er spätestens nach seiner zweiten Tat entdeckt werden würde, deutet darauf hin, dass sich der Kläger nicht von äußeren Umständen lenken lässt, sondern dass sein Handeln maßgeblich von einer ausgeprägten Neigung zur Begehung von Sexualdelikten gelenkt wird. Hinzu kommt, dass die Taten von der beginnenden Symptomatik der Schizophrenie begünstigt waren. Während sich die Erkrankung des Klägers im Tatzeitpunkt noch im Anfangsstadium befand, ist sie mittlerweile voll ausgebrochen, sodass davon auszugehen ist, dass sich das Risiko einer weiteren Straftatbegehung sogar noch erhöht hat. Zwar mag diese Erkrankung aufgrund der derzeitigen Behandlung im …-Klinikum in Zukunft auch wieder abklingen und somit auch die Gefahr von weiteren Straftaten sinken. Innerhalb der letzten vier Jahre hat sich die Erkrankung jedoch stetig verschlimmert, sodass die Steuerungsfähigkeit des Klägers auf absehbare Zeit noch in erheblichem Maße vermindert sein dürfte. Das Gericht geht weiterhin davon aus, dass sich der Kläger bisher nicht ausreichend mit dem Geschehenen oder seiner Gewalt- und Aggressionsproblematik auseinandergesetzt hat. Auf Grundlage der diversen Arztberichte, Gutachten und dem persönlichen Eindruck des Gerichts vom Kläger in der mündlichen Verhandlung ist das Gericht überzeugt, dass der Kläger derzeit nur in ganz geringem Maße belastbar und aufnahmefähig ist. Das Gericht geht daher nicht davon aus, dass der Kläger bereits im Stande ist, sich ausreichend mit seinen Taten und Neigungen auseinanderzusetzen, geschweige denn diesen entgegenzuwirken. Tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass die Unterbringung auf den Kläger Eindruck machen würde und ihn dazu bewegen könnte, sein Leben zu ändern, sind auch sonst nicht erkennbar. Hinzu kommt, dass sich der Kläger bisher nicht in Freiheit bewähren konnte. Für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr spricht weiterhin, dass es sich bei den von ihm begangenen Taten um Gewalttaten mit erheblichem Gefährdungspotential handelte. Die Taten hatten teilweise schwere und nachhaltige Auswirkungen auf die Tatopfer, die ein Leben lang mit den Folgen zurechtkommen werden müssen, weshalb die Anforderungen an die konkrete Rückfallgefahr nicht zu hoch angesetzt werden dürfen. Zuletzt sei darauf hingewiesen, dass der Kläger in dasselbe Lebensumfeld zurückkehren würde, in dem er straffällig wurde, sodass auch nicht von einer Rückkehr in einen positiven Empfangsraum gesprochen werden kann.
b) Die Beklagte hat das Ausweisungsinteresse mit dem Bleibeinteresse des Klägers rechtmäßig abgewogen. Im Falle des Klägers überwiegt das öffentliche Interesse an der Ausreise gegenüber dem Interesse des Klägers an seinem weiteren Verbleib im Bundesgebiet, § 53 Abs. 1 AufenthG. In der Gesamtabwägung aller gegenläufigen Belange ist die Ausweisung verhältnismäßig und „unerlässlich“ im Sinne der Rechtsprechung des EuGH (U.v. 8.12.2011 – Rs. C-371/08, Ziebell – NVwZ 2012, 422 Rn. 86; BVerwG, U.v. 10.7.2012 – 1 C 19/11 – BeckRS 2012, 56736).
Dabei sind insbesondere, aber nicht ausschließlich die in den §§ 54 f. AufenthG aufgezählten Ausweisungs- bzw. Bleibeinteressen in die Abwägung einzubeziehen. Daneben können weitere Umstände im Einzelfall eine andere Bewertung rechtfertigen (vgl. BT-Drs. 18/4097, S. 49), insbesondere die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) genannten Kriterien sind zu berücksichtigen. Hiernach sind vor allem die Art und die Schwere der vom Ausländer begangenen Straftaten, die Dauer des Aufenthalts in dem Land, aus dem er ausgewiesen werden soll, die seit der Begehung der Straftat verstrichene Zeit und das seitherige Verhalten des Ausländers, die Staatsangehörigkeit der betroffenen Personen, die familiäre Situation des Ausländers, ob zu der Familie Kinder gehören und welches Alter diese haben, sowie das Maß der Schwierigkeiten, denen die Familienangehörigen voraussichtlich in dem Staat ausgesetzt wären, in den der Ausländer ausgewiesen werden soll, die Belange und das Wohl der Kinder und die Stabilität der sozialen, kulturellen und familiären Bindungen zum Gastland und zum Zielland zu berücksichtigen (EGMR, U.v. 18.10.2006 – 46410/99 – juris).
aa) Im Falle des Klägers wiegt das Ausweisungsinteresse besonders schwer, da er zum einen wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist, § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, und er zum anderen, durch dieselbe Verurteilung, zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach § 177 StGB verurteilt worden ist, § 54 Abs. 1 Nr. 1a Buchst. c) AufenthG.
bb) Demgegenüber wiegt auch das persönliche Bleibeinteresse des Klägers besonders schwer, da er eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich schon seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat, § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG.
cc) Die Beklagte hat zutreffend den verfassungsrechtlichen Schutz der familiären Beziehungen des Klägers zu seinen Eltern gemäß Art. 6 Abs. 1 GG berücksichtigt. Der volljährige Kläger hat bis zu seiner Verhaftung bei seinen Eltern gewohnt und würde es voraussichtlich auch nach seiner Haftentlassung weiter tun. Die in der Familie praktizierte sogenannte Hausgemeinschaft (vgl. BVerfG, B.v. 18.4.1989 – 2 BvR 1169/84 – BVerfGE 80, 81, 90) wurde zutreffend gesehen. Der volljährige Kläger kann seinen Kontakt zu seinen Eltern jedoch auch aus dem Ausland weiterhin aufrechterhalten.
Auch unter Berücksichtigung des Rechtes auf Achtung des Privatlebens im Sinne des Art. 8 Abs. 1 EMRK ist die Ausweisungsentscheidung der Beklagten nicht ermessensfehlerhaft oder unverhältnismäßig. Art. 8 EMRK gewährleistet das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens. Dabei ist unter „Privatleben“ die Summe der persönlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Beziehungen zu verstehen, die für das Leben eines Menschen in der Gesellschaft konstitutiv sind und denen – angesichts der zentralen Bedeutung dieser Bindungen für die Entfaltung der Persönlichkeit eines Menschen – bei fortschreitender Dauer des Aufenthaltes wachsende Bedeutung zukommt (BVerwG, U.v. 22.5.2012 – 1 C 6/11 – BVerwGE 143, 150 ff.).
Zwar ist der Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 EMRK aufgrund der Bindungen des Klägers im Bundesgebiet eröffnet, der durch die Ausweisung erfolgende Eingriff ist aber verhältnismäßig, da er einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen des Klägers und der Öffentlichkeit darstellt.
Dabei ist dem Kläger zugute zu halten, dass er seit seiner Geburt in der Bundesrepublik gelebt hat und damit faktisch ein Inländer ist. Zu seinem Heimatland hat der Kläger persönlich keine relevanten Bindungen. Allerdings geht das Gericht davon aus, dass jedenfalls die Eltern des Klägers noch Angehörige oder Bekannte in der Türkei haben und dem Kläger bei einer möglichen Abschiebung in die Türkei Kontakte vermitteln können, die ihm bei der Integration in die türkische Gesellschaft behilflich sein könnten. Da die Eltern des Klägers selbst nicht in Deutschland geboren worden sind, geht das Gericht bei lebensnaher Betrachtung davon aus, dass in der Familie des Klägers (auch) türkisch gesprochen wurde. Das Erlernen der türkischen Sprache wäre dem (noch jungen) Kläger jedenfalls zumutbar. Von einer insgesamt gelungenen Integration des Klägers kann hingegen nicht mehr gesprochen werden. Der Kläger hat zwar in Deutschland erfolgreich ein Bachelorstudium in Physik abgeschlossen; dies stellt durchaus eine anerkennenswerte Leistung dar, die vom Gericht nicht verkannt wird. Zu berücksichtigen ist jedoch auch, dass der Kläger nach Abschluss seines Studiums zunächst keine Anstellung fand, sodass jedenfalls bisher noch keine wirtschaftliche Integration in der Bundesrepublik stattgefunden hat. Einer gelungenen sozialen Integration steht jedenfalls die erhebliche Straffälligkeit des Klägers entgegen. Das Gericht geht weiter davon aus, dass die vom Kläger erworbenen Fähigkeiten auf dem Gebiet der Physik auch in der Türkei von beruflichem Nutzen sein können.
Das Vorliegen eines Abschiebungsverbots (vgl. dazu unten II.) spielt im Zusammenhang mit der Frage der Rechtmäßigkeit der Ausweisung keine tragende Rolle. Selbst wenn der Kläger ein (zielstaatsbezogenes) Abschiebungsverbot gelten machen könnte, verlöre die Ausweisung dadurch nicht ihre ordnungsrechtliche Funktion, da sie jedenfalls den Aufenthaltstitel des Klägers zum Erlöschen bringt und ihn dadurch u.a. in seiner Reise- und Bewegungsfreiheit einschränkt (Vgl. BayVGH, U.v. 28.6.2016 – 10 B 15.1854 – juris).
Schließlich sind im Rahmen der Abwägung die mangelnde Rechtstreue des Klägers und das Fehlen einer eigenen Kernfamilie zu berücksichtigen, sodass die Ausweisung des Klägers auch unter Berücksichtigung der besonderen persönlichen Situation im Ergebnis nicht unverhältnismäßig ist. Die Beklagte hat die überwiegenden öffentlichen und privaten Belange in dem streitgegenständlichen Bescheid – auf dessen Ausführungen ergänzend gemäß § 117 Abs. 5 VwGO Bezug genommen wird – somit umfassend ermittelt und ordnungsgemäß abgewogen.
3. Die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 2 AufenthG in Nr. 2 des Bescheids auf acht Jahre unter der Bedingung der nachgewiesenen Straffreiheit, ansonsten zehn Jahre ist ebenfalls verhältnis- und damit rechtmäßig.
Die Frist berücksichtigt die Anforderungen des § 11 Abs. 5 AufenthG, da sie zehn Jahre nicht übersteigt. Angesichts der wiederholten Straffälligkeit des Klägers ist sie in ihrer Höhe (noch) angemessen. Auch wenn sich die Frist am oberen Ende des zulässigen Rahmens bewegt, hat die Beklagte das ihr eingeräumte Ermessen nicht überschritten. Dabei hat sich die Länge der Frist an der prognostischen Einschätzung zu orientieren, wie lange das Verhalten des Klägers, das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zu Grunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag (BVerwG, U. v. 13.12.2012 – 1 C 20/11 – NVwZ 2013, 733). Angesichts der besonderen Schwere der Tat – Verurteilung wegen einer besonders schweren Vergewaltigung – und der Persönlichkeit des Klägers, der insbesondere aufgrund seiner Erkrankungen voraussichtlich für lange Zeit nicht in der Lage sein wird, das von ihm begangene Unrecht einzusehen und die Umstände der Tat angemessen aufzuarbeiten, erachtet die erkennende Kammer eine Frist von acht bzw. zehn Jahren noch für erforderlich und angemessen. Die persönlichen und familiären Bindungen des Klägers zum Bundesgebiet rechtfertigen keine Reduzierung, zumal mit einer Abschiebung faktisch ohnehin in nächster Zeit nicht zu rechnen ist (siehe II.). In Zukunft bestünde für den Kläger dann gegebenenfalls die Möglichkeit, nachträglich bei der Ausländerbehörde einen Antrag auf Verkürzung der Frist zu stellen (vgl. § 11 Abs. 4 AufenthG).
II. Der Bescheid der Beklagten ist jedoch insoweit rechtswidrig, als in Nummer 3 die Abschiebung in die Türkei angeordnet bzw. angedroht wird.
1. Dem Kläger droht bei einer Abschiebung in die Türkei aufgrund seiner besonderen persönlichen Situation mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit im Sinn des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Nach § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG liegt eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen (nur) vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist.
Dabei ist – nach ständiger Rechtsprechung – die Gefahr, dass sich die Erkrankung eines Ausländers aufgrund der Verhältnisse im Abschiebestaat verschlimmert, in der Regel als individuelle Gefahr einzustufen, die am Maßstab von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in direkter Anwendung zu prüfen ist. Erforderlich, aber auch ausreichend ist in derartigen Fällen, dass sich die vorhandene Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt, das heißt, dass eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht (BVerwG, B.v. 17.08.2011 – 10 B 13/11 – juris Rn. 3 mit Verweis auf BVerwG, U.v. 17.10.2006 – 1 C 18/05 – juris Rn. 15).
Vorliegend ist im Hinblick auf den allgemeinen persönlichen Zustand des Klägers und seine Erkrankungen davon auszugehen, dass sich insbesondere die Nierenerkrankung alsbald nach einer Abschiebung in die Türkei wesentlich verschlimmern würde.
Nach Auskunft des von der Deutschen Botschaft in Ankara zur Beantwortung des gerichtlichen Amtshilfeersuchens herangezogenen Vertrauensarztes sind sowohl die Nierenerkrankung des Klägers (Niereninsuffizienz mit Dialysepflicht) als auch die paranoide Schizophrenie zwar grundsätzlich in der Türkei behandelbar. Entsprechende Kliniken seien demnach in allen Provinzstädten der Türkei vorhanden. Darüber hinaus würden Nierentransplantationen in fast allen Großstädten des Landes durchgeführt. Auch seien die benötigten Medikamente grundsätzlich verfügbar.
Im ganz konkreten Einzelfall des Klägers kann das Vorliegen eines Abschiebungsverbots jedoch nicht mit dem allgemeinen Hinweis auf die grundsätzliche Behandelbarkeit der Erkrankungen des Klägers verneint werden. Denn bei Würdigung aller Umstände des Falles muss vorliegend davon ausgegangen werden, dass der Kläger bei einer Abschiebung in die Türkei eine ausreichende Behandlung nicht (rechtzeitig) in Anspruch nehmen wird können. Dem liegen folgende Erwägungen zugrunde:
a) Nach Auskunft der Deutschen Botschaft in Ankara umfassen die Leistungen der gesetzlichen Gesundheitsversorgung – die der Kläger mangels nennenswertem eigenen Vermögen und seiner erheblich verminderten Erwerbsfähigkeit in Anspruch nehmen müsste – zwar grundsätzlich auch die Behandlung von Niereninsuffizienz und von psychischen Erkrankungen. Es könne jedoch im Einzelfall zu langen Wartezeiten bis zur Behandlung kommen. Gerade im Falle des Klägers, der durchgängig auf Dialyse angewiesen ist, spricht viel dafür, dass dieser eine ausreichende, aber auch erforderliche Behandlung nicht rechtzeitig erhalten würde. Nicht nur, dass der Kläger bei einer Abschiebung in die Türkei (weitgehend) auf sich gestellt sein würde, da er in der Türkei jedenfalls keine engen Verwandten mehr hat; das Gericht ist in Anbetracht aller vorliegender Erkenntnisse und des (desolaten) persönlichen Eindrucks vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vor allem der Überzeugung, dass der Kläger schlicht nicht in der Lage wäre, eine gegebenenfalls sogar vorhandene Behandlungsmöglichkeit in der Türkei tatsächlich (kurz- oder langfristig) in Anspruch nehmen zu können. Diesen Eindruck belegen – inhaltlich übereinstimmend – auch die Aussagen der von der Strafvollstreckungskammer beauftragten externen Sachverständigen sowie die Aussagen des …-Klinikums, ausweislich derer der Kläger aufgrund seiner desolaten körperlichen und psychischen Verfassung nur äußerst gering belastbar und psychopathologisch instabil ist. Die erkennende Kammer hat den stark übergewichtigen Kläger in der mündlichen Verhandlung zudem als lethargisch, teilnahmslos und abwesend wahrgenommen. Gerade in Anbetracht seiner psychischen Erkrankung muss stark bezweifelt werden, dass der Kläger in der Lage wäre, sich ohne massive Hilfe Dritter in Behandlung zu begeben, geschweige denn die dafür notwendigen Vorbereitungsmaßnahmen zu treffen. Denn nach Auskunft der Deutschen Botschaft müssen notbedürftige türkische Staatsbürger, die ihre Versicherungsbeiträge aus finanziellen Gründen nicht zahlen können, einen jährlichen Versicherungsnachweis vorlegen. Zudem müsse sich der Kläger zunächst versichern lassen, damit er sich in allen staatlichen Krankenhäusern und Uni-Kliniken in der Türkei ambulant und stationär kostenlos behandeln lassen könnte. Nach Überzeugung des Gerichts dürfte es den Kläger in seinem derzeitigen Allgemeinzustand bereits überfordern, derlei einfache organisatorische Maßnahmen durchzuführen, zumal in einer Sprache, die er jedenfalls unmittelbar nach seiner Ankunft in der Türkei kaum beherrschen dürfte. Gerade die Kumulation der verschiedenen Erkrankung des Klägers – neben der Niereninsuffizienz und der paranoiden Schizophrenie leidet der Kläger auch noch an Schwerhörigkeit und erhöhtem Bluthochdruck – führten letztlich auch dazu, dass beim Kläger mittlerweile ein Grad der Behinderung von 100 festgestellt worden ist. Auch dieser Umstand belegt, dass der Kläger bei einer Abschiebung in die Türkei ohne gesicherte Behandlungsmöglichkeit und auf sich gestellt völlig hilflos wäre und eine alsbaldige und massive Verschlimmerung seiner Erkrankungen zu befürchten ist.
b) Hinzu kommt, dass nach Auskunft des Vertrauensarztes der Deutschen Botschaft die Unterbringung des Klägers in einer geschlossenen psychiatrischen Klinik nicht möglich wäre. Es werde schwierig sein, ihn für längere Zeit in einer solchen Klinik unterzubringen. Da das Gericht – wohl in Übereinstimmung mit der zuständigen Strafvollstreckungskammer – davon ausgeht, dass eine solche Unterbringung noch für längere Zeit erforderlich sein wird, spricht auch dieser Umstand gegen eine Abschiebung des Klägers in die Türkei. Der Betroffene könne sich nach Auskunft des Vertrauensarztes zwar an eine psychiatrische Ambulanz wenden und sich dort weiter behandeln lassen, allerdings könne es auch dort zu langen Wartezeiten kommen. Aufgrund dieses Umstands und da der Kläger nach Überzeugung des Gerichts auch hierzu alleine nicht in der Lage sein dürfte, droht auch insofern eine alsbaldige wesentliche Verschlimmerung des – ohnehin schlechten – gesundheitlichen Zustands des Klägers.
c) Somit wäre bei einer Abschiebung in die Türkei nicht hinreichend gesichert, dass der Kläger alsbald die ausreichende, aber auch erforderliche medizinische Behandlung in Anspruch nehmen kann, die notwendig wäre, um eine alsbaldige wesentliche Verschlimmerung seiner Erkrankungen zu verhindern.
2. Das Vorhandensein von Abschiebungsverboten steht dem Erlass der Abschiebungsandrohung zwar im Grunde nicht entgegen, § 59 Abs. 3 Satz 1 AufenthG, woraus folgt, dass sich die Prüfung von Abschiebungsverboten in der Regel auf die Ebene des Vollzugs verlagert (Zimmerer in BeckOK Migrations- und Integrationsrecht, Decker/Bader/Kothe, 7. Edition, Stand: 01.01.2021, § 59 Rn. 18). Liegt jedoch ein Abschiebungsverbot vor, so ist der Staat, in den der Ausländer aufgrund des Abschiebungshindernisses nicht abgeschoben werden darf, ausdrücklich im Bescheid zu bezeichnen, § 59 Abs. 3 Satz 2 AufenthG. Wenn dies nicht erfolgt ist, ist die Abschiebungsandrohung insoweit rechtswidrig (Senge in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Werkstand: 233. EL Oktober 2020, § 59 Rn.4); im Übrigen bleibt die Abschiebungsandrohung grundsätzlich wirksam, da sie auch ohne Zielstaatsbestimmung Verwaltungsaktcharakter hat (Zimmerer in BeckOK Migrations- und Integrationsrecht, Decker/Bader/Kothe, 7. Edition, Stand: 01.01.2021, § 59 Rn. 20). Anders ist dies zu beurteilen, wenn die Abschiebungsandrohung ohne Zielstaatsbestimmung insgesamt leerläuft. Davon ist auszugehen, wenn bereits bei Erlass der Androhung feststeht, dass der Ausländer nicht abgeschoben werden kann, etwa weil zwingende rechtliche Gründe einer Abschiebung entgegenstehen. Die Abschiebungsandrohung würde in diesem Fall ihren Zweck verfehlen (Zimmerer in BeckOK Migrations- und Integrationsrecht, Decker/Bader/Kothe, 7. Edition, Stand: 01.01.2021, § 59 Rn. 21; Stephan Hocks in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Auflage 2016, § 59 Rn. 8). In einem solchen Fall ist die Abschiebungsandrohung daher insgesamt und nicht nur hinsichtlich ihrer Zielstaatsbestimmung rechtswidrig.
Vorliegend besteht die Möglichkeit, eine Abschiebungsandrohung ohne Rücksicht auf das Bestehen von Abschiebungsverboten zu erlassen, nicht, da der Abschiebung des Klägers zwingende rechtliche Gründe entgegenstehen. Einer Abschiebung des Klägers steht das zielstaatsbezogene Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 7 AufenthG entgegen, sodass feststeht, dass der Kläger jedenfalls momentan nicht in die Türkei abgeschoben werden kann. Dem steht auch nicht entgegen, dass das Abschiebungsverbot eines Tages entfallen könnte, etwa dann, wenn sich der Gesundheitszustand des Klägers so wesentlich gebessert hätte, dass er auf eine Weiterbehandlung nicht mehr angewiesen wäre oder wenn tatsächlich und rechtlich hinreichend gesichert wäre, dass der Kläger in der Türkei hinsichtlich seiner behandlungsbedürftigen Erkrankungen nahtlos weiterbehandelt werden könnte.
Diese Grundsätze gelten gleichermaßen für die Abschiebungsanordnung, da insoweit § 59 Abs. 5 Satz 1 AufenthG lediglich ermöglicht, von der Fristsetzung abzusehen, jedoch die Regelungen zu den Abschiebungsverboten unberührt lässt (vgl. auch § 58a Abs. 3 Satz 2 AufenthG, der für die spezielle Abschiebungsanordnung des § 58a AufenthG eine entsprechende Regelung trifft).
B.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO.
C.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung stützt sich auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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