Verwaltungsrecht

Anforderungen an die Wiederholungsgefahr bei Suchterkrankungen im Rahmen einer Verlustfeststellung

Aktenzeichen  10 CS 21.2168

Datum:
27.8.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 26069
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
FreizügG/EU § 4a Abs. 1, § 6 Abs. 1

 

Leitsatz

Bei Straftaten, die auf einer Suchterkrankung beruhen oder dadurch gefördert wurden, kann von einem Wegfall der Wiederholungsgefahr nicht ausgegangen werden, solange der Betroffene nicht eine Drogen-, Alkohol- oder sonst einschlägige Therapie erfolgreich abgeschlossen und die damit verbundene Erwartung eines künftig drogen- und straffreien Verhaltens auch nach Therapieende glaubhaft gemacht hat, insbes. indem er sich außerhalb des Straf- oder Maßregelvollzugs bewährt hat (BayVGH BeckRS 2021, 12488). (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 25 S 21.2257 2021-07-15 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antragsteller – ein polnischer Staatsangehöriger – verfolgt mit seiner Beschwerde seinen in erster Instanz erfolglosen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 23. März 2021 weiter. Mit diesem Bescheid wurde unter Anordnung der sofortigen Vollziehung der Verlust des Rechts des Antragstellers auf Einreise und Aufenthalt festgestellt, das Wiedereinreiseverbot auf sieben Jahre befristet und die Abschiebung des Antragstellers nach Polen angedroht.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Die vom Antragsteller in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, die der Verwaltungsgerichtshof nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfen hat, rechtfertigen eine Abänderung des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 15. Juli 2021 nicht.
Die Annahme des Verwaltungsgerichts, der Antragsteller habe sich nicht im Sinne des § 4a Abs. 1 FreizügG/EU fünf Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten, wird mit der Beschwerde nicht durchgreifend in Frage gestellt. Für die entsprechenden Umstände ist der Antragsteller darlegungs- und beweispflichtig. Einen substantiierten Vortrag enthält das Beschwerdevorbringen, das sich mit einer entsprechenden Behauptung und dem Angebot einer Parteivernehmung begnügt, ohne Beschäftigungszeiten, Arbeitgeber o.ä. zu benennen, nicht.
Weiter stellt der Hinweis des Antragstellers auf die “Aufarbeitung” seiner Betäubungsmittelabhängigkeit im Maßregelvollzug die vom Verwaltungsgericht angestellte Gefahrenprognose nicht in Frage. Bei Straftaten, die auf einer Suchterkrankung beruhen oder dadurch (wie im vorliegenden Fall durch die Notwendigkeit der Geldbeschaffung) gefördert wurden, kann von einem Wegfall der Wiederholungsgefahr nicht ausgegangen werden, solange der Betroffene nicht eine Drogen-, Alkohol- oder sonst einschlägige Therapie erfolgreich abgeschlossen und die damit verbundene Erwartung eines künftig drogen- und straffreien Verhaltens auch nach Therapieende glaubhaft gemacht hat, insbesondere indem er sich außerhalb des Straf- oder Maßregelvollzugs bewährt hat (stRspr des Senats, siehe z.B. BayVGH, U.v. 12.4.2021 – 10 B 19.1716 – juris Rn. 73; U.v. 3.2.2015 – 10 B 14.1613 – juris Rn. 32). Hiervon kann im Fall des Antragstellers keine Rede sein.
Die abschließende Behauptung in der Beschwerdebegründung, die Verlustfeststellung verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, weil andere Straftäter “ihre Aufenthaltstitel trotz langjähriger Haftstrafen behalten dürfen”, genügt in dieser Form schon nicht dem Darlegungsgebot des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO. Einen konkreten, vergleichbaren Fall, in dem der Antragsgegner sein Ermessen ohne sachliche Gründe anders als in seinem Fall ausgeübt hätte, benennt der Antragsteller nicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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