Verwaltungsrecht

Anforderungen an die Hinwendung zu einem anderen Glauben

Aktenzeichen  B 2 K 16.31024

Datum:
24.2.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3
AufenthG AufenthG § 60

 

Leitsatz

1 Die Situation von Konvertiten im Iran ist als kritisch einzustufen; im Einzelfall können einem zum Christentum übergetretenen Muslim mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Repressionen wegen seiner Religionsausübung drohen. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2 Wer erstmals im verwaltungsgerichtlichen Verfahren behauptet, seine religiöse Überzeugung geändert und sich zum Christentum hingewendet zu haben, muss hierfür gute Gründe anführen, um den Verdacht auszuräumen, der behauptete Glaubenswechsel sei nur vorgeschoben, um die Voraussetzungen für eine Flüchtlingsanerkennung zu schaffen. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
Der Bescheid des Bundesamtes vom 12.07.2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft noch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes, ebenso wenig auf die hilfsweise beantragte Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1 AufenthG. Er wird durch die Ablehnung, sowie die Abschiebungsandrohung nicht in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 S. 1, Abs. 5 S. 1 VwGO.
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung des Flüchtlingsschutzes.
Nach § 3 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 AsylG besteht ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft dann, wenn sich der Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will und er keine Ausschlusstatbestände erfüllt. Eine solche Verfolgung kann nicht nur vom Staat ausgehen (§ 3c Nr. 1 AsylG), sondern auch von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (§ 3c Nr. 2 AsylG) oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (§ 3c Nr. 3 AsylG). Allerdings wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 3e Abs. 1 AsylG).
Für die richterliche Überzeugungsbildung im Sinne von § 108 Abs. 1 VwGO gilt folgendes: Das Gericht muss sich die volle Überzeugung von der Wahrheit des behaupteten Verfolgungsschicksals und der Wahrscheinlichkeit der Verfolgungsgefahr bilden; eine bloße Glaubhaftmachung in der Gestalt, dass der Vortrag lediglich wahrscheinlich sein muss, ist nicht ausreichend (vgl. grundlegend BVerwG, U.v. 16.4.1985 – 9 C 109/84 – NVwZ 1985, 658 ff.). Hierbei darf das Gericht jedoch hinsichtlich der Vorgänge im Verfolgerland, die zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder der Feststellung eines Abschiebungsverbots führen sollen, keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen, sondern muss sich in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, auch wenn Zweifel nicht völlig auszuschließen sind (BVerwG, U.v. 16.4.1985, a.a.O.). In der Regel kommt deshalb dem persönlichen Vorbringen des Klägers, seiner Persönlichkeit und Glaubwürdigkeit sowie der Art seiner Einlassung besondere Bedeutung zu (BayVGH, U.v. 26.1.2012 – 20 B 11.30468 – juris Rn. 19).
Gemessen an diesen Grundsätzen hat der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung des Flüchtlingsschutzes nach § 3 AsylG. Das Gericht verweist insofern zunächst auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Bescheids und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Nachdem der Kläger durch den Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 15.02.2017 unmittelbar vor der mündlichen Verhandlung hat einräumen lassen, dass die bisherigen Angaben zu seiner Inhaftierung und Folter nicht richtig waren, bzw. der Kläger selbst in der mündlichen Verhandlung angegeben hat, aus Angst vor Abschiebung in den Iran die Unwahrheit gesagt zu haben (Niederschrift S. 3), steht fest, dass der Kläger bezüglich seiner bislang vorgetragenen Vorfluchtgründe im Iran keine selbsterlebte, sondern eine erfundene Geschichte vortrug. Der Kläger hat sein Heimatland somit nicht unter Verfolgungsdruck verlassen.
Im Hinblick auf die von dem Kläger vorgetragene Konversion zum Christentum in Deutschland hat die Klage ebenfalls keinen Erfolg.
Vielmehr lassen bereits die zur Überzeugung des Gerichts unwahren Angaben des Klägers im Hinblick auf die Vorfluchtgeschichte – auch wenn er sie nunmehr berichtigt hat – erkennen, dass er es von vornherein darauf angelegt hat, eine positive Asylentscheidung zu erhalten.
Nach der Auskunftslage ist die Situation von Konvertiten im Iran als kritisch einzustufen (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der islamischen Republik Iran vom 9.12.2015, Bl.4,16 und vom 8.12.2016, Bl.10). Im Einzelfall können einem zum Christentum übergetreten Muslim im Iran mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Repressionen wegen seiner Religionsausübung drohen.
Die begründete Furcht einer Verfolgung wegen der Religion ist gegeben, wenn unter Berücksichtigung der persönlichen Umstände des Schutzsuchenden vernünftigerweise anzunehmen ist, dass er nach Rückkehr in sein Herkunftsland religiöse Betätigungen vornehmen wird, die ihn der tatsächlichen Gefahr einer Verfolgung aussetzen. Das Verbot der Teilnahme an religiösen Riten im öffentlichen Bereich kann hierbei eine Verfolgungshandlung darstellen, wenn der Betreffende tatsächlich Gefahr läuft, infolgedessen verfolgt oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Es ist dem Antragsteller nicht zumutbar, diese Gefahr durch Verzicht auf bestimmte religiöse Betätigungen zu vermeiden (vgl. EuGH, U. v. 5. 09.2012 – C-71/11 und C-99/11 – Rn. 79 f.; juris). Beruft sich der Schutzsuchende auf eine Verfolgungsgefährdung mit der Begründung, er sei zu einer in seinem Herkunftsland bekämpften Religion übergetreten, muss er die inneren Beweggründe glaubhaft machen, die ihn zur Konversion veranlasst haben. Es muss festgestellt werden können, dass die Hinwendung zu der angenommenen Religion auf einer festen Überzeugung und einem ernst gemeinten religiösen Einstellungswandel und nicht auf Opportunitätserwägungen beruht und der Glaubenswechsel nunmehr die religiöse Identität des Schutzsuchenden prägt (vgl. BVerwG, U.v. 20. 01. 2004 – BVerwG 1 C 9.03 -, Rn. 22; BayVGH, U. v. 23. 10. 2007 – 14 B 06.30315 – B.v. 29.04.2010 – 14 ZB 10.30043, B.v. 04.02.2013 – 14 ZB 13.3002 -; alle juris). In besonderer Weise gilt dies, wenn der Schutzsuchende erstmals nach erfolglosem Abschluss des behördlichen Asylverfahren behauptet, er habe seine religiöse Überzeugung in der Folgezeit geändert. Er muss dann auch dafür gute Gründe anführen, um den Verdacht auszuräumen, der behauptete Glaubenswechsel sei nur vorgeschoben, um die Voraussetzungen für eine Flüchtlingsanerkennung zu schaffen (VGH Baden-Württemberg, U. v. 16. 03 2012 – A 2 S 1419/11 -, Rn. 24; juris).
Wann eine Prägung im Sinne einer ernstlichen Glaubensüberzeugung anzuerkennen ist, lässt sich nicht allgemein beschreiben. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls. Nach dem aus der Gesamtheit des Verwaltungs- und gerichtlichen Verfahrens gewonnenen Eindruck muss sich der Schutzsuchende aus voller innerer Überzeugung von seinem bisherigen Bekenntnis gelöst und dem anderen Glauben zugewandt haben. Dazu sind die Persönlichkeit des Asylbewerbers und dessen Motive für den angeblichen Wechsel der religiösen Überzeugung vor dem Hintergrund seines bisherigen Vorbringens und seines Vorfluchtschicksals einer Gesamtwürdigung zu unterziehen. Hat er eine christliche Religion angenommen, genügt es im Regelfall nicht, dass der Schutzsuchende lediglich formal zum Christentum übergetreten ist, indem er getauft wurde (BVerwG, B.v. 25.08.2015 – 1 B 40/15 -; BayVGH, B.v. 16.11.2015 – 14 ZB 13.30207- beide juris). Von einem Erwachsenen, der sich zum Bekenntniswechsel entschlossen hat, darf unter anderem im Regelfall erwartet werden, dass er mit den wesentlichen Grundzügen seiner neuen Religion vertraut ist. Welche Anforderungen im Einzelnen zu stellen sind, richtet sich vorwiegend nach seiner Persönlichkeit und seiner intellektuellen Disposition. Überdies wird regelmäßig nur dann anzunehmen sein, dass der Konvertit ernstlich gewillt ist, seine christliche Religion auch in seinem Heimatstaat auszuüben, wenn er seine Lebensführung bereits in Deutschland dauerhaft an den grundlegenden Geboten der neu angenommenen Konfession ausgerichtet hat (vgl. BVerwG, U. v. 20.02.2013 – 10 C 23/12 – juris).
Als Aspekt der Gesamtwürdigung ist auch zu berücksichtigen, dass der Vortrag iranischer Staatsangehöriger zu Flucht- und Nachfluchtgründen sich seit langen Jahren durch außerordentliche Homogenität auszeichnet. Der Welle monarchietreuer Schah-Anhänger folgte die Welle exilpolitischen Engagements an öffentlichen Büchertischen, wiederum gefolgt von massiven exilpolitischen Profilen im Internet. Gegenwärtig ist der asylsuchende iranische Staatsangehörige ohne Konversion zum Christentum bei Gericht der deutliche Ausnahmefall. Gab es in den letzten Jahren eine gewisse Tendenz zur Taufe (einzelner) iranischer Asylbewerber in freikirchlichen Gemeinden, zeichnet sich mittlerweile mehr und mehr ab, dass iranische Asylbewerber speziellen Taufkursen der evangelisch-lutherischen Kirche zustreben, bei denen muttersprachlich nach Taufmodulen unterrichtet wird. Die Organisation dieser Kurse erfolgt überregional und unter teilweiser Erstattung der Fahrtkosten für den einzelnen Taufbewerber. Die Sogwirkung dieses Angebots ist so groß, dass sich einzelne Gemeinden mittlerweile einer Überforderung ausgesetzt fühlen und weitere Gemeinden um Hilfe bei der Betreuung iranischer Taufbewerber bitten. Die vollzogen Taufen werden oftmals sodann auch in das Internet (z.B. YouTube) gestellt.
Als weiterer Aspekt der Gesamtwürdigung ist festzuhalten, dass die Abschiebung eines iranischen Asylbewerbers, gegen seinen Willen, „nahezu unmöglich“ ist (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes betreffen Iran vom 09.12.2015, Bl.31). Iranische Asylbewerber wissen, dass sie einen Pass nur dann erhalten werden, wenn sie ihn persönlich im iranischen Generalkonsulat in Deutschland – unter Vorlage einer Freiwilligkeitserklärung und von iranischen Identitätsnachweisen – beantragen (Auskunft der zentralen Ausländerbehörde, Regierung von Oberfranken, 13.07.2016).
Gemessen an voranstehenden Maßstäben und tatsächlichen Umständen, konnte sich das Gericht, insbesondere auch aufgrund der mündlichen Verhandlung nicht davon überzeugen, dass der Kläger bei einer Rückkehr in sein Heimatland wegen seines Religionswechsels mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit verfolgungsgefährdet wäre.
Die Einzelrichterin kommt vielmehr zu dem Ergebnis, dass der Kläger bei einer Rückkehr in den Iran keine religiösen Betätigungen vornehmen wird, die ihn der tatsächlichen Gefahr einer Verfolgung aussetzen würden oder dass der Verzicht auf solche Handlungen eine unzulässige Einschränkung seiner religiösen Identität bedeuten würde.
Der Kläger reiste nach eigener Angabe am 13.11.2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein und ließ sich am 05.12.2015, also keine drei Wochen später, im Rahmen einer Sammeltaufe der … Church …, mit der er zuvor Kontakt aufgenommen hatte, in Frankfurt taufen (Niederschrift S. 4). Als Vorbereitung für diese Taufe gibt der Kläger an, einmal in der Kirche in … gewesen zu sein und sich das Lesen durch des heiligen Buches selbst auf die Taufe vorbereitet zu haben. Weiterhin will er sich auf der Flucht in Griechenland, wo er sich eine Woche aufhielt, bereits mit dem Christentum auseinandergesetzt haben (Niederschrift S. 3, Stellungnahme vom 08.02.2017, Gerichtsakte S. 58).
Die Beobachtung des Gerichts – iranischen Asylbewerbern käme es auf eine zügige Taufe noch während des Asylverfahrens an – bestätigt sich insoweit beim Kläger in besonderer Weise. Der zeitliche Kontext lässt keinen vernünftigen Zweifel daran zu, dass es dem unverfolgt ausgereisten Kläger in erster Linie und zielgerichtet darauf ankam, mit seiner Taufe im schnellen Sammelverfahren einen Nachfluchtgrund für sein Asylverfahren zu schaffen und so seine Erfolgsaussichten über den in den Kreisen iranischer Asylbewerber allgemein bekannten Weg des Glaubenswechsels zu eröffnen bzw. zu erhöhen. Zudem muss der Kläger – was er auch weiß – ohne Freiwilligkeitserklärung, die Voraussetzung für die Ausstellung entsprechender iranischer Papiere wäre, nicht in seine Heimat zurückkehren. Er hat auf Nachfrage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich angegeben, er brauche keinen Pass von diesem Regime (Niederschrift S. 4).
Vor diesem Hintergrund konnte die Einzelrichterin nicht die notwendige Überzeugungsgewissheit gewinnen, dass der Hinwendung des Klägers zum Christentum ein eigenständig tragfähiger, ernstgemeinter religiöser Einstellungswandel ohne Opportunitätserwägungen zugrunde liegt und der Glaubenswechsel nunmehr seine religiöse Identität so prägt, dass bei der – real nicht zu befürchtenden – Rückkehr in das Heimatland mit einer verfolgungsträchtigen Glaubensbetätigung zu rechnen wäre.
Der Kläger hat sein Heimatland nach jetzigem Vorbringen im Wesentlichen verlassen, um in familiärer und religiöser Freiheit leben zu können und Ruhe zu finden (Niederschrift S. 2 ff.). Diese Ruhe ist nunmehr nach eigenem Bekunden beim Kläger eingekehrt, weil er sich als richtiger Christ fühlt und das Christentum für ihn der Glaube der Liebe ist. Den Islam sieht er – insbesondere auch wegen des Prinzips der Vergeltung – kritisch (Niederschrift S. 3).
Das Gericht geht ohne weiteres davon aus, dass der Kläger sich in der hiesigen freien Gesellschaft deutlich wohler fühlt als in seiner Heimat und dass ihm insofern auch die Einbindung in eine freie christliche Gemeinde, auch in Form von Gottesdienstbesuchen, entgegenkommt und essenziell geworden ist. Hinzukommt sein beachtliches religiöses Wissen, dass durchaus für eine intensive Befassung mit der Bibel spricht (Niederschrift S. 4). Die hohe Anziehungskraft des als freiheitlich empfundenen Christentums und die Ablehnung der als einengend empfundenen islamgeprägten Heimatsituation lassen bei dem insoweit – wie regelmäßig iranische Asylbewerber – fraglos interessierten und engagierten Kläger jedoch nach gerichtlicher Überzeugung nicht den Schluss zu, dass er für seine unverzügliche Taufe und die Hinwendung zur freien christlichen Gemeinde in … religiöse Beweggründe hat, die unabhängig von der Motivation der Verbesserung der Bleibeperspektive im Bundesgebiet identitätsprägend in Form von „selbstempfundener Verbindlichkeit von Glaubensgeboten“ (Bundesverwaltungsgericht B.v. 25.8.2015, 1 B 40/15 juris Rn. 12) Bestand haben und ihm deshalb bei einer Rückkehr in das Heimatland einer asylrelevanten Gefährdung aussetzen könnten.
Bei dieser Würdigung kommt dem Abrücken des Klägers von seiner ursprünglichen Fluchtgeschichte mit Haft und Folter kein eigenes Gewicht zu. Dieses Verhalten kann vom christlichen Wahrheitsgebot getragen, aber auch dadurch veranlasst sein, dass – in der gerichtlichen Praxis nicht ganz selten – der (unsichere) Vorfluchtgrund fallen gelassen wird, wenn der zwischenzeitlich entstandene Nachfluchtgrund hinreichend belastbar erscheint. Die ursprüngliche Vorfluchtgeschichte des Klägers belegt allerdings, dass er zu einem wortgewandten, detailreichen Vortrag ohne weiteres in der Lage ist.
Auch der für den Kläger am 06.02.2017 erstmals vorgetragene christliche Blog ( ….com) ist kein hinreichendes Indiz für die ernsthafte christliche Identitätsprägung des Klägers. Zunächst enthält dieser Blog soweit ersichtlich nicht wie im Schriftsatz vom 06.02.2017 angekündigt Diskussionen des Klägers mit anderen Gläubigen über den christlichen Glauben, sondern den Bibeltext in Farsi. Soweit der Kläger auf Befragen in der mündlichen Verhandlung angibt, er betreibe den Blog, weil es im Iran schwierig sei, die Bibel zu erhalten und er anderen diesen Weg eröffnen wolle, ist dem schon insofern nicht zu folgen, als die Bibel in Farsi-Übersetzung im Netz ohnehin problemlos verfügbar ist. Das Blogger-Vorbringen unterstreicht vielmehr, dass der Kläger – wie aus zahlreichen Asylverfahren anderer iranischer Asylbewerber gerichtsbekannt – seine Aktivitäten gezielt auf die Schaffung und Untermauerung von Nachfluchtgründen auslegt.
Das Gericht kommt in der Gesamtschau zu dem Schluss, dass der Glaubenswechsel des Klägers maßgeblich und entscheidend durch die Zielsetzung bedingt war, einen Nachfluchtgrund zur Verbesserung der Erfolgsaussichten im Asylverfahren zu schaffen; der Kläger stellt sich insofern als typischer Mitläufer in der aktuellen Konversionswelle iranischer Asylbewerber dar.
Das Gericht ist deshalb davon überzeugt, dass es im Fall einer Rückkehr in den Iran zu keiner Beeinträchtigung der religiösen Identität des Klägers kommen wird. Auf konkrete Frage, wie er sich im Falle einer Rückkehr in den Iran im Hinblick auf seinen Glauben verhalten würde, erklärte er, er werde sagen, dass er Christ sei und Jesus nicht verleugnen. Diesen Offenbarungswunsch hält das Gericht jedoch angesichts der oben genannten Darlegungen zur praktischen Unmöglichkeit der Rückführung von iranischen Staatsangehörigen – ohne Freiwilligkeitserklärung – für ein Lippenbekenntnis, denn der Kläger, der hinsichtlich seiner Hinwendung zum Christentum nicht überzeugt hat, begibt sich mit diese Aussage in keine Gefährdungslage.
Auch der rein formale Glaubensübertritt wird, ebenso wie die Blogger-Aktivitäten, bei einer Rückkehr in den Iran keine nachteiligen Folgen für ihn haben, denn es ist auch den iranischen Behörden bekannt, dass iranische Staatsangehörige in Asylverfahren häufig zum christlichen Glauben konvertieren, um so bessere Chancen im Asylverfahren zu erhalten. Hinzu kommt, dass sich iranische Staatsangehörige in der Bundesrepublik Deutschland „im Feindesland“ befinden, und dort ist es durchaus erlaubt, durch Täuschungshandlungen den Feind zu überlisten (vgl. VG Ansbach, U.v. 23.3.2016 – AN 1 K 16.30035 -; VG Bayreuth, U.v. 11.8.2016 – B 2 K 16.30837 -; BayVGH, B.v. 7.11.2016 – 14 ZB 16.30380 und B.v. 7.11.2016 – 14 ZB 16.30380 – alle juris).
2. Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG bzw. auf die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und Abs. 7 S. 1 AufenthG zu. Das Gericht verweist insoweit auf die Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid.
3. Auch die gegenüber dem Kläger erlassene Ausreiseaufforderung mit Abschiebungsandrohung begegnet keinen rechtlichen Zweifeln (§ 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG).
4. Gründe, die gegen die Rechtmäßigkeit des von der Beklagten festgesetzten Einreise- und Aufenthaltsverbots sprechen, wurden nicht vorgebracht und sind auch nicht ersichtlich.
Die Klage war nach alledem insgesamt abzuweisen.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gem. § 83 b AsylG nicht erhoben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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