Verwaltungsrecht

Anforderungen an ein ärztliches Attest zur Substantiierung der Voraussetzungen eines krankheitsbedingten Abschiebungsverbots

Aktenzeichen  M 19 K 17.32581

Datum:
13.12.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 53299
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3c Nr. 3, § 3e Abs. 1 Nr. 2
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1, § 60a Abs. 2c

 

Leitsatz

Die Anforderungen an ein ärztliches Attest gemäß § 60a Abs. 2c AufenthG sind auf die Substantiierung der Voraussetzungen eines krankheitsbedingten Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG zu übertragen. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Das Gericht konnte ohne Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung im schriftlichen Verfahren entscheiden, da die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben (§ 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft oder zu seinen Gunsten das Vorliegen der Voraussetzungen nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen. Auch an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung und der Befristungsentscheidung bestehen keine Zweifel.
Maßgeblich für die Entscheidung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG).
1. Ein Anspruch auf die Zuerkennung von Flüchtlingsschutz besteht nicht.
Dies setzt eine Verfolgungshandlung i.S.v. § 3a Abs. 1, 2 AsylG voraus, die an einen Verfolgungsgrund i.S.v. § 3b AsylG anknüpft und von einem Akteur i.S.v. § 3c AsylG ausgeht. Weiter muss es an einem effektiven Schutz vor Verfolgung im Herkunftsstaat fehlen (§§ 3d, 3e AsylG) und es dürfen keine Ausschlussgründe nach § 3 Abs. 2 bis 4 AsylG vorliegen.
Der Kläger erfüllt die dort genannten Voraussetzungen für eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht. Das Gericht ist nicht davon überzeugt, dass dem Kläger im Falle einer Rückkehr in Pakistan Verfolgung droht.
Maßgeblich für die Beantwortung der Frage, ob sich ein Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb seines Herkunftslandes befindet, ist der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit. Dieser setzt voraus, dass bei zusammenfassender Würdigung des zur Prüfung stehenden Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung vorzunehmen. Maßgebend ist in dieser Hinsicht damit letztlich der Gesichtspunkt der Zumutbarkeit. Entscheidend ist, ob aus der Sicht eines besonnenen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Klägers nach Abwägung aller bekannten Umstände eine (hypothetische) Rückkehr in den Herkunftsstaat als unzumutbar erscheint. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (BVerwG, U.v. 1.6.2011 – 10 C 25/10 – juris Rn. 24; B.v. 7.2.2008 – 10 C 33/07 – juris Rn. 23; U.v. 5.11.1991 – 9 C 118/90 – juris Rn. 17; BayVGH, U.v. 14.2.2017 – 21 B 16.31001 – juris Rn. 21).
Die vom Kläger im Verwaltungsverfahren vorgetragenen Gründe, die er im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 2. Oktober 2018 ergänzt hat, rechtfertigen nicht die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
Soweit der Kläger vorträgt, dass ihn Untergebene des Polizeichefs verfolgen, dürften die vom Kläger als Verfolgung qualifizierten Handlungen zwar einem maßgeblicher Akteur: dem Staat (§ 3 c Nr. 1 AsylG) zugerechnet werden können. Soweit die Familienmitglieder des getöteten Rechtsanwalts den Kläger unter Druck setzen, fehlt es hingegen schon an einem maßgeblichen Akteur. Eine Verfolgung durch einen nichtstaatlicher Akteur i.S.v. § 3c Nr. 3 AsylG rechtfertigt eine Zuerkennung des Flüchtlingsstatus von vorherein nur, wenn die staatlichen Strukturen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung zu bieten (§ 3c Nr. 3 AsylG). Davon kann vorliegend nicht ausgegangen werden. Der Kläger muss sich insoweit darauf verweisen lassen, staatlichen Schutz in Anspruch zu nehmen und könnte dies auch. Außerdem erscheint ein Verfolgungsinteresse jedenfalls zwischenzeitlich nicht mehr glaubwürdig. Der Polizeichef ist nach Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung zwischenzeitlich zum Tode verurteilt worden und sitzt im Gefängnis. Ein Interesse der Familie des getöteten Anwalts an einer Aussage des Klägers hat sich jedenfalls zwischenzeitlich überholt.
In jedem Fall aber knüpft der klägerische Sachvortrag hinsichtlich beider Verfolgungsszenarien nicht an ein flüchtlingsrelevantes Merkmal nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG an. Die genannten Nachstellungen erfolgten nicht „wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe“. Legt man den geschilderten Sachverhalt zugrunde, so ist dem Kläger kriminelles Unrecht dadurch widerfahren, dass er von zwei, gegenläufige Interessen verfolgenden Seiten unter Druck gesetzt wird, eine Belastungsaussage zum Nachteil des örtlichen Polizeichefs vor Gericht schon bzw. gerade nicht zu machen. Diese „Verfolgung“ wurzelt in der Zeugenstellung des Klägers, nicht in dessen Rasse, Religion, Nationalität, politischer Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe.
Selbst wenn eines der in §§ 3, 3b AsylG genannten flüchtlingsrechtlich relevantes Merkmal und das Handeln eine maßgeblichen Akteurs zu bejahen wäre, muss sich der Kläger jedenfalls auf internen Schutz nach § 3e AsylG verweisen lassen. Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nach § 3e Abs. 1 Nr. 1 AsylG dieser Vorschrift nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat. Außerdem muss nach § 3e Abs. 1 Nr. 2 AsylG der Ausländer sicher und legal in diesen Landesteil reisen können, er muss dort aufgenommen werden und es muss vernünftigerweise erwartet werden können, dass er sich dort niederlässt (vgl. zu den Anforderungen VG Göttingen, U.v. 7.2.2017 – 2 A 304/15 – juris Rn. 28).
Es ist nicht erkennbar, dass es dem Kläger nicht möglich sein sollte, sich andernorts, insbesondere in einer pakistanischen Großstadt niederzulassen und dort unbehelligt von seinen Verfolgern aus seinem Heimatort zu leben. Es ist nicht anzunehmen, dass dem Kläger in Pakistan landesweite Verfolgung droht.
Nach der aktuellen Erkenntnislage (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan [Lagebericht], Stand August 2017, S. 20) ist davon auszugehen, dass der Kläger in anderen Teilen Pakistans, insbesondere in den größeren Städten, eine interne Schutzmöglichkeit i.S.v. § 3e AsylVfG finden kann. Es können potentiell Verfolgte in den Großstädten Rawalpindi, Lahore, Peshawar oder Multan aufgrund der dortigen Anonymität sicherer als auf dem Land leben; selbst Personen, die wegen Mordes von der Polizei gesucht werden, können in einer Stadt, die weit genug von ihrem Heimatort entfernt liegt, unbehelligt leben. In einem flächen- und bevölkerungsmäßig großen Land wie Pakistan (Fläche über 800.000 km2, ca. 200 Millionen Einwohner) ohne funktionierendes Meldewesen ist es grundsätzlich möglich, bei Aufenthaltnahme in einer der größeren Städte dauerhaft der Aufmerksamkeit der lokalen Behörden oder eines Verfolgers zu entgehen (Auswärtiges Amt, Stellungnahme an VG Leipzig v. 15.1.2014).
Auch der Kläger hat in seiner Anhörung in der Sache nicht bestritten, andernorts in Pakistan sicher leben zu können. Die von ihm während der Anhörung des Bundesamts geäußerte Ansicht, dass er, lebte er in Pakistan andernorts, deshalb gefunden werden würde, weil er „Kontakt zu meiner Familie haben, auf Hochzeiten gehen und Freunde besuchen“ (Bl. 46 der Asylakte) müsse, verdeutlicht ein durchaus verbreitetes Missverständnis: dass eine inländische Fluchtalternative bereits deshalb ausscheide, weil durch das Aufrechterhalten des persönlichen und unmittelbaren Kontakts zur Familie, interessierte Kreise den Kläger auffinden könnten. Die Möglichkeiten des internen Schutzes sind demgegenüber auch dann zu bejahen, wenn zur Vermeidung von Verfolgung genaue Auskunft über einen anderweitigen Aufenthaltsort im Heimatland der engsten Familie vorenthalten werden muss und jedenfalls an traditionell gebotenen Zusammenkünften der (Groß-)Familien für einen längeren Zeitraum nicht mehr teilgenommen werden kann.
So verhält es sich hier. Es mag sein, dass der Kläger bei einem Aufenthalt in Pakistan außerhalb seines Heimatorts für einen gewissen Zeitraum seine Familie nicht wird besuchen können, möchte er eine Gefährdung vermeiden. Diese zweifelsohne einschneidenden Auswirkungen einer innerstaatlichen Fluchtalternative mutet § 3e AsylG dem Kläger allerdings zu.
Auch kann vom Kläger vernünftigerweise erwartet werden, dass er sich in diesem Landesteil niederlässt (§ 3e Abs. 1 Nr. 2 a. E. AsylG). Die möglicherweise für ihn bestehende schwierige wirtschaftliche Situation in einer pakistanischen Großstadt steht der Zumutbarkeit nicht entgegen. Zwar ist die wirtschaftliche Situation in Pakistan als schwierig, gleichwohl als relativ stabil einzustufen. Es ist davon auszugehen, dass der Kläger als erwachsener und arbeitsfähiger Mann mit praktischer Berufserfahrung in anderen Landesteilen sein Existenzminimum sicherstellen können wird. Es gibt aufgrund der großen Bevölkerung viele Möglichkeiten für Geschäfte auf kleiner Basis (vgl. zum Ganzen auch VG Augsburg, U.v. 30.3.2015 – Au 3 K 14.30437 – juris Rn. 51 ff.; VG Regensburg, U.v. 9.1.2015 – RN 3 K 14.30674 – juris Rn. 23; U.v. 10.12.2013 – RN 3 K 13.30374 – juris Rn. 31 jeweils unter Bezugnahme auf die Auskunft des Bundesasylamts der Republik Österreich vom Juni 2013, Pakistan 2013, S. 76). Der Kläger hat bereits in der Vergangenheit bewiesen, dass er – als Gehilfe eines Rechtsanwalts – in der Lage ist, seinen Lebensunterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit zu sichern.
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
a) Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
Es ist nach Überzeugung des Gerichts jedoch nicht zu erwarten, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Pakistan Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe im Sinne des Art. 3 EMRK drohen könnten.
b) Auch die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen nicht vor.
Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Die Regelung in § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfasst nur solche Gefahren, die in den spezifischen Verhältnissen im Zielstaat begründet sind, während Gefahren, die sich aus der Abschiebung als solcher ergeben, nur von der Ausländerbehörde als inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis berücksichtigt werden können (ständige Rechtsprechung vgl. BVerwG, U.v. 17.10.2006 – 1 C 18/05 – juris).
Der Kläger ist ein junger und arbeitsfähiger Mann mit Arbeitserfahrung, von dem zu erwarten ist, dass er seinen Lebensunterhalt in Pakistan wird sichern können. Das Gericht stellt insoweit gemäß § 77 Abs. 2 AsylG fest, dass es insoweit der zutreffenden Begründung der Beklagten in dem angegriffenen Bescheid folgt. Insoweit besteht kein Abschiebehindernis.
Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis kann sich allerdings aus der Krankheit eines Ausländers ergeben, wenn diese sich im Heimatstaat verschlimmert, weil die Behandlungsmöglichkeiten dort unzureichend sind, wobei der Standard des deutschen Gesundheitssystems nicht gefordert werden kann (§ 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG). Auch diese Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor.
Ob eine behandlungsbedürftige Erkrankung vorliegt, bedarf der Darlegung durch den jeweiligen Antragsteller (§ 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 VwGO; vgl. dazu BVerwG, B.v. 26. Juli 2012 – 10 B 21.12; U.v. 11. September 2007 – 10 C 8.07, jeweils juris). Dabei entspricht es inzwischen gefestigter Rechtsprechung (BayVGH, B.v. 10.1.2018 – 10 ZB 16.30735 – juris Rn. 8; OVG LSA, B.v. 28.9. 2017 – 2 L 85/17 – juris Rn. 2 ff.; OVG NW, B.v. 9.10.2017 – 13 A 1807/17.A – juris Rn. 19 ff., BayVGH, B.v. 9.11.2017 – 21 ZB 17.30468 – juris Rn. 4), dass die Anforderungen an ein ärztliches Attest gemäß § 60a Abs. 2c AufenthG auf die Substantiierung der Voraussetzungen eines krankheitsbedingten Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG zu übertragen sind. Schließlich umfasst die Regelung in § 60a Abs. 2c und 2d AufenthG auch nach ihrem Sinn und Zweck die Feststellung zielstaatsbezogener Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 7 AufenthG.
Die vorgelegten ärztlichen Atteste genügen diesen Anforderungen nicht. Das Attest der Gemeinschaftspraxis vom 7. Oktober 2018, das das in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Attest der gleichen Praxis vom 1. Oktober 2018 vertieft, bestätigt die hausärztliche Betreuung, berichtet aber nur unspezifisch über „massive Schlafstörungen“ und „Alpträume“; es bezeichnet eine „intensive Psychotherapie“ als „dringend indiziert“. Dieses Attest ist – maßgeblich wegen der immerhin seit August 2017 bestehenden Arzt-Patienten-Beziehung – insoweit glaubhaft, dass der Kläger immer wieder unter gesundheitlichen Einschränkungen, insbesondere Schlafstörungen und Kopfschmerzen leidet. Eine Posttraumatische Belastungsstörung kann das Attest aber nicht nachweisen. Es fehlt an der Darlegung jedweder Methodik und Beurteilungsmaßstäbe. Soweit man dem Attest immerhin Beeinträchtigungen des Klägers durch insbesondere Kopfschmerzen entnehmen kann, fehlt es an belastbaren Aussagen zum Schweregrad der Erkrankung und zu den Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, insbesondere für den Fall einer Rückführung des Klägers nach Pakistan. Ein krankheitsbedingten Abschiebungsverbot begründen diese geschilderten Symptome daher nicht.
Auch das vorgelegte nervenärztliche Attest kann ein krankheitsbedingtes Abschiebungsverbot nicht begründen. Schon der Umstand der erstmaligen Kontaktaufnahme des Klägers mit der Praxis für Neurologie und Psychiatrie relativiert die im Attest getroffenen Aussagen erheblich. Es können jedenfalls keine Eindrücke aus der wiederholten Wahrnehmung des Klägers geschildert werden. Es ist auch nicht erkennbar, dass überhaupt, geschweige denn eine ausführliche Exploration des Klägers stattgefunden hat. Worauf die ärztliche Einschätzung des klägerischen Verfolgungsschicksals als glaubhaft gründet, wird nicht erkennbar – abgesehen davon, dass es nicht ärztliche Aufgabe ist, festzustellen, ob das geschilderte tatsächliche Geschehen sich in der Realität zugetragen hat, sondern ob und wie schwer der Kläger erkrankt ist und welche Folgen eine Rückführung des Klägers in medizinischer Hinsicht haben kann. Der ausweislich des Attests „erhobene Befund“, der die Diagnose „Depression ICD10: F41.2“ tragen soll, ist nicht nachvollziehbar. Der Arzt hat keinen Befund erhoben, sondern im vorstehenden Text das patientenseits geschilderte Geschehen schlicht wiederholt. Eine methodische Vorgehensweise, die aus dem Patientenvortrag geschlussfolgerte medizinische Erkenntnisse hervorbringen könnte, fehlt. Der geäußerte Verdacht einer Posttraumatischen Belastungsstörung ist zwar durch das Attribut „dringend“ qualifiziert, aber nicht ansatzweise validiert. Es handelt sich um eine substanzlose Behauptung, die jedenfalls ohne methodisch angewandten medizinischen Sachverstand auszukommen scheint.
Insgesamt ist das Gericht schon nicht vom Vorliegen einer Erkrankung, jedenfalls aber nicht von einer Krankheitsintensität überzeugt, die zur Annahme eines Abschiebehindernisses führen kann. Eine psychische Erkrankung, die etwa die Handlungsfähigkeit des Klägers und sein Funktionsniveau derart beeinträchtigt, dass er in Pakistan erheblichen Gesundheits- oder gar Lebensgefahren ausgesetzt ist, besteht nicht. Selbst wenn es wegen einer zu befürchteten Verfolgungshandlung dem Kläger nicht möglich sein sollte, für einen bestimmten Zeitraum Kontakt mit seiner Familie aufzunehmen, so ist zu erwarten, dass sich der Kläger gleichwohl mit den Lebensverhältnissen in Pakistan arrangieren kann und nicht an gesundheitlichen Beeinträchtigungen leidet, die ihn eines ausreichenden Funktionsniveau berauben würde.
Überdies ist davon auszugehen, dass die vom Kläger zur Linderung seiner Kopfschmerzen und Schlafschwierigkeiten möglicherweise benötigte Medikation in Pakistan verfügbar ist. Aufgrund der vorliegenden Erkenntnismittel geht das Gericht davon aus, dass in Pakistan eine medizinische Behandlung grundsätzlich möglich und auch die Grundversorgung mit nahezu allen gängigen Medikamenten sichergestellt ist (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht, S. 25). Eine psychische Erkrankung, für die diese Annahme nicht ohne weiteres zutrifft (vgl. hierzu ausführlich VG Ansbach, U.v. 27.2.2014 – AN 11 K 13.31170 – juris Rn. 43 ff; VG München, U.v. 12.5.2016 – M 23 K 14.31059 – juris Rn. 36, jeweils m.w.N.), liegt zur Überzeugung des Gericht nicht vor
c) Auch ist das Gericht der Auffassung, dass die allgemeine Gefahr in Pakistan sich für den Kläger nicht derart zu einer extremen Gefahr verdichtet hat, dass eine entsprechende Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG geboten ist. Die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung hierfür aufgestellten Voraussetzungen sind nicht erfüllt.
Aus den Erkenntnismitteln zu Pakistan ergibt sich derzeit nicht, dass ein alleinstehender arbeitsfähiger männlicher Rückkehrer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach einer Rückkehr in eine extreme Gefahrenlage geraten würde, die eine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich als unzumutbar erscheinen ließe. Zwar ist die Versorgungslage in Pakistan schlecht, jedoch ist im Wege einer Gesamtgefahrenschau nicht anzunehmen, dass bei einer Rückführung alsbald der sichere Tod drohen würde oder alsbald schwere Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten wären. Der Betroffene wird in der Lage sein zumindest durch Gelegenheitsarbeiten wenigstens ein kleines Einkommen zu erzielen und sich damit zumindest ein Leben am Rand des Existenzminimums zu finanzieren.
3. Die von der Beklagten auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG gestützte Abschiebungsandrohung und das verfügte Einreise- und Aufenthaltsverbot auf der Grundlage des § 11 Abs. 1 AufenthG begegnen keinen rechtlichen Bedenken. Qualifizierte Einwände hiergegen hat der Kläger auch nicht erhoben.
Damit war die Klage insgesamt als unbegründet abzuweisen.
4. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordung (ZPO).


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