Verwaltungsrecht

Abschiebungsandrohung bei gesetzlich vollziehbarer Ausreisepflicht nach Erlöschen des Aufenthaltstitels

Aktenzeichen  3 EO 167/21

Datum:
19.11.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Thüringer Oberverwaltungsgericht 3. Senat
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:OVGTH:2021:1119.3EO167.21.00
Normen:
Art 14 EWGAssRBes 1/80
Art 41 EWGAssRBes 1/80
§ 51 Abs 1 Nr 7 AufenthG 2004
§ 51 Abs 2 S 1 AufenthG 2004
§ 51 Abs 4 AufenthG 2004
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Spruchkörper:
undefined

Leitsatz

1. Ist die Ausreisepflicht bereits kraft Gesetzes vollziehbar, so bedarf es für die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung keines sofort vollziehbaren Grundverwaltungsaktes, wie die Feststellung des Erlöschens eines früheren Aufenthaltstitels (im Anschluss an VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 22. Januar 1997 – 11 S 2934/96 – juris)(Rn.31)
.(Rn.32)
2. Für das Erlöschen des Aufenthaltstitels nach § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG (juris: AufenthG 2004) ist es grundsätzlich unbeachtlich, ob es dem Ausländer rechtlich oder tatsächlich unmöglich war, vor Ablauf der Sechs-Monatsfrist wieder in die Bundesrepublik Deutschland einzureisen.(Rn.40)
(Rn.41)
3. Die Regelung des § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG (juris: AufenthG 2004) bezweckt, aus dem Grund der Rechtsklarheit eine eindeutige Bestimmung darüber zu treffen, ob der Ausländer noch im Besitz des Aufenthaltstitels ist oder dieser erloschen ist. Es handelt sich insoweit um eine gesetzliche Ausschlussfrist, die nicht durch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 32 VwVfG) überwunden werden kann.(Rn.48)
4. Eine „Nachsichtgewährung“ auf der Grundlage von Treu und Glauben (§ 242 BGB) bei Fristüberschreitung der Sechs-Monatsfrist nach § 51 Abs. 1 Nr.7 AufenthG (juris: AufenthG 2004) kann allenfalls zum Ausgleich besonderer Härten nach geringfügiger Fristüberschreitung oder in einem Fall höherer Gewalt bei außergewöhnlichen Ereignissen, die nach den Umständen des Falles auch durch die äußerste, dem Betroffenen zuzumutende Sorgfalt weder abgewehrt noch in ihren schädlichen Folgen verhindert werden könnten, in Betracht kommen (im Anschluss an:. Bayerischer VGH, Urteil vom 10. Januar 2007 – 24 BV 03.722 – juris Rn. 43 m. w. N.).(Rn.49)
5. Auch im Rahmen der Anwendung des ARB 1/80 (juris: EWGAssRBes 1/80) bestehen Erlöschenstatbestände (vgl. EuGH, Urteile vom 22. Dezember 2010 – Bozkurt, C-303/08 – juris Rn. 42 und vom 18. Juli 2007 – Derin, C-325/05 – juris Rn. 49 f.; Bayerischer VGH, Beschluss vom 4. Januar 2016 – 10 ZB 13.2431 – juris Rn. 9), wie es in Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 zum Ausdruck kommt.(Rn.58)

Verfahrensgang

vorgehend VG Weimar, 15. Februar 2021, 2 E 71/21 We, Beschluss

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Weimar vom 15. Februar 2021 – 2 E 71/21 We – wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich mit der Beschwerde gegen seine drohende Abschiebung in die Türkei.
Der Antragsteller reiste am 25. August 1995 erstmals in die Bundesrepublik Deutschland ein. Nach mehreren erfolglos durchgeführten Asylverfahren heiratete er am 22. November 1997 eine deutsche Staatsangehörige. Aufgrund dieser Ehe, die am 14. November 2008 geschieden wurde, erhielt er eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis, zuletzt nach dem 1. Januar 2005 eine Niederlassungserlaubnis. Unter dem 9. September 2010 schrieb der Antragsgegner die Niederlassungserlaubnis in den neu ausgestellten türkischen Nationalpass des Antragstellers um. Zu diesem Zeitpunkt war der Antragsteller bereits seit dem 31. August 2010 unbekannten Aufenthalts, worüber das Einwohnermeldeamt der Stadt Schmalkalden den Antragsgegner am 21. Januar 2011 informierte. Die Ausländerbehörde wertete seinen Aufenthalt ab dem 10. September 2010 als unbekannt. Der Antragsteller war dann wieder vom 1. Januar 2012 bis 30. Juli 2014 erneut beim Einwohnermeldeamt gemeldet. Aufgrund eines Vorkommnisses am 15. Dezember 2014 in der Türkei wurde in der Folge dort gegen den Antragsteller ein Strafverfahren eingeleitet und er später dort verurteilt. Er reiste am 14. Februar 2019 wieder nach Deutschland ein und meldete sich am 21. März 2019 rückwirkend zum 12. Februar 2019 wieder in der Bundesrepublik Deutschland in der Gemeinde B-I an.
Mit Bescheid vom 27. Juli 2020 nach mündlicher Anhörung stellte der Antragsgegner fest, dass die Niederlassungserlaubnis des Antragstellers erloschen sei und dass für ihn keine Rechte aus dem Beschluss des Assoziationsrates EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation vom 19. September 1980 (ARB 1/80) vorlägen; er wurde aufgefordert, binnen 30 Tagen nach Bekanntgabe des Bescheids auszureisen, sowie widrigenfalls ihm die Abschiebung in die Türkei angedroht. Zur Begründung führte der Antragsgegner aus, der Aufenthaltstitel sei nach § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG erloschen. Es gebe hinsichtlich der Ausreise des Antragstellers in seinem Pass verschiedene Hinweise (11. März, 14. Juni, 28. Juli und 1. Oktober 2013); nach den Angaben seines Bevollmächtigten sei die Ausreise am 28. Juli 2013 in Richtung Türkei erfolgt. Zu seinen Gunsten sei für die Fristenberechnung nach § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG eine Abwesenheit in dem Zeitraum vom 1. Oktober 2013 bis 12. Februar 2019 zugrunde gelegt worden. Jedenfalls sei der Antragsteller deutlich länger als sechs Monate abwesend gewesen. Soweit er sich auf ein Festhalten seiner Person durch den türkischen Staat berufe, könne ein solches, wenn es überhaupt so gewesen sein sollte, überhaupt nur ab dem 15. Dezember 2014 in Betracht kommen, dem Tattag des ihm vorgeworfenen Geschehens. Da er nicht vor diesem Tattag festgehalten worden sei, hätte er bis dahin in die Bundesrepublik Deutschland zurückkehren können. Ab seiner Ausreise erfasse dies jedoch weiterhin einen Zeitraum von über einem Jahr. Da der Antragsteller in der gesamten Zeit seiner Anwesenheit in der Bundesrepublik Deutschland nicht die Voraussetzungen nach dem ARB 1/80 erfüllt habe, könne er sich auf etwaige Rechtswirkungen dieser Bestimmung zu seinen Gunsten nicht berufen.
Der Antragsteller hat am 19. August 2020 gegen den Bescheid vom 27. Juli 2020 beim Verwaltungsgericht Weimar Klage erhoben (Az. 2 K 1231/20 We) und um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht.
Er hat erstinstanzlich vorgetragen, dass er seinen Lebensunterhalt in der Bundesrepublik Deutschland aus beruflicher Tätigkeit sichern könne. Er sei auch bei der AOK Plus krankenversichert. Seine Klage gegen die Feststellung, dass für ihn keine Rechte aus dem ARB 1/80 greifen würden, hätte bereits aufschiebende Wirkung, weil diese Fälle nicht im § 84 Abs. 1 AufenthG aufgeführt seien. Im Übrigen gelte für ihn eine Zwölfmonatsfrist, die er allein schon deshalb nicht habe einhalten können, weil die türkischen Sicherheitsbehörden ihn festgehalten hätten; erst als diesbezüglich eine Lockerung eingetreten sei, sei er sofort ausgereist. Er sei auch zuvor nicht mit dem Ansinnen aus der Bundesrepublik ausgereist, endgültig ausreisen zu wollen. Er habe stets beabsichtigt wieder zurückzukehren.
Er hat wörtlich beantragt,
„die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, gemäß § 80 Abs. 5 VwGO“
hilfsweise,
„gemäß § 123 VwGO dem Antragsgegner zu untersagen, bis zum Abschluss des Klageverfahrens aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegenüber dem Kläger vorzunehmen.“
Der Antragsgegner hat beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung hat er sich im Wesentlichen auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid bezogen.
Den Antrag hat das Verwaltungsgericht Weimar mit Beschluss vom 15. Februar 2021, dem Bevollmächtigen des Antragstellers am 23. Februar 2021 zugestellt, abgelehnt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 27. Juli 2020 entfalte hinsichtlich der negativen Feststellungen zum Bestand der Niederlassungserlaubnis und etwaiger Rechte aus dem ARB 1/80 aufschiebende Wirkung. Der zulässige Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegen die Abschiebungsandrohung sei unbegründet. Diese sei offensichtlich rechtmäßig. Die Niederlassungserlaubnis sei nach § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG erloschen. Der Antragsteller sei länger als sechs Monate ausgereist; insoweit hat das Verwaltungsgericht auf den Bescheid Bezug genommen. Der Antragsteller sei auch zum maßgeblichen Zeitpunkt des Eintritts der Erlöschensvoraussetzungen nicht in der Lage gewesen, seinen Lebensunterhalt zu sichern. Er könne sich auch nicht auf ein Assoziationsrecht nach ARB 1/80 berufen; insoweit fehle es an dem Nachweis entsprechender erforderlicher Beschäftigungszeiten. Auch eröffne die „Stillhalteklausel“ kein Aufenthaltsrecht. Ebenso wenig könne er sich auf eine Beschäftigungsduldung nach § 60d AufenthG berufen.
Hiergegen hat der Antragsteller am 8. März 2021 beim Verwaltungsgericht Beschwerde erhoben.
Zur Beschwerdebegründung trägt der Antragsteller mit beim Oberverwaltungsgericht am 28. März 2021 eingegangenem Schriftsatz vor, er sei am 28. Juli 2013 aus der Bundesrepublik Deutschland ausgereist. Er habe dabei die feste Absicht gehabt, binnen sechs Monaten zurückzukehren. Zu diesem Zeitpunkt habe er sich bereits mehr als 15 Jahre rechtmäßig in der Bundesrepublik aufgehalten. Er habe wegen eines in der Türkei anhängigen Strafverfahrens nicht rechtzeitig in die Bundesrepublik Deutschland zurückkehren können. Dies sei im Rahmen der Prüfung von § 51 Abs. 4 AufenthG zu berücksichtigen. Er sei in der Türkei aktiv von der Ausreise abgehalten worden. Seit seiner Wiedereinreise sei sein Lebensunterhalt gesichert; daher bestehe die Vermutung, dass dies auch zuvor so gewesen sei. Dafür spreche auch, dass er keinerlei staatliche Hilfe in Anspruch genommen habe. Gewohnt habe er damals wie heute miet- und nebenkostenfrei. Er habe seinen Lebensmittelpunkt auch nicht in die Türkei verlagert. Wiedereingereist sei er im Februar 2019 und habe sich zum 12. Februar 2019 wieder angemeldet. Er sei zudem heute bei der AOK Plus krankenversichert. Er habe aus der Türkei heraus stets den Kontakt zu seinen Verwandten und Bekannten in Deutschland gehalten. Die für ihn relevante Frist betrage wegen seines 15jährigen rechtmäßigen Aufenthalts in der Bundesrepublik zudem nicht sechs, sondern zwölf Monate. Er habe sich seine erworbenen Rentenanwartschaften zu keinem Zeitpunkt auszahlen lassen. Er habe beabsichtigt, sich bei seiner Wiedereinreise in Deutschland ein Haus und ein Geschäft zu kaufen, um sich selbständig zu machen. Soweit § 41 des Zusatzprotokolls zur Anwendung gebracht werde, verkenne diese Herangehensweise die Entscheidung des EuGH vom 11. Mai 2000. Daraus gehe hervor, dass der Aufenthalt bis zur Rechtskraft der Entscheidung als ordnungsgemäß gelte. Sollte die Niederlassungserlaubnis dennoch erloschen sein, sei dann aber § 85 AufenthG nicht beachtet worden. Der Antragsgegner beabsichtige heute immer noch, ihn abzuschieben. Das Verwaltungsgericht habe insoweit über seinen Antrag, dem Antragsgegner nach § 123 VwGO aufzugeben, ihn bis zum Abschluss der Hauptsache nicht abzuschieben, nicht befunden. Die Ausländerbehörde habe es bei ihm zudem versäumt, ihn nach § 51 Abs. 2 AufenthG auszuweisen. Daneben sei darauf hinzuweisen, dass die Niederlassungserlaubnis eines mit einer Deutschen in ehelicher Gemeinschaft Zusammenlebenden nach § 51 Abs. 2 Satz 2 AufenthG nicht erlösche. Er habe zwar in seinem ursprünglichen Beschwerdebegründungsschriftsatz keine ausdrücklichen Anträge gestellt, jedoch liege dies allein daran, dass die Bürokraft seines Bevollmächtigten dies nicht mitgeschickt habe, was sie auch eidesstattlich versichern könne. Insoweit sei ihm daher Wiedereinsetzung zu gewähren.
Der Antragsteller beantragt zuletzt wörtlich,
„unter Aufhebung des Beschlusses des VG Weimar vom 15. Februar 2021, Az.: 2 E 71/21, soweit er den gestellten Anträgen nicht entsprochen hat, den streitgegenständlichen Bescheid aufzuheben, sowie die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen,
im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO den Antragsgegner zu verpflichten, aufenthaltsbeendende Maßnahmen bis zur Entscheidung in der Hauptsache auszusetzen,
und hilfsweise anzuordnen, der B zur untersagen, bis zum Abschluss des Klageverfahrens aufenthaltsbeendende Maßnahmen ihm gegenüber vorzunehmen.“
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er trägt vor, dass das Vorbringen des Antragstellers hinsichtlich seiner Verhinderung zur Rückkehr in die Bundesrepublik bereits deswegen nicht weiter zu beachten sei, weil der Tag der Tat, wegen der er in der Türkei festgehalten sein will, erst der 15. Dezember 2014 gewesen sei. Zu diesem Zeitpunkt habe er sich bereits über 14 Monate in der Türkei aufgehalten. Eine Fristverlängerung hinsichtlich der Sechs-Monatsfrist sei von ihm nie beantragt worden. Diese Regelung müsse ihm auch bekannt gewesen sein, da er bei vorherigen Reisen in die Türkei diese nie überschritten habe. Daneben finde sich in dem ergangenen türkischen Urteil auch hinsichtlich des Antragstellers eine Adresse in der Türkei, die dort mit Wohnanschrift bezeichnet ist. Für ihn greife auch nicht die 15-Jahre-Begünstigung, da er sich nicht 15 Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe. Die Zeiten rechtmäßigen Aufenthalts ergäben nur 14 Jahre und drei Monate. Ungeklärt bleibe auch das Datum seiner Ausreise aus der Bundesrepublik. Aus dem vorliegenden Dokument werde belegt, dass der Antragsteller bereits am 18. November 2012 in die Türkei eingereist sei, dann aber am 16. Februar 2013 wieder ausgereist sei, am 16. April 2013 zurückgekehrt sei und am 28. Juni 2013 erneut die Türkei verlassen habe. Gehe man von seiner Angabe, dass er Deutschland am 28. Juli 2013 verlassen habe, aus, betrage die Zeit des rechtmäßigen Aufenthalts sogar nur 14 Jahre und 1 Monat. Zudem werde auch nicht ersichtlich, dass der Antragsteller für seinen Lebensunterhalt selbst hätte sorgen können. Jedenfalls ab dem 1. November 2012 sei er ohne Arbeitsnachweis gewesen. Anderes werde auch bis zu seiner Ausreise nicht ersichtlich. Da der Antragsteller im Zeitpunkt seiner Einreise im Februar 2019 nicht ununterbrochen ein Jahr lang beim gleichen Arbeitgeber beschäftigt gewesen sei, habe er auch keine Rechte aus Art. 6 des ARB 1/80. Auch seine Angaben zu Zeiten der Ausübung eines eigenen Gewerbes (15. August 2004 bis 29. Mai 2005 sowie 17. Oktober 2005 bis 28. Februar 2007) reichten für einen Anspruch aus dem ARB 1/80 nicht aus, zumal er nicht zur Ausübung eines eigenen Gewerbes in die Bundesrepublik eingereist sei. Über die Erlaubnis zur Arbeitsaufnahme habe zunächst er – der Antragsgegner – zu entscheiden. Die Voraussetzungen der von ihm angeführten Absätze 4 und 10 des § 51 AufenthG lägen ebenso wenig vor. Auch sein Lebensunterhalt sei zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht gesichert gewesen. Diesbezüglich sei auf den Zeitpunkt vor seiner Ausreise, den 1. Oktober 2013, abzustellen. Er sei immer nur kurzzeitigen Beschäftigungen nachgegangen. Sein Vortrag, von Ersparnissen und finanziellen Unterstützungsleistungen von Freunden gelebt zu haben, sei durch nichts belegt. Hinsichtlich etwaiger Mietkosten habe der Antragsteller unterschiedliche Angaben gemacht. So habe er an anderer Stelle angegeben, er habe 60 € bezahlen müssen. Daneben sei auch ein ausreichender Krankenversicherungsschutz erforderlich gewesen. Nach den Angaben der AOK Plus habe ein solcher nur vom 9. August 2010 bis 31. Oktober 2012 und dann ab dem 20. Februar 2019 bestanden. Zu den gegenwärtigen Einnahmen des Antragstellers lägen widersprüchliche ungenaue Angaben vor. Letztlich werde auch nicht ersichtlich, dass der Antragsteller in ehelicher Gemeinschaft lebe.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte einschließlich der beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Beschwerde ist – noch – zulässig.
Insbesondere ist die Beschwerde innerhalb der sich aus § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO ergebenden Monatsfrist durch den Antragsteller begründet worden, da er die Begründung der Beschwerde – bei einem Zugang der Entscheidung am 23. Februar 2021 – am 23. März 2021 rechtzeitig übersandt hat. Es ist insofern unschädlich, dass er auch im Nachgang, d. h. nach Ablauf vorgenannter Frist, weiteren Tatsachenvortrag geliefert hat, da er damit seinen Vortrag lediglich ergänzt und aktualisiert hat. Es handelt sich nicht um nach Ablauf dieser Frist erstmals vorgetragene neue Beschwerdegründe. Der Antragsteller hat bereits mit der Beschwerdebegründung am 23. März 2021 als Begründung angegeben, dass, wenn seiner Klage hinsichtlich der Ziffern 1 und 2 aufschiebende Wirkung zukomme, wie vom Verwaltungsgericht ausgeführt, zumindest auch von diesem hätte erklärt werden müssen, dass er bis zum Abschluss der Hauptsache nicht abgeschoben werden dürfe (vgl. Blatt 2 des Begründungsschriftsatzes).
Ebenso unschädlich ist es, dass zum 23. März 2021 (Ablauf der Beschwerdebegründungspflicht) kein konkreter Antrag des Antragstellers vorlag, da sich aus der Beschwerdebegründung zweifelsfrei ergab, dass sein Begehren auf die Verhinderung einer Vollziehung des Bescheids vom 27. Juli 2020, d. h. eine Abschiebung während des laufenden Verfahrens zu verhindern, gerichtet ist.
2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.
a. Der Antrag ist in der Sache zulässig.
Der Senat versteht im Rahmen sachgemäßer Auslegung (§§ 88, 122 VwGO) das Begehren des Antragstellers so, dass er im vorläufigen Rechtsschutzverfahren seine Abschiebung verhindern will. Diesem Rechtsschutzziel dient jedoch allein der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Abschiebungsandrohung in Ziffer 3 des Bescheides vom 27. Juli 2020.
Hingegen kommt es im Hinblick auf dieses maßgebliche Rechtsschutzbegehren des Antragstellers auf die Feststellungen in Ziffern 1 und 2 des Bescheids vom 27. Juli 2020 nicht an. Die Abschiebungsandrohung beruht auf der unerlaubten Einreise des Antragstellers ins Bundesgebiet und ist bereits aus diesem Grunde vollziehbar. Die Ausreisepflicht ergibt sich bereits aus dem Gesetz (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 22. Januar 1997 – 11 S 2934/96 – juris Rn. 7 m. w. N.). Es kommt deshalb rechtserheblich nicht darauf an, dass die unter Ziffern 1 und 2 des Bescheides enthaltenen Feststellungen derzeit – möglicherweise – wegen der erhobenen Anfechtungsklage noch nicht vollziehbar sind. Diese Feststellungen allein haben für die vollziehbare Ausreisepflicht des Antragstellers keine rechtlichen Konsequenzen.
Im Übrigen wären die Feststellungen auch nach deren Bestandskraft keiner Vollstreckung zugänglich. Zwangsvollstreckungsmaßnahmen können nur die in einem Verwaltungsakt enthaltenen Rechtsbefehle durchsetzen. Deshalb unterscheiden die Zwangsvollstreckungsgesetze ausschließlich Verwaltungsakte, die auf Geldleistung, auf ein Tun, Dulden oder Unterlassen gerichtet sind. Feststellende (und auch gestaltende) Verwaltungsakte werden dort nicht genannt, weil sie nur deklaratorische Wirkung haben bzw. im Falle der gestaltenden Verwaltungsakte aus sich heraus wirken (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 22. Januar 1997 – 11 S 2934/96 – juris Rn. 8).
Der so verstandene Antrag des Antragstellers ist nach § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Alt. VwGO statthaft, weil gemäß § 80 Abs. 2 Satz 2 VwGO in Verbindung mit § 8 ThürAGVwGO bzw. § 30 ThürVwZVG die Klage gegen Maßnahmen, die in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden – dazu gehört auch der Erlass einer Abschiebungsandrohung – keine aufschiebende Wirkung hat. Weiterer Raum für einen Antrag nach § 123 VwGO verbleibt bei dieser Auslegung nicht mehr.
b. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
Das Verwaltungsgericht hat es zu Recht abgelehnt, gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die in der angegriffenen Verfügung vom 27. Juli 2020 enthaltene Androhung seiner Abschiebung anzuordnen. Die Androhung der Abschiebung in die Türkei in Ziffer 3 des Bescheides vom 27. Juli 2020 ist offensichtlich rechtmäßig. Die seitens des Antragstellers vorgebrachten Einwendungen – nur diese sind Gegenstand der Prüfung im Beschwerdeverfahren (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) – stellen die für das Verwaltungsgerichts im Rahmen der erforderlichen Interessensabwägung maßgeblichen Erwägungen nicht in Frage.
Rechtsgrundlage der Abschiebungsandrohung ist § 59 AufenthG. Die Abschiebung setzt gemäß § 58 Abs. 1 AufenthG voraus, dass die Ausreisepflicht vollziehbar ist. Sie ist nach § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG vollziehbar, wenn der Ausländer unerlaubt eingereist ist. Der Antragsteller besitzt keinen Aufenthaltstitel. Die ihm ursprünglich 2005 erteilte Niederlassungserlaubnis ist erloschen (s. aa.) und ein Aufenthaltstitel erwächst ihm nicht aus der Anwendung des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation (im Folgenden ARB 1/80; s. bb.); die gesetzte Abschiebungsfrist ist nicht zu beanstanden (s. cc.).
aa. Die Aufenthaltserlaubnis des Antragstellers ist bereits gem. § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG erloschen, so dass es auf die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG nicht ankommt.
(1) Ein Aufenthaltstitel erlischt nach § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG wenn der Ausländer aus dem Bundesgebiet ausgereist ist und innerhalb von sechs Monaten oder einer von der Ausländerbehörde bestimmten längeren Frist nicht wieder eingereist ist.
Der Antragsteller hat sich länger als sechs Monate im Ausland, nämlich ununterbrochen zumindest seit seiner Ausreise aus Deutschland spätestens am 1. Oktober 2013 (das ist das späteste Datum von verschiedenen Angaben des Antragstellers zu seinem Ausreisetag im Verwaltungs- und erstinstanzlichen Verfahrens; im Beschwerdeverfahren spricht er zumeist vom 28. Juli 2013) bis frühestens zum Zeitpunkt seiner Wiedereinreise am 12. Februar 2019 (zu diesem Datum hat er sich rückwirkend unter dem 21. März 2019 angemeldet, während aus seinem Pass eine Einreise am 14. Februar 2019 vermerkt ist). Damit war er zunächst bereits mehr als 5 Jahre aus der Bundesrepublik abwesend, ohne dass in diesem Zeitraum eine Verlängerung der Abwesenheitsfrist von ihm beantragt oder durch die Ausländerbehörde bestimmt wurde.
(2) Unbeachtlich ist, ob es insoweit dem Antragsteller rechtlich oder tatsächlich möglich war, vor Ablauf der Sechs-Monatsfrist, also vor dem 1. April 2014, wieder in die Bundesrepublik Deutschland einzureisen.
Für die Rechtswirkungen der Ausreise nach § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob der Antragsteller in der Lage ist, die Dauer seiner Abwesenheit zu bestimmen. Sinn und Zweck der Erlöschensregelungen ist es, Rechtsklarheit hinsichtlich des Fortbestandes des Aufenthaltstitels zu schaffen, um so eine effektive Steuerung der Migration von Ausländern zu ermöglichen. Hält sich der Ausländer daher im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG länger als sechs Monate außerhalb des Bundesgebietes auf, wird grundsätzlich unwiderleglich angenommen, dass er aus einem seiner Natur nach nicht nur vorübergehenden Grund ausgereist und sein Aufenthaltstitel damit ebenfalls erloschen ist (vgl. zum Ganzen: Beschluss des Senats vom 23. Februar 2021 – 3 EO 786/20 – n. v.; BVerwG, Urteil vom 17. Januar 2012 – 1 C 1/11 – juris Rn. 9).
(3) Auch eine Fristverlängerung durch Allgemeinverfügung ist nicht erfolgt.
(4) Der Antragsteller ist auch nicht so zu stellen, als habe der Antragsgegner pflichtwidrig nicht rechtzeitig über einen frühzeitig gestellten Antrag nach § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG entschieden, wie von ihm dargestellt. Ungeachtet dessen, ob das Gesetz eine solche rückwirkende Entscheidung über das Fortbestehen einer Niederlassungserlaubnis zulässt, käme sie nur unter ganz besonderen Umständen in Betracht, etwa einer gröblichsten Pflichtverletzung der Ausländerbehörde in Bezug auf die Verlängerung der Frist nach § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG.
Eine solche Pflichtverletzung liegt hier schon deshalb nicht vor, weil der Antragsteller weder vor seiner Ausreise noch innerhalb der Sechs-Monatsfrist des § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG einen Verlängerungsantrag gestellt hat.
Eine Hinweis- und Belehrungspflicht dahingehend bestand für den Antragsgegner dabei nicht, ungeachtet dessen, dass ihm im Vorfeld weder die Ausreise noch die Umstände für die Ausreise bekannt waren. Eine Pflicht, einen Ausländer über alle Eventualitäten seines Handelns im Vorfeld zu belehren und hieran regelmäßig zu erinnern, ergibt sich für die Ausländerbehörde auch nicht aus § 82 Abs. 3 AufenthG (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21. Januar 2011 – 18 A 2513/10 – juris Rn. 12). Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Erlöschenstatbestände des § 51 AufenthG. Diese werden weder in § 82 Abs. 3 AufenthG explizit genannt, noch gehören sie zu den „Belangen und für ihn günstigen Umständen“ in § 82 Abs. 1 AufenthG, auf die sich die Hinweispflicht bezieht.
(5) Ferner ist im vorliegenden Fall auch nicht zu berücksichtigen, dass der Antragsteller nach seinen Angaben von den türkischen Behörden wegen eines Strafverfahrens an einer Ausreise gehindert worden sei. Wie bereits im streitgegenständlichen Bescheid vom Antragsgegner aufgezeigt, war – unabhängig von der Frage der Richtigkeit der Angabe des Antragstellers – der angegebene Tattag der 15. Dezember 2014. Vor diesem Tag kann der Antragsteller wegen der Tat nicht festgehalten worden sein. Zu diesem Zeitpunkt hielt er sich jedoch bereits mindestens 13 Monate in der Türkei auf. Damit greift allein deswegen die nach Ansicht des Antragstellers anzuwendende 12-Monatsfrist des § 51 Abs. 10 AufenthG nicht ein.
(6) Dem Antragsteller kann auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen des Ablaufs der Sechs-Monatsfrist von Amts wegen gewährt werden.
Die Regelung des § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG bezweckt, aus dem genannten Grund der Rechtsklarheit eine eindeutige Bestimmung darüber zu treffen, ob der Ausländer noch im Besitz des Aufenthaltstitels ist oder dieser erloschen ist. Es handelt sich insoweit um eine gesetzliche Ausschlussfrist, die nicht durch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 32 VwVfG) überwunden werden kann, so dass insbesondere unerheblich ist, ob der Betroffene durch Krankheit oder Inhaftierung an einer Rückkehr nach Deutschland gehindert war (vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 13. August 2009 – 10 ZB 09.1275 – juris Rn. 2; Hessischer VGH, Beschluss vom 16. März 1999 – 10 TZ 325/99 – juris Rn. 17).
Bei dem Antragsteller kommt zudem eine „Nachsichtgewährung“ nicht in Betracht, selbst wenn man mit Teilen der Rechtsprechung einen solchen Aspekt berücksichtigt. Eine „Nachsichtgewährung“ auf der Grundlage von Treu und Glauben (§ 242 BGB) kann danach allenfalls zum Ausgleich besonderer Härten nach geringfügiger Fristüberschreitung oder in einem Fall höherer Gewalt bei außergewöhnlichen Ereignissen, die nach den Umständen des Falles auch durch die äußerste, dem Betroffenen zuzumutende Sorgfalt weder abgewehrt noch in ihren schädlichen Folgen verhindert werden könnten, in Betracht kommen (vgl. Bayerischer VGH, Urteil vom 10. Januar 2007 – 24 BV 03.722 – juris Rn. 43 m. w. N.).
Den Antragsteller traf kein so außergewöhnliches Ereignis, dessen Folgen er auch bei äußerster Sorgfalt nicht hätte abwehren können. Denn zum einen hat er sich zum Tatzeitpunkt bereits eigenverantwortlich mehr als ein Jahr außerhalb der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten; Rechtfertigungsgründe für die Nichtstellung eines Verlängerungsantrags für diesen Zeitraum werden von ihm nicht benannt. Zum anderen hätte er sich in der Zeit des Strafverfahrens um eine Verlängerung der Abwesenheitszeit bei der Ausländerbehörde bemühen können. Er hätte sich beispielsweise telefonisch oder schriftlich an die Ausländerbehörde wenden oder jemanden beauftragen können, sich um seine Angelegenheiten zu kümmern. Dass selbst dies nicht möglich gewesen ist, hat er jedenfalls nicht hinreichend dargelegt.
(7) Der Anwendung des § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG steht die Regelung des § 51 Abs. 2 Satz 1 AufenthG nicht entgegen; die Voraussetzungen des Privilegierungstatbestandes sind nicht gegeben.
Nach § 51 Abs. 2 Satz 1 AufenthG erlischt die Niederlassungserlaubnis eines Ausländers, der sich mindestens 15 Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat, nicht nach § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG, wenn dessen Lebensunterhalt gesichert ist und kein Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 oder Abs. 2 Nummer 5 bis 7 AufenthG besteht.
Dies ist hier nicht der Fall. Es liegen bereits keine 15 Jahre rechtmäßigen Aufenthalts des Antragstellers vor. Wie der Antragsgegner bereits im streitgegenständlichen Bescheid vom 27. Juli 2020 zutreffend berechnete, kommt der Antragsteller auf allenfalls 14 Jahre und drei Monate, wobei dies bereits die für den Antragsteller günstigste Berechnung ist. Bei den Zeiten des unbekannten Aufenthalts kann nicht von legalen Aufenthaltszeiten ausgegangen werden; dies wird auch nicht vom Antragsteller dargelegt.
Da bereits die Zeitspanne des 15 jährigen legalen Aufenthalts (zum Zeitpunkt des etwaigen Erlöschens des Aufenthaltstitels) nicht erreicht wird, kommt es auf die Fragen, ob die Aufenthaltszeiten zudem zusammenhängend sein müssen und wann beim Antragsteller ein gesicherter Lebensunterhalt vorgelegen haben muss, nicht an. Zudem sind etwaige Zeiten eines etwaigen legalen Aufenthalts nach seiner Wiedereinreise 2019 in diese Berechnung auszuschließen, da die Betrachtung nach dem 15-Jahres-Maßstab sich nach dem Gesetzestext allein auf den Zeitraum vor dem etwaigen Erlöschenstatbestand beziehen kann. Aus dem § 51 Abs. 2 Satz 3 AufenthG ergibt sich zudem kein zwingender Umkehrschluss dahin gehend, dass der Antragsteller von dem Antragsgegner zunächst hätte eine Ausweisungsverfügung erhalten müssen.
(8) Auch der Tatbestand des § 51 Abs. 4 AufenthG, wie vom Antragsteller angeführt, greift nicht zu seinen Gunsten. Der Wortlaut der Vorschrift geht ersichtlich von einer längeren Fristbestimmung durch die Ausländerbehörde vor Ausreise des Ausländers aus.
bb. Dem Erlöschenstatbestand stehen hier auch nicht die Bestimmungen des ARB 1/80 entgegen.
Zum einen unterfiel der Antragsteller vor seiner Ausreise 2013 dessen Regelungsbereich nicht, wie das Verwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 15. Februar 2021 zutreffend ausgeführt hat. Dies ist nicht ersichtlich und wird vom Antragsteller auch nicht substantiiert dargelegt. Es fehlt bereits ein Vortrag zu einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis bei einem Arbeitgeber, was über ein Jahr fortlief. Zeiten eigener Selbständigkeit werden vom ARB 1/80 nicht erfasst.
Zum anderen wäre davon auszugehen, dass selbst, wenn man von einem früher bestandenen Recht aus dem ARB 1/80 zugunsten des Antragstellers ausgehen würde, ein solches mittlerweile gleichfalls erloschen wäre. Auch im Rahmen der Anwendung des ARB 1/80 bestehen Erlöschenstatbestände (vgl. EuGH, Urteile vom 22. Dezember 2010 – Bozkurt, C-303/08 – juris Rn. 42 und vom 18. Juli 2007 – Derin, C-325/05 – juris Rn. 49 f.; Bayerischer VGH, Beschluss vom 4. Januar 2016 – 10 ZB 13.2431 – juris Rn. 9), wie es in Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 zum Ausdruck kommt. Das Bundesverwaltungsgericht zieht dabei als unionsrechtlichen Bezugsrahmen für das Erlöschen des Aufenthaltsrechts nach einer Ausreise, die Maßstäbe der Richtlinie 2003/109/EG (Daueraufenthaltsrichtlinie) heran (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. März 2015 – 1 C 19.14 – juris Rn. 21). Danach kommt für die Konkretisierung dieses Erlöschensgrundes der 12-Monatsfrist des Art. 9 Abs. 1 Buchst c der Daueraufenthaltsrichtlinie eine gewichtige Indizwirkung für die rechtsvernichtende Verlagerung des Lebensmittelpunkts zu. Auch diese Frist ist überschritten, ungeachtet der Gründe, die er für seine Ausreiseverhinderung in der Türkei anführt (vgl. bereits oben). Zwar führt der Antragsteller diesbezüglich noch an, mit festem Rückkehrwillen ausgereist zu sein. Jedoch führt er keine Gründe an, warum ihm die Einhaltung der Sechs- bzw. 12-Monatsfrist (vgl. dazu auch schon oben) nicht möglich war und zudem nicht möglich war, eine Verlängerung dieser Frist(en) zu erwirken, so dass insoweit die Indizwirkung des Art. 9 Abs. 1 und 2 Daueraufenthaltsrichtlinie hier durchgreift.
Soweit der Antragsteller sich auf Art. 41 des ARB 1/80 beruft, verschafft die sogenannte Stillhalteklausel kein eigenständiges Recht. Für die Anwendung der Stillhalteklausel kommt es nicht darauf an, ob sich ein türkischer Staatsangehöriger zu dem Zeitpunkt, zu dem er einen Antrag auf Niederlassung im Gebiet eines Mitgliedstaates stellt, rechtmäßig in diesem Staat aufhält oder nicht; entscheidend ist allein die Einreisesituation, in der er sich bei seiner Wiedereinreise in 2019 befunden hat. Zu diesem Zeitpunkt reiste er unrechtmäßig ein, weil er Aufenthaltsrechte, soweit jemals vorhanden, von Gesetzes wegen verloren hatte.
Auch § 85 AufenthG muss hier außen vor bleiben, weil es sich beim Erlöschen des Aufenthaltstitels nicht bloß um eine Unterbrechung des Aufenthaltes handelt.
cc. Gemäß § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist die Abschiebung unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen 7 und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Die von dem Antragsgegner bestimmte Ausreisefrist bewegt sich nach Erhalt des Bescheides innerhalb dieses gesetzlichen Rahmens und ist angemessen.
3. Bleibt die Beschwerde erfolglos, so hat der Antragsteller als unterlegener Rechtsmittelführer die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 2 VwGO).
4. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2, 47 GKG. In Verfahren vorläufiger Rechtssachen ist der Regelstreitwert zu halbieren.
Hinweis:Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).


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