Aktenzeichen M 4 K 14.30354
Leitsatz
Für die Rückkehr von Familien mit minderjährigen Kindern können schlechte humanitäre Bedingungen unter den in Afghanistan derzeit herrschenden Rahmenbedingungen eine auf eine Bevölkerungsgruppe bezogene Gefahrenlage darstellen, die zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK führt (vgl. VGH München BeckRS 2015, 49743). (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Soweit die Klage zurückgenommen wurde, wird das Verfahren eingestellt.
Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 5. Februar 2014 wird in Nr. 4 aufgehoben.
Er wird zudem in Nr. 5 insoweit aufgehoben, als die Abschiebung nach Afghanistan angedroht wurde.
Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Afghanistans vorliegen.
II.
Von den Kosten des Verfahrens tragen die Kläger ¾, die Beklagte ¼.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Soweit der Bevollmächtigte die Klage hinsichtlich der Anerkennung der Kläger als Flüchtlinge (§ 3 AsylG) sowie hinsichtlich der Feststellung subsidiären Abschiebungsschutzes (§ 4 AsylG) zurückgenommen hat, ist das Verfahren nach § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
Die zulässige Klage ist hinsichtlich des noch geltend gemachten nationalen Abschiebungsverbotes auf Grundlage des § 60 Abs. 5 AufenthG begründet. Die Kläger haben im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG vorliegen, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Die Abschiebungsandrohung im streitgegenständlichen Bescheid nach Afghanistan erweist sich insoweit als rechtswidrig und ist damit aufzuheben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), da gegenwärtig nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Kläger, eine Mutter mit zwei minderjährigen Kindern, ihr Überleben in Afghanistan bestreiten können. Ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfüllt sind, bedarf keiner Prüfung, da es sich beim national begründeten Abschiebungsverbot um einen einheitlichen und nicht weiter teilbaren Verfahrensgegenstand handelt (vergl. hierzu nur BVerwG, U. v. 08.09.2011 – 10 C 14.10 – BVerwGE 140, 319, Rn. 16 und 17 sowie BayVGH, U. v. 21.11.2014, 13a B 14.30285, juris, Rn. 9).
Dass schlechte humanitäre Bedingungen eine auf eine Bevölkerungsgruppe bezogene Gefahrenlage darstellen können, die zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinn von Art. 3 EMRK führt, und dass dies bei der Rückkehr von Familien mit minderjährigen Kindern unter den in Afghanistan derzeit herrschenden Rahmenbedingungen im Allgemeinen der Fall ist, so dass für sie ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG besteht, ist durch die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs hinreichend geklärt (vgl. hierzu nur B. v. 4.8.2015, 13 a ZB 15.30032, sowie U. v. 21.11.2015, beide juris). Vorliegend sind auch keine Gesichtspunkte erkennbar, die den Fall der Kläger, die als alleinstehende Frau mit zwei kleinen Kindern besonders schutzbedürftig sind, in einem anderen Licht erscheinen lassen könnten, zumal sich der Ehemann der Klägerin zu 1 und Vater der Kläger zu 2 und 3 im Bundesgebiet aufhält. Auch hat sich die Lage in Afghanistan seit Ergehen der genannten Entscheidungen, auf die vollinhaltlich Bezug genommen wird, nicht signifikant geändert.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 und 2 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung stützt sich auf § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 708 ff. ZPO.