Verwaltungsrecht

Amtsärztliche Untersuchung eines Bewerbers für die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe

Aktenzeichen  M 5 E 19.141

Datum:
3.4.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 7636
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 44a, § 123

 

Leitsatz

Die Anordnung bzw. Anregung einer amtsärztlichen Untersuchung gegenüber einer nicht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehenden Person in Vorbereitung auf eine erst noch zu treffende Sachentscheidung (hier Einstellung) stellt eine nicht selbstständig angreifbare Verfahrenshandlung dar. (Rn. 23 – 24) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin hat beide Staatsexamina für das Lehramt an Grundschulen abgelegt und war zum … September 2017 für die Ernennung zur Lehrerin unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe in Diensten des Antragsgegners im Regierungsbezirk … vorgesehen.
Am … August 2017 nahm die Antragstellerin beim Gesundheitsamt der Stadt N. (Regierungsbezirk …) an einer amtsärztlichen Untersuchung durch Herrn A. zwecks Überprüfung ihrer gesundheitlichen Eignung für die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe teil. Dieser empfahl, zusätzlich ein nervenärztliches Gutachten hinsichtlich der Antragstellerin einzuholen. Daraufhin fand am … Oktober 2017 eine nervenärztliche Konsiliaruntersuchung der Antragstellerin durch Frau Dr. R. (Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie) statt. Unter dem … November 2017 erstellte Herr A. (Gesundheitsamt der Stadt N.) auf Grundlage seiner Untersuchung sowie der nervenärztlichen Zusatzuntersuchung der Antragstellerin für diese ein Gesundheitszeugnis, wonach deren gesundheitliche Eignung derzeit nicht feststellbar sei. Mit E-Mail an die Regierung von … (im Folgenden: „Regierung“) vom … November 2017 beantragte die Antragstellerin unter Verweis auf nicht näher benannte Vorfälle im Gesundheitsamt der Stadt N. eine weitere amtsärztliche Untersuchung bei einem anderen Gesundheitsamt.
Mit Bescheid vom … Februar 2018 teilte die Regierung der Antragstellerin mit, dass sie ausweislich des Gesundheitszeugnisses vom … November 2017 wegen fehlender gesundheitlicher Eignung nicht in das Beamtenverhältnis auf Probe berufen werden könne. Eine weitere amtsärztliche Untersuchung komme derzeit nicht in Betracht, da keine Zweifel an der Objektivität des Gesundheitszeugnisses vom … November 2017 bestünden. Der Bescheid wurde der Antragstellerin am … Februar 2018 zugestellt.
Dagegen legte die Antragstellerin mit Schreiben vom …. März 2018 Widerspruch ein, welchen sie mit Schreiben vom … April 2018 unter Vorlage verschiedener ärztlicher Atteste begründete. In diesen Attesten heißt es unter anderem, dass kein Anhalt für eine psychosomatische bzw. psychische Erkrankung der Antragstellerin bestünde (Attest der Klinik für Neurologie Klinikum N… v. …12.2017), bei ihr von einer vollständigen Dienstfähigkeit auszugehen sei (Attest des Internisten und Gastroenterologen Dr. P. v. …12.2017) und die Befunde der amtsärztlichen Untersuchung gänzlich unnachvollziehbar seien (Attest des Facharztes für psychosomatische Medizin, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S. v. …4.2018). Über diesen Widerspruch ist noch nicht entschieden.
Unter dem … April 2018 bat die Regierung die Fachaufsicht über die Gesundheitsämter bei der Regierung von … unter Bezugnahme auf die seitens der Antragstellerin vorgelegten Atteste um Prüfung des Sachverhalts. Herr Dr. H. – Regierung von … – teilte daraufhin mit, dass zur abschließenden Klärung der gesundheitlichen Eignung der Antragstellerin eine Nachuntersuchung erforderlich sei und regte in diesem Zusammenhang die Einholung eines psychiatrischen Zusatzgutachtens einschließlich einer neuropsychologischen Testung an, insbesondere im Hinblick auf eine ausreichende psychische Belastbarkeit der Antragstellerin. Für deren Abklärung seien Angaben bezüglich des „Setting Arbeitsplatz Lehrer“ erforderlich.
Daraufhin bat die Regierung mit Schreiben vom …. Juli 2018 das Referat für Gesundheit und Umwelt bei der Stadt M., die Antragstellerin erneut auf ihre gesundheitliche Eignung für die Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe im Schuldienst zu untersuchen und gegebenenfalls ein psychiatrisches Zusatzgutachten über die Antragstellerin zu veranlassen. Gleichzeitig unterrichtete die Regierung die Antragstellerin mit Schreiben vom selben Tag über die o.g. Beauftragung des Referats für Gesundheit und Umwelt.
Mit Schreiben vom …. August 2018 bat das Referat für Gesundheit und Umwelt der Stadt M. die Antragstellerin, sich am Montag, den … September 2018, zwecks amtsärztlicher Nachuntersuchung bei Frau Dr. K. in der Untersuchungsstelle vorzustellen.
Die Antragstellerin erschien zu o.g. Untersuchungstermin, brach die Untersuchung jedoch ab, als sie erfuhr, dass es sich dabei (auch) um eine psychologische Untersuchung handelte.
Unter dem … September 2018 bat die Regierung das staatliche Schulamt um Einschätzung zu dem „Setting Arbeitsplatz Lehrer“, welche das Schulamt mit Schreiben vom …. Oktober 2018 vorlegte.
Unter dem 20. September 2018 legte die Antragstellerin „Widerspruch“ gegen die „Untersuchungsanordnung“ der Regierung vom …. Juli 2018 ein. Der Untersuchungsauftrag sei zu weit gefasst, soweit er auch eine psychiatrische Begutachtung umfasse. Bei der Untersuchungsstelle der Stadt M. handele es sich zudem nicht um eine neutrale Stelle, da diese durch das Erstgutachten des Herrn A. beim Gesundheitsamt N. – dem die Antragstellerin sexuelle Belästigung im Zuge der Untersuchung vorwirft – vorbeeinflusst sei.
Unter dem … November 2018 unterrichtete die Regierung die Antragstellerin darüber, dass sie an der Erforderlichkeit einer psychiatrischen Nachuntersuchung festhalte, und bat um Mitteilung, ob die Antragstellerin an einer solchen Untersuchung teilzunehmen bereit wäre.
Mit Schreiben vom … November 2018 bat das Referat für Gesundheit und Umwelt der Stadt M. die Antragstellerin, sich am Dienstag, den … Januar 2019, zwecks amtsärztlicher Untersuchung bei Frau Dr. K. in der Untersuchungsstelle vorzustellen.
Mit Schreiben vom … Januar 2019 verwies die Regierung erneut darauf, dass sie an der Erforderlichkeit einer Nachuntersuchung, insbesondere aufgrund von Zweifeln an der Belastbarkeit der Antragstellerin im Hinblick auf das „Setting Arbeitsplatz Lehrer“, festhalte und bat um Mitteilung, ob die Antragstellerin zu einer erneuten Untersuchung mit psychiatrischer Zusatzbegutachtung bereit sei. Etwaige Unregelmäßigkeiten bei der Erstuntersuchung der Antragstellerin durch Herrn A. seien zwar bedauerlich, würden an der bisherigen Einschätzung jedoch nichts ändern.
Mit Schriftsatz vom 9. Januar 2019, eingegangen bei Gericht am 11. Januar 2019, hat die Antragstellerin beantragt,
dem Antragsgegner aufzugeben, die Antragstellerin vorläufig von der Verpflichtung zur Durchführung einer amtsärztlichen Untersuchung freizustellen, soweit die Einholung eines psychiatrischen Zusatzgutachtens einschließlich einer neuropsychologischen Testung angeordnet wurde,
dem Antragsgegner weiterhin vorläufig aufzugeben, die amtsärztliche Untersuchung durch eine andere Stelle als das Referat für Gesundheit und Umwelt der Stadt M. durchführen zu lassen.
Die Zulässigkeit des Antrags folge daraus, dass es sich bei einer gegenüber einem Beamten erlassenen Untersuchungsanordnung um eine gemischt dienstlich-persönliche Weisung handele, bei deren Nichtbefolgung die Einleitung eines Disziplinarverfahrens im Raum stünde und die daher im Sinne des § 44 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) selbstständig vollstreckt werden könne. Zudem seien die strengen inhaltlichen und formellen Anforderungen an eine amtsärztliche Untersuchungsanordnung nicht eingehalten. Aufgrund ihrer Weigerung, an der angeordneten amtsärztlichen Untersuchung teilzunehmen, drohten ihr zum einen berufliche Nachteile, zum anderen werde ihre Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe erheblich verzögert.
Der Antragsgegner, vertreten durch die Regierung, hat seine Akte vorgelegt und beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Eine Nachuntersuchung der Antragstellerin sei mit Blick auf die Stellungnahmen des Herrn Dr. H. (Regierung von …, v. …6.2018, v. ….1.2019) sowie die Einschätzung „Setting Arbeitsplatz Lehrer“ und die sich daraus ergebenden Zweifel an der Belastbarkeit der Antragstellerin weiterhin erforderlich. Darüber hinaus bestehe für den vorliegenden Antrag keine Grundlage, da – gegenüber der nicht verbeamteten Antragstellerin – keine selbständig rechtlich überprüfbare Maßnahme in Form einer Anordnung zu einer amtsärztlichen Untersuchung vorliege.
Mit Beschluss vom 11. Januar 2019 hat das Gericht die Antragstellerin vorläufig bis zu einer Entscheidung über den vorliegenden Eilantrag davon freigestellt, den durch das Referat für Gesundheit und Umwelt der Stadt M. für den … Januar 2019 angesetzten Termin zur amtsärztlichen Untersuchung wahrzunehmen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
Der Antrag, die Antragstellerin im Wege einer einstweiligen Anordnung (in gewissem Umfang) von der Verpflichtung zur Durchführung einer amtsärztlichen Untersuchung freizustellen und dem Antragsgegner durch einstweilige Anordnung vorläufig aufzugeben, die amtsärztliche Untersuchung durch eine andere Stelle durchführen zu lassen, ist bereits unzulässig. Denn der Antragstellerin fehlt das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis.
1. Gemäß § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
Ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes erfordert jedoch stets ein Rechtsschutzbedürfnis (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 123 Rn. 34). Daran fehlt es grundsätzlich, wenn die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes nicht erforderlich ist. Dies ist insbesondere bei Rechtsbehelfen gegen behördliche Verfahrenshandlungen der Fall. Denn Rechtsschutz gegen behördliche Verfahrenshandlungen soll und kann grundsätzlich nur mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen gewährt werden, § 44a Satz 1 VwGO. Da die Anordnung bzw. – wie hier – Anregung einer amtsärztlichen Untersuchung nur in Vorbereitung auf eine erst noch zutreffende Sachentscheidung erfolgt (in der Regel Berufung in oder Entlassung aus einem Beamtenverhältnis), handelt es sich dabei grundsätzlich um eine nicht selbstständig angreifbare Verfahrenshandlung.
Zwar ist für amtsärztliche Untersuchungsanordnungen des Dienstherrn gegenüber seinen Beamten (Art. 65 Abs. 2 Satz 1 Bayerisches Beamtengesetz – BayBG) eine Ausnahme von diesem Grundsatz gemäß § 44a Satz 2 VwGO anerkannt. Bei einer derartigen Anordnung handelt es sich mangels unmittelbarer Rechtswirkung nach außen nicht um einen Verwaltungsakt im Sinne von Art. 35 Satz 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG), sondern um eine gemischt dienstlich-persönliche Weisung. Zweck des § 44 Satz 2 VwGO ist es, Fallgestaltungen zu erfassen, bei denen andernfalls – also ohne selbstständige Anfechtbarkeit des behördlichen Handelns – die Möglichkeit eines Rechtsbehelfs in der Hauptsache nicht dem Rechtsschutzbedürfnis des Betroffenen genügen würde. Das ist bei einer Untersuchungsanordnung des Dienstherrn gegenüber seinem Beamten der Fall, da ihre Nichtbefolgung mit disziplinarischen Mitteln sanktioniert werden kann, was jedenfalls bei aktiven Beamten möglich ist (vgl. OVG NW, B.v. 1.10.2012 – 1 B 550/12 – NVwZ-RR 2013, 139 f.). Deshalb ist gegen eine Untersuchungsanordnung nach Art. 65 Abs. 2 Satz 1 BayBG ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes dann zulässig, wenn sie eine grundrechtlich geschützte subjektiv-öffentliche Rechtsstellung beeinträchtigt (BayVGH, B.v. 14.1.2014 – 6 CE 13.2352 – juris; B.v. 23.2.2015 – 3 CE 15.172 – juris Rn. 14).
Die Antragstellerin steht jedoch nicht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Antragsgegner. Bei der mit verschiedenen Schreiben des Antragsgegners (bzw. des Referats für Umwelt und Gesundheit) geäußerten Aufforderung gegenüber der Antragstellerin zur Teilnahme an einer amtsärztlichen Untersuchung handelt es sich dementsprechend auch nicht um eine dienstliche Weisung, sondern vielmehr um eine Bitte zur (erforderlichen) Mitwirkung am Verwaltungsverfahren. Die Nichtbefolgung einer derartigen Bitte kann daher nicht mit disziplinarischen Mitteln sanktioniert werden, sodass es sich nicht um eine selbstständig vollstreckbare Verfahrenshandlung im Sinne des § 44a Satz 2 VwGO handelt.
Der Antragstellerin ist es im Übrigen auch möglich und zumutbar, die Rechtmäßigkeit der Aufforderung zur Teilnahme an einer weiteren (ggf. psychiatrischen) amtsärztlichen Untersuchung durch das Referat für Umwelt und Gesundheit der Stadt M. im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen die Entscheidung über ihre Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Probe überprüfen zu lassen. Allein der Umstand, dass eine derartige gerichtliche Überprüfung zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen würde, bedeutet für die Antragstellerin keinen wesentlichen Nachteil. Eine Entscheidung ist auch nicht im Hinblick auf das Lebensalter der Antragstellerin geboten (40 Jahre), da eine Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe gemäß Art. 23 Abs. 1 BayBG bis zur Vollendung des 45 Lebensjahres erfolgen kann. Im Übrigen kann die Antragstellerin auch zukünftig bei veränderter Sach- oder Rechtslage (z. B. nach Teilnahme an der angedachten Untersuchung) einen neuen Antrag auf Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Probe stellen.
2. Die Antragstellerin hat als unterlegene Beteiligte die Kosten des Verfahrens tragen, § 154 Abs. 1 VwGO.
3. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.


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