Verwaltungsrecht

Abschiebungsverbot nach Afghanistan wegen posttraumatischer Belastungsstörung

Aktenzeichen  M 17 K 17.35423

Datum:
19.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 9368
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
EMRK Art. 3
AsylG § 3e, § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

1. Volkszugehörige der Hazara unterliegen in Afghanistan zwar einer gewissen Diskriminierung, sind aber weder in ganz Afghanistan noch in der Heimatprovinz des Klägers einer an ihre Volks- oder Religionszugehörigkeit anknüpfenden, gruppengerichteten politischen oder religiösen Verfolgung oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung durch die Taliban oder andere nichtstaatliche Akteure ausgesetzt.  (Rn. 20 – 21) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts nach § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AsylG hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH BeckRS 2018, 4358; Beschl. v. 14.8.2017 – 13a ZB 17.30807) für keine Region Afghanistans angenommen und die Lage in Afghanistan nicht derart eingeschätzt, dass eine Abschiebung ohne Weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und subsidiärer Schutz nach § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AsylG anzunehmen wäre. (Rn. 38 – 45) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine erhebliche konkrete Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG aus gesundheitlichen Gründen kann nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen vorliegen. Die attestierte fachärztliche psychiatrischen Behandlung mit den Diagnosen mittelgradige depressive Episode (F 32.1) und posttraumatische Belastungsstörung (F 43.1) kann in Afghanistan nicht behandelt werden, insbesondere ist eine längerfristige psychiatrische Behandlung nicht gewährleistet. (Rn. 47 – 56) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Soweit die Klage zurückgenommen wurde, wird das Verfahren eingestellt.
Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 15. März 2017 wird in den Nrn. 4, 5 und 6 aufgehoben.
Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Afghanistans vorliegen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Von den Kosten des Verfahrens tragen der Kläger ¾ und die Beklagte ¼.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

1. Das Gericht konnte trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten über die Sache verhandeln und entscheiden, da die Beklagte ordnungsgemäß geladen und in der Ladung darauf hingewiesen wurde, dass auch im Fall des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 2 VwGO).
2. Soweit die Klagepartei die Klage zurückgenommen hat (Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft), war das Verfahren einzustellen, § 92 Abs. 3 VwGO.
3. Die zulässige Klage ist teilweise, nämlich im Hilfsantrag, ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Afghanistans festzustellen, erfolgreich (s.u. 3.2.).
3.1. Der verbliebene Hauptantrag, unter entsprechender Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheides dem Kläger subsidiären Schutz gemäß § 4 AsylG zu gewähren, ist unbegründet. Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG). Der angegriffene Bescheid des Bundesamtes vom 15. März 2017 ist insoweit rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Zur Begründung wird auf die zutreffende Begründung in dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Ergänzend hierzu wird ausgeführt:
Nach § 4 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Dabei gilt gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG als ernsthafter Schaden die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3).
3.1.1. Dass dem Kläger in Afghanistan die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe droht (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG), ist nicht ersichtlich.
Ferner hat der Kläger zur Überzeugung des Gerichts auch keine stichhaltigen Gründe für die Annahme vorgetragen, dass er mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit befürchten muss, dass ihm bei einer Rückkehr nach Afghanistan von staatlichen bzw. nichtstaatlichen Stellen eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung droht (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG).
a) Volkszugehörige der Hazara unterliegen in Afghanistan zwar einer gewissen Diskriminierung, sind aber weder in ganz Afghanistan noch in der Heimatprovinz des Klägers einer an ihre Volks- oder Religionszugehörigkeit anknüpfenden, gruppengerichteten politischen oder religiösen Verfolgung oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung durch die Taliban oder andere nichtstaatliche Akteure ausgesetzt (BayVGH, B.v. 14.8.2017 – 13a ZB 17.30807 – juris Rn. 17 und Rn. 19; B.v. 20.1.2017 – 13a ZB 16.30996 – juris Rn. 11 m.w.N.; B.v. 4.1.2017 – 13a ZB 16.30600 – juris Rn. 6; B.v. 19.12.2016 – 13a ZB 16.30581 – juris Rn. 4; VG Lüneburg, U.v. 15.5.2017 – 3 A 156/16 – juris Rn. 24; VG Düsseldorf, U.v. 5.1.2017 – 18 K 2043/15.A – juris Rn. 30 m.w.N.; VG Greifswald, U.v. 2.12.2016 – 3 A 1400/16 – juris Rn. 26; VG Augsburg, U.v. 7.11.2016 – Au 5 K 16.31853 – juris Rn. 33; VG Würzburg, U.v. 28.10.2016 – W 1 K 16.31834 – juris Rn. 19). Gemäß der aktuellen Auskunftslage, insbesondere nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes, hat sich die Lage für die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten Hazara grundsätzlich verbessert (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan vom 19.10.2016, S. 9; vgl. VG Lüneburg, U.v. 6.2.2017 – 3 A 140/16 – juris Rn. 42 m.w.N., VG München, U.v. 18.12.2017 – M 26 K 17.33789). Für eine staatliche Verfolgung oder Diskriminierung der Hazara gibt es keine Anhaltspunkte. Auch aus einer für Volkszugehörige der Hazara prekären Sicherheitslage lässt sich nicht auf eine Verfolgungsdichte nach den Anforderungen einer Gruppenverfolgung schließen. Auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg hierzu wird Bezug genommen (VGH BW, U.v. 17.1.2018 – A 11 S 241/17 – juris Rn. 76 ff.; durch diese Entscheidung wurde auch der mit Schriftsatz vom 5. März 2018 hilfsweise erhobene Antrag, das Verfahren bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg über die Frage, ob einem alleinstehenden jungen gesunden afghanischen Mann als Angehöriger der Hazara in Kabul im Hinblick auf die aktuelle allgemeine Sicherheitslage und die Möglichkeit der Existenzsicherung interner Schutz zur Verfügung steht, obsolet). Dabei werden insbesondere auch folgende Erkenntnisse berücksichtigt: Nach den Erkenntnissen des UNHCR werden Hazara bis zu einem gewissen Grad weiterhin diskriminiert. Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben in lokal unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf (vgl. Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan vom 19.10.2016, Stand September 2016). Insbesondere Paschtunen hätten Vorbehalte gegenüber den in der Vergangenheit an den Rand gedrängten und diskriminierten Hazara, die seit dem Sturz der Taliban 2001 deutliche wirtschaftliche und politische Fortschritte gemacht hätten. Die Hazara würfen der Regierung vor, Paschtunen zum Nachteil anderer Ethnien, insbesondere der Hazara, zu bevorzugen. In bestimmten Gebieten könne es zu Übergriffen von Taliban und anderen Regierungsgegnern kommen, die möglicherweise an die Volksbzw. schiitische Religionszugehörigkeit anknüpften. Es gebe Berichte über Belästigungen, Einschüchterungen bis hin zu Tötungen. In den Provinzen Wardak und Ghazni gebe es immer wieder gewalttätige Auseinandersetzungen um Weideland zwischen paschtunischen Nomaden (Kuchis) und dort sesshaften Hazara (vgl. UNHCR: Eligibilty Guidelines for assessing the international protection needs of asylum-seekers from Afghanistan, 19. April 2016, S. 67 f., 75 f.). Im Jahr 2015 habe es Entführungen von Hazara auf der Fern Straße zwischen … und … sowie der Straße von … nach … in der Provinz … gegeben. Mehrere Hazara seien vermutlich von Anhängern des sog. Islamischen Staates getötet worden. Der sogenannte Islamische Staat in der Provinz Khorasan (ISPK) führte auch Anschläge gegen Zivilisten durch, insbesondere gegen die schiitische Minderheit der Hazara, die auch wegen der Teilnahme afghanischer Schiiten am Kampf gegen den IS auf Seiten des syrischen Regimes im Brennpunkt des ISPK steht. Landesweit schreibt UNAMA dem ISPK 899 zivile Opfer (209 Tote und 690 Verletzte) im Jahr 2016 zu und spricht von einer Verzehnfachung der von dem ISPK verursachten Opferzahl gegenüber dem Vorjahr. Über die Hälfte der 2016 getöteten und verletzten Zivilisten, nämlich 85 Tote und 413 Verletzte, fiel einem Anschlag auf eine Demonstration in Kabul am 23. Juli 2016 zum Opfer, an der in erster Linie Angehörige der Hazara teilnahmen. Anschläge des ISPK auf Hazara in deren angestammten Siedlungsgebiet in der zentralen Hochlandregion sind aber bislang nicht bezeugt (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebeurteilung für Afghanistan nach dem Anschlag am 31. Mai 2017, Stand Juli 2017, vom 28.7.2017, S. 10). Weitere Entführungen von Angehörigen der Volksgruppe der Hazara durch vermutlich andere Tätergruppen habe es in den Provinzen … und … gegeben (vgl. Auswärtiges Amt: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan vom 6.11.2015, Stand November 2015). Die Unterstützungsmission der Vereinten Nationen registrierte 2015 20 Entführungsfälle durch Regierungsgegner mit mindestens 146 entführten Hazara, von denen 13 ermordet worden seien. Sieben von ihnen seien nach ihrer Verschleppung in die Provinz … die Kehlen durchgeschnitten worden. Soweit bekannt, seien die Motive Lösegelderpressung, Gefangenenaustausch, unterstellte Zugehörigkeit zu den Sicherheitskräften oder die Weigerung illegale Abgaben zu entrichten, gewesen. Bis auf einen ereigneten sich die Fälle in gemischtethnischen Gebieten der Provinzen Ghazni, Balkh, Sari Pul, Faryab, Uruzgan, Baghlan, Wardak, Jawzjan und Ghor (vgl. UNAMA, Stand Februar 2016: Afghanistan. Annual Report 2015. Protection of Civilians in Armed Conflict. Kabul, S. 49 f.). Bei den oben geschilderten Entführungen und Ermordungen handelte es sich aber erkennbar um lokal begrenzte Einzelfälle, aus denen keine stichhaltigen Gründe abgeleitet werden können, wonach für den Kläger in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden drohe. Nach Bekanntwerden der Vorfälle in der Provinz Kabul kam es in der Hauptstadt Kabul und in anderen Städten zu Protesten tausender Menschen gegen die Übergriffe auf die Angehörigen der Hazara (vgl. Human Rights Watch vom 13.11.2015: Afghan Killings Highlight Risks to Ethnic Hazaras, https://www.ecoi.net/local_link/315034/453623_de.html, Abruf am 14.01.2016; UNAMA a.a.O., S. 50). Dies zeigt, dass der von sunnitischen Extremisten gegen die überwiegend schiitischen Hazara gerichtete Hass in weiten Teilen der Gesellschaft keine Unterstützung findet. Die sonstigen in Einzelfällen weiterhin bestehenden Benachteiligungen stellen grundsätzlich keine Eingriffe von erheblicher Intensität dar. Anzeichen dafür, dass die Hazara allein wegen ihrer Volkszugehörigkeit landesweit einer gezielten Verfolgung oder Gefährdung im Sinne des § 4 AsylG unterliegen, liegen jedenfalls nicht vor (so auch st. Rspr. BayVGH, B.v. 14.8.2017 – 13a ZB 17.30807 – juris Rn. 19; vgl. zur aktuellen Gefährdungslage der Angehörigen der Volksgruppe der Hazara insbesondere VGH BW, U.v. 17.01.2018 – A 11 S 241/17 – juris; VG Lüneburg, U.v. 13.6.2017 – 3 A 136/16 – juris Rn. 25 ff.).
Eine Pflicht zur weiteren Sachaufklärung ergab sich auch nicht aus dem Antrag im Schriftsatz vom 5. März 2018, Beweis über die Situation der Hazara in Afghanistan zu erheben. Beweisanträge müssten in der mündlichen Verhandlung gestellt und in das Sitzungsprotokoll aufgenommen worden sein. Bei einem entsprechenden Begehren in der schriftlichen Klagebegründung handelt es sich lediglich um die Ankündigung eines Beweisantrags, die, wenn sie in der mündlichen Verhandlung nicht wahrgemacht wird, als bloße Anregung zu verstehen ist, in der gewünschten Weise im Rahmen der gerichtlichen Pflicht zur Sachaufklärung nach § 86 Abs. 1 VwGO zu ermitteln (BayVGH, B.v. 30.5.2016 – 13a ZB 16.30053 – juris Rn. 7). Aufgrund der oben dargestellten aktuellen Rechtsprechung und Erkenntnislage war der entsprechenden Beweisanregung nicht nachzugehen.
b) Insbesondere kann der Umstand, dass der Kläger Schiit ist, nicht zur Bejahung einer Verfolgung wegen seiner Rasse oder Religion im Sinne von § 3 AsylG bzw. unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung im Sinne von § 4 AsylG führen. Zwar ist der überwiegende Anteil der afghanischen Bevölkerung sunnitischer Religionszugehörigkeit, aber Auseinandersetzungen sind selten und seit dem Ende des Taliban-Regimes hat sich die Situation der schiitisch-muslimischen Gemeinde wesentlich verbessert (vgl. VG München, U.v. 16.1.2018 – M 17 K 17.32938; VG Lüneburg, U.v. 6.2.2017 – 3 A 140/16 – juris Rn. 42 m.w.N.).
c) Eine Verfolgung des Klägers aufgrund der Funktion seines Vaters ist nicht beachtlich wahrscheinlich. Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 19. Oktober 2016 erklärte der Kläger, dass sein Vater Lehrer gewesen sei und die Mujaheddin unterstützt habe. Als der heute 20-jährige Kläger sieben Jahre alt gewesen sei, hätten die Taliban den Vater verschleppt und bis heute hätte man nichts mehr von ihm gehört. Seine Mutter habe ihm erzählt, dass eines Nachts zwei Männer zu ihnen nach Hause gekommen seien und die Hilfe des Vaters angefragt hätten. Seitdem sei er verschwunden. In der mündlichen Verhandlung am … März 2018 erklärte der Kläger, dass es nicht richtig sei, soweit in der Niederschrift über seine Anhörung aufgenommen wurde, dass sein Vater Mujaheddin unterstützt habe. Sein Vater hätte ein paar mächtige Freunde gehabt, die für die Regierung gearbeitet haben. Falls jemand ein Problem hatte, habe sein Vater aufgrund seiner Kontakte zwischen den Beteiligten vermittelt und so des Öfteren eine Lösung herbeiführen können. Sein Vater sei als Lehrer aktiv gewesen. Zudem habe er auch ehrenamtlich anderen Menschen als eine Art Sozialarbeiter geholfen.
Schon der Kläger selbst trägt aber nicht vor, dass das Verschwinden seines Vaters vor über 13 Jahren ihn oder seine Familie veranlasst hätte, ihr Heimatland Afghanistan zu verlassen. Es ist aus dem Vortrag des Klägers nicht ersichtlich, dass ihm aufgrund der Funktion seines Vaters eine Verfolgung bzw. eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung in Afghanistan gedroht hätte oder drohen würde. Vielmehr war seine Familie auch nach der Entführung seines Vaters über mehr als 10 Jahre in der Lage unbehelligt und ohne jegliche Übergriffe in Afghanistan zu leben.
d) Soweit der Kläger vorträgt, ihm würde bei der Rückkehr nach Afghanistan eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung durch Taliban drohen, die den Aufenthaltsort eines gewissen … in Erfahrung bringen wollten, ist dies nicht beachtlich wahrscheinlich.
Der Begriff der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG ist im Gesetz nicht näher definiert. Da die Vorschrift der Umsetzung der RL 2011/95/EU dient, ist sie in Übereinstimmung mit dem entsprechenden Begriff in Art. 15b RL 2011/95/EU auszulegen. Unter Heranziehung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) zu Art. 15b RL 2011/95/EU und des EGMR zu Art. 3 EMRK ist unter einer unmenschlichen Behandlung die absichtliche, d.h. vorsätzliche Zufügung schwerer körperlicher oder seelischer Leiden, die im Hinblick auf Intensität und Dauer eine hinreichende Schwere aufweisen, zu verstehen (vgl. VGH BW, U.v. 17.1.2018 – A 11 S 241/17 – juris Rn. 156 ff. unter Verweis auf EGMR, U.v. 21.01.2011 – 30696/09 – (M.S.S./Belgien und Griechenland), NVwZ 2011, 413 Rn. 220 m.w.N. sowie vom 11.07.2006 – 54810/00 – (Jalloh/ Deutschland), NJW 2006, 3117 Rn. 67; BVerwG, U.v. 31.01.2013 – 10 C 15.12 – NVwZ 2013, 1167 Rn. 22 ff. m.w.N.; siehe auch Hailbronner, Ausländerrecht, Mai 2017, § 4 AsylG Rn. 22 ff. und Jarass, Charta der Grundrechte, 3. Aufl. 2016, Art. 4 Rn. 9.). Es muss zumindest eine erniedrigende Behandlung in der Form einer einen bestimmten Schweregrad erreichenden Demütigung oder Herabsetzung vorliegen. Diese ist dann gegeben, wenn bei dem Opfer Gefühle von Furcht, Todesangst und Minderwertigkeit verursacht werden, die geeignet sind, diese Person zu erniedrigen oder zu entwürdigen und möglicherweise ihren psychischen oder moralischen Widerstand zu brechen (vgl. auch dazu im Einzelnen ausführlich Hailbronner, Ausländerrecht, Mai 2017, § 4 AsylG Rn. 22 ff., insbesondere Rn. 24, 25).
Wie bei der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gilt auch im Rahmen des subsidiären Schutzes für die Beurteilung der Frage, ob ein ernsthafter Schaden droht, der einheitliche Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit. Dieser aus dem Tatbestandsmerkmal „… tatsächlich Gefahr liefe …“ des Art. 2f RL 2011/95/EU abzuleitende Maßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des EGMR, der bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr abstellt („real risk“; BVerwG, U.v. 17.11.2011 – 10 C 13.10 – NVwZ 2012, 454 Rn. 20; vgl. auch BVerwG, U.v. 20.03.2013 – 10 C 23.12 – NVwZ 2013, 936 Rn. 32). Auch im Rahmen des § 4 AsylG ist der der Prognose zugrunde zu legende Wahrscheinlichkeitsmaßstab ist unabhängig davon, ob der Betroffene bereits vor seiner Ausreise einen ernsthaften Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 erlitten hat, dies stellt aber einen ernsthafter Hinweis dar, dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden. Denn auch diesbezüglich gilt die Vermutung gemäß Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU.
Gemessen daran ist es nach Überzeugung des Gerichts nicht beachtlich wahrscheinlich, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan tatsächlich Gefahr läuft, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung durch kriminelle Dritte zu erleiden.
Bei seiner persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt am … Oktober 2016 trug der Kläger im Wesentlichen vor, dass ein Freund des Vaters namens … eine hohe Position in der Regierung der Provinz inne gehabt habe. Irgendwann zwischen 2011 und 2012, mithin vor über sechs Jahren, sei … dann mit seiner Familie geflüchtet. Sieben oder acht Monate danach seien zwei maskierte Männer gekommen, hätten die Mutter mit den Kolben ihrer Kalaschnikows und auch den Kläger und seine Schwestern geschlagen. Sie hätten seiner Mutter gedroht, dass sie sie nicht einfach töten, sondern ihnen so lange ihre Körperteile abschneiden würden, bis sie ihnen den Aufenthaltsort von … mitteilten. Erst danach würden sie sie umbringen. Der Kläger wisse nicht, wer diese beiden Männer gewesen seien oder zu welcher Gruppe diese gehörten. Er sei damals noch sehr klein gewesen. Außer, dass der Kläger bei dem Vorfall geschlagen worden sei, sei ihm nichts passiert. In der mündlichen Verhandlung ergänzte der Kläger, dass die beiden Männer ihn zweimal mit ihren Kalaschnikows in den Rücken geschlagen hätten. Nach diesem Vorfall (und auch schon davor), habe die Mutter dann die Ausreise vorbereitet. Zwischen dem Vorfall und ihrer Ausreise aus Afghanistan hätten laut Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung ca. drei Monate gelegen. In dieser Zeit habe seine Mutter Pässe und die notwendigen Dinge organisiert, die für unsere Ausreise erforderlich waren.
Der einmalige Vorfall weist gegenüber dem Kläger aber bereits nicht die notwendige Intensität und den Schweregrad auf, um eine stattgefundene unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Heimatland annehmen zu können. Vielmehr handelt es sich um kriminelles Unrecht, in deren Fokus nicht primär der damals 14-jährige Kläger, sondern der Freund des Vaters namens … und in zweiter Linie die Mutter des Klägers stand, die dessen Aufenthaltsort preisgeben sollte. Dafür, dass eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung bei Rückkehr des Klägers nicht beachtlich wahrscheinlich ist, spricht auch der Gesichtspunkt, dass seine Familie drei Monate nach dem Vorfall unbehelligt in ihrem Wohnhaus haben leben können, ohne erneut Opfer eines kriminellen Überfalls zu werden. Zumal nicht bekannt ist, welcher Gruppierung die Männer angehörten und damit bereits infrage steht, ob es sich hierbei überhaupt um geeignete Akteure im Sinne des §§ 4 Abs. 3 i.V.m. § 3c AsylG gehandelt hat. Sollte es sich bei dem Freund des Vaters namens … tatsächlich um einen hohen Regierungsvertreter der Provinz Wardak, oder gar dem einstigen dortigen Gouverneur gehandelt haben, ist nicht beachtlich wahrscheinlich, dass sich die damaligen Verfolger bei einer Rückkehr des Klägers auch heute noch an diesen wenden würden, um den Aufenthaltsortes des Herrn … ausfindig zu machen. Insofern kämen angesichts der Stellung des Herrn … andere geeignetere Personen, wie enge Vertraute, Familienangehörige oder jahrelange Freunde als offenkundig bessere Erkenntnisquellen in Betracht als der Kläger.
e) Unabhängig davon ist aber auch davon auszugehen, dass für den Kläger im Hinblick auf seine unter 3.1.1. d) geschilderten individuellen Umstände gemäß § 4 Abs. 3 AsylG i.V.m. § 3e Abs. 1 AsylG, Art. 8 Abs. 1 QualRL eine sogenannte interne Schutzalternative hinsichtlich einer Bedrohung durch die vermeintlichen Verfolger besteht. Aus den dargestellten Gründen ist nicht anzunehmen, dass der Kläger gezielt in den Fokus der Männer oder gar der Taliban geraten wäre.
3.1.2. Aber auch eine ernsthafte Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines bewaffneten Konflikts im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG kann nicht bejaht werden.
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist rechtsgrundsätzlich geklärt, unter welchen Voraussetzungen eine erhebliche individuelle Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts anzunehmen ist. Entsprechend ist zu prüfen, ob von einem bewaffneten Konflikt in der Zielregion für eine Vielzahl von Zivilpersonen eine allgemeine Gefahr ausgeht, die sich in der Person des Klägers so verdichtet, dass sie für diesen eine erhebliche individuelle Gefahr darstellt (vgl. BayVGH, B.v. 17.1.2017 – 13a ZB 16.30182 – juris Rn. 4; BVerwG, U.v. 13.2.2014 – 10 C 6.13 – NVwZ-RR 2014, 487 = juris Rn. 23; BVerwG, U.v. 17.11.2011 –10 C 13.10 – NVwZ 2012, 454 = juris Rn. 17; BVerwG, B.v. 27.6.2013 – 10 B 11.13 – juris Rn. 7; U.v. 17.11.2011 a.a.O.; U.v. 27.4.2010 – 10 C 4.09 – BVerwGE 136, 360; U.v. 24.6.2008 – 10 C 43.07 – BVerwGE 131, 198).
Das Bestehen individueller, gefahrerhöhender Umstände, die eine Gefährdung im o.g. Sinne dennoch begründen könnten, ergibt sich für den Kläger nach dessen Vorbringen nicht in einem rechtlich relevanten Maße (zu Hazara s.o. und VGH BW, U.v. 17.01.2018 – A 11 S 241/17 – juris).
In Bezug auf die Provinz … hat sich die Sicherheitslage trotz der aktuellen Häufung von Anschlägen nicht derart verschärft, dass jede Zivilperson unabhängig von besonderen gefahrerhöhenden Umständen allein aufgrund ihrer Anwesenheit im betreffenden Gebiet konkret und individuell gefährdet ist, einen ernsthaften Schaden zu erleiden (vgl. VG Lüneburg, U.v. 27.2.2018 – 3 A 152/17 – juris Rn. 35 ff.; VG Köln, U.v. 5.12.2017 – 14 K 2607/17.A – juris Rn. 61 ff.; VG Bayreuth, U.v. 4.9.2017 – B 6 K 17.30678 – juris, Rn. 56, 62). Die Wahrscheinlichkeit für Zivilpersonen dort verletzt oder getötet zu werden ist nicht so hoch, dass jeder Zivilperson aus der Provinz … subsidiärer Schutz zuzuerkennen wäre.
In der Zentralregion Afghanistans, zu der auch die Provinz … gehört, wurden laut UNAMA (UNAMA, Afghanistan, Protection of Civilians in Armed Conflict, Annual Report 2017 vom Februar 2018, https://unama.unmissions.org/protection-of-civilians-reports, S. 7, S. 67) im Jahr 2017 2.240 Zivilpersonen getötet oder verletzt (2016: 2.348). Im Verhältnis zur Einwohnerzahl (ca. 6,5 Millionen; vgl. VG Lüneburg, U.v. 6.2.2017 – 3 A 140/16 – juris Rn. 32) ergibt sich ein Risiko von 1:2902 (bei Berücksichtigung einer hohen Dunkelziffer von 1:967), verletzt und getötet zu werden (vgl. auch VGH BW, U.v. 9.11.2017 – A 11 S 789/17 – UA S. 45 ff.– juris).
Eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH, B.v. 20.2.2018 – 13a ZB 17.31970; B.v. 14.8.2017 – 13a ZB 17.30807 – jeweils juris) für keine Region Afghanistans angenommen und die Lage in Afghanistan nicht derart eingeschätzt, dass eine Abschiebung ohne weiteres eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und subsidiärer Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG anzunehmen wäre (für die Stadt Kabul: BayVGH, B.v. 11.4.2017 – 13a ZB 17.30294 – juris – unter Bezugnahme auf U.v. 12.2.2015 – 13a B 14.30309 – juris – und Verweis auf BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – NVwZ 2013, 1167; BayVGH, B.v. 3.2.2017 – 13a ZB 16.31045 – juris – zur Nordostregion; B.v. 11.4.2017 – 13a ZB 17.30294 – juris).
Hieran ändert auch nichts, dass der Security Council der General Assembly der UN in den Berichten des Generalsekretärs „The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security” vom 03.03. und 15.06.2017 im Zeitraum vom 18.11.2016 bis 14.02.2017 5.160 security-related incidents (sicherheitsbezogene Vorfälle), von Januar bis einschließlich März 2017 5.687 security-related incidents und im Zeitraum vom 01.03. bis 31.05.2017 6.252 security-related incidents (S. 4) verzeichnete. Insoweit spricht er von einem zehnprozentigen Zuwachs im Zeitraum vom November 2016 bis Februar 2017 im Vergleich zur selben Periode im Jahr 2015 und einem dreiprozentigen Zuwachs im Vergleich zum Jahr 2014 sowie einem zweiprozentigen Zuwachs für den Zeitraum vom 01.03. bis 31.05.2017 im Vergleich zum Vorjahr.
Dass die Opferzahlen – bei anderer Zählweise – höher liegen können, wie teils eingewandt wird (vgl. Stahlmann, Asylmagazin 2017, 82 mit Fn. 2), ändert an dieser Bewertung nichts, denn die von UNAMA mitgeteilten Daten sind methodisch nachvollziehbar ermittelt und auch deswegen belastbar, da sie von einer von der internationalen Staatengemeinschaft getragenen Organisation stammen (VG Bayreuth, U.v. 26.7.2017 – B 6 K 17.30520 – juris 49). Dass die Methodik der UNAMA überholt wäre, die Informationen an offen erkennbaren inhaltlichen Defiziten litten, insbesondere an entscheidungserheblichen unzutreffenden Tatsachenannahmen, unlösbaren Widersprüchen, sich aus den Stellungnahmen ergebenden Zweifeln an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit oder eines speziellen, hier nicht vorhandenen Fachwissens bedürften (vgl. BVerwG, U.v. 22.10.2015 – 7 C 15.13 – NVwZ 2016, 308/312 Rn. 47 m.w.N.), ist weder ersichtlich noch substantiiert gerügt. Im Gegenteil liegen für Afghanistan mangels Einwohnermeldewesens auch für die Bevölkerungszahlen nur Schätzungen vor (dies räumt auch Stahlmann, Asylmagazin 2017, 73/74 ein), so dass jede Datenerhebung schon deswegen an tatsächliche Grenzen stößt. Dass und weshalb andere Auskunftsquellen methodisch belastbarere Primärdaten hätten, ist nicht ersichtlich, so dass die Daten von UNAMA weiterhin zu Grunde gelegt werden.
Auch die medial sehr präsenten Anschläge in Afghanistan seit Mai 2017 (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 19.06.2017 zu Afghanistan: Sicherheitslage in der Stadt Kabul, S. 4 ff; http://www.zeit.de/thema/afghanistan) vermögen es nicht, diese Einschätzung zu widerlegen (so etwa auch: OVG NW, B. v. 10.7.2017, Az. 13 A 1385 (17.A); VGH BW, U.v. 9.11.2017 – A 11 S 789/17 – juris; s. auch AA, Lagebeurteilung für Afghanistan nach dem Anschlag am 31.5.2017 vom 28.7.2017, Rn. 30 ff). Die aktuelle Entwicklung der Opferzahlen in Afghanistan lässt keine einheitliche Tendenz erkennen. Während die Opferzahlen für das erste Halbjahr 2017 in einigen Regionen gegenüber dem Vorjahr Steigerungen aufweisen, können in der Zentralregion, der östlichen, der südöstlichen, der nördlichen und der nordöstlichen Region Afghanistans leichte Rückgänge verzeichnet werden (vgl. UNAMA, United Nations Assistance Mission in Afghanistan, Afghanistan, Protection of civilians in armed conflict, Midyear Report 2017, Juli 2017 S. 10).
Das Bundesverwaltungsgericht hat zwar entschieden, dass es neben der quantitativen Ermittlung des Risikos, in der Rückkehrprovinz verletzt oder getötet zu werden, auch einer wertenden Gesamtbetrachtung des statistischen Materials mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen bei der Zivilbevölkerung bedarf. Ist allerdings die Höhe des quantitativ festgestellten Risikos eines dem Kläger drohenden Schadens – wie hier – weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt, vermöge sich das Unterbleiben einer wertenden Gesamtbetrachtung im Ergebnis nicht auszuwirken. Zudem sei die wertende Gesamtbetrachtung erst auf der Grundlage der quantitativen Ermittlung der Gefahrendichte möglich (U.v. 13.2.2014 – 10 C 6.13 – juris Rn. 24; 17.11.2011 – 10 C 13.10 – juris Rn. 23; 27.4.2010 – 10 C 4.09 – juris Rn. 33).
Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus den aktuellen Anmerkungen von UNHCR zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des deutschen Bundesministeriums des Innern vom Dezember 2016. Die Bewertung beruht auf den vom UNHCR selbst angelegten Maßstäben, die sich nicht mit den dargelegten Anforderungen des Bundesverwaltungsgerichts an einen bewaffneten Konflikt und eine erhebliche individuelle Gefährdung decken (vgl. BayVGH, B.v. 11.4.2017 – 13a ZB 17.30294 – juris Rn. 6 f.; B.v. 4.4.2017 – 13a ZB 17.30231 – juris Rn. 12; B.v. 28.3.2017 – 13a ZB 17.30212 – juris Rn. 5; B.v. 25.1.2017 – 13a ZB 16.30374 – juris Rn. 11; B.v. 20.1.2017 – 13a ZB 16.30996 – juris Rn. 9; VG Augsburg, U.v.19.12.2016 – Au 5 K 16. 31939 – juris Rn. 42).
Aus den sonstigen Ausführungen der Klägerbevollmächtigten ergeben sich keine anderen Ausgangsdaten, die darauf schließen ließen, dass die vom Gericht zugrunde gelegten Erkenntnisse zwischenzeitlich unrichtig oder überholt wären (vgl. VGH BW, U.v. 9.11.2017 – A 11 S 789/17 – juris). Auch der jüngste Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 28. Juli 2017 nimmt Bezug auf die UNAMA-Angaben. Das Auswärtige Amt kommt dabei zu der Schlussfolgerung, dass sich die Bedrohungslage für Zivilisten seit Ende der ISAF-Mission nicht wesentlich verändert habe (Lagebericht vom 28. Juli 2017, S. 8). Auch in den von Taliban beherrschten Gebieten würden diese selten unmittelbar gegen die lokale Bevölkerung vorgehen. Im Vergleich zu Sicherheitskräften, Vertretern der afghanischen Regierung und der internationalen Gemeinschaft werde daher die unmittelbare militante Bedrohung für die afghanische Bevölkerung – selbst in den Gebieten unter Taliban-Kontrolle – als niedrig bewertet (Lagebericht vom 28. Juli 2017, S. 9). Die Bedrohungslage für Zivilisten in Kabul habe mit 3 zivilen Opfern auf 10.000 Einwohner im Jahr 2016 im landesweiten Durchschnitt gelegen und sei damit deutlich weniger angespannt gewesen als in der südlichen oder der östlichen Region (Lagebericht vom 28. Juli 2017, S. 10). Laut UNHCR haben seit Anfang 2017 ca. 150.000 Personen aufgrund innerstaatlicher Konflikte ihren Wohnort innerhalb Afghanistans verlassen. Die meisten dieser Binnenvertriebenen stammen aus den von Kämpfen betroffenen Provinzen im Nordosten und Süden des Landes (über 100.000 Personen), weniger aus den Provinzen im Zentrum sowie im Westen des Landes (ca. 25.000 Personen). Sie suchen mehrheitlich innerhalb ihrer Provinz Zuflucht, daneben sind allerdings auch Fluchtbewegungen in die Provinz Kabul zu verzeichnen. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ist die Zahl der neu hinzugekommenen Binnenflüchtlinge um fast 25% gesunken (Lagebericht vom 28. Juli 2017, S. 10).
Nach alledem ist es angesichts der Bevölkerungszahl auf der einen und den Verletzten und getöteten Zivilpersonen auf der anderen Seite für eine Zivilperson auch bei einer wertenden Gesamtbetrachtung aller Umstände in der Provinz … nicht beachtlich wahrscheinlich, aufgrund eines sicherheitsrelevanten Vorfalls verletzt oder getötet zu werden (vgl. auch BayVGH, B.v. 17.08.2016 – 13a ZB 16.30090 – juris Rn. 10; OVG NW, B.v. 8.6.2016 – 13 A 1222/16.A – juris Rn. 10; NdsOVG, B.v. 27.4.2016 – 9 LA 46/16; B.v. 13.4.2015 – 9 LA 58/13).
3.2. Die zulässige Klage ist jedoch in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Afghanistans. Insoweit war der Bescheid des Bundesamtes vom 15. März 2017 in Nrn. 4, 5 und 6 aufzuheben (§ 113 Abs. 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO). Ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK erfüllt sind, bedarf keiner Prüfung, da es sich beim national begründeten Abschiebungsverbot um einen einheitlichen und nicht weiter teilbaren Verfahrensgegenstand handelt (BVerwG, U.v. 8.9.2011 – 10 C 14.10 – BVerwGE 140, 319 Rn. 16f.)
3.2.1. Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Umfasst werden von dieser Vorschrift nur sogenannte zielstaatsbezogene, individuell bestimmte Gefährdungssituationen. Die Vorschrift kann einen Anspruch auf Abschiebungsschutz begründen, wenn die Gefahr besteht, dass sich die Krankheit eines ausreisepflichtigen Ausländers in seinem Herkunftsland wesentlich verschlechtert. Für die Bestimmung der „Gefahr“ gilt der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, d.h. die drohende Rechtsgutverletzung darf nicht nur im Bereich des Möglichen liegen, sondern muss mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein (BVerwG, B.v. 2.11.1995 – 9 B 710/94 – juris). Eine Gefahr ist „erheblich“, wenn eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität zu erwarten ist. Das wäre der Fall, wenn sich der Gesundheitszustand des Ausländers wesentlich oder sogar lebensbedrohlich verschlechtern würde. Eine wesentliche Verschlechterung ist nicht schon bei einer befürchteten ungünstigen Entwicklung des Gesundheitszustandes anzunehmen, sondern nur bei außergewöhnlich schweren körperlichen oder psychischen Schäden. Außerdem muss die Gefahr konkret sein, was voraussetzt, dass die Verschlechterung des Gesundheitszustands alsbald nach der Rückkehr des Betroffenen in sein Herkunftsland eintreten wird, weil er auf die dort unzureichenden Möglichkeiten zur Behandlung seiner Leiden angewiesen wäre und anderswo wirksame Hilfe nicht in Anspruch nehmen könnte (vgl. BVerwG, U.v. 29.7.1999 – 9 C 2/99 – juris Rn. 8). Der Abschiebungsschutz aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG dient hingegen nicht dazu, eine bestehende Erkrankung optimal zu behandeln oder ihre Heilungschancen zu verbessern. Diese Vorschrift begründet insbesondere keinen Anspruch auf Teilhabe am medizinischen Fortschritt und Standard in der medizinischen Versorgung in Deutschland (vgl. VG Arnsberg, B.v. 23.2.2016 – 5 L 242/16.A – juris Rn. 64 m.w.N.).
Mit der ab dem 17. März 2016 geltenden gesetzlichen Regelung hat auch der Gesetzgeber klargestellt, dass eine erhebliche konkrete Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG aus gesundheitlichen Gründen nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, vorliegt (vgl. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG). Es wird im Falle einer Erkrankung nicht vorausgesetzt, dass die medizinische Versorgung im Herkunftsland mit der Versorgung in Deutschland gleichwertig ist (vgl. § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG). Nach der Gesetzesbegründung kann eine schwerwiegende Erkrankung in Fällen einer posttraumatischen Belastungsstörung regelmäßig nicht angenommen werden, sondern nur ausnahmsweise, wenn die Abschiebung zu einer wesentlichen Gesundheitsgefährdung bis hin zu einer Selbstgefährdung führt (vgl. BT-Drs. 18/7538 S. 18).
Zwar begründet eine Selbstmordgefahr, die in Verbindung mit einer bevorstehenden Abschiebung steht, kein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, sondern allenfalls ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis, das gemäß § 60a AufenthG gegenüber der Ausländerbehörde geltend zu machen ist (BVerfG, B.v. 26.2.1998 – 2 BvR 185/98 – juris). Das Gericht ist aber davon überzeugt, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan wegen seiner psychischen Erkrankung alsbald in eine lebensbedrohliche Situation geraten würde.
3.2.2. Eine lebensbedrohliche Situation ist für den Kläger, der sich im Jahr 2015 für zehn Tage in der geschlossenen Kinder- und Jugendpsychiatrie aufgehalten und sich seitdem in fachärztlicher psychiatrischer Behandlung befindet, bei einer Rückkehr nach Afghanistan zu befürchten, weil er derzeit ausweislich der vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen an einer mittelgradigen depressiven Episode (F 32.1) und Posttraumatischen Belastungsstörung (F 43.1) leidet und eine medizinische Behandlung des Klägers in Afghanistan nicht erreichbar ist.
Nach dem Attest des Heckscher-Klinikums vom 24. April 2015 hielt sich der Kläger bereits im Jahr 2015 für zehn Tage in der geschlossenen Kinder- und Jugendpsychiatrie auf. Ihm wurden dabei eine mittelgradige depressive Episode (F.32.1) diagnostiziert. In dem Attest des Heckscher-Klinikums heißt es, dass der Kläger seit kurzem an suizidalen Gedanken leide. Insbesondere beeinträchtige ihn die Ungewissheit über den Verbleib seiner Mutter und seiner zwei jüngeren Schwestern, die von ihm bei einem Überfall an der Grenze Iran/Türkei getrennt worden seien. Er selbst sei bei diesem Überfall von einem Zaun gestürzt und bewusstlos zusammengebrochen. Von diesem Unfall habe er Narben an Armen und Beinen. Es bestehe keine Distanzierung von akuter Suizidalität. Aufgrund der Vorberichte, der Anamnese und Beobachtung der diagnostisch von einer mittelgradig depressiven Episode aufgrund von multiplen Belastungsfaktoren und teilweise traumatischen Erfahrungen während der Flucht des Klägers ausgegangen. In diesem Rahmen sei es im Vorfeld auch zu der beschriebenen suizidalen Krise gekommen.
Anschließend wurde der Kläger ambulant bis Anfang 2017 von … behandelt. Nach dem fachärztlichen Attest des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie … vom … August 2017 befindet sich der Kläger seit dem 29. Mai 2017 in seiner fachärztlichen psychiatrischen Behandlung mit den Diagnosen mittelgradige depressive Episode (F 32.1) und Posttraumatische Belastungsstörung (F 43.1). Der Kläger habe in seiner Heimat als auch auf der Flucht lebensbedrohliche Situationen erlebt und traumatisierende Erfahrungen gemacht. Seither leide der Kläger unter Ängsten, Reizbarkeit, Hypervigilanz, Schreckhaftigkeit, Schlafstörungen, Albträumen, “flash backs“ und Konzentrationsstörungen. Er habe eine niedergedrückte Stimmung, sei in sich gekehrt. Interesse- und Freudefähigkeit sowie Antrieb seien deutlich gemindert. Eine regelmäßige psychiatrische und auch medikamentöse Behandlung sei erforderlich und werde mindestens für die Dauer von sechs bis neun Monaten voraussichtlich erforderlich bleiben. Ebenso sei eine psycho-therapeutische Mitbehandlung in der Muttersprache bei Refugium geplant. Eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis sei die Bedingung für eine Weiterführung der notwendigen Behandlungsmaßnahmen, ohne die eine Gefahr für die Gesundheit (auch bei nicht auszuschließender möglicher Selbstgefährdung) des Klägers bestehen würde. Mit Schriftsatz vom 7. Dezember 2017 legte die Klägerbevollmächtigte ein weiteres fachärztliches Attest des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie … vom … November 2017 mit den Diagnosen rezidivierende depressive Störung ggw. mittelgradige Episode (F 33.1G) und Anpassungsstörung, Angst und depressive Reaktion, gemischt (F 43.21G) vor. Die letzte Untersuchung des Klägers habe am … Oktober 2017 stattgefunden. Erneut wurde vorgetragen, dass der Kläger seit seiner Flucht aus Afghanistan an Ängsten und depressiven Symptomen leide. Er beklage Ein- und Durchschlafstörungen, fühle sich oft antriebsarm, müde und erschöpft. Affektiv fühle er sich oft niedergestimmt, die Freud- und Interessefähigkeit sei gemindert. Unter Belastung bekäme er gelegentlich Panikattacken mit Luftnot und Herzschmerzen. Die Konzentrationsfähigkeit und Aufmerksamkeit seien reduziert. Er leide unter den Erlebnissen in der Kindheit und auf der Flucht. Besonders belastend sei für den Kläger, dass er seine Mutter und Geschwister auf der Flucht verloren, seither kein Kontakt mit ihnen habe und er nicht wisse, wie es ihnen gehe. Nachts träume er häufig von seiner Mutter. Tagsüber habe er Ängste und sei vermehrt schreckhaft. Im Vordergrund des aktuellen Beschwerdebildes stehe die depressive und ängstliche Symptomatik. Differenzialdiagnostisch wäre auch an eine posttraumatische Belastungsstörung zu denken, was im weiteren Verlauf der Behandlung abgeklärt werde. Medikamentös würde der Kläger derzeit mit Venlafax ret. 150 mg/Tag sowie Opipramol 50 mg bei Bedarf behandelt. Eine regelmäßige psychiatrische und auch medikamentöse Behandlung sei erforderlich und werde mindestens für die Dauer von 9 bis 12 Monaten voraussichtlich erforderlich bleiben. Eine psychologische Mitbehandlung in der Muttersprache sei geplant. Die Klägerbevollmächtigte legte am 3. Januar 2018 die Bestätigung des … vor, wonach der Kläger am 29. Mai 2017, 17. August 2017, … Oktober 2017 und am … Dezember 2017 behandelt worden sei. Nach der weiteren fachärztlichen Bescheinigung des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie … vom … Februar 2018 sei bei dem Kläger eine mittelgradige depressive Episode und eine posttraumatische Belastungsstörung festgestellt worden. Im Verlauf der letzten Monate habe sich keine Besserung der Symptomatik eingestellt. Der Kläger sei auf die regelmäßig Unterstützung und Hilfe zur Strukturierung in seiner derzeitigen Betreuungsstelle der Jugendhilfe angewiesen, um den Alltag zu bewältigen. In der mündlichen Verhandlung am 14. März 2018 erklärte die Bezugsbetreuerin der Einrichtung der Evangelischen Kinder- und Jugendhilfe Feldkirchen, dass der Kläger bereits frühmorgens Probleme habe aufzustehen. Er wirke wie verloren im Raum, sei unkonzentriert und auch nach dem Schulbesuch verwirrt. Er leide ständig unter Albträumen, weine sehr viel und mache auf sie einen sehr niedergeschlagenen Eindruck. Dies würde sie als seinen Dauerzustand beschreiben. Emotional leide er an vielen Up and Downs. Insgesamt würde sie sagen, dass er an den traumatischen Erlebnissen sehr leide. Er bedürfe einer großen Unterstützung in seinem alltäglichen Leben sowie therapeutischer Betreuung.
Die vorgelegten fachärztlichen Gutachten und Stellungnahmen sind nachvollziehbar und enthalten keine Widersprüche oder strukturellen Mängel.
Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die dargelegten derzeitigen Erkrankungen des Klägers in Afghanistan behandelt werden können. Insbesondere ist eine längerfristige psychiatrische Behandlung nicht gewährleistet. Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (U.v. 3.7.2012 – 13a B 11.30064 – juris; U.v. 17.3.2016 – 13a B 16.30007 – juris) sind derartige psychische Erkrankungen in Afghanistan nicht ausreichend behandelbar und führen grundsätzlich zu einem Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Laut Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 19. Oktober 2016 (S. 23 f.) leidet die medizinische Versorgung in Afghanistan trotz der erkennbaren und erheblichen Verbesserungen weiterhin an unzureichender Verfügbarkeit von Medikamenten und Ausstattung der Kliniken, insbesondere aber an fehlenden Ärzten sowie gut qualifiziertem Assistenzpersonal. Die Behandlung von psychischen Erkrankungen finde, abgesehen von einzelnen Pilotprojekten, nach wie vor nicht in einem ausreichenden Maß statt. Folgebehandlungen seien oft schwierig zu leisten, insbesondere, wenn Patienten kein unterstützendes Familienumfeld hätten. Sie würden nicht selten in spirituellen Schreinen unter teilweise unmenschlichen Bedingungen „behandelt“ oder es werde ihnen in einer „Therapie“ mit Brot, Wasser und Pfeffer der „böse Geist ausgetrieben“. Traditionell mangele es in Afghanistan an einem Konzept für psychisch Kranke. Auch nach Auskunft der schweizerischen Flüchtlingshilfe zur Behandlung von Trauma in Kabul vom 11. März 2009 sei der Zugang zu psychosozialer Traumabehandlung in Afghanistan sehr limitiert bis nicht vorhanden. Ohne die Unterstützung der Familie sei die Behandlung nicht möglich. Daran hat sich offenbar, wie sich aus dem aktuellen Lagebericht ergibt, nichts geändert (vgl. VG München, U.v. 4.10.2017 – M 17 K 34301; U.v. 2.10.2017 – M 17 K 17.34289; U.v. 27.1.2017 – M 15 K 16. 33242).
Damit ist mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass dem Kläger unter Berücksichtigung und Gesamtschau der sämtlicher vorgelegter Atteste und ärztlichen Stellungnahmen gegenwärtig bei einer Rückkehr nach Afghanistan wegen der fehlenden Behandlungsmöglichkeiten und familiären Unterstützung dort eine deutliche und alsbaldige Verschlechterung seiner zum Teil erheblichen psychischen Erkrankungen und damit eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG droht.
Es wird aber darauf hingewiesen, dass die Feststellung eines krankheitsbedingten, zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG im Asylverfahren kein Daueraufenthaltsrecht (vgl. § 25 Abs. 3 Satz 1, § 26 Abs. 1 Satz 4, Abs. 2, § 52 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 a) AufenthG) begründet, sondern – jedenfalls nach der klaren gesetzlichen Konstruktion – dazu dient, einer im Fall der Abschiebung aktuell und konkret in der Person eines Ausländers im Heimatland bestehenden erheblichen Gefahrenlage für hochrangige Schutzgüter vorübergehend zu begegnen. Die Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist deshalb auch nach § 73 c AsylG durch das Bundesamt, ohne dass diesem insoweit ein Ermessen zukäme (vgl. BVerwG, U.v. 29.6.2015 – 1 C 2/15 – juris Rn. 15; BayVGH, B.v. 22.7.2015 – 13a ZB 15.30130 – juris Rn. 7), zu widerrufen, sobald seine Voraussetzungen nicht mehr vorliegen.
4. Aufgrund des Vorliegens eines Abschiebungsverbotes waren auch die Abschiebungsandrohung in Nr. 5 und das auf 30 Monate festgesetzte Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 AufenthG (Nr. 6) aufzuheben (vgl. § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylG).
5. Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich des zurückgenommenen Teils der Klage auf § 155 Abs. 2 VwGO, im Übrigen auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 83 b AsylG gerichtskostenfrei. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
6. Die Entscheidungen über die Einstellung des Verfahrens (Nr. I des Tenors) ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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