Verwaltungsrecht

Altersgrenze für die Berufung in das Beamtenverhältnis, Diskriminierung, Ermessen

Aktenzeichen  3 ZB 22.358

Datum:
7.3.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 4460
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBG Art. 23 Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

Verfahrensgang

Au 2 K 20.1068 2021-12-16 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Das Verfahren wird eingestellt.
II. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 16. Dezember 2021 ist wirkungslos geworden.
III. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
IV. Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 37.934,44 € festgesetzt.

Gründe

1. Der 1956 geborenen Kläger, ein Gymnasiallehrer im Angestelltenverhältnis, beantragte unter dem 13. November 2018, ihn in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zu übernehmen. Das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 5. Februar 2019 ab. Widerspruch und Klage hiergegen blieben erfolglos. Im Antragsverfahren erklärten die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Der Kläger ist seit dem 1. Februar 2022 in Rente.
2. Das Verfahren ist aufgrund der übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten (Schriftsätze des Klägers vom 28. Februar 2022 und des Beklagten vom 3. März 2022) beendet und in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen; das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 16. Dezember 2021 ist wirkungslos geworden (§ 173 VwGO, § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO entsprechend).
Gemäß § 161 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist ferner über die Kosten des Verfahrens unter Berücksichtigung des bisherigen Streitgegenstandes nach billigem Ermessen durch Beschluss zu entscheiden. Billigem Ermessen entspricht es hier, die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen dem Kläger aufzuerlegen, weil er im Zulassungsverfahren ohne den Eintritt des erledigenden Ereignisses (Renteneintritt) voraussichtlich unterlegen wäre.
Aus dem Zulassungsvorbringen hätten sich voraussichtlich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ergeben.
a. Der Kläger rügt, das Verwaltungsgericht habe den eigentlichen Kern des Klagebegehrens, seine erfolgte Diskriminierung, nicht vollumfänglich berücksichtigt. Es seien weder die tatsächlich schon eingetretenen noch künftig bestehenden Benachteiligungen berücksichtigt und entsprechend ihres Gewichts gewürdigt worden.
Der Kläger ist gegenüber seinen verbeamteten Kollegen zweifellos benachteiligt. Das ist aber unmittelbare Konsequenz der Altersgrenze für die Berufung in das Beamtenverhältnis, die in Art. 23 Abs. 1 Satz 1 BayBG mit der Vollendung des 45. Lebensjahrs festgelegt ist.
Diese Bestimmung verstößt weder gegen das Grundgesetz noch gegen Unionsrecht. Zwar stellt die Regelung einen Eingriff in die Grundrechte der Bewerber aus Art. 33 Abs. 2 GG (Zugang zu öffentlichen Ämtern) und Art. 12 Abs. 1 GG (Berufsfreiheit) dar. Sie ist jedoch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vor dem Hintergrund des beamtenrechtlichen Lebenszeitprinzips gerechtfertigt, wonach der Dienstherr ein berechtigtes Interesse an einem angemessenen Verhältnis zwischen Lebensdienstzeit und Ruhestandszeit hat. Aus demselben Grund liegt auch kein Verstoß gegen die RL 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (RL 2000/78/EG) vor (BayVGH, B.v. 2.3.2020 – 3 ZB 19.1910 – juris Rn. 3 m.w.N.).
b. Mit seinem Hinweis, „der Ermessensspielraum von 2,5 Jahren über die 19,5 Jahre hinaus“ sei überschritten, bezieht sich der Kläger in der Sache nicht auf einen Ermessensgesichtspunkt, der bei der Ausnahmeentscheidung nach Art. 23 Abs. 1 Satz 2 BayBG zu berücksichtigen wäre. Vielmehr greift er einen Gesichtspunkt auf, den der (Landes) Gesetzgeber bei der Festlegung der Altersgrenze zu berücksichtigen hat.
Nach bayerischem Landesrecht beträgt das Ruhegehalt mindestens 35 v.H. der ruhegehaltfähigen Bezüge (Art. 26 Abs. 5 Satz 1 BayBeamtVG). Die zur Erdienung der Mindestversorgung erforderliche Dienstzeit beträgt 19,5 Jahre, da der Ruhegehaltssatz nach Art. 26 Abs. 1 Satz 2 BayBeamtVG für jedes Jahr ruhegehaltfähiger Dienstzeit 1,79375 v.H. beträgt. Diese rechnerische Größe stellt eine Orientierungshilfe, nicht aber eine bindende Vorgabe für die Bestimmung der Altersgrenze für die Berufung in das Beamtenverhältnis dar. Dem Landesgesetzgeber steht insoweit ein Spielraum zu. Er muss sich nicht strikt an die zur Erdienung einer Mindestversorgung erforderlichen Dienstzeit von 19,5 Jahren orientieren, sondern darf eine gewisse weitere Zeitspanne als „Finanzierungspuffer“ berücksichtigen (vorliegend: 2,5 Jahre; vgl. hierzu: BVerfG, B.v. 14.2.2019 – 2 BvR 2781/17 – juris Rn. 22).
Eine Mindestdienstzeit von 19,5 Jahren rechtfertigt damit weder einen generellen Anspruch auf Verbeamtung, noch ist sie ein im Rahmen des Art. 23 Abs. 1 Satz 2 BayBG zu berücksichtigender Ermessensgesichtspunkt.
c. Schließlich verfängt auch der Einwand des Klägers, das Verwaltungsgericht habe die Entscheidung der vorgesehenen Gremien fiktiv ersetzt, nicht.
Nach Art. 23 Abs. 1 Satz 2 BayBG kann die oberste Dienstbehörde Ausnahmen von der Höchstaltersgrenze zulassen. Hierfür ist nach Art. 23 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 BayBG bei Beamten und Beamtinnen des Staates das Einvernehmen des Staatsministeriums der Finanzen und für Heimat, im Übrigen die Zustimmung des Landespersonalausschusses erforderlich. Ergänzend bestimmt Art. 48 der Bayerische Haushaltsordnung, dass Einstellung und Versetzung von Beamten in den Staatsdienst der Einwilligung des für Finanzen zuständigen Staatsministeriums bedürfen, wenn der Bewerber bereits das 45., bei Hochschullehrern das 52. Lebensjahr vollendet hat. Ausnahmeentscheidungen haben dabei nach pflichtgemäßen Ermessen nach den allgemeinen Grundsätzen zu ergehen. Die Prüfung der Erteilung einer Ausnahme erfolgt gleichsam „von Amts wegen“ im Zuge der Prüfung und Verbescheidung des Antrags eines Bewerbers auf Berufung in ein Beamtenverhältnis. Die für die Ausnahmeentscheidung jeweils zuständige Stelle prüft dabei zunächst, ob die Erteilung einer Ausnahme in Betracht kommt. Erst wenn dies bejaht wird, ist im nächsten Schritt das Einvernehmen des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen und für Heimat bzw. – im nichtstaatlichen Bereich – die Zustimmung des Landespersonalausschusses einzuholen. Lehnt die zuständige Stelle eine Ausnahme dagegen von vornherein ab, bedarf es keiner Einbindung des Bayerische Staatsministeriums der Finanzen und für Heimat bzw. des Landespersonalausschusses (vgl. Eck in BeckOK Beamtenrecht Bayern, Stand: Jan. 2022, Art. 23 BayBG Rn. 23 f.). Damit stellt die Nichteinholung der entsprechenden Zustimmungserklärung entgegen der Ansicht des Klägers keinen Rechtsmangel dar.
3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 2 GKG.
4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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