Verwaltungsrecht

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Aktenzeichen  Au 6 K 20.30012

Datum:
18.1.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 8531
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

Die zulässige Klage ist – soweit über sie zu entscheiden war – nicht begründet. Die Klägerin hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, auf die Gewährung subsidiären Schutzes oder auf ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG (§ 113 Abs. 5 VwGO). Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes vom 2. Januar 2020 ist daher rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG, da ihr in Georgien keine flüchtlingsrelevante Verfolgung droht.
a) Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling i.S.d. Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560 – Genfer Flüchtlingskonvention), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet.
Im Einzelnen sind definiert die Verfolgungshandlungen in § 3a AsylG, die Verfolgungsgründe in § 3b AsylG und die Akteure, von denen eine Verfolgung ausgehen kann bzw. die Schutz bieten können, in den §§ 3c, 3d AsylG. Einem Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG, der nicht den Ausschlusstatbeständen nach § 3 Abs. 2 AsylG oder nach § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG unterfällt oder der den in § 3 Abs. 3 AsylG bezeichneten anderweitigen Schutzumfang genießt, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt (§ 3 Abs. 4 AsylG). Als Verfolgung i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG gelten Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist (§ 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG), oder in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist (§ 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylG). Zwischen den Verfolgungsgründen (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG i.V.m. § 3b AsylG) und den Verfolgungshandlungen – den als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen, § 3a AsylG – muss für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft eine Verknüpfung bestehen (§ 3a Abs. 3 AsylG).
Eine Verfolgung i.S.d. § 3 AsylG kann nach § 3c Nr. 3 AsylG auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen, sofern der Staat oder ihn beherrschende Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten.
Die Furcht vor Verfolgung ist im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG begründet, wenn dem Ausländer Verfolgungsgefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, das heißt mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit („real risk“), drohen. Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab bedingt, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegensprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 22.5.2019 – 1 C 11/18 – juris Rn. 17).
b) Nach diesen Maßstäben ist eine beachtliche Wahrscheinlichkeit der Verfolgung der Klägerin wegen einer Zugehörigkeit zur Gülen-Bewegung durch den Staat Georgien nicht gegeben. Ausweislich der aktuellen Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 25. Juni 2021 stellt der Umstand, dass eine Person Anhänger der Gülen-Bewegung ist oder ihr eine solche Anhängerschaft nachgesagt wird, keinen Straftatbestand in Georgien dar (vgl. Gerichtsakte Bl. 58).
c) Weiterhin folgt eine fehlende Verfolgungssicherheit der Klägerin auch nicht auf grund etwaiger Aktivitäten der aserbaidschanischen Mafia und des türkischen Geheimdiensts in Georgien bzw. einer Auslieferung aufgrund des zwischen der Türkei und Georgien bestehenden Auslieferungsabkommens.
aa) Soweit die Klägerin eine Entführung durch die aserbaidschanische Mafia oder den türkischen Geheimdienst befürchtet, sind entsprechende Anhaltspunkte weder hinreichend substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich, insbesondere bestehen zu den Aktivitäten des MIT bzw. etwaiger Entführungen türkischer Gülen-Anhänger in Georgien keine Erkenntnisse des Auswärtigen Amtes (Gerichtsakte Bl. 41, 55).
Nichts Anderes folgt aus den von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Artikeln, die eine Entführung eines aserbaidschanischen Staatsangehörigen aus Tiflis nach Aserbaidschan thematisieren (vgl. Internetartikel „Präsident Mukhtarli: Das Image unseres Staates steht unter einem schweren Schlag“ vom 2. Juni 2017 sowie den Internetartikel „Tbilisibased Azerbaijani journalist abducted to Azerbaijan“ vom 31. Mai 2017, in englischer Fassung). Zum einen sind diese Berichte vom 2. Juni 2017 bzw. 31. Mai 2017 zeitlich nicht aktuell und zeigt sich ausweislich des Berichts vom 2. Juni 2017 der georgische Staat auch schutzwillig, gegen kriminelles Unrecht vorzugehen. Im Übrigen ist zu beachten, dass staatlicher Schutz generell nicht lückenlos sein kann und auch nicht zu sein braucht. Die Forderung nach einem lückenlosen Schutz ginge – wie allgemein in Bezug auf Übergriffe krimineller Art – an einer wirklichkeitsnahen Einschätzung der Effizienz staatlicher Schutzmöglichkeiten vorbei (vgl. BayVGH, B.v. 23.8.2018 – 15 ZB 18.30366, juris Rn. 16). Der Bericht vom 31. Mai 2017 ist zudem nicht in übersetzter Fassung vorgelegt.
bb) Eine Auslieferung der Klägerin durch Georgien an die Türkei ist ebenfalls nicht beachtlich wahrscheinlich.
(1) Nach Angaben des Auswärtigen Amtes regelt der Vertrag zwischen Georgien und der Republik Türkei über die gegenseitige Rechtshilfe in zivilen, geschäftlichen und strafrechtlichen Angelegenheiten in Art. 35 Abs. 1a, dass keine Auslieferung erfolgt, wenn die Person, deren Auslieferung ersucht wird, die Staatsangehörigkeit der ersuchten Vertragspartei hat. Die Klägerin hat nach ihrem eigenen Vortrag sowohl die georgische, als auch die türkische Staatsangehörigkeit. Bei einer Rückkehr nach Georgien ist aufgrund dieser vertraglichen Regelung nicht ersichtlich, dass der georgische Staat einen Staatsangehörigen aus seinem Schutzbereich entlässt und in die Türkei ausliefert.
Dem Auswärtigen Amt sind laut Auskunft vom 25. Juni 2021 keine Fälle bekannt geworden, in denen Bürger mit georgischer und türkischer Staatsangehörigkeit von Georgien an die Türkei ausgeliefert worden sind. Dies wurde durch die georgische Kriminalpolizei bestätigt. Auch wenn entsprechende Auslieferungen nicht ausgeschlossen werden könnten, erfüllt dies nicht den vorgenannten Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit einer Verfolgungsgefahr.
Aus dem Umstand allein, dass das Auswärtige Amt Auslieferungen georgischtürkischer Staatsangehöriger von Georgien in die Türkei nicht ausschließen kann, folgt nicht eine beachtliche Verfolgungsgefahr in dem Sinne, dass die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegensprechenden Tatsachen überwiegen (vgl. BVerwG, U.v. 22.5.2019 – 1 C 11/18 – juris Rn. 17). Anhaltspunkte, dass solche Auslieferungen praktiziert wurden, sind im entscheidungserheblichen Zeitpunkt weder substantiiert vorgetragen, noch anderweitig ersichtlich.
(2) Schließlich begründet sich eine Verfolgungsgefahr auch nicht aus der nach Vor trag der Klägerbevollmächtigten in Art. 35 Abs. 2 des Vertrages zwischen Georgien und der Republik Türkei über die gegenseitige Rechtshilfe in zivilen, geschäftlichen und strafrechtlichen Angelegenheiten enthaltenen Regelung, wonach auf Ersuchen eines der beiden Staaten ein Ermittlungsverfahren gegen eine Person im anderen Staat einzuleiten ist. Selbst wenn die Türkei Georgien dazu veranlassen würde, ein Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin einzuleiten, würde dieses bereits deswegen nicht zu flüchtlingsrelevanter Verfolgung führen, weil nach aktueller Auskunftslage des Auswärtigen Amtes vom 25. Juni 2021 der Umstand, dass eine Person Anhänger der Gülen-Bewegung ist oder ihr eine solche Anhängerschaft nachgesagt wird, keinen Straftatbestand in Georgien darstellt (Gerichtsakte Bl. 58). Anhaltspunkte, dass Georgien eigene Staatsangehörige nach türkischem Recht verfolgen ließe, sind weder substantiiert vorgetragen noch anderweitig ersichtlich.
(3) Nichts Anderes folgt aus den Ausführungen der georgischen Rechtsanwältin hin sichtlich der Frage, ob georgischtürkische Staatsangehörige auf Ersuchen in die Türkei ausgeliefert werden können. Es ist bereits nicht erkennbar, inwiefern der angeführte Art. 6.2 des georgischen Strafgesetzbuches auf die Klägerin Anwendung findet: Ausweislich des Wortlauts in der übersetzten Fassung bezieht sich dieser auf ausländische Staatsbürger und Staatenlose, die Klägerin ist aufgrund ihrer doppelten Staatsbürgerschaft aber georgische Staatsangehörige.
Sofern von der georgischen Rechtsanwältin ausgeführt wird, dass gemäß Art. 49 des zwischen Georgien und der Türkei abgeschlossenen Vertrages über die gegenseitige Rechtshilfe zwischen der Republik Georgien und der Republik Türkei in Zivil-, Handels- und Strafsachen, der sowohl bei eigenen als auch ausländischen Staatsbürgern Anwendung finde, Personen, die von einer der Vertragsparteien verurteilt wurden, vorbehaltlich gegenseitiger Vereinbarungen und der in diesem Vertrag vorgesehenen Bedingungen, zur Verbüßung ihrer Strafe an die Vertragspartei, deren Staatsbürger sie sind, überstellt werden, folgt daraus ebenfalls nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer Auslieferung der Klägerin von Georgien an die Türkei: Eine Verurteilung in Abwesenheit eines Angeklagten in der Türkei ist unzulässig, es sei denn er wurde zumindest einmal vom Gericht angehört, ansonsten kommen die Fristen für Verfolgungs- und Vollstreckungsverjährung zum Tragen (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Türkei vom 3.6.2021, S. 13). Auf Nachfrage des Gerichts hat die Klägerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung angegeben, in der Türkei noch nicht von einem Richter verhört bzw. angehört worden zu sein (vgl. Protokoll S. 7). Mangels einer zumindest einmaligen gerichtlichen Anhörung der Klägerin in der Türkei ist eine Verurteilung im Hinblick auf die Anklageschrift aus dem Jahr 2018 aufgrund ihrer seit ihrer Ausreise am 18. Oktober 2018 ununterbrochen Abwesenheit in der Türkei nicht zu erwarten. Belegt wird dies im Übrigen durch die Angabe der Klägerin, das Strafverfahren in der Türkei laufe gegen sie weiter, die Verhandlungstage seien wegen ihrer Abwesenheit verlegt worden (vgl. Protokoll S. 6). Damit fehlt es an der für Art. 49 des zwischen Georgien und der Türkei abgeschlossenen Vertrages über die gegenseitige Rechtshilfe zwischen der Republik Georgien und der Republik Türkei in Zivil-, Handels- und Strafsachen erforderlichen Voraussetzung einer erfolgten Verurteilung.
(4) Schließlich ist eine befürchtete Auslieferung der Klägerin von Georgien an die Tür kei auch nicht aufgrund der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Dokumente beachtlich wahrscheinlich:
Die Artikel über die Entführung des „Zentralasien-Chefs“ aus Kirgisistan durch den türkischen Geheimdienst (vgl. Internetartikel „Anklage gegen FETOs sogenannten Zentralasien-Chef Orhan Inandi angenommen“ vom 27. Juli 2021) bzw. einer Auslieferung von Georgien an Russland (vgl. Internetartikel „Georgischer Staatsbürger an Russland ausgeliefert – Fall Boris Tsiklauri“ vom 10. April) sind ersichtlich nicht auf Auslieferungen Georgiens an die Türkei bezogen.
Auch aus dem vorgelegten Dokument des „Hauptkommissariats für Geflüchtete und Staatenlose – Anerkennung des Flüchtlingsstatus“ vom 29. Juni 2021 geht nicht hervor, aus welchen Gründen dem darin bezeichneten Georgier der Flüchtlingsstatus zuerkannt wurde.
Unter den im Artikel „Auslieferungsverkehr mit 109 Ländern für flüchtige FETOMitglieder“ vom 14. Juli 2021 bezeichneten 28 Ländern, die Personen an die Türkei ausgeliefert haben, ist nicht dargelegt, dass sich auch Georgien unter diesen befindet.
Auch aus den weiteren vorgelegten Dokumenten, die Aussagen des Sprechers des türkischen Präsidenten (vgl. Internetartikel „Kalin: FETO wird nirgendwo auf der Welt leicht atmen können“ vom 13. Juli 2018), der türkischen Botschafterin in Georgien (vgl. Internetartikel „Türkischer Botschafter in Tiflis Yazgan: FETO fühlt sich unwohl mit der Zusammenarbeit zwischen der Türkei und Georgien“ vom 15. Juli 2021) sowie des türkischen Premierministers (vgl. Internetartikel „Premierminister Yildirim: Wir werden die FETO-Frage in Georgien verfolgen“ vom 23. Mai 2017) beinhalten, folgt nicht, dass entgegen der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 25. Juni 2021 Auslieferungen georgischer Staatsangehöriger an die Türkei erfolgen. Es ist entgegen der Angaben der Klägerin aus dem Artikel über die türkische Botschafterin in Tiflis nicht ersichtlich, dass eine Abmachung mit der Türkei bestehe, die problemlose Auslieferungen von Anhängern der Gülen-Bewegung ermögliche; vielmehr wird darin die Fortsetzung der gemeinsamen Arbeit mit der georgischen Seite betont (vgl. Internetartikel „Türkischer Botschafter in Tiflis Yazgan: FETO fühlt sich unwohl mit der Zusammenarbeit zwischen der Türkei und Georgien“ vom 15. Juli 2021). Gleiches gilt für die Artikel „Wir verurteilen die Entführung mutmaßlicher Gülenisten“ vom 17. November 2018 bzw. „Die Lizenz einer anderen FETOverbundenen Schule in Georgia wurde widerrufen“ vom 10. Juni 2020, in denen lediglich Ausführungen über Schließungen von Gülen-Schulen in Georgien enthalten sind und nicht über Auslieferungen georgischer Staatsangehöriger von Georgien an die Türkei sowie den Bericht „Verbundene IV- und V-Institutionen haben 52 Personen, die in Georgien Asyl beantragt haben, an ihre Heimatadressen gemeldet“ vom 22. Oktober 2020, dass Angaben zu Asylantragstellern in Georgien an deren Heimatadressen übermittelt wurden; die Klägerin ist insofern selbst ist georgische Staatsangehörige und hat dort auch nicht Asyl beantragt.
Etwas Anderes folgt schließlich auch nicht aus den Berichten „Antrag auf Auslie ferung des FETÖ-Mitglieds Cabuk in die Türkei von der georgischen Generalstaatsanwaltschaft“ vom 5. Februar 2018 bzw. „Die FETO-Operation, die in Georgien Steine in Filme verwandeln wird, von einem speziellen Team von 15 Personen!“ vom 5. Juni 2017. Aus diesen geht bereits nicht hervor, dass die bezeichneten Personen georgische Staatsangehörige sind. Weiterhin datieren die Artikel auf den 5. Juni 2017 bzw. den 5. Februar 2018, sind daher nicht mehr aktuell und folgt allein aus einem etwaigen Antrag auf Auslieferung eines Gülen-Mitglieds in die Türkei nicht die Durchführung einer solchen: Ausweislich der Auskunft vom 25. Juni 2021 sind dem Auswärtigen Amt keine Auslieferungen georgischer Staatsangehöriger an die Türkei bekannt geworden.
d) Im Übrigen hat die Beklagte angeordnet, dass die Klägerin nicht in die Türkei abge schoben werden darf.
2. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung subsidiären Schutzes i.S.d. § 4 Abs. 1 AsylG. Sie hat keine stichhaltigen Gründe für die Annahme vorgebracht, dass ihr bei einer Rückkehr nach Georgien ein ernsthafter Schaden i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis Nr. 3 AsylG droht.
a) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG i.V.m. Art. 15 RL 2011/95/EU die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.
Die Aufenthaltsbeendigung eines Ausländers durch einen Konventionsstaat kann Art. 3 EMRK verletzen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen und bewiesen sind, dass der Ausländer im Zielstaat einer Abschiebung tatsächlich Gefahr läuft, Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung ausgesetzt zu werden. Dann ergibt sich aus Art. 3 EMRK die Verpflichtung für den Konventionsstaat, den Betroffenen nicht in dieses Land abzuschieben (vgl. EGMR, U.v. 13.12.2016 – 41738/10 – NVwZ 2017, 1187 ff. Rn. 173 m.w.N.).
b) Die Todesstrafe wurde in Georgien abgeschafft; Vorfälle von Gewaltanwendung seien auf Einzelfälle reduziert, ein systemischer Charakter nicht mehr feststellbar (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien vom 17.11.2020, S. 15; im Folgenden: Lagebericht). In der Person der Klägerin liegt kein ein Risiko von Folter zum Grad der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhender Umstand vor. Es besteht auch keine beachtliche Gefahr einer Inhaftierung in Georgien zu unmenschlichen Bedingungen. Auch eine Auslieferung an die Türkei ist nicht beachtlich wahrscheinlich (vgl. zuvor).
3. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Verpflichtung zur Feststellung eines Abschie bungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG zu.
a) Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Nach Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden. Dies ist auch der Fall, wenn es dem Betroffenen nicht (mehr) gelingen würde, seine elementaren Bedürfnisse wie Nahrung, Hygiene und Unterkunft, zu befriedigen (vgl. BayVGH, U.v. 21.11.2014 – 13a B 14.30285 – Asylmagazin 2015, 197) und die aus zu erwartenden schwierigen Lebensbedingungen resultierenden Gefährdungen im Einzelfall eine solche Intensität aufweisen, dass auch ohne konkret drohende Maßnahmen von einer unmenschlichen Behandlung auszugehen ist. Hier liegen diese besonders strengen Voraussetzungen nicht vor:
b) Die erwachsene, gesunde und erwerbsfähige Klägerin würde im Fall ihrer Abschie bung nach Georgien keiner besonderen Ausnahmesituation ausgesetzt sein, die mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu führen würde, dass ihre elementarsten Bedürfnisse im Sinne eines absoluten Existenzminimums nicht gesichert wären. Die Grundversorgung der georgischen Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist gewährleistet, es existiert eine staatliche Sozialhilfe und auch die medizinische Versorgung ist für alle georgischen Staatsangehörigen durch eine staatlich finanzierte Grundversorgung sowie zusätzlich bestehende staatliche Gesundheitsprogramme für bestimmte Krankheitsbilder je nach sozialer Lage kostenlos oder mit Zuzahlungen gewährleistet (vgl. Lagebericht S. 16 f.). Die Klägerin hat nach eigenen Angaben in der Türkei elf Jahre die Schule besucht, Wirtschaft/Buchhaltung studiert und nach einem Kurs als Apothekenhelferin 17 Jahre als Apothekenhelferin sowie drei Jahre als Lehrerin gearbeitet. Auch wenn sie nur insgesamt etwa vier Wochen in ihrem Leben in Georgien verbracht haben möge, ist nicht erkennbar, dass es ihr vor ihrem beruflichen Hintergrund unzumutbar wäre, in Georgien eine Existenzgrundlage zu schaffen.
c) Im Falle einer Abschiebung nach Georgien würde die Klägerin auch nicht wegen einer Asylantragstellung unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen: Staatliche Repressalien gegenüber Rückkehrern sind nicht bekannt, auch die Tatsache einer Asylantragstellung im Ausland ist für die Behandlung durch staatliche Stellen ohne Bedeutung (Lagebericht S. 17).
d) Zudem ist aufgrund der aktuellen Auskunftslage des Auswärtigen Amtes keine Aus lieferung der Klägerin in die Türkei zu erwarten (vgl. oben).
4. Ein Abschiebungsverbot i.S.d. des § 60 Abs. 7 Satz 2 ff. AufenthG wegen einer ziel staatsbezogenen erheblichen konkreten Gefahr für Leib oder Leben aus gesundheitlichen Gründen, die eine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung voraussetzt, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, ist im Fall der Klägerin weder hinreichend substantiiert vorgetragen noch anderweitig ersichtlich.
Nachdem sich auch die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Abs. 1 AufenthG als rechtmäßig erweist, war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).


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