Verwaltungsrecht

Abschiebung in Heimatstaat nach Gewährung subsidiären Schutzes in Italien

Aktenzeichen  M 11 K 18.31931

Datum:
9.7.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 37331
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3, § 4
AufenthG § 60 Abs. 1 S. 2, Abs. 2, Abs. 5
Anerkennungs-RL

 

Leitsatz

1. In der Provinz Hiraan (Somalia) besteht ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt, jedoch stellt sich die Lage nicht als so gefährlich dar, dass sie sich unabhängig von persönlichen Merkmalen bei jeder Zivilperson individualisieren würde. (Rn. 33 – 35) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Gewährung subsidiären Schutzes in einem EU-Mitgliedstaat bindet die deutschen Behörden nicht. (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Gewährung subsidiären Schutzes in einem EU-Mitgliedstaat schließt die Abschiebung des Asylsuchenden in sein Heimatstaat aus. (Rn. 47 und 48) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 27. April 2018 wird in Nr. 5 insoweit aufgehoben, als eine Abschiebung nach Somalia angedroht wurde.     
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. 
II. Von den Kosten des Verfahrens tragen der Kläger 5/6 und die Beklagte 1/6.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

I. Das Gericht konnte den Rechtsstreit trotz Ausbleibens der Beklagten verhandeln und entscheiden, da diese ordnungsgemäß geladen und in der Ladung darauf hingewiesen wurden, dass auch im Fall des Nichterscheinens verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 2 VwGO).
II. Die zulässige Klage ist im tenorierten Umfang begründet.
Der streitgegenständliche Bescheid ist hinsichtlich der Abschiebungsandrohung nach Somalia rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO); im Übrigen ist der Bescheid rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, da dieser zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) keinen Anspruch auf die insoweit begehrte Entscheidung hat (§ 113 Abs. 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1. Der Asylantrag des Klägers vom 15. November 2013 ist zulässig, insbesondere steht § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG dem Begehren des Klägers nicht entgegen.
Nach dieser Vorschrift sind Asylanträge als unzulässig abzulehnen, wenn einem Asylsuchenden in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union bereits internationaler Schutz (Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärer Schutz) gewährt wurde. Im vorliegenden Fall verfügt der Kläger zwar ausweislich der im Verfahren vorgelegten Nachweise über den subsidiären Schutzstatus in Italien; ferner ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt, dass § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG nicht nur für Asylanträge, welche seit Einführung dieser Norm – mithin seit dem 20. Juli 2015 – gestellt wurden, sondern darüber hinaus auch auf davor gestellte Asylanträge rückwirkend grundsätzlich zur Anwendung kommt. Ausgenommen von dieser Rückwirkung sind jedoch Anträge, bei denen sowohl das erste Asylgesuch als auch das Wiederaufnahmegesuch unter den Geltungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 (Dublin-II-Verordnung) fallen (vgl. zum Ganzen EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-297/17 – juris Rn. 64 f, 69, 74; BVerwG, U.v. 21.4.2020 – 1 C 4.19 – juris Rn. 17). Vollständig unter den Geltungsbereich der Dublin-II-Verordnung fallen nach der Übergangsregelung des Art. 49 Abs. 2 Satz 2 Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin-III-Verordnung) dabei Asylanträge und Wiederaufnahmegesuche, welche vor dem 1. Januar 2014 gestellt wurden. So liegt der Fall hier. Der Kläger hat seinen Asylantrag in Italien am 14. Januar 2013 gestellt; das Wiederaufnahmegesuch der Beklagten an Italien erfolgte am 19. November 2013 mithin in beiden Fällen vor dem 1. Januar 2014. Nach den dargestellten Grundsätzen ist damit die Vorschrift des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG hinsichtlich des am 15. November 2013 in der Bundesrepublik gestellten Asylantrags des Klägers nicht anwendbar.
2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
Nach § 3 Abs. 1 AsylG besteht ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, wenn sich ein Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet.
Hinsichtlich des von dem Schutzsuchenden geltend gemachten Schicksals muss das Gericht die volle Überzeugung von der Wahrheit erlangen (vgl. BVerwG, U.v. 13.2.2014 – 10 C 6/13 – juris Rn. 18). Angesichts des sachtypischen Beweisnotstands, in dem sich Schutzsuchende insbesondere hinsichtlich fluchtbegründender Vorgänge im Herkunftsstaat befinden, kommt dabei dem persönlichen Vorbringen des Schutzsuchenden und dessen Würdigung für die Überzeugungsbildung eine gesteigerte Bedeutung zu. Dabei obliegt es dem Schutzsuchenden, einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, der geeignet ist, das Schutzbegehren lückenlos zu tragen. Der Schutzsuchende muss die persönlichen Umstände der Verfolgung hinreichend substantiiert, detailliert und widerspruchsfrei vortragen, er muss kohärente und plausible wirklichkeitsnahe Angaben machen (vgl. BVerwG, U.v. 8.5.1984 – 9 C 141/83 – juris Rn. 11). Werden im Laufe des Verfahrens ohne nachvollziehbare Erklärung unterschiedliche Angaben gemacht, enthält das Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche, erscheinen die Darstellungen nach den Erkenntnismaterialien, der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe nicht nachvollziehbar oder wird das Vorbringen im Laufe des Verfahrens ohne ausreichende Begründung erweitert oder gesteigert und insbesondere ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren eingeführt, so kann den Aussagen in der Regel kein Glauben geschenkt werden.
Gemessen an diesen Grundsätzen konnte das Gericht nicht die Überzeugung erlangen, dass dem Kläger in Somalia mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine an asylerhebliche Merkmale anknüpfende Verfolgung droht. Für das Vorliegen einer Verfolgung durch den somalischen Staat ist nichts ersichtlich. Ferner droht dem Kläger keine Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure, insbesondere nicht durch die Familie seiner früheren Ehefrau.
Die Ausführungen des Klägers zu seinen Fluchtgründen sind sehr oberflächlich und weisen in zentralen Punkten erhebliche Unstimmigkeiten bzw. Widersprüche auf. So gab der Kläger beispielsweise im Rahmen der mündlichen Verhandlung an, dass die Hochzeit mit seiner damaligen Ehefrau im Dezember 2011 stattgefunden habe. Etwa einen Monat später – mithin im Januar 2012 – habe die Familie der Ehefrau von der Hochzeit erfahren und den Kläger bedroht. Daraufhin habe sich der Kläger für einen Zeitraum von 6 bis 7 Monaten versteckt, bevor er aus Somalia ausgereist sei. Im Rahmen der Anhörung beim Bundesamt am 26. April 2017 gab der Kläger dagegen an, dass er Somalia am 1. Januar 2012 verlassen habe, unmittelbar nachdem die Familie der Ehefrau von der heimlichen Hochzeit im Dezember 2011 erfahren habe (S. 7 der Anhörungsniederschrift). Der Kläger gab dort wörtlich an: „Ich bin noch in derselben Nacht geflohen, als ich erfuhr, dass die Familie von der Trauung erfahren hatte.“ (S. 8 der Anhörungsniederschrift). Auf Vorhalt des Gerichts war der Kläger nicht in der Lage, den Widerspruch seiner Aussagen zu erklären. Zur Hochzeit selbst gab der Kläger im Rahmen der Anhörung durch das Bundesamt an, dass neben ihm und seiner Frau, die Mutter des Klägers und zwei weitere Zeugen zu einem Sheikh gegangen seien (S. 8 der Anhörungsniederschrift). Im Rahmen der mündlichen Verhandlung gab der Kläger hingegen an, dass das Paar mit zwei Zeugen zu dem Sheikh gegangen sei. Dies wurde auch auf Rückfrage des Gerichts bestätigt. Von der Anwesenheit seiner Mutter war hier keine Rede mehr. Der Vortrag des Klägers im Rahmen der mündlichen Verhandlung zum Ablauf der Hochzeit erfolgte zudem pauschal und oberflächlich. Der Kläger war auch auf Nachfrage des Gerichts nicht ansatzweise in der Lage Details – etwa die Kleidung seiner Ehefrau – zu beschreiben und ließ keinerlei Emotionen hinsichtlich des für ihn wichtigen Ereignisses erkennen. Ferner gab der Kläger im Rahmen der Anhörung beim Bundesamt an, dass er keine Kenntnis über das Schicksal seiner ehemaligen Ehefrau habe. Er vermute, dass diese mit einem anderen Mann verheiratet worden sei (S. 9 der Anhörungsniederschrift). Im Rahmen der mündlichen Verhandlung trug der Kläger dagegen umfangreich zum Schicksal seiner ehemaligen Ehefrau vor. Dort gab er an, dass diese gefoltert und zwangsweise verheiratet bzw. eine Zwangsheirat vorbereitet worden sei, dies jedoch nicht geklappt habe, da seine Frau keine Jungfrau mehr gewesen sei. Hierbei ist nicht nachvollziehbar, weshalb der Kläger im Rahmen der Anhörung beim Bundesamt, welche erst fünf Jahre nach seiner Ausreise aus Somalia stattgefunden hat, keine Kenntnis vom Schicksal seiner Ehefrau gehabt haben will, während er nunmehr durchaus detaillierte Kenntnisse zu haben vorgibt. Ferner trug der Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung erstmalig vor, dass die Brüder seiner damaligen Frau Mitglieder der Al-Shabaab und als solche auch gegenüber der Familie des Klägers aufgetreten seien. Ferner gab er erstmalig an, dass diese den älteren Bruder des Klägers getötet hätten. Dabei drängt sich der Eindruck auf, dass der Kläger durch den Bezug auf die Al-Shabaab und die bisher nicht erwähnte Tötung seines Bruders seinem Vortrag und seinen vermeintlichen Fluchtgründen mehr Gewicht verleihen will. Der Kläger vermochte es damit in der Gesamtschau des Sachvortrags und dem Eindruck der mündlichen Verhandlung nicht glaubhaft darzulegen, dass er vor seiner Ausreise aus Somalia einer Verfolgung durch die Familie seiner Frau ausgesetzt war und ihm im Falle der Rückkehr aus eben diesen Gründen eine Verfolgung droht. Das Gericht geht vielmehr davon aus, dass der Kläger zu seinen Ausreisegründen eine jedenfalls in weiten Teilen frei erfundene Geschichte präsentiert hat.
3. Der Kläger hat auch kein Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG.
Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gelten nach § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt.
3.1 Dafür, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Somalia die Verhängung oder die Vollstreckung der Todesstrafe droht (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG), ist nichts ersichtlich und auch nichts vorgetragen.
3.2 Dem Kläger droht auch nicht Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG). Insbesondere droht ihm diese Gefahr nicht durch die Familie seiner früheren Ehefrau, weil die Vorfluchtgründe des Klägers wie ausgeführt insgesamt nicht glaubhaft sind.
3.3 Dem Kläger droht zudem auch unter Berücksichtigung aktueller Erkenntnismittel keine individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG.
Bezugspunkt für die Gefahrenprognose ist der tatsächliche Zielort des Ausländers bei einer Rückkehr, in der Regel die Herkunftsregion des Ausländers, in die er typischerweise zurückkehren wird (BVerwG, U.v. 14.7.2009 – 10 C 9/08 – juris Rn. 17). Demnach ist vorliegend auf … in der Region Hiraan abzustellen, wo der Kläger bis zu einer Ausreise seinen Lebensmittelpunkt gehabt hat.
Zwar geht das Gericht davon aus, dass in der Provinz Hiraan weiterhin ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG zwischen den Hauptakteuren der Somalischen Nationalen Armee (SNA), den Streitkräften der Mission der Afrikanischen Union in Somalia (AMISOM), den äthiopischen Streitkräften (ENDF) und der Al-Shabaab herrscht (vgl. BayVGH, U.v. 17.7.2018 – 20 B 17.31659 – juris Rn. 27).
Für die Annahme einer ernsthaften individuellen Bedrohung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG genügt es allerdings nicht, dass der innerstaatliche bewaffnete Konflikt zu permanenten Gefährdungen der Bevölkerung führt. Vielmehr ist zu prüfen, ob von einem bewaffneten Konflikt in der Zielregion für eine Vielzahl von Zivilpersonen eine allgemeine Gefahr ausgeht, die sich in der Person des Klägers so verdichtet, dass sie für diesen eine erhebliche individuelle Gefahr darstellt (vgl. BayVGH, U.v. 17.7.2018 – 20 B 17.31659 – juris Rn. 28). Eine ernsthafte individuelle Bedrohung für Leib oder Leben kann dabei auf gefahrerhöhenden persönlichen Umständen beruhen, wie etwa berufsbedingter Nähe zu einer Gefahrenquelle oder einer bestimmten religiösen Zugehörigkeit (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2011 − 10 C 13/10; U.v. 27.4.2010 – 10 C 4.09 – jew. juris). Beim Fehlen individueller gefahrerhöhender Umstände kann eine Individualisierung ausnahmsweise auch bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre, was ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt voraussetzt (BVerwG, U.v. 17.11.2011 – 10 C 13/10 – juris Rn. 19). Für die Feststellung der erforderlichen Gefahrendichte bedarf es dabei neben einer quantitativen Ermittlung des Tötungs- und Verletzungsrisikos insbesondere einer wertenden Gesamtbetrachtung. Der bei Bewertung der entsprechenden Gefahren anzulegende Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bei der Prüfung der tatsächlichen Gefahr im Sinne des Art. 3 EMRK (BVerwG, U.v. 17.11.2011 – 10 C 13/10 – NVwZ 2012, 454).
Gemessen daran stellt sich die allgemeine Lage in der Provinz Hiraan nicht als so gefährlich dar, dass sie sich unabhängig von persönlichen Merkmalen bei jeder Zivilperson individualisieren würde (vgl. ausführlich BayVGH, U.v. 17.7.2018 – 20 B 17.31659 – juris Rn. 33).
3.3.1 Nach den verfügbaren Erkenntnismitteln (vgl. insbesondere: Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia vom 18.4.2021 – im Folgenden: Lagebericht; BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Somalia, Stand 20.11.2019 – im Folgenden: BFA-Länderinformation) stellt sich die Lage in Süd- und Zentralsomalia wie folgt dar:
Somalia ist spätestens seit Beginn des Bürgerkriegs 1991 ohne flächendeckende effektive Staatsgewalt. Nach Schätzungen sind im somalischen Bürgerkrieg zwischen 2007 und 2011 über 20.000 Zivilisten zu Tode gekommen sind, davon der größte Teil in Süd- und Zentralsomalia. Nach wie vor herrscht in weiten Teilen Süd- und Zentralsomalias Bürgerkrieg. Die aktuelle Lage in Süd- und Zentralsomalia (außerhalb von Mogadischu) ist nach wie vor unübersichtlich und uneinheitlich – von einer wesentlichen und ausreichend dauerhaften Verbesserung der Sicherheitslage kann trotz einer gewissen Stabilisierung nicht ausgegangen werden. Somalia gilt zwar nicht mehr als failed state, bleibt aber ein sehr fragiler Staat. Es gibt keine flächendeckende effektive Staatsgewalt, vielmehr sind die vorhandenen staatlichen Strukturen schwach und die föderale Regierung hat es bislang nicht geschafft, sich außerhalb Mogadischus durchzusetzen. Relativ sichere Zufluchtsgebiete sind schwierig zu bestimmen und von Ausweichgrund sowie den persönlichen Umständen abhängig. Das Clansystem hat weiterhin eine hohe Bedeutung und auch in den von der Regierung kontrollierten Gebieten kommt es zu Diskriminierungen aufgrund der Clanzugehörigkeit. Rückkehrer sind auf eine Unterstützung durch Clanmitglieder bzw. Mitglieder die Kernfamilie angewiesen, andernfalls besteht die Gefahr, dass Rückkehrer unter prekären Verhältnissen in Lagern für Binnenvertriebene unterkommen müssen.
Die somalischen Sicherheitskräfte kämpfen mit Unterstützung der AMISOM weiterhin gegen die radikalislamistische Al-Shabaab-Miliz. Die Gebiete sind teilweise unter der Kontrolle der Regierung, teilweise unter der Kontrolle der Al-Shabaab oder anderer Milizen. Al-Shabaab führt weiterhin Angriffe auf Stellungen der AMISOM und der somalischen Armee sowie auf zivile Ziele durch. Zivilisten kommen im Kreuzfeuer, durch Sprengsätze oder Handgranaten ums Leben oder werden verwundet. Aus verschiedenen Garnisonsstädten heraus werden Vorstöße tief ins Gebiet der Al-Shabaab unternommen. Diese werden teilweise von Luftschlägen begleitet. Al-Shabaab betreibt demgegenüber eine asymmetrische Kriegsführung, gekennzeichnet durch Sprengstoffanschläge und komplexe Angriffe wie auch gezielte Attentate und sog. hit-and-run-Angriffe. Die Miliz wurde zwar aus vielen Städten vertrieben. Es ist aber nicht möglich zu definieren, wie weit der Einfluss oder die Kontrolle von AMISOM und somalischer Armee von einer Stadt hinausreicht. Der Übergang zum Gebiet der Al-Shabaab ist fließend und unübersichtlich. Im Umfeld (Vororte, Randbezirke) der meisten Städte unter Kontrolle von AMISOM und Regierung in Süd-/ Zentralsomalia verfügt Al-Shabaab über eine verdeckte Präsenz, in den meisten Städten selbst über Schläfer. Manche Städte unter Kontrolle von AMISOM und Regierung können als „Inseln“ im Gebiet der Al-Shabaab beschrieben werden. Jedenfalls verfügt Al-Shabaab über ausreichend Kapazitäten, um auch in Städten unter Kontrolle von AMISOM und Regierung Anschläge zu verüben. Es gibt in allen Regionen in Süd-/ Zentralsomalia Gebiete, wo Al-Shabaab Präsenz und Einfluss hat und die lokale Bevölkerung insbesondere zu Steuerzahlungen zwingt. Grundsätzlich finden in fast allen Regionen Somalias südlich von Puntland regelmäßig örtlich begrenzte Kampfhandlungen zwischen AMISOM bzw. somalischen Sicherheitskräften und Al-Shabaab statt. Besonders von Gewalt betroffen waren neben der Hauptstadt Mogadischu zuletzt die Provinzen Lower und Middle Shabelle. Dagegen waren die Provinzen Jubaland, Bay und Hiraan zu einem geringeren Ausmaß betroffen (BFALänderinformation, S. 16).
Im Bundesstaat HirShabelle (Hiraan, Middle Shabelle) ist die Macht der Regierung auf Teile von Middle Shabelle bzw. Jowhar beschränkt. Zudem kann sie auch in Beledweyne beschränkten Einfluss ausüben (BFALänderinformation, S. 32). Beledweyne, Buulo Barde, Jalalaqsi und Maxaas befinden sich unter Kontrolle von Regierungskräften und AMISOM. Beledweyne und Buulo Barde gelten als konsolidiert. In jüngerer Vergangenheit konnte westlich von Beledweyne keine wesentliche Präsenz der Al-Shabaab verzeichnet werden. Vor allem der Bereich entlang der somalisch-äthiopischen Grenze ist aktuell als sicher anzusehen (vgl. BFALänderinformation, S. 33). Speziell Beledweyne gilt als vergleichsweise stabil und es kommt nur sporadisch zu Gewalt oder Attacken der Al-Shabaab. In der Stadt gibt es eine relativ starke Bezirksverwaltung und lokal rekrutierte Polizeikräfte. Clankonflikte werden nicht mehr in der Stadt, sondern außerhalb ausgetragen. Es gibt Stützpunkte von AMISOM, der äthiopischen und der somalischen Armee. Die in Beledweyne vorhandene Präsenz der Al-Shabaab scheint kaum relevant, es kommt zu wenigen Vorfällen. Allerdings hat Al-Shabaab die Präsenz in der Stadt verstärkt und im Bezirk gibt es vermehrt Zwischenfälle. Die Angriffe richten sich dabei üblicherweise nicht gegen Zivilisten, obgleich für Zivilisten – wie im Rest Somalias – stets das Risiko besteht, „zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein“ und so zum Kollateralschaden zu (vgl. dazu insgesamt: BFALänderinformation, S. 33, 105).
3.3.2 Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist ein Risiko von 1:800 bzw. 0,125% als Zivilperson binnen eines Jahres verletzt oder getötet zu werden, weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit eines ihr drohenden Schadens infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines bewaffneten Konflikts entfernt (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2011 – 10 C 13/10 – juris Rn. 22 f; BayVGH, B.v. 11.12.2017 – 13a ZB 17.31374 – juris Rn. 7). Eine quantitative Bewertung der Gefahrendichte erscheint für Somalia mangels belastbarer aktueller Zahlen zu den Einwohnerzahlen einerseits und der Opferzahlen in Hinblick auf das Tötungs- und Verletzungsrisiko andererseits vorliegend kaum verlässlich möglich (vgl. BayVGH, U.v. 27.3.2018 – 20 B 17.31663 – juris Rn. 34; VGH Hessen, U.v. 1.8.2019 – 4 A 2334/18.A – juris Rn. 40 ff.). Für Gesamtsomalia wird die Gefahrendichte im Rahmen einer Hochrechnung für das Jahr 2019 bei einer Gesamtbevölkerungszahl von rund 12,3 Mio. teils auf 1:8163 geschätzt (vgl. BFA-Länderinformation, S. 19), was in quantitativer Hinsicht noch deutlich unter dem oben genannten Wert liegt. Einerseits dürfte dabei die Bevölkerungszahl allerdings eher zu niedrig angesetzt sein, da andere Quellen von einer Einwohnerzahl von mind. 14,7 Mio. ausgehen (vgl. Hinweis der BFA-Länderinformation, S. 19); andererseits dürfte hinsichtlich der Opferzahlen eine nicht abschätzbare Dunkelziffer bestehen (siehe unten). In der Region Hiraan leben Schätzungen aus dem Jahr 2014 zufolge ca. 520.685 Einwohner (vgl. EASO, COI-Report – Somalia Security Situation, Stand Dezember 2017 – im Folgenden: COI-Report, S. 89). Nach einer von ACCORD vorgenommenen Auswertung der für das Jahr 2018 sind für diese Region insgesamt 194 Vorfälle mit insgesamt 453 Toten verzeichnet (vgl. ACCORD, Somalia, Kurzübersicht über Vorfälle aus dem Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED), Zusammenstellung vom 25. Februar 2020). Auf dieser Grundlage ergibt sich eine Gefahrendichte von etwa 0,087%, was ebenfalls unter der Schwelle beachtlicher Wahrscheinlichkeit liegt. Allerdings werden nach den ACLED-Zahlen die Verletzten nicht erfasst, daneben differenziert ACLED nicht zwischen getöteten Zivilpersonen und getöteten Bewaffneten. Schließlich weist ACLED selbst darauf hin, dass ein Großteil der gesammelten Daten auf öffentlich zugänglichen Sekundärquellen basiert und die Daten daher das Ausmaß an Vorfällen untererfassen können. Es existiert also eine nicht genau abschätzbare Dunkelziffer. Insgesamt erscheinen die Zahlen damit wenig belastbar.
3.3.3 Dessen ungeachtet stellt sich die Situation in Hiraan bei wertender Gesamtbetrachtung nach den dargestellten Erkenntnissen nicht so dar, dass jede Zivilperson aufgrund ihrer bloßen Anwesenheit mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, dort Opfer willkürlicher Gewalt zu werden. Dabei ist im Rahmen der gebotenen wertenden Betrachtungsweise insbesondere zu berücksichtigen, dass die Gesamtzahl der zivilen Opfer zu einem nicht unerheblichen Teil Personen mit erhöhten Gefährdungspotentialen betroffen haben dürfte. Bedingt durch die von Al-Shabaab verfolgte Strategie der asymmetrischen Kriegsführung und der strategischen Auswahl der Anschlagsziele waren und sind bestimmte Berufsgruppen wie Regierungsmitarbeiter, Angehörige von AMISOM, Mitarbeiter internationaler Organisationen, Angehörige der Sicherheitskräfte bzw. generell mit der Regierung zusammenarbeitende Personen, Politiker, Deserteure, mutmaßliche Spione und Kollaborateure in besonderer Weise betroffen. Auch wenn die Al-Shabaab einige Menschen in Somalia als „legitime Ziele“ erachtet, gilt dies für die meisten Zivilisten nicht (vgl. hierzu etwa die Entschuldigung und Beileidsbekundung der Miliz gegenüber zivilen Opfern eines verheerenden Sprengstoffanschlags in Mogadischu Ende 2019, www. tageschau.de/ausland/anschlag-somalia-al-shabaab-101.html). Hierin sieht das Gericht einen wesentlichen Unterschied zu anderen Terrororganisationen (so auch: BFA-Länderinformation, S. 19). Zwar besteht für Zivilisten immer das Risiko, „zur falschen Zeit am falschen Ort“ zu sein. Einfache Zivilisten können ihr Risiko, zufällig Opfer eines Anschlags zu werden, zwar nicht vollständig ausschließen, zumindest aber minimieren, indem sie Gebiete oder Einrichtungen meiden, die von Al-Shabaab bevorzugt angegriffen werden. Dazu gehören vor allem Hotels und Restaurants, in denen Angehörige der Streitkräfte, Mitglieder oder Mitarbeiter der Regierung oder Mitarbeiter internationaler Organisationen verkehren, Regierungseinrichtungen sowie Stellungen und Stützpunkte von Regierungskräften und AMISOM. Generell ist ein „normaler Zivilist“ (ohne Verbindung zur Regierung, zu Sicherheitskräften, zu Behörden, zu NGOs oder internationalen Organisationen) damit keinem Risiko im Sinne des Art. 3 EMRK ausgesetzt (vgl. auch BFA-Länderinformation, S. 103 ff m.w.N.).
3.3.4 Gefahrerhöhende Umstände sind in der Person des Klägers nicht erkennbar. Solche ergeben sich insbesondere nicht aus seiner Verfolgungsgeschichte, da diese nicht glaubhaft ist (s.o.). Es ist daher nicht anzunehmen, dass der Kläger bei einer Rückkehr in seine Heimatregion im Vergleich zur dort lebenden Zivilbevölkerung einem deutlich erhöhten Risiko ausgesetzt wäre, Opfer willkürlicher Gewalt im Rahmen eines bewaffneten Konflikts zu werden.
3.3.5 Ein Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes folgt ferner nicht daraus, dass dem Kläger in Italien subsidiärer Schutz zugesprochen wurde. Eine inhaltliche Bindung des Bundesamts oder des Gerichts an die Entscheidung der italienischen Behörden besteht nicht. Eine derartige Bindungswirkung lässt sich weder aus dem Völkerrecht – insbesondere nicht der Genfer Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951 (GFK) – noch dem Unionsrecht oder dem in der Rechtsprechung entwickelten Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens herleiten (vgl. dazu ausführlich: BVerwG, U.v. 17.6.2014 – 10 C 7/13 – juris Rn. 29 ff. und BVerfG, B.v. 14.11.1979 – 1 BvR 654/79 – juris Rn. 20 ff jeweils für den Fall einer ausländischen Flüchtlingsanerkennung; VG München, U.v. 20.5.2021 – M 11 K 18.32133 – juris Rn. 40; VG Ansbach, U.v. 3.9.2020 – AN 17 K 18.50679 – juris Rn. 22 ff.). Die GFK legt einheitliche Kriterien für die Qualifizierung als Flüchtling fest, sieht aber keine völkerrechtliche Bindung eines Vertragsstaats an die Anerkennungsentscheidung eines anderen vor. Das Unionsrecht ermächtigt zwar nach Art. 78 Abs. 2 Buchst. a und b AEUV zu Gesetzgebungsmaßnahmen, die einen in der ganzen Union gültigen einheitlichen Asylstatus und einen einheitlichen subsidiären Schutzstatus für Drittstaatsangehörige vorsehen, die maßgebliche RL 2011/95/EU vom 13. Dezember 2011 sieht eine in der ganzen Union gültige Statusentscheidung jedoch gerade nicht vor. Auch soweit die Bundesrepublik mit § 60 Abs. 1 Satz 2 AufenthG von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, durch eine nationale Regelung den Anerkennungsentscheidungen anderer Staaten in begrenztem Umfang Rechtswirkungen im eigenen Land beizumessen, folgt daraus gerade kein Anspruch auf neuerliche Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder des subsidiären Schutzes (vgl. dazu insgesamt: BVerwG, U.v. 17.6.2014 – 10 C 7/13 – juris Rn. 29).
4. Schließlich liegen auch die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vor.
Nach § 31 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 AsylG ist bei Entscheidungen über zulässige Asylanträge festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG vorliegen. Hierbei handelt es sich um zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote. Danach darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) unzulässig ist. Dies umfasst auch das Verbot der Abschiebung in einen Zielstaat, in dem dem Ausländer eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung im Sinne von Art. 3 EMRK droht (BVerwG, U.v. 4.7.2019 – 1 C 45/18 – juris Rn. 11). Mithin ist zunächst festzustellen, welcher Staat vorliegend Zielstaat einer möglichen Abschiebung des Klägers wäre. Dies ist im vorliegenden Fall entgegen der Auffassung der Beklagten nicht Somalia, sondern Italien, da dem Kläger dort subsidiärer Schutz gewährt wurde.
4.1 Nach § 60 Abs. 1 Satz 2, Alt. 3 und Abs. 2 Satz 2 AufenthG steht die in Italien ergangene Statusentscheidung – die Gewährung subsidiären Schutzes – einer Abschiebung des Klägers in sein Heimatland Somalia entgegen.
Wie bereits dargestellt, besteht durch die Entscheidung der italienischen Behörden keine Bindung der Bundesrepublik derart, dass der Kläger vorliegend einen Anspruch auf die Zuerkennung subsidiär Schutzes durch das Bundesamt hat. Die RL 2011/95/EU vom 13. Dezember 2011 sieht eine in der ganzen Union gültige Statusentscheidung gerade nicht vor. Die Bundesrepublik hat jedoch von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, durch eine nationale Regelung den Anerkennungsentscheidungen anderer Staaten in begrenztem Umfang – in Form eines Abschiebungsverbots – Rechtswirkungen im eigenen Land beizumessen (vgl. BVerwG, U.v. 17.6.2014 – 10 C 7/13 – juris Rn. 29). Danach darf aufgrund von § 60 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2, Alt. 3 AufenthG ein Asylberechtigter, der außerhalb des Bundesgebiet als Flüchtling nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt wurde, nicht in seinen Heimatstaat abgeschoben werden. Die gilt auch für Personen, welche durch einen Mitgliedstaat subsidiären Schutz zuerkannt bekommen haben.
Über die Verweisung in § 60 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 3 AufenthG besteht ein Abschiebungsverbot in den Herkunftsstaat nach § 60 Abs. 1 AufenthG auch in den Fällen, in denen in einem anderen Mitgliedstaat der europäischen Union subsidiärer Schutz zuerkannt wurde (vgl. Adam ZAR 2021, 283 (284); Bülow/Schiebel ZAR 2020, 72 (75)). Die Statusgewährung (Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärer Schutz) durch einen Mitgliedstaat schließt nach nationalem Recht eine Abschiebung in den Herkunftsstaat des Ausländers aus (vgl. BVerfG Kammerbeschluss v. 13.9.2020 – 2 BvR 2082/18 – juris Rn. 28; Marx, AsylG, 10. Aufl. 2019, § 29 Rn. 102). Der Berücksichtigung eines im Ausland zuerkannten subsidiären Schutzstatus als Abschiebungshindernis nach nationalem Recht steht nicht entgegen, dass § 60 Abs. 2 Satz 2 AufenthG auf die Regelungen des § 60 Abs. 1 Satz 3 und Satz 4 AufenthG verweist, sich jedoch gerade nicht auf § 60 Abs. 1 Satz 2 AufenthG bezieht, welcher ein Abschiebungsverbot im Falle einer bestehenden Flüchtlingsanerkennung ausdrücklich regelt. Trotz der fehlenden ausdrücklichen Verweisung, kann vorliegend nicht von einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers dahin ausgegangen werden, dass eine Gleichstellung der Flüchtlingsanerkennung und des subsidiären Schutzstatus mit Blick auf ein hieraus folgendes nationales Abschiebungsverbot nicht gewollt war. Die Regelung des § 60 Abs. 2 AufenthG mit der Verweisung auf § 60 Abs. 1 Satz 3 und 4 AufenthG hat seine jetzige Form mit dem Gesetz zur Umsetzung der RL 2011/95/EU vom 28. August 2013 erhalten. Ausweislich der Gesetzesbegründung wurde die Verweisung nur eingefügt, um klarzustellen, dass in Umsetzung der Richtlinie Anträge auf subsidiären Schutz als Asylanträge zu behandeln sind (vgl. BT-Drucks. 17/13063, S. 25). Eine hierüber hinausgehende bewusste Entscheidung des Gesetzgebers zum Ausschluss eines hieraus folgenden Abschiebungsverbots – entsprechend § 60 Abs. 1 Satz 2 AufenthG bei zuerkannter Flüchtlingseigenschaft – ist den Gesetzesmaterialien dagegen nicht zu entnehmen. Vielmehr wird aus der Gesetzesneufassung unter Berücksichtigung der zugrundeliegenden RL 2011/95/EU deutlich, dass es gerade Ziel des Gesetzgebers war, einheitliche Regelungen für die Anerkennung von internationalem Schutz zu schaffen, welcher sowohl die Flüchtlingseigenschaft als auch subsidiären Schutz umfasst (vgl. BT-Drucks. 17/13063, S. 1). Dies entspricht der ausdrücklichen Regelung des Art. 2 lit. a) RL 2011/95/EU, welche bestimmt, dass internationaler Schutz im Sinne der Richtlinie neben der Flüchtlingseigenschaft auch den subsidiären Schutzstatus beinhaltet. Ziel der Richtlinie ist es unter anderem den Schutz für Flüchtlinge nach der GFK um den subsidiären Schutzstatus zu ergänzen (vgl. Erwägungsgrund 33 RL 2011/95/EU). Nach Art. 21 Abs. 1 RL 2011/95/EU wird konsequent der Grundsatz der nicht Zurückweisung (Refoulement-Verbot), welcher nach Art. 33 Abs. 1 GFK nur für Flüchtlinge gilt, auch auf subsidiär Schutzberechtigte ausgeweitet. Durch die Regelung des § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG wird das Refoulement-Verbot nach Art. 33 Abs. 1 GFK durch nationales Recht umgesetzt (BeckOK AuslR/Koch, 30. Ed. 1.7.2020, AufenthG § 60 Rn. 9) und über § 60 Abs. 1 Satz 2 AufenthG auf Ausländer, welche bereits über einen Flüchtlingsstatus verfügen, ausgeweitet (BeckOK MigR/Zimmerer, 9. Ed. 15.10.2021, AufenthG § 60 Rn. 10). Aufgrund der dargestellten, vom Gesetzgeber gewollten umfassenden Gewährung internationalen Schutzes durch Ergänzung des Flüchtlingsstatus um den subsidiären Schutzstatus und der nach § 60 Abs. 2 Satz 2, Abs. 1 Satz 3 und Satz 1 AufenthG vorgenommenen entsprechenden Ausweitung des Refoulement-Verbots, welche die Regelung des Art. 21 Abs. 1 RL 2011/95/EU umsetzt, ist es nur folgerichtig, die ursprünglich aufgrund von Art. 33 Abs. 1 GFK nach nationalem Recht in begrenztem Umfang gewährte Rechtswirkungen eines durch einen anderen Mitgliedstaat gewährten Flüchtlingsstatus nunmehr auch auf solche Fälle anzuwenden, in denen subsidiärer Schutz gewährt wurde. Mithin ist in entsprechenden Konstellationen ebenfalls von einem Abschiebungsverbot in den Heimatstaat auszugehen.
Die Beachtung eines durch einen Mitgliedstaat zuerkannten subsidiären Schutzstatus ist zudem für die Verwirklichung des Grundrechts des Ausländers aus Art. 2 Abs. 2 GG ausschlaggebend (BVerfG a.a.O., Rn. 28). Nach den Grundsätzen dieser Entscheidung ist es zur Wahrung der Rechte aus Art. 2 Abs. 2 GG in den Fällen, in denen bereits im Ausland ein Schutzstatus gewährt wurde, gerade nicht ausreichend, dass durch nationale Behörden das geltend gemachte Verfolgungsschicksal sowie Abschiebungsverbote in den jeweiligen Heimatstaat umfassend geprüft und dabei festgestellt wurde, dass die jeweiligen Schutzvoraussetzungen nicht vorliegen.
Nach diesen Grundsätzen ist im vorliegenden Fall eine Abschiebung des Klägers nach Somalia nicht möglich, da diesem in Italien subsidiärer Schutz gewährt wurde. Möglicher Zielstaat einer Abschiebung ist vielmehr Italien.
4.2 Die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG liegen hinsichtlich Italien nicht vor.
4.2.1 Die Regelung des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK steht einer Abschiebung entgegen, wenn es ernsthafte und stichhaltige Gründe dafür gibt, dass der Betroffene tatsächlich Gefahr läuft, im Aufnahmeland einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Dies wäre der Fall, wenn dem Ausländer im konkret zu entscheidenden Einzelfall eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. zur Dublin-II-VO BVerwG, B.v. 19.3.2014 – 10 B 6.14 – juris Rn. 9). Maßgeblich sind die Gesamtumstände des jeweiligen Falls und Prognosemaßstab ist die beachtliche Wahrscheinlichkeit (vgl. z.B. VG Lüneburg, U.v. 6.2.2017, 3 A 140/16 – juris Rn. 53 m.w.N.).
Diese Grundsätze konkretisierend hat der EuGH in seiner „Jawo“-Entscheidung ausgeführt, dass ein Verstoß gegen Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK vorliegt, wenn hinsichtlich der drohenden Gefahr eine besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit erreicht wird, die von sämtlichen Umständen des Falles abhängt. Die hohe Schwelle der Erheblichkeit kann nach dem EuGH erreicht sein, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaubt, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigen oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzen würde, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre. Diese Schwelle ist selbst in durch große Armut oder eine starke Verschlechterung der Lebensverhältnisse der betreffenden Person gekennzeichneten Situationen nicht erreicht, sofern sie nicht mit extremer materieller Not verbunden sind, aufgrund deren sich diese Person in einer solch schwerwiegenden Lage befindet, dass sie einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gleichgestellt werden kann (vgl. dazu insgesamt EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-163/17 (Jawo) – juris Rn. 91 ff., m.w.N.).
Ein Verstoß liegt ausgehend hiervon erst dann vor, wenn die elementarsten Bedürfnisse nicht befriedigt werden können, insbesondere eine Unterkunft zu finden, sich zu ernähren und zu waschen – „Bett, Brot, Seife“ – (vgl. OVG NRW, B.v. 16.12.2019 – 11 A 228/15.A – juris Rn. 29 ff., 44 ff.; VGH BaWü, B.v. 27.5.2019 – A 4 S 1329/19 – juris Rn. 5). Der bloße Umstand, dass in dem Mitgliedstaat, in dem sich der Kläger befindet, die Sozialhilfeleistungen und/oder die Lebensverhältnisse günstiger sind als in dem bereits internationalen Schutz gewährenden Mitgliedstaat, kann nicht die Schlussfolgerung stützen, dass die betreffende Person im Fall ihrer Überstellung in den zuletzt genannten Mitgliedstaat tatsächlich der Gefahr ausgesetzt wäre, eine gegen Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK verstoßende Behandlung zu erfahren (vgl. EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-297/17 u. a. (Ibrahim) – juris Rn. 93 f., und vom 19.3.2019 – C-163/17 (Jawo) – juris Rn. 97). Ebenso ist das Fehlen familiärer Solidarität keine ausreichende Grundlage für die Feststellung einer Situation extremer materieller Not. Auch Mängel bei der Durchführung von Programmen zur Integration von Schutzberechtigten reichen für einen Verstoß gegen Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK nicht aus (vgl. EuGH, B.v. 13.11.2019 – C-540 und C-541/17 (Hamed) – juris Rn. 39, und U.v. 19.3.2019 -C-163/17 (Jawo) – juris Rn. 93 f. und 96 f). Der Verstoß muss schließlich unabhängig vom Willen des Betroffenen drohen. Hieran fehlt es, wenn der Betroffene nicht den Versuch unternimmt, sich unter Zuhilfenahme gegebener, wenn auch bescheidener Möglichkeiten und gegebenenfalls unter Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes eine Existenz im Abschiebezielstaat aufzubauen, wobei sich Schutzberechtigte auf den für Staatsangehörige des schutzgewährenden Staats vorhandenen Lebensstandard verweisen lassen müssen – sog. Grundsatz der Inländergleichbehandlung – (vgl. OVG NRW, B.v. 16.12.2019 – 11 A 228/15.A – juris Rn. 47 ff.; OVG Schl – H., U.v. 6.9.2019 – 4 LB 17/18 – juris Rn. 71, 174 f.).
Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs droht dem Kläger bei einer Rückkehr nach Italien zur Überzeugung des Gerichts (§ 108 Abs. 1 S. 1 VwGO) nicht die ernsthafte Gefahr einer gegen Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK verstoßenden erniedrigenden Behandlung.
Das Gericht schließt sich insoweit zunächst der Bewertung des umfangreichen aktuellen Erkenntnismaterials in der ganz überwiegenden verwaltungsgerichtlichen und auch obergerichtlichen Rechtsprechung an (vgl. ausführlich etwa OVG Rheinland-Pfalz, B.v. 20.5.2020 – 7 A 10228/20; OVG Rheinland-Pfalz, U.v. 15.12.2020 – 7 A 11038/18.OVG; VGH BaWü, U.v. 29.7.2019 – A 4 S 749/19; NdsOVG, U.v. 21.12 2018 – 10 LB 201/18 und U.v. 6.4.2018 – 10 LB 109/18; VG Cottbus, U.v. 24.11.2020 – 5 K 122/20.A; VG Aachen, U.v. 10.11.2020 – 9 K 6001/17.A; VG Karlsruhe, U.v. 14.9.2020 – A 9 K 3639/18; VG Freiburg, U.v. 19.8.2020 – A 10 K 3159/18; VG Arnsberg, U.v. 9.7.2020 – 5 K 2904/18.A; VG Kassel, U.v. 8.4.2020 – 4 K 1375/17.KS.A; VG Lüneburg, B.v. 19.9.2019 – 8 B 154/19 – jew. juris).
Anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte erhalten eine Aufenthaltsgenehmigung für fünf Jahre. Ihre Verlängerung wird auf Antrag bei weiterem Vorliegen der Voraussetzungen für die Bewilligung ausgestellt. Die Antragstellung muss grundsätzlich 60 Tage vor Ablauf der Aufenthaltserlaubnis erfolgen (AIDA, Country Report: Italy, Update 2020, 01.06.2021, S. 169). Anträge auf Familienzusammenführung sind für Schutzberechtigte ohne Zeitlimit möglich. Schutzberechtigte dürfen sich frei im Land niederlassen, wenn sie sich selbst erhalten können (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, Januar 2020, S. 48 ff.; AIDA, Country Report: Italy, Update 2020, 01.06.2021, S. 177 ff.).
International Schutzberechtigte können zudem einen Wohnsitz anmelden (AIDA, Country Report: Italy, Update 2020, 01.06.2021, S. 171). Die durch das Gesetz Nr. 113/2018 geschaffenen Rechtslage, die für international Schutzberechtigte keinen Anspruch auf Wohnsitzregistrierung vorsah, wurde durch das Gesetz Nr. 173/2020 wieder geändert, sodass international Schutzberechtigte nunmehr wieder einen dahingehenden Anspruch haben (AIDA, a. a. O.).
Unterbringungsmöglichkeiten für anerkannt Schutzberechtigte bestehen in dem sogenannten Aufnahmesystem „Sistema Asilo Integrazione“ (SAI), welches durch das Dekret Nr. 130/2020 vom 21.10.2020 bzw. Gesetz 173/2020 vom 18.12.2020 das Nachfolgesystem des „Sistema di protezione per titolari di protezione internazionale e minori stranieri non Accompagnat“ (SIPRIOMI) ist (vgl. im Nachgang zur Entscheidung: BAMF, Situation des Aufnahmesystems seit der Reform des Salvini-Dekrets, 15.07.2021, S. 3). Das SIPRIOMI-Projekt war seinerseits der Nachfolger des SPRAR-Projektes (BFA, Länderinformation der Staatendokumentation, 11.11.2020, S. 22). Rechtlich hat sich jedoch für international Schutzberechtigte hinsichtlich des Zugangs zu diesen Einrichtungen/Projekten nichts verändert (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, 10.06.2021, S. 11).
Die SAI-Projekte werden von lokalen Behörden zusammen mit zivilgesellschaftlichen Akteuren betrieben. Die Unterkunftszentren sollen Dolmetsch- und sprachlich-kulturelle Vermittlungsdienste, Rechtsberatung, Unterricht in italienischer Sprache und Zugang zu Schulen für Minderjährige, medizinische Versorgung, sozialpsychologische Unterstützung insbesondere für Vulnerable, Aus- und Weiterbildung, Unterstützung bei der Suche nach Arbeitsplätzen, Beratung bei den Dienstleistungen auf lokaler Ebene um die Integration vor Ort zu ermöglichen, Informationen zu freiwilligen Rückkehrprogrammen, sowie Informationen zu Freizeit-, Sport- und Kulturaktivitäten bieten (vgl. AIDA, Country Report: Italy, Update 2020, 01.06.2021, S. 181 f.).
Der Platz in einer SAI-Einrichtung kann grundsätzlich für die Dauer von sechs Monaten in Anspruch genommen werden. Eine Verlängerung um weitere sechs oder gar zwölf Monate ist in bestimmten Fällen möglich, wie z.B. gesundheitliche Probleme oder Abschluss einer Ausbildung/Schule (AIDA Country Report: Italy, Update 2020, 01.06.2021, S. 182). Allerdings sind die dort zur Verfügung stehenden Plätze knapp. Soweit ein zugewiesener Platz vorzeitig verlassen wird, haben Rückkehrer mit Schutzstatus üblicherweise keinen Anspruch auf Unterbringung mehr. Der Anspruch kann auch verloren gehen, wenn bei Ausreise die Unterkunft lediglich zugewiesen, aber noch nicht in Anspruch genommen wurde (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformation der Staatendokumentation Italien vom 11. November 2020, S. 23 f. – BFA-Länderinformation). Allerdings ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass hieraus folgende Schwierigkeiten für Rückkehrer eine Unterkunft zu finden, auch daraus resultieren, dass die anerkannt Schutzberechtigten die Unterkunft ohne Berechtigung verlassen haben und sich damit dem staatlichen Aufnahmesystem entzogen haben. Dies darf nicht dazu führen, dass man diesen Personenkreis gleichsam privilegiert, indem man zu seinen Gunsten systemische Mängel annimmt. Die Regelung des Art. 20 Abs. 4 der RL 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (Aufnahmerichtlinie) sieht im europäischen Asylrecht vielmehr ausdrücklich die Möglichkeit von Einschränkungen der im Rahmen der Aufnahme gewährten materiellen Leistungen vor (vgl. auch VG Aachen, U.v. 10.11.2020, a.a.O., juris Rn. 64). Ferner besteht in Italien für obdachlose Personen teilweise die Möglichkeit Notschlafunterkünfte zu nutzen, die von den Gemeinden bereitgestellt werden. Diese Einrichtungen sind zwar nur in der Nacht geöffnet, normalerweise ab 22 oder 23 Uhr, und müssen früh morgens wieder verlassen werden. Die Plätze können nicht reserviert werden, werden nach dem Prinzip first-come-first-served vergeben und stehen auch italienischen Obdachlosen zur Verfügung. Es gibt hierbei keine spezifisch für Begünstigte von internationalem Schutz reservierten Plätze. Jedoch sind die Unterbringungseinrichtungen auch für diesen Personenkreis zugänglich (Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe und Pro Asyl, vom 29. Oktober 2020, S. 2).
Anerkannt Schutzberechtigte haben weiter im selben Ausmaß Zugang zum italienischen Arbeitsmarkt und zu Sozialleistungen wie italienische Staatsbürger. Sie sind in Bezug auf Anstellung, selbstständige Erwerbsarbeit, Berufsausbildung und Ausbildung am Arbeitsplatz sowie Dienstleistungen der Arbeitsämter italienischen Staatsbürgern gleichgestellt (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, Januar 2020, S. 49, 68; AIDA, Country Report: Italy, Update 2020, 01.06.2021, S. 184). Personen mit internationalem Schutz können sich bei lokalen Arbeitsämtern anmelden und werden nach einer Registrierung unter anderem über Stellengebote informiert. Es gibt auch Unterstützung durch Kultur- und Sprachmediatoren (vgl. ACCORD, Anfragebeantwortung an den Hess. VGH vom 18. September 2020, S. 10). Allerdings ist es in Italien auf Grund der hohen Arbeitslosenzahlen generell schwer, Arbeit zu finden. Insbesondere ist aufgrund der anhaltenden Pandemie in ganz Europa ein Rückgang der Beschäftigungsquote und der Wirtschaftsleistung zu verzeichnen, jedoch beginnt sich die Wirtschaft langsam zu erholen und der italienischen Wirtschaft werden in den nächsten Jahren durch den EU-Wiederaufbaufonds zusätzliche 209 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Ferner ist zu berücksichtigen, dass die italienische Regierung die Möglichkeit zur Legalisierung für illegal arbeitende Migranten in der Landwirtschaft oder als Pflegekräfte geschaffen hat (VG Karlsruhe, U.v. 14.9.2020, a.a.O., juris Rn. 42 ff.; VG Freiburg, U.v. 19.8.2020, a.a.O., juris Rn. 46.). Gerade im Bereich der Landwirtschaft aber auch im Bereich des Tourismus besteht die Möglichkeit eine Beschäftigung auch ohne vorherige Ausbildung zu finden (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, U.v. 15.12.2020 – 7 A 11038/18.OVG – juris Rn. 41 ff.).
Für die Personengruppe jungen und arbeitsfähigen Männer ist demnach nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, dass diese bei einer Rückkehr nach Italien eine gegen Art. 4 GRCh verstoßende Behandlung erleiden. Zu dieser Personengruppe zählt auch der Kläger. Im Rahmen der Anhörungen beim Bundesamt hat er keine besonderen Umstände vorgetragen. Als arbeitsfähiger Mann ist der Kläger in erster Linie darauf zu verweisen, seinen Lebensunterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit zu erwirtschaften, auch wenn sich eine erfolgreiche Arbeitssuche als schwierig darstellen mag. Der Kläger hat bereits in der Vergangenheit seit seiner Ankunft in Europa – auch in Italien – bewiesen, dass er selbst in der Lage ist, seinen Lebensunterhalt auch unter schwierigen Bedingungen zu erwirtschaften. Ein von dem Willen des Klägers unabhängiger „Automatismus der Verelendung“ bei einer Rückkehr nach Italien lässt sich daher nicht feststellen. Im Falle des Klägers ist nicht mit dem erforderlichen Grad beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine extreme materielle Notlage zu besorgen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Kläger durchaus eine realistische Chance hätte, sich in Italien eine Existenz aufzubauen. Dies wird auch dadurch bestätigt, dass der Kläger sich noch während seines in Deutschland laufenden Asylantragsverfahrens offensichtlich aktiv bei den italienischen Behörden um eine Verlängerung seiner italienischen Ausweisdokumente bemüht hat, da er zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung über eine gültige am 7. September 2016 ausgestellte Permesso di Soggiorno verfügt. Das gleichwohl nicht auszuschließende Risiko, dass er für den Fall seiner Rückkehr nach Italien künftig in eine Situation geraten könnte, die für die Prüfung des Art. 4 GRCh relevant wäre, stellt sich jedenfalls nicht als in einem Maße wahrscheinlich dar, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt ein Verstoß gegen Art. 4 GRCh zu bejahen wäre. Ferner ist der Kläger ggf. auf die Möglichkeit eines etwaigen Nachsuchens um Rechtsschutz bei den italienischen Gerichten zu verweisen (vgl. dazu ausführlich VG Aachen, U.v. 10.11.2020, a.a.O., juris Rn. 73 ff. m.w.N.).
4.2.2 Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG kommt ebenfalls nicht in Betracht. Relevante gesundheitliche Einschränkungen des Klägers oder sonstige Gründe sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
5. Die Abschiebungsandrohung nach Somalia in Ziff. 5 des angegriffenen Bescheids ist hingegen rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Eine Abschiebung des Klägers nach Somalia ist aufgrund der Gewährung von subsidiären Schutz in Italien wie dargestellt nicht möglich (vgl. 4.1). Die entsprechende Abschiebungsandrohung war daher aufzuheben.
6. Die in Ziff. 6 des angegriffenen Bescheids geregelte Befristung des gesetzlichen Ausreise- und Aufenthaltsverbots begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 83 b AsylG gerichtskostenfrei.
IV. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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