Verwaltungsrecht

Anforderungen an die Darlegung einer fallübergreifenden Tatsachen- oder Rechtsfrage

Aktenzeichen  15 ZB 17.31465

Datum:
2.11.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 133264
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4 S. 4
AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

Allgemeine Fragen der gerichtlichen Sachverhaltserforschung und -würdigung begründen keine grds. Bedeutung iSd § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG (vgl. BayVGH BeckRS 2017, 124610; OVG NRW BeckRS 2017, 123698). (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 7 K 17.31289 2017-09-25 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid des Bundesamts für … (Bundesamt) vom 14. März 2017, mit dem seine Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, auf Asylanerkennung sowie auf subsidiären Schutz als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurden (Nr. 1 – Nr. 3), festgestellt wurde, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 4), er unter Androhung der Abschiebung nach Georgien oder einen anderen aufnahmebereiten Staat aufgefordert wurde, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheids zu verlassen (Nr. 5) sowie das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet wurde (Nr. 6).
Seine Klage, mit der er beantragt hatte, den Bescheid vom 14. März 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft anzuerkennen, hilfsweise ihm subsidiären Schutz zu gewähren sowie weiter hilfsweise ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 und / oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen, wies das Verwaltungsgericht Würzburg mit Urteil vom 25. September 2017 ab.
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzbegehren weiter.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
1. Der in der Sache allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) ist vom Kläger nicht in einer Weise dargelegt worden, die den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügt.
Einer Rechtssache kommt grundsätzliche Bedeutung gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG zu, wenn für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Rechtsfrage von Bedeutung ist, deren noch ausstehende obergerichtliche Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Dementsprechend verlangt die Darlegung der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung nach § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG, dass eine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist; ferner muss dargelegt werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht (vgl. BayVGH, B.v. 7.4.2017 – 15 ZB 17.30355 – juris Rn. 4; B.v. 14.9.2017 – 11 ZB 17.31124 – juris Rn. 2). Ist die angegriffene Entscheidung auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, setzt die Zulassung der Berufung voraus, dass für jeden dieser Gründe die Zulassungsvoraussetzungen erfüllt sind (BayVGH, B.v. 14.9.2017 a.a.O. juris Rn. 2 m.w.N.).
a) Soweit mit der Zulassungsbegründung vorgebracht wird, es liege hinsichtlich des Verfolgungsvortrags eine ungeklärte Tatsachenfrage vor, ist keine fallübergreifende Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert worden, deren noch ausstehende obergerichtliche Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint.
Das Verwaltungsgericht hat in den Entscheidungsgründen insofern ausgeführt, der Kläger habe sein Vorbringen, er sei, nachdem er im Rahmen seiner polizeilichen Tätigkeit an der Verhaftung von ihm unbekannten Mitgliedern einer Automafia beteiligt gewesen, aus Angst vor einem Racheakt aus Georgien geflohen, weil an der Verhaftung beteiligte Polizeibeamte von der Auomafia verfolgt worden sei und u.a. ein Kollege mutmaßlich Opfer eines Tötungsdelikts geworden sei, nicht glaubhaft gemacht (vgl. im Einzelnen Seiten 7 f. des erstinstanzlichen Urteils).
Der hiergegen gerichtete Vortrag des Klägers beschränkt sich auf den allgemeinen Einwand, der Kläger habe keine Möglichkeit, einen Beweis zu erbringen, wenn es um zukünftige Geschehnisse gehe, die bei seiner Rückkehr stattfinden würden. Der Kläger weist insofern darauf hin, dass im vorliegenden Fall lediglich die Möglichkeit bestehe, sich auf seine Auskünfte und die Auskünfte seiner in Deutschland lebender Familienangehörigen zu berufen. Nur so habe ein Asylsuchender die Möglichkeit, von dem Land, in das er geflohen sei, Schutz zu erhalten und nicht bei Rückkehrgrundlos einer Verfolgungsgefahr ausgesetzt zu sein. Die in diesem Zusammenhang aufgeworfene Frage, „wie es Asylsuchenden in solchen Situationen möglich sein soll, eine Verfolgung bei ihrer Rückkehr in ihr Heimatland nachweisen zu können“, erfüllt nicht die Darlegungsobliegenheiten des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG für die Geltendmachung des Berufungszulassungsgrunds gem. § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG. Die Zulassungsbegründung zeigt nicht auf, weshalb eine bestimmte Tatsachen- oder Rechtsfrage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist. Die Klägerseite beschränkt sich hier auf allgemeine Fragen der gerichtlichen Sachverhaltserforschung und -würdigung, die mit der grundsätzlichen Bedeutung i.S. von § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG nichts zu tun haben (vgl. BayVGH, B.v. 31.7.2017 – 20 ZB 16.30094 – juris Rn. 10; OVG NRW, B.v. 31.8.2017 – 4 A 409/16.A – juris Rn. 10).
b) Auch soweit sich der Kläger gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts wendet, wonach kein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG wegen einer schwerwiegenden Erkrankung vorliege, wirft er keine fallübergreifende Tatsachen- oder Rechtsfrage i.S. von § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG auf. Das Verwaltungsgericht hat diesbezüglich darauf abgestellt, dass in dem vom Kläger vorgelegten ärztlichen Attest vom 27. März 2017, wonach er an einer Anpassungsstörung und einer schweren depressiven Episode leide, die langfristige Behandlungsbedürftigkeit, die Prognose sowie die Folgen eines Ausbleibens weiterer Behandlung nicht hinreichend dargelegt worden seien, sodass auf Grundlage der ärztlichen Stellungnahme nicht festgestellt werden könne, dass sich die beim Kläger festgestellte Erkrankung im Falle seiner Rückführung aufgrund zielstaatsbezogener Umstände verschlimmere. Zudem – so das Verwaltungsgericht weiter – sei nach der Auskunftslage davon auszugehen, dass der Kläger die notwendige medizinische und medikamentöse Behandlung für die psychischen (und orthopädischen) Erkrankungen auch in Georgien erhalten könne (vgl. im Einzelnen Seiten 10 ff. des erstinstanzlichen Urteils). Die Einwände in der Zulassungsbegründung hiergegen beschränken sich auf die Behauptungen, dass die Abschiebung des Klägers zu einer drastischen Verschlechterung seines Gesundheitszustands führen könne, dass es in Georgien keine Möglichkeit gebe, seine Erkrankung effektiv zu behandeln, und dass sich deswegen die Suizidgefahr in Bezug auf seine Person nach seiner Abschiebung drastisch erhöhen würde. Auch dieser Vortrag erfüllt die Darlegungsanforderungen an die Geltendmachung einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1, § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG nicht.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


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