Verwaltungsrecht

Anforderungen an ein Abänderungsverfahren hinsichtlich einer Umverteilung in eine Gemeinschaftsunterkunft

Aktenzeichen  M 24 S7 16.1535

Datum:
4.5.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 80 Abs. 7
DVAsyl DVAsyl § 8
AsylG AsylG § 47 Abs. 1a

 

Leitsatz

Die Zulässigkeit des Änderungsantrags nach § 80 Abs. 7 VwGO setzt voraus, dass der Antragsteller veränderte oder im vorangegangenen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachte Umstände vorträgt, die ein Abweichen von der ursprünglichen Entscheidung rechtfertigen können. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller haben die Kosten des Abänderungsverfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Die Antragsteller begehren – unter Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer gegen den Umverteilungsbescheid der Regierung von Oberbayern vom 2. Februar 2016 erhobenen Klage – die Aufhebung des Beschlusses vom 1. März 2016 (M 24 S. 16.578), in dem deren Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO abgelehnt wurde.
Der am 30. März 2016 gestellte Antrag,
den Beschluss vom 1. März 2016 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, wurde mit Schreiben vom 5. April 2016 dahingehend begründet, dass bei den Antragstellern entsprechend des § 9 DVAsyl keinerlei öffentliches Interesse vorliege, da die dort aufgeführten Gründe allesamt unzutreffend seien. § 47 Abs. 1a AsylG nehme zu einer späteren Umverteilung in eine Aufnahmeeinrichtung keine Stellung. Auch die in dem Beschluss vom 1. März 2016 zitierte Entscheidung des BayVGH (B.v. 9.12.2015 – 21 CS 15.30249 –) biete keinerlei tragfähige Grundlage zu einer Rückführung in eine Aufnahmeeinrichtung. Eine Unterbringung der Antragstellerin zu 2) in der Aufnahmeeinrichtung in … widerspreche Art. 21 der RL 2013/33/EU vom 26. Juni 2013, wonach die spezielle Situation von schutzbedürftigen Personen zu berücksichtigen sei. Entsprechend Art. 25 der RL 2013/33/EU sei Sorge dafür zu tragen, dass die Antragstellerin zu 2), nachdem sie Gewalttaten erlitten habe, die Behandlung, insbesondere Zugang zu einer adäquaten medizinischen und psychologischen Behandlung oder Betreuung, erhalte, die für den Schaden, der ihr durch derartige Handlungen zugefügt worden sei, erforderlich sei. Ein psychosoziales Zentrum müsse zumindest in angemessener Weise erreichbar sein. Eine adäquate ärztliche und fachärztliche Versorgung der Kläger sei in … ausgeschlossen. Ein Therapeutenwechsel hätte einen Abbruch der Behandlungsbeziehungen zur Folge. Die im Beschluss vom 1. März 2016 erwähnte Möglichkeit der Weiterführung der Therapie in … nach einer Umverteilung komme weder zeitlich noch aus finanziellen Gründen in Betracht.
Für die Antragstellerin zu 2) bestehe aufgrund ihrer Vorgeschichte im Ausreisezentrum in … eine erhebliche Gefahr der Traumatisierung, da dort der Personenkreis, der der Volksgruppe der Täter angehöre, in großer Anzahl untergebracht sei. Zur Konkretisierung der seelischen Erkrankung der Antragstellerin zu 2) wurden eine ärztliche Stellungnahme des behandelnden Neurologen und Psychiaters vom 31. März 2016, wonach aus medizinischer Sicht eine deutliche Verschlechterung der Erkrankung im Falle eines Ortswechsels zu befürchten sei, und eine ergänzende psychodiagnostische Stellungnahme von …, Hilfe für Migranten, Flüchtlinge und Folterüberlebende vom 6. April 2016, wonach die Antragstellerin zu 2) an einer speziellen Phobie vor albanischen Staatsbürgern und albanisch sprechenden Menschen leide, vorgelegt.
Der Antragsgegner beantragte am 22. April 2016, den Antrag abzulehnen.
In einem Standort der … seien (Stand: 14. April 2016) 285 Ukrainer, davon viele Roma, und lediglich 20 Albaner untergebracht. Im Übrigen werde auf das Vorbringen in den Verfahren M 24 K 16.576 und M 24 S. 16.578 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten M 24 K 16.576, M 24 S. 16.578 und M 24 S7 16.1535 Bezug genommen.
II.
1. Der Antrag auf Aufhebung des Beschlusses vom 1. März 2016 im Verfahren M 24 S. 16.578 ist bereits unzulässig und war daher abzulehnen.
1.1. Nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO kann jeder Beteiligte die Änderung oder Aufhebung eines Beschlusses nach § 80 Abs. 5 VwGO wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen. Der Änderungsantrag ist zulässig, wenn das Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO rechtskräftig abgeschlossen ist. Die Zulässigkeit des Änderungsantrags setzt weiterhin voraus, dass der Antragsteller veränderte oder im vorangegangenen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachte Umstände vorträgt, die ein Abweichen von der ursprünglichen Entscheidung rechtfertigen können. Hierzu gehört in erster Linie eine Änderung der Sach- und Rechtslage, der Prozesslage durch neue Fakten oder auch einer Änderung der Beweislage. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Abänderungsverfahren nicht als Rechtsmittelverfahren zur Überprüfung der Richtigkeit der ursprünglich ergangenen Entscheidung verstanden werden darf (Schmidt in Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 80 Rn. 103 und 101).
1.2. Veränderte oder im vorangegangenen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachte Umstände, die ein Abweichen von der ursprünglichen Entscheidung rechtfertigen können, wurden von den Antragstellern jedoch nicht vorgetragen. Vielmehr wird der Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO mit einer anderen Rechtsauffassung zu § 47 Abs. 1a AsylG begründet und die inhaltliche Richtigkeit des Beschlusses vom 1. März 2016 unter Wiederholung des Vorbringens im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO verneint.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den im Abänderungsverfahren vorgelegten medizinischen Unterlagen: Soweit in der ärztliche Stellungnahme des behandelnden Neurologen und Psychiaters vom 31. März 2016 nunmehr der Passus enthalten ist, dass aus medizinischer Sicht eine deutliche Verschlechterung der Erkrankung im Falle eines Ortswechsels zu befürchten sei (anstelle der bisherigen Formulierung, dass von der geplanten Verlegung in die neue Unterkunft eine Verschlechterung des Zustandsbildes zu erwarten sei), lassen sich daraus keine veränderten Umstände entnehmen, die nicht schon im Antragsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO vorgetragen wurden bzw. hätten vorgetragen werden können. Gleiches gilt für das Vorbringen in der ergänzenden psychodiagnostischen Stellungnahme vom 6. April 2016 eines Primär- und Traumatherapeuten von …, Hilfe für Migranten, Flüchtlinge und Folterüberlebende e.V., dass die Antragstellerin zu 2) an einer speziellen Phobie vor albanischen Staatsbürgern und albanisch sprechenden Menschen leide und deshalb schon im Aufnahmezentrum in …, wo viele Albaner und Kosovoalbaner, sowie Albaner aus Mazedonien leben würden, in abgeschwächter Form unter der gleichen Symptomverstärkung leiden würde, wie es eine Abschiebung nach Mazedonien zur Folge haben werde. Diese Aussage ist bereits in der psychologischen Stellungnahme vom 29. Februar 2016 enthalten; inwieweit dieser Umstand ein Abweichen von der ursprünglichen Entscheidung rechtfertigen könnte, zumal in der zugewiesenen Unterkunft nach Angaben des Antragsgegners lediglich eine geringe Anzahl von Albanern untergebracht ist, ist nicht ersichtlich.
2. Da von den Antragstellern keine veränderten Umstände vorgetragen wurden, die ein Abweichen von der ursprünglichen Entscheidung rechtfertigen könnten, wäre der Antrag auf Aufhebung des Beschlusses vom 1. März 2016 – seine Zulässigkeit unterstellt – auch unbegründet.
3. Die Kosten des Abänderungsverfahrens haben nach § 154 Abs. 1 VwGO die Antragsteller zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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