Verwaltungsrecht

Anfechtung einer abgrabungsrechtlichen Anordnung

Aktenzeichen  1 CS 17.642

Datum:
20.7.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayAbgrG BayAbgrG Art. 2 S. 1, Art. 4 Abs. 2 S. 2
VwGO VwGO § 80 Abs. 5, § 146 Abs. 4 S. 3, § 154 Abs. 2

 

Leitsatz

1 Die in § 146 Abs. 4 S. 1 VwGO geforderte Begründung nach § 146 Abs. 4 S. 3 VwGO verlangt grundsätzlich einen bestimmten Antrag, der sich aus dem Antrag auf Aufhebung bzw. Änderung des angefochtenen Beschlusses und dem Sachantrag zusammenzusetzen hat. (Rn. 2) (redaktioneller Leitsatz)
2 Der Beschwerdeantrag kann sich aber auch sinngemäß aus den Beschwerdegründen ergeben. Insofern genügt es dem Antragserfordernis im Sinn von § 146 Abs. 4 S. 3 VwGO, wenn sich aus dem innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 S. 1 VwGO Vorgetragenen mit hinreichender Sicherheit ermitteln lässt, in welchem Umfang und mit welchem Ziel die Entscheidung des Verwaltungsgerichts angefochten werden soll. (Rn. 2) (redaktioneller Leitsatz)
3 Rechtsgrundlage für die Anordnung einer Untersagung von Wiederverfüllarbeiten ist Art. 4 Abs. 2 S. 2 iVm Art. 2 S. 1 BayAbgrG. Nach dieser Befugnisnorm in Gestalt einer abgrabungsaufsichtlichen Generalklausel sind auch ohne besondere Regelung die typischen bauaufsichtlichen Maßnahmen möglich. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 11 S 16.3939 2017-03-03 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 3. März 2017 wird der Streitwert für beide Rechtszüge auf je 15.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
1. Die Zulässigkeit der Beschwerde scheitert nicht daran, dass die Antragstellerin keinen ausdrücklichen Beschwerdeantrag gestellt hat. Zwar verlangt die in § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO geforderte Begründung nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO grundsätzlich einen bestimmten Antrag, der sich aus dem Antrag auf Aufhebung bzw. Änderung des angefochtenen Beschlusses und dem Sachantrag zusammenzusetzen hat. Der Beschwerdeantrag kann sich aber auch – wie hier – sinngemäß aus den Beschwerdegründen ergeben. Insofern genügt es dem Antragserfordernis im Sinn von § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO, wenn sich aus dem innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO Vorgetragenen mit hinreichender Sicherheit ermitteln lässt, in welchem Umfang und mit welchem Ziel die Entscheidung des Verwaltungsgerichts angefochten werden soll (vgl. Guckelberger in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 146 Rn. 68). Im vorliegenden Fall ist den inhaltlichen Ausführungen der fristgerecht beim Verwaltungsgerichtshof eingegangenen Beschwerdebegründung der Antragstellerin nach § 88 VwGO zu entnehmen, dass es dieser in der Sache darum geht, der Verwaltungsgerichtshof möge unter Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 3. März 2017 die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen den Bescheid vom 1. August 2016 wiederherstellen, soweit die Untersagung der Wiederverfüllarbeiten in der Kiesgrube betroffen ist.
2. Die so zu verstehende Beschwerde ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Klage der Antragstellerin im Hauptsacheverfahren aller Voraussicht nach ohne Erfolg bleiben wird und das Interesse des Antragsgegners am Sofortvollzug demnach das gegenläufige Interesse der Antragstellerin überwiegt. Die Untersagung der Wiederverfüllung der Kiesgrube im hier maßgeblichen Bereich ist rechtmäßig, die Antragstellerin wird dadurch nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die im Beschwerdeverfahren dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO)‚ geben keine Veranlassung, die angegriffene Entscheidung zu ändern.
2.1 Die Antragstellerin macht geltend, das Verwaltungsgericht habe entgegen ihrem (Teil) Anfechtungsantrag nicht über die beantragte Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die Untersagung der Wiederverfüllarbeiten in der Kiesgrube entschieden. Es befasse sich im Wesentlichen lediglich mit dem Erfordernis einer abgrabungsrechtlichen Genehmigung, mit den Grundsätzen formeller Illegalität und die durch die Abgrabungen entstehende Gefahr des Abrutschens der Böschung. Die Wiederverfüllarbeiten seien dagegen nicht berücksichtigt worden.
Dieser Verstoß liegt nicht vor. Rechtsgrundlage für die Anordnung der Untersagung der Wiederverfüllarbeiten ist Art. 4 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Art. 2 Satz 1 BayAbgrG. Nach dieser Befugnisnorm in Gestalt einer abgrabungsaufsichtlichen Generalklausel sind auch ohne besondere Regelung die typischen bauaufsichtlichen Maßnahmen möglich. Die von der Antragstellerin vorgenommenen Abgrabungen und die Wiederverfüllung bedürfen einer erneuten Genehmigung. Denn sie sind erkennbar nicht mehr von dem Abgrabungsgenehmigungsbescheid des Landratsamts vom 9. November 2001 umfasst. Die Feststellungen des Verwaltungsgerichts, die Abgrabungsarbeiten seien auf den betreffenden Grundstücken in einem nahezu senkrechten Winkel und zudem bis direkt an die Grenze der jeweiligen Nachbargrundstücke ausgeführt worden, werden von der Antragstellerin nicht substantiiert in Frage gestellt. Die so vorgenommenen Abgrabungsarbeiten werden im Übrigen auch durch die vorgelegten Unterlagen belegt. Sie stehen erkennbar in Widerspruch zu dem im Bescheid vom 9. November 2001 genehmigten Abgrabungsbereich, der einen unmittelbaren Abbau bis an die jeweilige Grundstücksgrenze gerade ausschließt. Das Verwaltungsgericht hat dabei zutreffend auf die formelle Illegalität der Abgrabung und das Erfordernis einer (neuen) Abgrabungsgenehmigung nach Art. 6 BayAbgrG abgestellt, weil in dieser Genehmigung im Zusammenhang mit den zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Anforderungen auch die spätere Verfüllung mitgeregelt wird (Art. 9 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BayAbgrG). Da die in dem vorgenannten Bescheid unter Buchstabe B getroffenen Regelungen über die Verfüllung die diesem Verfahren zugrunde liegende Wiederverfüllung im unmittelbaren Böschungsbereich gerade nicht betreffen, ist eine neue Regelung auch nicht entbehrlich. Daher kommt es entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch nicht darauf an, dass sie die Abgrabungsarbeiten eingestellt hat.
Aufgrund der formellen Illegalität der über die genehmigte Planung hinausgehenden Abgrabungsarbeiten ist die auf Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BayAbgrG gestützte Anordnung nicht zu beanstanden. Die Wiederverfüllung der Kiesgrube setzt – wie vorstehend ausgeführt – zunächst die Durchführung eines Genehmigungsverfahrens für die zuvor durchgeführte (unzulässige) Abgrabung voraus.
Auch die weitere Annahme, aufgrund der vorgenommenen Abgrabungen sei von einer bestehenden Gefahrenlage für Leib und Leben von Personen auszugehen, ist nicht zu beanstanden. Ungeachtet einer ausreichenden Darlegung überzeugen die Ausführungen der Antragstellerin zur Erforderlichkeit der Wiederauffüllarbeiten und der im Hinblick auf die Wiederverfüllung ihrer Ansicht nach nicht bestehenden Gefahr für Leib und Leben von Personen, die sich in der Kiesgrube befinden, nicht. Dabei übersieht die Antragstellerin, dass auch nach den Ausführungen des Sachverständigen in den vorgelegten Gutachten im Rahmen des Konzepts zur Wiederverfüllung (weitere) Auswaschungen erfolgt sind und Arbeiten im direkten Böschungsbereich untersagt werden sollen. Dies gilt auch und gerade für die Wiederverfüllungsarbeiten. Den erforderlichen Nachweis der Standsicherheit hat die Antragstellerin nicht beigebracht.
2.2 Das Verwaltungsgericht hat auch nicht gegen den Anspruch der Antragstellerin auf Gewährung des rechtlichen Gehörs verstoßen. Das Verwaltungsgericht hat das Vorbringen der Antragstellerin richtig wiedergegeben. Wenn es hieraus, wie die Beschwerde meint, falsche Schlüsse zieht, so kann darin keine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegen, sondern allenfalls eine fehlerhafte Rechtsanwendung, für die indes nichts ersichtlich ist. Soweit die Antragstellerin sich auf eine vermeintlich zu Unrecht unterlassene weitere Anhörung beruft, ist festzustellen, dass es insoweit bereits an der Darlegung, aus welchen Gründen das Verwaltungsgericht zu ihren Gunsten hätte entscheiden müssen, fehlt. Zudem war ein Abwarten auf eine weitere Stellungnahme der Antragstellerin im Hinblick auf den von den Beteiligten erklärten Verzicht auf weitere mündliche Verhandlung nicht geboten.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen, weil ihr Rechtsmittel erfolglos geblieben ist (§ 154 Abs. 2 VwGO).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1‚ § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG und orientiert sich an Nummer 1.7.1 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (vgl. Beilage 2/2013 zu NVwZ Heft 23/2013). Bei der hier maßgeblichen Untersagung der Wiederverfüllung der Kiesgrube erscheint für das Interesse der Antragstellerin ein Streitwert von 15.000 Euro angemessen, der sich an dem angedrohten Zwangsgeld orientiert. Da Streitgegenstand nicht die Erteilung einer Abgrabungsgenehmigung ist, kann nicht auf den anteiligen Betrag des zu erwartenden Jahresgewinns abgestellt werden. Die Abänderung des Streitwerts erster Instanz beruht auf § 63 Abs. 3 GKG.


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