Verwaltungsrecht

Anforderungen für eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör im Asylverfahren

Aktenzeichen  14 ZB 19.30400

Datum:
20.1.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 1242
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 3
VwGO § 55, § 86 Abs. 1, § 138 Nr. 3, Nr. 6
GVG § 185

 

Leitsatz

1. Nicht mit Gründen versehen nach § 138 Nr. 6 VwGO ist eine Entscheidung nur dann, wenn die Entscheidungsgründe keine Kenntnis darüber vermitteln, welche tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte für die Entscheidung maßgebend waren und wenn den Beteiligten und dem Rechtsmittelgericht deshalb die Möglichkeit entzogen ist, die Entscheidung zu überprüfen (st. Rspr. BVerwG BeckRS 2013, 56769). Das ist allein deshalb der Fall, weil ein vom Kläger vorgebrachter Umstand nicht erwähnt wird. (Rn. 3 – 4) (redaktioneller Leitsatz)
2. Aus der Anforderung einer treuen und gewissenhaften Übersetzung durch einen Dolmetscher für die Anhörung betroffener Asylbewerberaus nach § 55 VwGO i.V.m. § 185 GVG ergibt sich kein Anspruch auf einen Dolmetscher nur in der Muttersprache oder auf den bestmöglichen Dolmetscher. Vielmehr ist grundsätzlich nur gefordert, dass dem Betroffenen eine ausreichende Verständigung über den Dolmetscher möglich ist (Anschluss an OVG Münster BeckRS 2018, 25371 Rn. 7). (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
3. Verstöße gegen die Aufklärungspflicht gemäß § 86 Abs. 1 VwGO gehören nicht zu den Verfahrensmängeln, auf die der Zulassungsgrund des § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG gestützt werden kann (Anschluss an VGH München BeckRS 2017, 124722 Rn. 4). (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 28 K 17.30224 2018-12-18 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Soweit Zulassungsgründe i.S.v. § 78 Abs. 3 AsylG ausdrücklich oder sinngemäß geltend gemacht werden, sind sie nicht in einer den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügenden Art und Weise dargelegt bzw. liegen nicht vor.
1. Die Berufung ist nicht gemäß § 78 Abs. 3 Nr.3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 6 VwGO zuzulassen, weil das angegriffene verwaltungsgerichtliche Urteil entgegen der klägerischen Kritik “mit Gründen versehen” ist.
1.1. § 138 Nr. 6 VwGO bezieht sich auf den notwendigen (formellen) Inhalt eines Urteils gemäß § 117 Abs. 2 Nr. 5 VwGO (BVerwG, U.v. 28.11.2002 – 2 C 25.01 – BVerwGE 117, 228/230). Nach § 117 Abs. 2 Nr. 5, § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO müssen im Urteil die Gründe schriftlich niedergelegt werden, die für die Überzeugungsbildung des Gerichts maßgeblich waren. Nicht mit Gründen versehen ist eine Entscheidung vor diesem Hintergrund nur dann, wenn die Entscheidungsgründe keine Kenntnis darüber vermitteln, welche tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte für die Entscheidung maßgebend waren und wenn den Beteiligten und dem Rechtsmittelgericht deshalb die Möglichkeit entzogen ist, die Entscheidung zu überprüfen. Das ist nur der Fall, wenn die Entscheidungsgründe vollständig oder zu wesentlichen Teilen des Streitgegenstands fehlen oder sich als derart verworren oder unverständlich darstellen, dass sie unbrauchbar sind (BVerwG, B.v. 25.9.2013 – 1 B 8.13 – juris Rn. 13 m.w.N.; BayVGH, B.v. 21.5.2015 – 11 ZB 15.50009 – juris Rn. 2 m.w.N.).
1.2. Der Umstand, dass die Bescheinigungen der “Komala Party of Iranian Kurdistan” (Komala-Partei), die eine Tätigkeit des Klägers für die Komala-Parei bestätigten, in den Entscheidungsgründen nicht erwähnt werden, führt nicht dazu, dass das angegriffene verwaltungsgerichtliche Urteil nicht mit Gründen versehen wäre.
Zwar hatte das Verwaltungsgericht – wie die Antragsbegründung zutreffend festhält – in der mündlichen Verhandlung Zweifel an der Echtheit der Bestätigungen der aktenkundigen Schreiben der Komala-Partei geäußert (Sitzungsprotokoll S. 2 unten bis S. 4 oben). Dabei ist zu sehen, dass die Komala-Partei ausweislich ihres Schreibens vom 10. September 2016 (Bl. 67 der Verwaltungsakte) ihre Stellungnahmen auf doppeltem Weg (Telefax und E-Mail) versendet, wobei vorliegend sowohl ein Telefax (Bl. 54 der Verwaltungsakte) als auch eine E-Mail (Bl. 65 der Verwaltungsakte) der Komala-Partei aktenkundig sind, die die Komala-Partei jeweils direkt an das Bundesamt gesandt hatte. Gleichzeitig waren inhaltsgleiche Schreiben in Kopie auch der Klagebegründung vom 15. Februar 2017 beigefügt. Auch ist das Verwaltungsgericht entgegen dieser Aktenlage in der mündlichen Verhandlung (noch unrichtig) davon ausgegangen, es sei keine E-Mail der Komala-Partei aktenkundig, und hat den Kläger damit konfrontiert, der daraufhin den Sachverhalt letztlich entsprechend der Aktenlage wiedergegeben hatte (Sitzungsprotokoll S. 3 fünfter Absatz; S. 3 unten bis S. 4 oben).
Allerdings führt all dies nicht dazu, dass das angegriffene Urteil nicht mit Gründen versehen wäre. Es kann dabei dahinstehen, ob eine unter Übergehung der Blätter 65 ff. der Verwaltungsakte erfolgte Verneinung der Echtheit der Bestätigung der Komala-Partei allein überhaupt geeignet sein könnte, das Vorliegen von “Gründen” i.S.v. § 138 Nr. 6 VwGO in Frage zu stellen, wobei eine Unrichtigkeit der Begründung noch nicht dazu führt, dass eine Begründung i.S.v. § 138 Nr. 6 VwGO “fehlen” würde. Denn – ganz im Gegenteil – hat das Verwaltungsgericht in den Entscheidungsgründen seine ursprünglichen Zweifel an der Echtheit der Bestätigung der Komala-Partei nicht mehr vertreten, wobei der Sinn der mündlichen Verhandlung unter anderem gerade darin liegt, im Gespräch Missverständnisse auszuräumen und Fehlvorstellungen zu korrigieren. Es ist dabei auch keine Vorschrift ersichtlich, die das Verwaltungsgericht verpflichten würde, in den Entscheidungsgründen explizit zu sagen, es halte an seinen ursprünglichen Zweifeln an der Echtheit der Dokumente nicht mehr fest. Selbst wenn man das Verwaltungsgericht als zu einer solchen Klarstellung verpflichtet ansehen wollte, würde ein diesbezüglicher Verstoß allein aber noch nicht dazu führen, dass das Urteil i.S.v. § 138 Nr. 6 VwGO “nicht mit Gründen versehen” wäre.
2. Die klägerische Rüge, das angegriffene verwaltungsgerichtliche Urteil verstoße gegen Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, kann zwar als solche nicht zur Berufungszulassung führen, weil damit formal gesehen keiner der von Art. 78 Abs. 3 AsylG benannten Zulassungsgründe bezeichnet ist.
Allerdings wird mit der Rüge eines Verstoßes gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens zugleich eine Verletzung des Gebots zur Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) geltend gemacht (BVerwG, B.v. 3.3.2008 – 8 B 95.07 – juris Rn. 8), die ihrerseits auch im Asylprozess gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO ein Berufungszulassungsgrund wäre.
Daher ist die Rüge eines Verstoßes gegen Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG als Gehörsrüge i.S.v. § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO auszulegen (§ 88 VwGO) und es sind die einzelnen in der Antragsbegründung vorgebrachten Kritikpunkte daraufhin zu untersuchen.
2.1. Kein Gehörsverstoß liegt darin, dass die Urteilsgründe nicht explizit auf die Bescheinigungen der Komala-Partei eingehen.
Zwar kann eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 108 Abs. 2 VwGO) darin liegen, dass entscheidungserheblicher Vortrag von einem Gericht nicht zur Kenntnis genommen wird oder unerwogen bleibt (BVerfG, B.v. 23.1.1991 – 2 BvR 902/85 u.a. – BVerfGE 83, 216/229 f.). Allerdings sind die Gerichte nicht gehalten, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Deshalb müssen im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (BVerfG, B.v. 12.10.1988 – 1 BvR 818/88 – BVerfGE 79, 51/61 m.w.N.). Dies ist nur der Fall, wenn Tatsachen oder Tatsachenkomplexe übergangen werden, deren Entscheidungserheblichkeit sich aufdrängt (BVerwG, B.v. 1.10.1993 – 6 P 7.91 – NVwZ-RR 1994, 298 m.w.N.).
Vorliegend bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass das Verwaltungsgericht die Bestätigungen der Partei nicht zur Kenntnis genommen hätte. Ganz im Gegenteil ist gerade der Umstand, dass das Verwaltungsgericht diese Bestätigungen in der mündlichen Verhandlung eigeninitiativ angesprochen und deren Echtheit diskutiert hat, ein deutliches Indiz dafür, dass dem Verwaltungsgericht das Vorliegen dieser Bestätigungen durchaus bewusst war. Dass das Verwaltungsgericht dem Kläger seine Vorverfolgung letztlich nicht geglaubt hat, beruht auf den aus Sicht des Verwaltungsgerichts – im Hinblick auf Kalenderdaten und die Schilderung der Aufdeckung der klägerischen Parteiaktivitäten – widersprüchlichen und unplausiblen Schilderungen des Klägers. Demgegenüber enthalten die Bestätigungen der Komala-Partei nicht ansatzweise Details zur zeitlichen Lage oder zur Aufdeckung der klägerischen Parteiaktivitäten.
2.2. Ein Gehörsverstoß ergibt sich auch nicht, soweit die Antragsbegründung die verwaltungsgerichtliche Beweiswürdigung in Frage stellt, und zwar weder im Hinblick auf die Nichterwähnung der Bestätigungen der Komala-Partei im verwaltungsgerichtlichen Urteil, der klägerseits aus Medien stammende Beispiele zur Verfolgung von Mitgliedern der Komala-Partei entgegengestellt werden, einerseits noch im Hinblick auf die Kalenderdatumsangaben des Klägers zum Aschurafest, das Kennenlernen eines Freundes im Internet und die Zusammenarbeit des Klägers mit einem nach Verhaftung in den Irak gegangenen anderen Komala-Mitglied andererseits.
Wird die Beweiswürdigung als solche gerügt, scheidet eine allein darauf gestützte Gehörsverletzung aus. Denn in der Regel sind die Grundsätze der Beweiswürdigung nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem materiellen Recht zuzuordnen (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 10.10.2013 – 10 B 19.13 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO Nr. 67 Rn. 4 m.w.N.). Zwar kann die Beweiswürdigung ausnahmsweise verfahrensfehlerhaft i.S.v. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO sein, wenn sie objektiv willkürlich ist, gegen Denkgesetze verstößt oder einen allgemeinen Erfahrungssatz missachtet. Jedoch liegt auch bei einer mit derart schweren Mängeln behafteten Sachverhaltswürdigung ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs i.S.v. § 138 Nr. 3 i.V.m. § 108 Abs. 2 VwGO nicht vor (vgl. BayVGH, B.v. 17.5.2018 – 14 ZB 17.30263 – juris Rn. 8 m.w.N.). Ein Gehörsverstoß kann sich in diesem Zusammenhang nicht aus Fehlern der Beweiswürdigung als solcher, sondern – wenn überhaupt – aus spezifisch auf das rechtliche Gehör bezogenen Fehlern ergeben, etwa wenn gleichzeitig eine Überraschungsentscheidung vorliegt (vgl. BVerwG, U.v. 3.4.1987 – 4 C 30.85 – NJW 1988, 275).
Anhaltspunkte für eine “Überraschungsentscheidung” oder sonstige “spezifisch auf das rechtliche Gehör bezogene Fehler” sind hier aber weder vorgetragen noch ersichtlich (siehe 2.4. und 2.5.).
2.3. Ein Gehörsverstoß ergibt sich auch nicht daraus, dass entgegen dem klägerischen Wunsch in der verwaltungsgerichtlichen Verhandlung anstatt in der Sprache Soranisch-Kurdisch in der Sprache Persisch gedolmetscht wurde.
Zwar ist die treue und gewissenhafte Übersetzung durch den Dolmetscher für die Anhörung betroffener Asylbewerber, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, unverzichtbar (§ 55 VwGO i.V.m. § 185 GVG) und wird das rechtliche Gehör verletzt, wenn diese Anforderungen nicht sichergestellt sind (vgl. BayVGH, B.v. 4.12.2017 – 5 ZB 17.31569 – NVwZ-RR 2018, 631 Rn. 7). Allerdings bedeuten diese Anforderungen keinen Anspruch von Asylbewerbern auf einen Dolmetscher nur in ihrer Muttersprache oder auf den bestmöglichen Dolmetscher. Vielmehr ist grundsätzlich nur gefordert, dass dem Betroffenen eine ausreichende Verständigung über den Dolmetscher möglich ist (BayVGH, B.v. 30.9.1998 – 19 ZB 98.34316 – juris Rn. 8; B.v. 21.7.2000 – 19 ZB 00.31272 – juris Rn. 5; OVG NW, B.v. 23.5.2018 – 19 A 70/18.A – juris Rn. 7 m.w.N.).
Vor diesem Hintergrund ist vorliegend weder substantiiert vorgetragen noch aus der Verhandlungsniederschrift ersichtlich, dass in der verwaltungsgerichtlichen Verhandlung keine den Mindestanforderungen sinnvoller Kommunikation vor Gericht hinreichende Verständigung möglich gewesen wäre (vgl. zu diesem Kriterium BayVGH, B.v. 30.9.1998 – 19 ZB 98.34316 – juris Rn. 8). Die frühere Klägerbevollmächtigte hatte mit Schriftsätzen vom 2. und 4. September 2018 um einen Dolmetscher in der Sprache Soranisch-Kurdisch bzw. Kurdisch gebeten. Dem war das Verwaltungsgericht mit Schreiben vom 7. September 2018 unter Hinweis auf die klägerische Bestätigung bei der Bundesamtsanhörung, dass die in Persisch gedolmetschte Bundesamtsanhörung ohne Verständigungsschwierigkeiten möglich gewesen sei (vgl. BAMF-Anhörungsniederschrift vom 18.10.2016, S. 6 dritter Absatz [Bl. 61 der Verwaltungsakte]; Kontrollbogen zum Anhörungsprotokoll [Bl. 55 der Verwaltungsakte]), nicht nachgekommen. Gegen dieses verwaltungsgerichtliche Schreiben hatte die Klagepartei im Vorlauf der zur mündlichen Verhandlung am 10. Dezember 2018, zu der die Klagepartei bereits gegen Empfangsbekenntnis vom 30. August 2018 geladen worden war, keine weiteren Einwände erhoben, obwohl dafür genügend Zeit gewesen wäre. Zwar merkte der KIäger zu Beginn der Verhandlung am 10. Dezember 2018 an, dass er lieber einen Dolmetscher für die Sprache Kurdisch gehabt hätte (Sitzungsprotokoll S. 2). Er machte aber zu keinem Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung geltend, dass es sprachliche Probleme mit dem Dolmetschen in Persisch gegeben hätte, wobei zu sehen ist, dass das Verwaltungsgericht den Kläger explizit gebeten hatte, sofort mitzuteilen, wenn sprachliche Probleme auftreten sollten (Sitzungsprotokoll S. 2).
2.4. Soweit die klägerische Kritik an der verwaltungsgerichtlichen Argumentation betreffend die Unglaubwürdigkeit der klägerischen Aussagen zum über das Internet kennengelernten Freund – die wie gezeigt als Kritik an der Beweiswürdigung als solcher von vornherein im Asylprozess nicht zur Berufungszulassung führen kann (siehe 2.2.) – vorbringt, das Verwaltungsgericht greife auf Aussagen des Klägers in der Anhörung zurück, ohne dass es dem Kläger Gelegenheit gegeben habe, zu diesen Zweifeln in der mündlichen Verhandlung Stellung zu nehmen, ist damit zwar ein thematischer Bezug zum Bereich des rechtlichen Gehörs in der Fallgruppe der sog. Überraschungsentscheidung angesprochen, das rechtliche Gehör des Klägers in der Sache aber nicht verletzt.
Die Annahme einer “Überraschungsentscheidung” setzt voraus, dass das Gericht einen bis dahin nicht erörterten oder sonst hervorgetretenen rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gegeben hat, mit der alle oder einzelne Beteiligte nicht zu rechnen brauchten (BVerwG, B.v. 14.11.2007 – 10 B 47.07 – juris Rn. 16). Dagegen kann von einer Überraschungsentscheidung nicht gesprochen werden, wenn ein Tatsachengericht Schlussfolgerungen aus dem tatsächlichen Vorbringen zieht, die nicht den Erwartungen eines Prozessbeteiligten entsprechen und von ihm für unrichtig gehalten werden (BVerwG, B.v. 14.11.2007 a.a.O.). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts besteht keine, auch nicht aus Art. 103 Abs. 1 GG abzuleitende, generelle Pflicht des Gerichts, den Beteiligten vorab mitzuteilen, wie es bestimmte Erkenntnismittel in Bezug auf Einzelheiten des Parteivortrags versteht und bewertet. Das folgt schon daraus, dass in aller Regel die Beweiswürdigung, das daraus folgende Beweisergebnis und die hieraus zu ziehenden Schlussfolgerungen der Schlussberatung des Gerichts vorbehalten bleiben und sich deshalb einer Voraberörterung mit den Beteiligten entziehen. Das gilt auch für den Tatsachenvortrag des Asylbewerbers, der selbst für die Darlegung seiner Asylgründe verantwortlich ist (BVerwG, B.v. 26.11.2001 – 1 B 347.01 – juris Rn. 5 m.w.N.; B.v. 14.11.2007 a.a.O.).
Vor diesem Hintergrund liegt in der besagten kritisierten Passage des Urteils keine unzulässige “Überraschungsentscheidung” im genannten Sinn. Der Kläger hatte damit zu rechnen, dass das Verwaltungsgericht aus den klägerischen Einlassungen in der mündlichen Verhandlung Schlussfolgerungen zieht – ob diese Schlussfolgerungen überzeugen oder nicht ist keine Frage des rechtlichen Gehörs, sondern der Beweiswürdigung, aus der allein im Asylprozess eine Berufungszulassung nicht abgeleitet werden kann (siehe 2.2.). Dabei ist zu sehen, dass es im Asylverfahren stets auch um die Glaubwürdigkeit des Asylbewerbers und die Glaubhaftigkeit seines Vortrags geht, weswegen das Tatsachengericht hierauf grundsätzlich nicht hinzuweisen braucht (vgl. hierzu BVerwG, B.v. 26.11.2001 – 1 B 347.01 u.a. – juris Rn. 5). Dabei ist das Verwaltungsgericht vorliegend ausweislich des Sitzungsprotokolls gerade auch den besagten Aspekten, bei denen es letztlich von Widersprüchlichkeiten des klägerischen Sachvortrags ausgegangen ist oder diesem aus sonstigen Gründen keinen Glauben geschenkt hat, durch Nachfragen nachgegangen (vgl. Sitzungsprotokoll S. 4 drittletzter Absatz, S. 5 erster, zweiter, fünfter und siebter Absatz sowie S. 5 dritter Absatz).
2.5. Schließlich ergibt sich ein Gehörsverstoß auch nicht im Hinblick auf den Untersuchungsgrundsatz, soweit klägerseits kritisiert wird, entgegen der verwaltungsgerichtlichen Bewertung schlössen sich die Aussagen des Klägers, dass eines der von ihm erwähnten anderen Komala-Mitglieder nach der Verhaftung in den Irak gegangen sei und dass der Kläger mit diesem anderen Mitglied weiter vor Ort zusammengearbeitet habe, nicht aus, vielmehr habe das Verwaltungsgericht nicht untersucht, wie lange sich das andere Mitglied im Irak aufgehalten habe und ob er nach einiger Zeit wieder in den Iran zurückgekehrt sei.
Verstöße gegen die Aufklärungspflicht gemäß § 86 Abs. 1 VwGO gehören nicht zu den Verfahrensmängeln, auf die der Zulassungsgrund des § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG gestützt werden kann (SächsOVG, B.v. 16.6.2009 – A 3 A 310/07 – juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 12.1.2012 – 14 ZB 11.30140 – juris Rn. 4; B.v. 29.8.2017 – 11 ZB 17.31081 – juris Rn. 4 m.w.N.). Denn die Aufklärungspflicht als solche gehört nicht zum Regelungsbereich des Art. 103 Abs. 1 GG und vermittelt deswegen auch grundsätzlich nicht den Zulassungsgrund einer Verletzung rechtlichen Gehörs (BVerfG, B.v. 18.2.1988 – 2 BvR 1324/87 – juris Rn. 18; BayVGH, B.v. 19.10.1998 – 27 ZB 98.30836 – juris Rn. 4).
Zwar kann die Ablehnung eines Beweisantrags zu einem Gehörsverstoß führen, wenn sie keine Stütze im Prozessrecht (§ 86 Abs. 2 VwGO) findet (BVerfG, B.v. 30.1.1985 – 1 BvR 393/84 – BVerfGE 69, 141/143 f.; B.v. 27.1.1995 – 1 BvR 1430/94 – NJW 1995, 1417; OVG Bremen, B.v. 29.12.2011 – 2 A 216/10.A – juris Rn. 3 m.w.N.), wobei Beweisangebote in vorbereitenden Schriftsätzen dem im Hinblick auf den klaren Wortlaut des § 86 Abs. 2 VwGO nicht gleichzustellen sind. Allerdings wurde vorliegend in der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts vom 10. Dezember 2018 ein Beweisantrag i.S.v. § 86 Abs. 2 VwGO klägerseits ausweislich des diesbezüglichen Sitzungsprotokolls nicht gestellt.
3. Die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens trägt der Kläger, der dieses Rechtsmittel vorliegend ohne Erfolg eingelegt hat (§ 154 Abs. 2 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird die angegriffene Entscheidung rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).
Dieser Beschluss ist nach § 80 AsylG i.V.m. § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.


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