Verwaltungsrecht

Anforderungen an die Ablehnung von Beweisanträgen

Aktenzeichen  11 ZB 17.31712

Datum:
8.12.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 138403
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3 c, § 17 Abs. 1, § 78 Abs. 3 Nr. 3
VwGO § 86 Abs. 2, § 108 Abs. 2, § 138 Nr. 3
GG Art. 103 Abs. 1
StPO § 244 Abs. 3 S. 2
HBÜ Art. 17

 

Leitsatz

1 Für die Darlegung eines Verfahrensmangels reicht es nicht aus, wenn mit der Begründung des Berufungszulassungsantrags lediglich geltend gemacht wird, das Verwaltungsgericht habe die in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträge mit unzureichender Begründung abgelehnt. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Ablehnung der Zeugeneinvernahme von in der Ukraine ansässigen Personen ist zulässig, wenn diese wegen des Widerspruchs der Ukraine nach Art. 17 HBÜ zu einer Beweisaufnahme durch Beauftragte und der daraus resultierenden Zweifel an ihrer Glaubhaftigkeit als Beweismittel völlig ungeeignet sind. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
3 Für einen hinreichend substantiierten Beweisantrag zur Klärung der Frage, ob eine Verständigung des Klägers mit der Dolmetscherin bei der Anhörung beim Bundesamt möglich war, hat der Kläger auszuführen, welcher Art die Verständigungsschwierigkeiten gewesen sein sollen und was ggf. falsch übersetzt worden sein soll. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RO 9 K 17.34747 2017-10-24 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, weil der allein geltend gemachte Verfahrensmangel gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG wegen Ablehnung der ersten fünf von insgesamt sechs in der mündlichen Verhandlung gestellten unbedingten Beweisanträge nicht hinreichend dargelegt ist (§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG) und auch nicht vorliegt.
1. Die Darlegung eines Verfahrensfehlers erfordert die konkrete Bezeichnung des Mangels in tatsächlicher und in rechtlicher Hinsicht (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 124a Rn. 74; Stuhlfauth in Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth, VwGO, 6. Auflage 2014, § 124 Rn. 60). Ob das Verwaltungsgericht verfahrensfehlerhaft vorgegangen ist, muss stets aus dem Blickwinkel seines materiellrechtlichen Standpunktes beurteilt werden (Happ a.a.O. § 124 Rn. 48; Stuhlfauth a.a.O.). Dabei bedeutet „darlegen“ schon nach allgemeinem Sprachgebrauch mehr als lediglich einen allgemeinen Hinweis; „etwas darlegen“ bedeutet vielmehr so viel wie „erläutern“, „erklären“ oder „näher auf etwas eingehen“ (BVerwG, B.v. 9.3.1993 – 3 B 105.92 – juris Rn. 3 m.w.N.).
Hat das Gericht einen Beweisantrag durch Beschluss abgelehnt, so ist es nach § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG insbesondere erforderlich, dass der Kläger unter Auseinandersetzung mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts erläutert, dass der Beweisantrag sich auf eine für die Entscheidung erhebliche Tatsache bezogen hat und warum die vom Verwaltungsgericht für die Ablehnung angeführten Gründe im formellen oder materiellen Recht keine Stütze finden (OVG Berlin-Bbg, B.v. 27.2.2015 – OVG 10 N 14.13 – NVwZ 2015, 758 = juris Rn. 12; Berlit in GK-AsylG, Stand Oktober 2017, § 78 Rn. 664). Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Mit der Begründung des Berufungszulassungsantrags wird lediglich geltend gemacht, das Verwaltungsgericht habe fünf in der mündlichen Verhandlung gestellte Beweisanträge mit unzureichender Begründung abgelehnt. Eine Auseinandersetzung mit den vom Verwaltungsgericht gegebenen Begründungen findet nicht statt. Dies reicht für die Darlegung eines Verfahrensmangels nicht aus.
2. Das Verwaltungsgericht hat durch die Ablehnung der Beweisanträge den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör nach § 138 Nr. 3 VwGO auch nicht verletzt. Die Ablehnung von Beweisanträgen i.S.v. § 86 Abs. 2 VwGO verstößt gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 10.8.2015 – 5 B 48.15 – juris Rn.10 m.w.N.). Das rechtliche Gehör ist aber nur versagt, wenn ein Beweisantrag in willkürlicher Weise als unerheblich qualifiziert wird. Willkürlich ist ein Richterspruch nur dann, wenn er unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht. Fehlerhafte Rechtsanwendung allein macht eine Gerichtsentscheidung nicht willkürlich. Von einer willkürlichen Missdeutung kann insbesondere nicht gesprochen werden, wenn das Gericht sich mit der Rechtslage eingehend auseinandersetzt und seine Auffassung nicht jeden sachlichen Grundes entbehrt (BVerfG, B.v. 22.5.2015 – 1 BvR 2291/13 – juris Rn. 5 m.w.N.; vgl. BayVGH, B.v. 4.11.2016 – 9 ZB 16.30468 – juris Rn. 4).
Das bezeichnete Beweismittel muss dabei geeignet sein, für den entsprechenden Umstand Beweis zu erbringen (Geiger in Eyermann, VwGO, § 86 Rn. 27). Bei einem Beweisantrag zur Vernehmung eines Zeugen oder eines sachverständigen Zeugen muss in nachvollziehbarer Weise dargelegt werden, weshalb die betreffende Person Kenntnis von der in ihr Wissen gestellten Tatsache haben kann und welche rechtlich erheblichen Bekundungen über ihre konkreten Wahrnehmungen zu erwarten sind (vgl. BVerwG, B.v. 27.3.2000 – 9 B 518.99 – InfAuslR 2000, 412 = juris Rn. 11).
3. Die Ablehnung der Zeugeneinvernahme der in der Ukraine ansässigen Personen (Beweisanträge 1 bis 4) war zulässig, da diese völlig ungeeignet i.S.d. § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO sind (vgl. BVerwG, B.v. 9.5.1983 – 9 B 10466.81 – DVBl 1983, 1001). Zwar ist die Ukraine dem Haager Beweisaufnahmeübereinkommen vom 18. März 1970 (HBÜ – BGBl 2002 II S. 1161) beigetreten. Allerdings hat sie einer Beweisaufnahme durch Beauftragte nach Art. 17 HBÜ widersprochen und die deutsche Auslandsvertretung in Kiew kann daher nur Personen vernehmen, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen (vgl. Rechtshilfeordnung für Zivilsachen [ZRHO] – Länderteil Ukraine, abrufbar unter www.bundesjustizamt.de). Selbst wenn eine entsprechende Anwendung dieses Rechtshilfeabkommens für Asylstreitsachen möglich wäre, müsste die Beweisaufnahme durch Behörden oder Gerichte der Ukraine stattfinden. Damit scheidet die Vernehmung der als Zeugen benannten, in der Ukraine lebenden Personen aus, da sie zur Wahrheitsfindung untauglich sind. Der Kläger hat vor dem Bundesamt schlüssig vorgetragen, dass eine Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure wegen seiner Religionszugehörigkeit in der Ukraine möglich erscheint, gegen die der Staat nicht in der Lage oder nicht willens ist, Schutz zu bieten (§ 3c Nr. 3 AsylG). Es kann damit nicht vollständig ausgeschlossen werden, dass es sich bei dem Staat, der die Vernehmung durchführen müsste, um einen Staat handelt, der eine Verfolgung duldet. Den in dieser Weise gewonnenen Aussagen würde daher zwangsläufig ein so hohes Maß nicht klärbarer Zweifel an ihrer Glaubhaftigkeit innewohnen, dass sie als Beweismittel schlechthin unverwertbar wären (vgl. BVerwG a.a.O. juris Rn. 6 f.).
4. Die Ablehnung der Beweisanträge Nummer 1, 2 und 5 mit der Begründung, die unter Beweis gestellten Tatsachen könnten als wahr unterstellt werden, ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
Die Wahrunterstellung ist im Verwaltungsprozess nur eingeschränkt möglich (vgl. Geiger in Eyermann, VwGO, § 86 Rn. 42). Es darf sich dabei nicht um entscheidungserhebliche Tatsachen handeln, da nach § 86 Abs. 1, § 108 Abs. 1 VwGO die volle richterliche Überzeugung hinsichtlich der für die Entscheidung rechtserheblichen Tatsachen erforderlich ist (BVerwG, U.v. 23.3.2000 – 5 C 25.99 – DVBl 2000, 1533 = juris Rn. 18; U.v. 17.1.1990 – 9 C 39.89 InfAuslR 1990, 128 = juris Rn. 12).
Hinsichtlich des Beweisthemas im ersten Beweisantrag sind sowohl das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) als auch das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass der Kläger und seine Ehefrau der Religionsgemeinschaft der Zeugen J. angehören. Ob der Kläger darüber hinaus noch als ausgebildeter und offiziell eingesetzter Geistlicher tätig war, war nicht entscheidungserheblich, denn der Kläger hatte weder bei der Anhörung beim Bundesamt noch in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, aufgrund dieser Tätigkeiten Verfolgung erlitten zu haben. Er hat stets ausgeführt, er habe Probleme wegen seiner – unstreitigen – Religionszugehörigkeit zu den Zeugen J. ohne konkrete, gegen ihn selbst gerichtete Vorfälle zu berichten. Eine weitere Aufklärung seiner tatsächlichen Tätigkeiten war daher nicht veranlasst.
Hinsichtlich der Angriffe gegenüber der Ehefrau des Klägers bei ihren Missionierungsversuchen, die Gegenstand des zweiten Beweisantrags waren, ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass eine Missionierungstätigkeit von der Religionsausübungsfreiheit nicht umfasst ist und durch eine Beschränkung der Religionsausübung im Kreis der Mitglieder der Religionsgemeinschaft diesbezügliche Konflikte vermieden werden können. Aus Sicht des Verwaltungsgerichts war daher eine weitere Sachaufklärung hinsichtlich dieser Vorfälle nicht entscheidungserheblich.
Auch die Frage im fünften Beweisantrag, ob die vom Bundesamt zugezogene Dolmetscherin allgemein beeidigt gewesen ist, war nicht relevant. Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, aus der Bundesamtsakte ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger sich bei seiner Anhörung mit der Dolmetscherin nicht verständigen konnte. Darüber hinaus habe er auch mit seiner Unterschrift bestätigt, dass das rückübersetzte Protokoll mit seinen Angaben übereinstimme. Es entbehrt daher jeder Grundlage, dass es Verständigungsschwierigkeiten gegeben haben könnte, weil die Dolmetscherin ggf. nicht allgemein beeidigt war. Darüber hinaus ergibt sich aus § 17 Abs. 1 AsylG auch nicht, dass bei der Anhörung vor dem Bundesamt nur allgemein beeidigte Dolmetscher hinzugezogen werden dürften. Danach dürfen Dolmetscher, Übersetzer oder sonstige Sprachmittler hinzugezogen werden und eine formale Qualifikation des Sprachmittlers ist nicht erforderlich (Sieweke in BeckOK AuslR, Kluth/Heusch, Stand 1.8.2017, § 17 AsylG Rn. 6). Im Übrigen bleibt es jedem Asylbewerber unbenommen, gemäß § 17 Abs. 2 AsylG auf eigene Kosten einen geeigneten Sprachmittler seiner Wahl hinzuzuziehen.
5. Auch die Ablehnung der Beweisanträge im Übrigen findet eine Stütze im Gesetz.
Die Ablehnung der Einvernahme des Klägers als Zeuge zum zweiten Beweisantrag als ungeeignet, weil er nach seinen eigenen Angaben bei den Vorfällen nicht zugegen war, lässt keine Rechtsfehler erkennen.
Die Ablehnung des dritten und vierten Beweisantrags als unsubstantiiert und eines Zeugenbeweises nicht zugänglich, da die Fragen, ob der Kläger von Separatisten verfolgt werde und ob die ihm und seiner Ehefrau in der Ukraine gewährte medizinische Behandlung ausreichend gewesen sei, eines Tatsachenbeweises nicht zugänglich seien, da es sich um rechtliche Bewertungen handele, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Die Ablehnung des fünften Beweisantrags als unsubstantiiert lässt ebenfalls keine Rechtsfehler erkennen. Aus den beigezogenen Behördenakten ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger sich mit der Dolmetscherin nicht verständigen konnte. Er führte bei seiner Anhörung beim Bundesamt auf Nachfrage aus, dass seine Asylgründe und die Asylgründe seiner Frau alle angesprochen worden seien, es diesbezüglich nichts hinzuzufügen gebe und er ausreichend Gelegenheit gehabt habe, die Gründe für seinen Asylantrag zu schildern. Der Kläger hat auch weder in seiner Klageschrift, in der Begründung des fünften Beweisantrags noch in seinem Antrag auf Zulassung der Berufung ausgeführt, welcher Art die Verständigungsschwierigkeiten gewesen sein sollen und was ggf. falsch übersetzt worden sein soll. Dies wäre aber für einen hinreichend substantiierten Beweisantrag erforderlich gewesen.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.
7. Mit dieser gemäß § 80 AsylG unanfechtbaren Entscheidung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


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