Verwaltungsrecht

Abschiebungsanordnung (Asyl-Dublin) – Antrag auf Abänderung des Sofortbeschlusses

Aktenzeichen  W 8 S 20.50222

Datum:
16.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 25107
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 84 Abs. 4, § 87 Abs. 7
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a
AsylG § 77 Abs. 2
Dublin III-VO Art. 17
AufenthG § 60a Abs. 2 S. 1
GG Art. 6
EMRK Art. 8

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

1. Der Antragsteller ist nach eigenen Angaben iranischer Staatsangehöriger, der sich gegen eine Dublin-Entscheidung des Bundesamtes für … mit Abschiebungsanordnung nach Italien wendet und vorliegend die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage W 8 K 20.50114 unter Abänderung des Beschlusses im Sofortverfahren vom 30. März 2020 (W 8 S 20.50115) begehrt.
Mit Bescheid vom 5. März 2020 lehnte die Antragsgegnerin den Asylantrag des Antragstellers als unzulässig ab (Nr. 1) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 2). Die Abschiebung nach Italien wurde angeordnet (Nr. 3). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde angeordnet und auf fünfzehn Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 4).
2. Am 18. März 2020 ließ der Antragsteller im Verfahren W 8 K 20.50114 Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid erheben. Zur Begründung ließ der Antragsteller auf die Anhörung beim Bundesamt für … verweisen und darüber hinaus im Wesentlichen ausführen: Die Abschiebung nach Italien könne nur angeordnet werden, wenn feststehe, dass die Abschiebung auch erfolgen könne. Dies sei aber im Fall Italiens wegen des Corona-Virus nicht möglich. Das Bundesministerium habe deswegen auch einen Abschiebungsstopp nach Italien angeordnet. Ungeachtet dessen bestehe seitens Italiens wegen der Corona-Problematik auch nicht die Bereitschaft, aus Deutschland einen abgeschobenen Flüchtling zu empfangen.
Mit Schriftsatz vom 6. April 2020 ließ der Antragsteller weiter Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stellen und zur Begründung ausführen: Er habe nicht ohne Verschulden erkennen können, dass die Zustellung am 10. März 2020 erfolgt und die Klagefrist demnach schon am 17. März 2020 abgelaufen sei. In dem ihm überreichten Umschlag sei nämlich als Tag der Zustellung der 20. März 2020 vermerkt. Ihm sei nicht möglich gewesen die Klagefrist korrekt zu berechnen.
Mit Schriftsatz vom 5. Juni 2020 ließ der Antragsteller noch mitteilen, dass seine Frau und Tochter ein Abschiebungsverbot nach Italien erhalten hätten. Zwar lebe der Antragsteller von seiner Frau getrennt. Er besitze aber noch das gemeinsame Sorgerecht zu seiner Tochter und nehme sein Umgangsrecht wahr.
Im vorliegenden Verfahren ließ der Antragsteller am 9. September 2020 beantragen,
Unter Aufhebung des Beschlusses vom 30. März 2020 (W 8 S 20.50115) wird die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung in Nr. 3 des Bescheides vom 5. März 2020 beantragt.
Zur Begründung ließ der Antragsteller im Wesentlichen vorbringen: Die Antragsgegnerin habe mit Schreiben vom 24. August 2020 den Widerruf auf Aussetzung der Vollziehung der Abschiebungsanordnung gemäß § 80 Abs. 4 VwGO erklärt. Es bestehe ein Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Sowohl für die Ehefrau als auch für seine Tochter seien Abschiebungsverbote nach Italien festgestellt. Der Antragsteller sei mit seiner Ehefrau verheiratet. Außerdem hätten sie ein gemeinsames Kind, für das der Antragsteller ein Sorgerecht habe. Das gemeinsame Kind leide unter Autismus. Der Antragsteller nehme sein Umgangs- und Sorgerecht wahr und besuche regelmäßig seine Tochter. Die Trennung von seiner Tochter sei weder dem Antragsteller noch seiner Tochter zuzumuten. Die Identität sei geklärt. Das Sorgerecht ergebe sich daraus, dass die Familie aus dem Iran gekommen sei und es sich bei der Tochter um ein eheliches Kind handele. Der Antragsteller habe nach islamischem Recht im Iran auch das Sorgerecht, welches in der Bundesrepublik Deutschland zu respektieren sei.
3. Die Antragsgegnerin teilte mit Schriftsatz vom 2. April 2020 (siehe auch Schriftsatz vom 24.4.2020) mit, dass das Bundesamt gegenüber der Antragstellerseite die Vollziehung der Abschiebungsanordnung gemäß § 80 Abs. 4 VwGO i.V.m. Art. 27 Abs. 4 Dublin III-VO ausgesetzt habe. Im Hinblick auf die Entwicklung der Corona-Krise seien derzeit Dublin-Überstellungen nicht zu vertreten. Die zeitweise Aussetzung des Überstellungsverfahrens impliziere nicht, dass der zuständige Dublin-Staat nicht mehr zur Übernahme bereit und verpflichtet wäre. Vielmehr sei der Vollzug vorübergehend nicht möglich.
Mit Schriftsatz vom 3. August 2020 brachte die Antragsgegnerin weiter vor: Es lägen keine Nachweise zum Sorgerecht vor. Im Hinblick auf die familiäre Bindung sei dem Antragsteller zuzumuten, im Falle einer etwaigen Überstellung im Rahmen des Familiennachzugs wieder einzureisen.
Mit Schriftsatz vom 24. August 2020 teilte die Antragsgegnerin mit, dass das Bundesamt gegenüber dem Antragsteller seinen Widerruf der Aussetzung der Vollziehung der Abschiebungsanordnung gemäß § 80 Abs. 4 VwGO i.V.m. Art. 27 Abs. 4 Dublin III-VO erklärt habe. Im Hinblick auf die Entwicklung der Corona-Krise seien Dublin-Überstellungen nach Italien wieder zu vertreten. Der Grund für die Aussetzungserklärung sei weggefallen.
4. Mit Beschluss vom 30. März 2020 (W 8 S 20.50115) lehnte das Gericht im Sofortverfahren den Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ab.
Gegen einen vom Gericht mit Datum vom 11. Mai 2020 (W 8 K 20.50114 – juris) erlassenen Gerichtsbescheid ließ der Antragsteller mit Schriftsatz vom 27. Mai 2020 im Verfahren W 8 K 20.50114 mündliche Verhandlung beantragen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte (einschließlich der Akten des Klageverfahrens W 8 K 20.50114 und des Sofortverfahrens W 8 S 20.50115) und die beigezogenen Behördenakten (einschließlich der Akten der Ehefrau des Antragstellers) sowie die ebenfalls beigezogenen jeweiligen Ausländerakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Abänderung des im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO ergangenen Beschlusses vom 30. März 2020 (W 8 S 20.50115) ist zulässig, soweit er sich auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung in Nr. 3 des streitgegenständlichen Bescheides bezieht, aber unbegründet.
Das Gericht kann gemäß § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO Beschlüsse nach § 80 Abs. 5 VwGO jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachte Umstände beantragen (§ 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO).
Der Antrag ist unbegründet, weil weiterhin keine Abschiebungshindernisse vorliegen.
Italien ist nach der Dublin III-VO weiterhin zuständig, ohne dass einer Abschiebung nach Italien Hinderungsgründe entgegenstehen. Insofern kann im Einzelnen auf die zutreffenden Gründe des streitgegenständlichen Bescheides (§ 77 Abs. 2 AsylG) sowie auf die Ausführungen im Gerichtsbescheid vom 11. Mai 2020 (W 8 K 20.50114 – juris) gemäß § 84 Abs. 4 VwGO Bezug genommen werden. Insoweit hat der Antragsteller keine Änderung der Sach- oder Rechtslage geltend gemacht; eine solche ist auch sonst nicht ersichtlich.
Auch das neue Vorbringen des Antragstellers, dass der Dublin-Bescheid betreffend seine Ehefrau und seine Tochter aufgehoben sei und ein nationales Verfahren durchgeführt werde sowie dass er insbesondere das Sorge- und Umgangsrecht zu seiner Tochter habe und wahrnehme, führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Diese inlandsbezogenen Gründe verpflichten die Antragsgegnerin nicht, von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO Gebrauch zu machen, und begründen auch kein inlandsbezogenes Abschiebehindernis gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG.
Die Antragsgegnerin hat im streitgegenständlichen Bescheid auf Seite 16 schon ausgeführt, dass es dem Antragsteller zuzumuten sei, mit dem Kind die familiäre Gemeinschaft im Ausland zu führen oder – sollte das Kind ein Bleiberecht erhalten – im Wege des Familiennachzugs wieder einzureisen. Somit sei auch diese persönliche Bindung im vorliegenden Fall nicht berücksichtigungsfähig. Darauf wird Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Im Ergebnis hat sich an dieser Feststellung nichts geändert.
Grundsätzlich ist auch in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung gerade in Dublin-Verfahren der Schutz der Ehe und Familie als inlandsbezogenes Abschiebungsverbot bzw. als inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis anerkannt. Eine unzumutbare Trennung der familiären Lebensgemeinschaft in Form einer Beistandsgemeinschaft kann ein rechtliches Abschiebungshindernis begründen. Doch nicht jede Lebensgemeinschaft und jede familiäre Beziehung führt zu einer rechtlichen Unmöglichkeit der Abschiebung. Vielmehr muss eine unzumutbare Beeinträchtigung der Familieneinheit vorliegen. Verfassungsrechtlich schutzwürdige Beziehungen können sich auch aus den Beziehungen eines Vaters mit seinem Kind ergeben. Ein bloß formalrechtlicher Status reicht nicht aus. Leben die Eltern getrennt, müssen Anhaltspunkte für das Bestehen einer über die bloße Begegnungsgemeinschaft hinausgehende Beziehung bestehen. Indizien können rein tatsächlicher Natur sein, wie z.B. die Dauer der regelmäßigen Betreuung des Kindes oder die Beziehungsintensität, wie sie sich in der Art der Betreuung äußert. Unverbindliche Treffen im Café sind nicht das Gleiche wie emotionale Unterstützung in schwierigen Situationen des Kindes. Auch vereinzelte Kontakte genügen nicht. Vielmehr muss der Betroffene vortragen und belegen, dass er das Sorgerecht auch tatsächlich ausübt. Eine genaue Schilderung der tatsächlichen Beziehungen und Abhängigkeiten ist unabdingbar. Auch ein bestehendes Umgangsrecht kann mit Blick auf das Kindeswohl genügen. Der tatsächlich praktizierte Umgang mit dem Kind kann für das Kindeswohl wichtig sein. Die durch tatsächlichen Kontakt geschaffene und stabilisierte Position des weiteren Elternteils ist für das Kindeswohl von Bedeutung. Allerdings kann eine zeitweilige Trennung zumutbar sein, gerade, wenn auch die Bezugspersonen kein Aufenthaltsrecht in Deutschland haben. Eine bloße vorübergehende Trennung für die übliche Dauer eines Visumsverfahrens allein reicht für die Unzumutbarkeit nicht aus (vgl. Kluth/Breidenbach in BeckOK, AuslR, Kluth/Heusch, 25. Edition, Stand: 1.7.2020, § 60a AufenthG Rn. 15 ff.; Bruns in Hofmann, AuslR, 2. Aufl. 2016, § 60a AufenthG Rn. 16 ff. m.w.N.).
Wie gewichtig der aus Art. 6 GG und Art. 8 EMRK folgende Schutz ist, hängt dabei von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab, insbesondere von der Intensität der Familienbeziehungen sowie von der Frage, ob es sich um eine bloße Begegnungsgemeinschaft handelt, dem Alter der Kinder oder auch der Betreuungsbedürftigkeit in Bezug auf das Kind. Das Kindeswohl ist in den Mittelpunkt zu stellen. Auch der Aufbau und die Kontinuität emotionaler Bindungen zu Vater und Mutter sind in aller Regel der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes dienlich. Dabei reichen nicht formalrechtliche Bindungen, sondern es kommt vielmehr auf die tatsächliche Verbundenheit zwischen den Familienmitgliedern an. Bezogen auf das Kind kommt es auch auf die tatsächliche Anteilnahme am Leben und Aufwachsen des Kindes an. Auch der persönliche Kontakt zu dem Kind in Ausübung des Umgangsrechts ist zu berücksichtigen. Dabei ist im Einzelfall zu würdigen, in welcher Form die Elternverantwortung ausgeübt wird und welche Folgen eine endgültige oder vorübergehende Trennung für die gelebte Eltern-Kind-Beziehung und das Kindeswohl hätte (vgl. VG Regensburg, U.v. 28.11.2019 – RN 14 K 19.50870 – juris; VG Düsseldorf, B.v. 21.11.2017 – 22 L 4581/17.A – juris m.w.N.).
Ausgehend von diesen Grundsätzen liegen im konkreten Einzelfall des Antragstellers die Voraussetzungen für die Annahme eines Abschiebungsverbotes aus inlandsbezogenen Gründen nicht vor.
Zunächst ist schon festzuhalten, dass die Ehefrau und die Tochter des Antragstellers selbst aufenthaltsrechtlich nicht über eine gesicherte Position verfügen, sondern nur im Besitz einer Aufenthaltsgestattung sind. Die Ehefrau und das Kind haben zurzeit kein gesichertes Bleiberecht in Deutschland, geschweige denn eine gefestigte Aufenthaltsposition (vgl. auch VG München, B.v. 6.2.2019 – M 10 S7 19.50049 – juris; B.v. 7.2.2019 – M 10 S7 18.53007 – juris; G.v. 29.2.2016 – M 12 K 15.50784 – juris).
Darüber hinaus hat das Gericht erhebliche Bedenken hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen eines Abschiebungshindernisses angesichts des Umstandes, dass der Antragsteller gerade von seiner Ehefrau und dem Kind getrennt wurde, weil der Antragsteller gegenüber seiner Ehefrau gewalttätig gewesen war und diese bedroht hatte. Aufgrund dessen hat der Gewaltschutzkoordinator der Anker-Einrichtung in Oberfranken – der aufgrund der Schilderungen der Ehefrau von einem hohen Konfliktpotential ausgegangen ist (siehe Aktenvermerk der Regierung von Oberfranken vom 5.2.2020 in der Ausländerakte der Ehefrau) – eine Trennung der Ehefrau (samt Kind) vom Antragsteller befürwortet und auf körperliche Misshandlungen durch den Antragsteller und die Aggressivität des Antragstellers verwiesen, wobei er auch seiner Ehefrau mit dem Tod gedroht habe. Darüber hinaus sei er selbst durch autoaggressives Verhalten bekannt. Er habe so auch enormen psychischen Druck auf seine Ehefrau ausgeübt (vgl. Bl. 61 und 62 der Bundesamtsakten der Ehefrau des Antragstellers). Die Ehefrau selbst hat in ihrer Anhörung am 18. August 2020 unter Vorlage von Lichtbildern auf mehrere erhebliche Verletzungen im Brustbereich, die wohl auch genäht werden mussten, verwiesen (vgl. Bl. 32 ff. ihrer Bundesamtsakte).
Ob in dieser Konstellation ein Umgang des Antragstellers mit seiner Tochter für deren Kindeswohl förderlich ist, erscheint fraglich. Belege dafür hat der Antragsteller nicht vorgebracht. In einer Auflistung der Regierung von Oberfranken („medizinische Dokumentation“) ist unter dem Datum des 22. Januar 2020 festgehalten, dass der Vater (Antragsteller) von Eheproblemen berichte und sehr traurig sei und unter der Situation leide; die Vater-Tochter-Beziehung tue ihm gut. Der Fokus liege auf sich und ein unterstützendes Umfeld (vgl. Bl. 305 der Bundesamtsakte der Ehefrau des Antragstellers). Dass die Vater-Tochter-Beziehung auch der Tochter guttut und damit dem Kindeswohl dient, worauf es primär ankommt, ist dem nicht zu entnehmen.
Auch im Übrigen hat der Antragsteller nur pauschal behauptet, sein Sorge- und Umgangsrecht wahrzunehmen, aber nicht substanziiert. Der Antragsteller hat sich zur tatsächlichen Verbundenheit seiner Tochter mit ihm überhaupt nicht geäußert. Er hat nicht substanziiert dargelegt, welche Umgangskontakte er als Vater konkret erbringt (VG München, G.v. 29.2.2016 – M 12 K 15.50784 – juris). Maßgeblich ist aber der substanziierte vorgebrachte tatsächlich praktizierte Umgang mit dem Kind (vgl. Bruns in Hofmann, AuslR, 2. Aufl. 2016, § 60a AufenthG Rn. 16 ff.). Geschützt ist nur eine schützenswerte Vaters-Kind-Beziehung auch bei einem umgangsberechtigten Vater, wobei allerdings Telefonate mit kurzer Dauer für sich nicht genügen (vgl. Dollinger in Bergmann/Dienelt, AuslR, 13. Aufl. 2020, § 60a AufenthG Rn. 29 m.w.N.). Der Antragsteller behauptet lediglich, die Tochter regelmäßig zu besuchen. Einzelheiten geschweige denn Belege dazu hat er weder vorgebracht, noch sind diese aus den beigezogenen Behördenakten des Antragsgegners und der Ausländerbehörden ersichtlich. Zweifel bestehen schon aufgrund der räumlichen Entfernung zwischen Kindsvater und Kind (vgl. auch VG Würzburg, B.v. 6.3.2019 – W 2 E 19.50143 – juris). Außerdem hat die Ehefrau des Antragstellers bei ihrer Anhörung am 18. August 2020 (Bl. 427 ff. ihrer Bundesamtsakte, konkret Bl. 436) erklärt, sie lebten seit ca. fünf Monaten getrennt (der Antragsteller wurde ab 19.2.2020 allein der Stadt Würzburg, Unterfranken, zugewiesen, während Frau und Tochter in Oberfranken blieben). Weiter hat sie angegeben, dass ihr Ehemann (der Antragsteller) die Tochter vor ca. zehn bis zwölf Tagen insgesamt nur einmal besucht habe, ansonsten habe er mit der Tochter telefoniert. Schließlich ist der Aufenthalt des Antragstellers laut einem Schreiben der Zentralen Ausländerbehörde Unterfranken vom 10. September 2020 aktuell auf den Regierungsbezirk Unterfranken beschränkt.
Vor diesem Hintergrund eines nur spärlich wahrgenommenen Umgangsrechts und des nur in geringem Umfang tatsächlich praktizierten Umgangs mit dem Kind, ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass ein derartiger Umgang für die Erhaltung des Kindeswohl notwendig ist. Gerade auch bei einem Kind, das an Autismus erkrankt ist, hat das Gericht zudem zumindest Zweifel, ob ein praktischer Umgang, wie ihn der Antragsteller pflegt – gepaart mit dem ausgelebten Konflikt mit der Kindsmutter-, nicht sogar schädlich für das Kindeswohl sein kann, geschweige denn ihm dient.
Unabhängig davon ist der Antragsteller auch im Hinblick auf den künftigen Umgang mit seiner Tochter auf gegebenenfalls ausländerrechtliche Möglichkeiten zu verweisen. Jedenfalls ist es ihm auch in Bezug von Art. 6 GG und Art. 8 EMRK zumutbar, das gegebenenfalls notwendige Visumsverfahren von Italien aus zu betreiben, sodass eine Überstellung des Antragstellers nach Italien nicht zu einer dauerhaften Vereitelung des Umgangsrechts von Vater und Kind führen muss. Die bis zur Erfüllung der entsprechenden rechtlichen Voraussetzungen temporäre Trennung ist grundsätzlich zumutbar (so VG Würzburg, B.v. 6.3.2019 – W 2 E 19.50143 – juris; vgl. auch VG München, B.v. 6.2.2019 – M 10 S7 19.50049 – juris; G.v. 29.2.2016 – M 12 K 15.50784 – juris). Denn eine bloße vorübergehende Trennung allein reicht nicht für die Annahme einer Unzumutbarkeit im Hinblick auf Art. 6 GG und Art. 8 EMRK, wobei es auch hier auf den Einzelfall ankommt (vgl. Kluth/Breidenbach in BeckOK, AuslR, Kluth/Heusch, 26. Edition, Stand: 1.7.2020, § 60a AufenthG Rn. 15; Bruns in Hofmann, AuslR, 2. Aufl. 2016, § 60a AufenthG Rn. 19).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).


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