Verwaltungsrecht

Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung

Aktenzeichen  W 8 S 20.30762

Datum:
1.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 14411
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5 S. 1
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 5, § 36 Abs. 4, § 71a, § 77 Abs. 2
VwVfG § 51
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7, § 60a Abs. 2c
EMRK Art. 3

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Die Antragstellerin, nigerianische Staatsangehörige, verließ ihr Heimatland nach eigenen Angaben im Jahr 2015 und hielt sich mehrere Jahre in Italien auf. In Italien wurde ihr Asylantrag abgelehnt. Am 3. April 2019 stellte die Antragstellerin einen weiteren Asylantrag in Deutschland. Zur Begründung ihres Asylantrags brachte sie im Wesentlichen vor: Sie als Christin habe einen Freund kennengelernt und sei zu ihm in eine überwiegend muslimische Gegend gezogen. Ihr Freund sei ermordet worden. Eine Frau habe berichtet, dass die Mörder auch zu ihr kommen wollten. In Libyen und in Italien sei sie zur Prostitution gezwungen worden.
Mit Bescheid vom 19. Juni 2020 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Antrag als unzulässig ab (Nr. 1) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 2). Die Antragstellerin wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Die Abschiebung nach Nigeria oder in einen anderen Staat wurde angedroht (Nr. 3). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde angeordnet und auf 36 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 4). Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt: Der Asylantrag sei unzulässig, wenn im Fall eines Zweitantrags nach § 71a AsylG ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen sei (§ 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG). Die Antragstellerin habe keine neuen Gründe und Beweismittel vorgelegt. Sie habe sich nur auf die Sachverhalte berufen, die sie schon im früheren Asylverfahren vorgebracht habe bzw. hätte vorbringen können. Die vorgetragenen Diskriminierungen seien von Art und Intensität nicht asylrechtlich erheblich. Einen ernsthaften Schaden aufgrund ihres christlichen Glaubens habe sie nicht zu befürchten gehabt, denn der nigerianische Staat sei bei den gegenseitigen Übergriffen von Muslimen und Christen schutzwillig und schutzfähig und gewähre effektiven Schutz. Anhaltspunkte für eine sekundärviktimisierung bzw. Stigmatisierung bei Rückkehr ins Heimatland seien nicht vorhanden, da niemand in Nigeria von ihrer Tätigkeit als Prostituierte in Libyen und in Italien wisse. Ein drohender ernsthafter Schaden in Form einer weiblichen Genitalverstümmelung bzw. -beschneidung sei ebenfalls nicht feststellbar. Aufgrund der sozialen Strukturen in Nigeria, die durch den starken Zusammenhalt der Großfamilien geprägt seien, sei es der Antragstellerin nach einer Rückkehr möglich, die notwendige finanzielle und wirtschaftliche Unterstützung zu erhalten und ein zumutbares Existenzminimum zu erlangen. Dies sei ihr möglich und zumutbar. Im liberalen Südwesten des Landes und dort vor allem in den Städten würden alleinstehende oder alleinlebender Frauen eher akzeptiert. Des Weiteren gebe es Hilfseinrichtungen sowie auch Rückkehr- und Starthilfen sowie Reintegrationsprogramme. Grundsätzlich sei davon auszugehen, dass für Rückkehrer in Nigeria die Möglichkeit bestehe, ökonomisch eigenständig alleine zu leben und auch mit oder ohne Hilfe Dritter (etwa Verwandter) zu überleben. Die Antragstellerin könne sich eine Existenz aufbauen. Die Antragstellerin sei jung, gesund und arbeitsfähig. Insbesondere die vielfältig vorhandenen NGOs erleichterten es bei einer Rückkehr nach Nigeria, dort das Existenzminimum zu erreichen.
Am 30. Juni 2020 ließ die Antragstellerin im Verfahren W 8 K 20.30761 Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid erheben und im vorliegenden Verfahren beantragen:
Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung wird angeordnet.
Zur Begründung ließ die Antragstellerin im Wesentlichen ausführen: Aufgrund der im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie eingeführten Maßnahmen habe sich die Situation so verschlechtert, dass möglicherweise zugunsten der Antragstellerin ein Abschiebungsverbot erteilt werden müsse. So lebe ein Großteil der Bevölkerung in Nigeria in Armut. Die wirtschaftliche Lage habe sich gerade für arme Personen erheblich verschlechtert. So hätten z.B. die gesamten Straßenverkäufer ihr Geschäft verloren. Da die wirtschaftlichen Lieferketten ausgetrocknet seien, hätten darüber hinaus viele Menschen ihre Arbeit verloren bzw. es drohe, dass noch viele Menschen die Arbeit verlieren würden. Hinzu komme, dass nach Medienberichten sexuelle Gewalt gegen Frauen erheblich zugenommen habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte (einschließlich der Akte des Verfahrens W 8 K 20.30761 sowie die Akten des Mannes W 8 K 20.30447/W 8 S 20.30448 und ihres Kindes W 8 K 20.30691) sowie die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist unbegründet, da insoweit keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids bestehen (§ 36 Abs. 3 und 4 AsylG). Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes kommt es darauf an, ob die Entscheidung in Bezug auf die geltend gemachten Wiederaufgreifens- und Asylgründe sowie Abschiebungshindernisse bei der hier gebotenen summarischen Prüfung mit der erforderlichen Richtigkeitsgewähr bestätigt werden kann.
Der Asylantrag der Antragstellerin ist gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 71a Abs. 1 AsylG unzulässig, weil dieser nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens führt. Die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Asylverfahrens gemäß § 51 Abs. 1 VwVfG, insbesondere eine entscheidungsrelevante Veränderung der dem Erstverfahren zugrundeliegenden Sach- oder Rechtslage im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG, liegen nicht vor. Ebenso bestehen keine Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG.
Das Gericht folgt im Ergebnis sowie in der wesentlichen Begründung dem angefochtenen Bescheid und sieht insbesondere von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG). Die Ausführungen des Bundesamtes decken sich mit den vorliegenden Erkenntnissen.
Das Bundesamt hat schon zutreffend auf das Schreiben der Republik Italien vom 16. Juni 2020 verwiesen, wonach das Verfahren zur Prüfung eines Antrages auf internationalen Schutz in Italien mit der am 20. April 2016 erfolgten Ablehnung endgültig erfolglos abgeschlossen worden sei.
Das Bundesamt hat des Weiteren zu Recht darauf hingewiesen, dass die Antragstellerin keine neuen relevanten Wiederaufgreifensgründe geltend gemacht hat, sondern vielmehr die Gründe vorgebracht hat, die sie auch schon in ihrem erfolglosen Asylverfahren in Italien angegeben hatte bzw. hätte vorbringen können. Das Bundesamt hat zudem ausgeführt, dass die Diskriminierungen nicht asylerheblich seien. Bei gegenseitigen Übergriffen von Muslimen und Christen sei der nigerianische Staat schutzwillig und schutzfähig und gewähre effektiven Schutz. Die Antragstellerin könne in Nigeria ein zumutbares Existenzminium erlangen. Sie könne gegebenenfalls Unterstützung durch ihre Großfamilie sowie durch verschiedene Hilfseinrichtungen erhalten. Auch die Gefahren aufgrund der Corona-Pandemie rechtfertigten kein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot für Nigeria.
Darüber hinaus ist es der Antragstellerin jedenfalls möglich und zumutbar, sich in einem anderen Landesteil Nigerias niederzulassen, in welchem sie vor eventuellen Verfolgern – auch seitens religiös motivierter oder sonstiger Bedrohungen Dritter – sicher wäre (vgl. § 3e, § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG). Die Antragstellerin kann sich beispielsweise in einer der zahlreichen Großstädte Nigerias, insbesondere in der Hauptstadt Abuja, oder im christlich geprägten Südwesten des Landes, beispielsweise in Lagos oder in einer anderen Stadt niederlassen. Sie genießt Freizügigkeit in ganz Nigeria, so dass sie ihren Wohn- und Aufenthaltsort grundsätzlich frei bestimmen kann. Wenn die Antragstellerin ihren Heimatort meidet, ist es unwahrscheinlich, dass sie in einer anonymen Großstadt nach mehrjähriger Abwesenheit (seit dem Jahr 2015) außerhalb der Heimatregion aufgefunden würde, zumal Nigeria etwa 200 Millionen Einwohner hat, eine Fläche von 925.000 m² aufweist und dabei nicht über ein funktionsfähiges Meldesystem verfügt. Grundsätzlich besteht nach der Erkenntnislage in den meisten Fällen die Möglichkeit, staatlicher Verfolgung, Repressionen Dritter sowie Fällen massiver regionaler Instabilität durch Umzug in einen anderen Teil des Landes auszuweichen. Der Antragstellerin ist ein Umzug in einen anderen Landesteil Nigerias auch zumutbar. Zwar geht aus den vorliegenden Erkenntnissen hervor, dass ein Umzug in einen anderen Landesteil unter Umständen mit wirtschaftlichen und sozialen Problemen verbunden sein kann, wenn sich Einzelpersonen an einen Ort begeben, an dem sie kein soziales Umfeld haben. Insbesondere familiären Bindungen kommt in der nigerianischen Gesellschaft eine gesteigerte Bedeutung zu (vgl. BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Nigeria, Stand: 20.5.2020, S. 53 ff.; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, Stand: September 2019, vom 16.1.2020, S. 16, 21). Die Antragstellerin könnte jedoch im Fall der Rückkehr nach Nigeria – wie auch schon vom Bundesamt im streitgegenständlichen Bundesamtsbescheid zutreffend ausgeführt – auch ohne solche Bindungen ohne gravierende gesundheitlichen Einschränkungen in einer der zahlreichen Großstädte eine existenzsichernde Erwerbstätigkeit aufnehmen, um ihren Lebensunterhalt zu erwirtschaften. Dies gilt umso mehr, als die Antragstellerin im Falle einer freiwilligen Rückkehr sowohl Start- als auch Rückkehrhilfen in Anspruch nehmen kann. Zudem hat sie sich auch schon in der Vergangenheit mit einfachen Arbeiten beholfen. Sie hat berufliche Erfahrungen gesammelt und ist auch mit den Umständen in Nigeria vertraut. Somit ist davon auszugehen, dass sich die Antragstellerin ihren Lebensunterhalt zumindest am Rande des Existenzminimums erwirtschaften kann (VG Cottbus, B.v. 29.5.2020 – 9 L 226/20.A – juris; U.v. 29.5.2020 – 9 K 112/19.A – juris; VG Augsburg, B.v. 12.5.2020 – Au 9 S 20.30557 – juris; B.v. 10.3.2020 – Au 9 S 20.30327 – juris; B.v. 4.3.2020 – Au 7 K 18.31993 – juris; B.v. 20.2.2020 Au 9 K 17.35117 – juris; B.v. 16.1.2020 – Au 9 K 19.30382 – juris; OVG NRW, B.v. 15.4.2020 – 19 A 915/19.A – juris; B.v. 18.3.2020 – 19 A 147/20.A – juris; B.v. 2.1.2020 – 19 A 183/18.A – juris; VG München, B.v. 20.3.2020 – M 8 S 19.34200 – juris; B. 13.12.2019 – M 12 S 19.34141 – juris; VG Karlsruhe, B.v. 26.2.2020 – A 4 K 7158/18 – juris; VG Kassel, B.v. 21.1.2020 – 6 L 2648/19.KS.A – juris).
An der vorstehenden Beurteilung ändert sich auch nichts dadurch, dass in die Betrachtung mit einbezogen wird, dass die Antragstellerin mit ihrem Kind und ihrem Mann zurückkehrt. Auch insoweit hält es das Gericht für möglich, dass sich die Antragstellerin eine Existenz für sich und ihre Familie in zumutbarer Weise sichern kann. Insofern ist bei realitätsnaher Betrachtung im Rahmen der Gefährdungsprognose vom Regelfall der Annahme einer gemeinsamen Rückkehr im Familienverband auszugehen (OVG NRW, B.v. 15.4.2020 – 19 A 915/19.A – juris m.w.N.). Auch und gerade der traditionell verheiratete Ehemann kann zusätzlich durch eigene Erwerbstätigkeit zum Familienunterhalt beitragen. Des Weiteren ist davon auszugehen, dass beide über verwandtschaftliche Beziehungen verfügen, auf die sie nötigenfalls zurückgreifen könnten. So ist nicht ersichtlich, dass sich die Antragstellerin und ihre Familie in einer solch speziellen Situation befänden, dass sie im Falle einer Rückkehr nach Nigeria sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert wären, wenn auch möglicherweise gewisse Anfangsschwierigkeiten zu überwinden sein mögen.
Des Weiteren ist auch in dem Zusammenhang nochmals darauf hinzuweisen, dass abgesehen von privaten Hilfemöglichkeiten und Hilfsorganisationen auch auf Rückkehr- und Starthilfen sowie auf Reintegrationsprogramme zurückgegriffen werden kann. So hat die Antragstellerin die Option, ihre finanzielle Situation in Nigeria aus eigener Kraft zu verbessern, um Startschwierigkeiten bei einer Rückkehr besser zu überbrücken. Gegen diese Möglichkeiten kann die Antragstellerin nicht mit Erfolg einwenden, dass Start- bzw. und Reintegrationshilfen ganz oder teilweise nur für freiwillige Rückkehr, also teilweise nicht bei einer zwangsweisen Rückführung, erfolgen. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann ein Asylbewerber, der durch eigenes zumutbares Verhalten – wie insbesondere durch freiwillige Rückkehr – im Zielstaat drohende Gefahren abwenden kann, nicht vom Bundesamt die Feststellung eines Abschiebungsverbotes verlangen (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.1997 – 9 C 38.96 – BVerwGE 104, 265; VGH BW, U.v. 26.2.2014 – A 11 S 2519/12 – juris).
Ernstliche Zweifel ergeben sich nach den vorstehenden Ausführungen des Weiteren nicht mit Bezug auf § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG, auch nicht im Hinblick auf eventuelle gesundheitlichen Aspekte.
Die geltend gemachten Erkrankungen rechtfertigen nicht die Annahme einer Gefahrenlage im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Denn nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG liegt eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur bei lebensbedrohlichen und schwerwiegenden Erkrankungen vor, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Konkret ist die durch eine Krankheit verursachte Gefahr, wenn die gravierende Verschlechterung des Gesundheitszustands alsbald nach Abschiebung in den Zielstaat eintreten würde, weil eine adäquate Behandlung dort nicht möglich ist (BVerwG, U.v. 17.10.2006 – 1 C 18/05 – BVerwGE 127, 33). Eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes ist dabei nicht schon bei jeder befürchteten ungünstigen Entwicklung des gesundheitlichen Zustandes anzunehmen, sondern nur bei außergewöhnlichen und schweren körperlichen oder psychischen Schäden und/oder existenzbedrohenden Zuständen. Mit der Präzisierung des Gesetzgebers, dass lediglich lebensbedrohliche und schwerwiegende Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, die Abschiebung des Ausländers hindern, wird klargestellt, dass nur äußerst gravierende Erkrankungen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG darstellen (vgl. BayVGH, B.v. 10.10.2019 – 19 CS 19.2136).
Dass der Antragstellerin solche Gefahren drohen, ist weder vorgebracht, noch sonst ersichtlich. Die Antragstellerin hat zwar von Beschwerden berichtet, sie hat aber dazu keine qualifizierten Atteste im Sinne des § 60a Abs. 2c AufenthG vorgelegt. Wird die geltend gemachte Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen soll, aber nicht durch eine qualifizierte Bescheinigung im Sinne des § 60a Abs. 2c AufenthG belegt, so bleibt es bei der gesetzlichen Vermutung des § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG, wonach der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen (vgl. BayVGH, B.v. 10.10.2019 – 19 CS 19.2136).
Gegebenenfalls ist die Antragstellerin gehalten, im Bedarfsfall die Möglichkeiten des – zugegebener Maßen mangelhaften – nigerianischen Gesundheits- und Sozialsystems (vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Länderinformation COVID-19-Pandemie, Die Gesundheitssysteme in den Top-10-Herkunftsländern, Stand: 06/2020, S. 25 f.; BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Nigeria, Stand: 20.5.2020, S. 56 ff. und S.59 ff.; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, Stand: September 2019, v. 16.1.2020, S. 22 ff.) auszuschöpfen. Gegebenenfalls kann sie auch auf private Hilfemöglichkeiten und Hilfsorganisationen sowie auf Rückkehr- und Starthilfen sowie auf Reintegrationsprogramme zurückgreifen, so dass sie nicht völlig mittellos wäre und sich in Nigeria etwa auch Medikamente besorgen könnte. Abgesehen davon könnten der Antragstellerin bei Bedarf für eine Übergangszeit auch Medikamente mitgegeben werden (vgl. BayVGH, B.v. 10.10.2019 – 19 CS 19.2136).
An der Beurteilung ändert des Weiteren auch die weltweite COVID-19-Pandemie nichts.
Laut den allgemein zugänglichen Quellen gibt es in Nigeria im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt 25.694 (Deutschland 195.832) bestätigte Corona-Fälle; davon sind 9.746 (Deutschland 179.800) Personen genesen; außerdem gibt es 590 (Deutschland 9.052) Todesfälle (Stand: 1.7.2020; siehe etwa Nigeria Centre for Disease Control https://covid19.ncdc.gov.ng/ oder https://www.worldometers.info/coronavirus/country/nigeria/ sowie Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Länderinformation COVID-19-Pandemie, Die Gesundheitssysteme in den Top-10-Herkunftsländern, Stand: 06/2020, S. 27 ff.; BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Kurzinformation der Staatendokumentation Afrika, COVID-19 – aktuelle Lage vom 10.6.2020, S. 2; EASO Special Report: Asylum Trends on COVID-19 vom 11.6.2020, S. 10 und S. 14 ff.), wenn auch bei den Zahlen die Dunkelziffer hoch sein mag und die Zahl der an dem Virus Infizierten bzw. Gestorbenen deutlich höher liegen mag (siehe Spiegel vom 26.6.2020, https://www.spiegel.de/politik/ausland/coronavirus-in-nigeria-viele-infizierte-und-tote-koennten-nicht-registriert-sein-a-376a1144-607a-4503-9632-236168d397da). Jedoch bleibt der nigerianische Staat nicht tatenlos, wobei in den einzelnen Bundesstaaten unterschiedliche Maßnahmen getroffen werden (vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Länderinformation COVID-19-Pandemie, Die Gesundheitssysteme in den Top-10-Herkunftsländern, Stand: 06/2020, S. 27 ff.; BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Kurzinformation der Staatendokumentation Afrika, Covid-19 – aktuelle Lage vom 23.3.2020, S. 2). So gelten angesichts der Corona-Pandemie in Nigeria in bestimmten Landesteilen bzw. Staaten – gerade in Hotspots – teilweise strenge bzw. strengere Ausgangssperren und Quarantäneregelungen, die von den nigerianischen Sicherheitskräften auch überwacht werden. Die Regierung hat hingegen mittlerweile etwa die Ausgangssperre für Lagos und Abuja wieder aufgehoben, allerdings an anderen Stellen (etwa in Kano) zeitweise verlängert und erweitert (vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Länderinformation COVID-19-Pandemie, Die Gesundheitssysteme in den Top-10-Herkunftsländern, Stand: 06/2020, S. 28 f.; BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Kurzinformation der Staatendokumentation Afrika, COVID-19 – aktuelle Lage vom 10.6.2020, S. 1 ff. und 7 ff.; Handelsblatt vom 2.6.2020, https://www.handelsblatt.com/politik/international/pandemie-das-coronavirus-verschaerft-die-wirtschaftlichen-und-sozialen-probleme-afrikas/25873896.html; New York Times vom 17.5.2020, https://www.nytimes.com/2020/05/17/world/africa/coronavirus-kano-nigeria-hotspot.html; ferner n-tv.de vom 15.4.2020, https://www.n-tv.de/panorama/Corona-Krise-entfacht-Gewalt-in-Nigeria-article21716861.html oder merkur.de vom 16.4.2020 https://www.merkur.de/welt/coronavirus-afrika-news-nigeria-suedafrika-uganda-katastrophe-experte-warnung-pandemie-covid-19-who-zr-13606904.html).
Dem Gericht fehlen vor diesem Hintergrund jegliche Anhaltspunkte für die Annahme des Vorliegens der Voraussetzungen des subsidiären Schutzes, weil nicht ersichtlich ist, dass – bezogen auf eine mögliche COVID-19-Erkrankung – eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung einem Akteur im Sinne von § 3c AsylG i.V.m. § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG zugeordnet werden kann.
Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung nach Nigeria ergeben sich nach Vorstehendem des Weiteren nicht im Hinblick auf die Verneinung des Vorliegens der Voraussetzungen etwaiger Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 bzw. 7 Satz 1 AufenthG durch das Bundesamt.
Insbesondere rechtfertigt die weltweite COVID-19-Pandemie keine andere Sichtweise in Bezug auf das Vorliegen etwaiger Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 bzw. 7 Satz 1 AufenthG.
Auch wenn sich die wirtschaftliche Situation in Nigeria aufgrund der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie verschlechtert (vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Länderinformation COVID-19-Pandemie, Die Gesundheitssysteme in den Top-10-Herkunftsländern, Stand: 06/2020, S. 28 f.; EASO Special Report: Asylum Trends on COVID-19 vom 11.6.2020, S. 15; BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Kurzinformation der Staatendokumentation Afrika, COVID-19 – aktuelle Lage vom 10.6.2020, S. 3 und 8 f.; auch Handelsblatt vom 2.6.2020, https://www.handelsblatt.com/politik/international/pandemie-das-coronavirus-verschaerft-die-wirtschaftlichen-und-sozialen-probleme-afrikas/25873896.html), hält es das Gericht zum jetzigen maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt nicht für hinreichend beachtlich wahrscheinlich, dass sich die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse derart negativ entwickeln werden, dass von einer grundsätzlich abweichenden Beurteilung der Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK ausgegangen werden kann. Schlechte humanitäre Verhältnisse können dabei nur in ganz außergewöhnlichen Fällen zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK führen, nämlich dann, wenn es sich hierbei um zwingende humanitäre Gründe handelt (vgl. OVG NRW, U.v. 24.3.2020 – 19 A 4470/19.A – juris m.w.N.). Aus der Rechtsprechung des EGMR (U.v. 28.6.2011 – Nr. 8319/07 und 11449/07 – BeckRS 2012, 8036 – Rn. 278) und des Bundesverwaltungsgerichts (B.v. 13.2.2019 – 1 B 2.19 – juris; U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – BVerwGE 146, 12) ergibt sich, dass die Annahme einer unmenschlichen Behandlung allein durch die humanitäre Lage und die allgemeinen Lebensbedingungen ein sehr hohes Gefährdungsniveau voraussetzt. Nur dann liegt ein außergewöhnlicher Fall vor, in dem die gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechenden humanitären Gründe zwingend sind. Entscheidend ist, dass die Person keiner Situation extremer materieller Not ausgesetzt wird, die es ihr unter Inkaufnahme von Verelendung verwehrt elementare Bedürfnisse zu befriedigen.
Für den Eintritt einer dahingehenden Verschlechterung der humanitären Verhältnisse in Nigeria fehlen dem Gericht zum jetzigen Entscheidungszeitpunkt (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 AsylG) greifbare Anhaltspunkte. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass gerade hinsichtlich der wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie ein Gegensteuern des nigerianischen Staates erkennbar ist. So wurde ein Notfallfonds für das „Nigeria Centre for Disease Control“ eingerichtet, ebenso wie Konjunkturpakete, um die Auswirkungen für Haushalte und Betriebe zu lindern; außerdem wurden Nahrungsmittel verteilt (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Länderinformation COVID-19-Pandemie, Die Gesundheitssysteme in den Top-10-Herkunftsländern, Stand: 06/2020, S. 28 f.; BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Kurzinformation der Staatendokumentation Afrika, COVID-19 – aktuelle Lage vom 10.6.2020, S. 3 und 8 f.; https://reliefweb.int/report/nigeria/nigeria-humanitarian-fund-allocation-covid-19-and-humanitarian-response, vom 16.6.2020; https://www.theafricareport.com/26444/coronavirus-recession-in-nigeria-likely-despite-measures-in-place/, vom 20.4.2020). Darüber hinaus hat der internationale Währungsfonds Soforthilfen für Nigeria in Höhe von 3,4 Milliarden US-Dollar gewährt (https://www.imf.org/en/News/Articles/2020/04/28/pr20191-nigeria-imf-executive-board-approves-emergency-support-to-address-covid-19, vom 28.4.2020). Das Gericht geht zudem davon aus, dass gerade der für viele Nigerianer als Einnahmequelle bedeutende informelle Sektor nach dem Aufheben der vorübergehenden, nicht landesweit gleich strikten und im Übrigen bereits wieder gelockerten Ausgangsbeschränkungen (vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Länderinformation COVID-19-Pandemie, Die Gesundheitssysteme in den Top-10-Herkunftsländern, Stand: 06/2020, S. 28 f.; etwa https://www.africanews.com/2020/06/01/nigeria-coronavirus-hub-updates-covid-19/; https://www.kas.de/de/laenderberichte/detail/-/content/nigeria-seit-vier-wochen-im-lockdown) auch der Antragstellerin wieder zur Verfügung stehen wird (vgl. BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Kurzinformation der Staatendokumentation Afrika, COVID-19 – aktuelle Lage vom 10.6.2020, S. 3 ff und 8 f.; Handelsblatt vom 2.6.2020, https://www.handelsblatt.com/politik/international/pandemie-das-coronavirus-verschaerft-die-wirtschaftlichen-und-sozialen-probleme-afrikas/25873896.html).
Entsprechendes gilt auch im Hinblick auf das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG aufgrund der COVID-19-Pandemie.
Zunächst ist insoweit festzustellen, dass die Antragstellerin mangels entgegenstehender Anhaltspunkte nicht mit dem neuartigen SARS-CoV-2 („Coronavirus“) infiziert ist bzw. nicht an der hierdurch hervorgerufenen Erkrankung COVID-19 leidet.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG sind Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann die oberste Landesbehörde aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein und in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird.
Die derzeitige COVID-19-Pandemie stellt in Nigeria mangels einer solchen Abschiebestopp-Anordnung allenfalls eine allgemeine Gefahr dar, die aufgrund der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG grundsätzlich nicht rechtfertigen kann. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG kommt ausnahmsweise nur dann in Betracht, wenn es zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Schutzlücke, d.h. zur Vermeidung einer extremen konkreten Gefahrenlage erforderlich ist (vgl. etwa BVerwG, 24.6.2008 – 10 C 43/07 – juris; Dollinger in Bergmann/Dienelt, Ausländerecht, 13. Auflage 2020, § 60 AufenthG, Rn. 100 m.w.N.). Die drohende Gefahr, dass die Antragstellerin sich in Nigeria mit dem SARS-CoV-2-Virus infiziert, muss nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Die Gefahren müssen dem Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Nach diesem hohen Wahrscheinlichkeitsgrad muss eine Abschiebung dann ausgesetzt werden, wenn der Ausländer ansonsten „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde“ (vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2001 – 1 C 5.01 – BVerwGE 115, 1 m.w.N. – juris). Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren. Das bedeutet nicht, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage beispielsweise auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage den baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (vgl. BVerwG, U.v. 29.9.2011 – 10 C 24.10 – juris sowie VG Cottbus, B.v. 29.5.2020 – 9 L 226/20.A – juris mit Bezug auf VG Bayreuth, U.v. 21.4.2020 – B 8 K 17.32211; OVG NRW – U.v. 24.3.2020 – 19 A 4470/19.A – juris m.w.N.; vgl. auch schon etwa VG Würzburg, B.v. 17.6.2020 – W 8 S 20.30629 – juris; Ue.v. 8.6.2020 – W 8 K 20.30044, W 8 K 20.30074, W 8 K 20.30181 – jeweils juris; B.v. 27.5.2020 – W 8 S 20.30549 – juris; m.w.N.).
Eine solche extreme, konkrete Gefahrenlage ist vorliegend für die Antragstellerin im Hinblick auf die Verbreitung des „Coronavirus“ für das Gericht derzeit nicht erkennbar. Die ca. 27 Jahre alte Antragstellerin ohne relevante Vorerkrankungen gehört nicht zu der Personengruppe mit einem höheren Risiko für einen schweren, möglicherweise lebensbedrohlichen Verlauf der COVID-19 Erkrankung (vgl. RKI, Informationen und Hilfestellungen für Personen mit einem höheren Risiko für einen schweren COVID-19-Krankheitsverlauf; abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikogruppen.html). Unter Berücksichtigung der oben aufgeführten tagesaktuellen Fallzahlen und des damit einhergehenden Ansteckungsrisikos besteht in Nigeria derzeit nach dem oben genannten Maßstab keine hohe Wahrscheinlichkeit eines schweren oder tödlichen Verlaufs der Erkrankung für die Personengruppe, welcher die Antragstellerin angehört. Sie muss sich letztlich, wie hinsichtlich etwaiger anderer Erkrankungen, wie etwa Malaria, HIV, Masern, Cholera, Lassa-Fieber, Meningitis oder Tuberkulose, bei der die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung und eines schweren Verlaufs teilweise um ein Vielfaches höher liegt als bei dem „Coronavirus“ (vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Länderinformation COVID-19-Pandemie, Die Gesundheitssysteme in den Top-10-Herkunftsländern, Stand: 06/2020, S. 25 f.; EASO Special Report: Asylum Trends on COVID-19 vom 11.6.2020, S. 14 f.; vgl. zu Malaria OVG NRW, U.v. 24.3.2020 – 19 A 4479/19.A – juris; VG Karlsruhe, U.v. 26.2.2020 – A 4 K 7158/18 – juris), im Bedarfsfalle auf die Möglichkeiten des – zugegebenermaßen mangelhaften – nigerianischen Gesundheits- und Sozialsystems (vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Länderinformation COVID-19-Pandemie, Die Gesundheitssysteme in den Top-10-Herkunftsländern, Stand: 06/2020, S. 25 f.; BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Nigeria, Stand: 25.5.2020, S. 56 ff. und 51 ff.; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, Stand: September 2019, vom 16.1.2020, S. 22 ff.) verweisen lassen.
Des Weiteren ist festzuhalten, dass die Ansteckungsgefahr mit dem „Coronavirus“ auch in Nigeria nicht in allen Landesteilen gleich hoch ist. Vielmehr gibt es erhebliche regionale Unterschiede (vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Länderinformation COVID-19-Pandemie, Die Gesundheitssysteme in den Top-10-Herkunftsländern, Stand: 06/2020, S. 27 f.; BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Kurzinformation der Staatendokumentation Afrika, COVID-19 – aktuelle Lage vom 10.6.2020, S. 5 f und 8 sowie vom 23.3.2020, S. 2; New York Times vom 17.5.2020, https://www.nytimes.com/2020/05/17/world/africa/coronavirus-kano-nigeria-hotspot.html) beim Risiko, angesteckt zu werden. Darüber hinaus bestehen – wie auch in anderen Staaten, wie etwa in Deutschland – individuell persönliche Schutzmöglichkeiten, wie das Tragen einer Gesichtsmaske oder die Wahrung von Abstand zu anderen Personen, um das Risiko einer Ansteckung durch eigenes Verhalten zu minimieren.
Gegebenenfalls kann die Antragstellerin auch auf private Hilfsmöglichkeiten oder Hilfsorganisationen zurückgreifen, sodass sie nicht völlig mittellos wäre und sich in Nigeria etwa auch mit Medikamenten, Desinfektionsmitteln oder Gesichtsmasken versorgen könnte. Abgesehen davon könnten der Antragstellerin bei Bedarf auch Medikamente, Desinfektionsmittel oder Gesichtsmasken für eine Übergangszeit mitgegeben werden (vgl. OVG NRW, U.v. 24.3.2020 – 19 A 4470/19.A – juris; BayVGH, B.v. 10.10.2019 – 19 CS 19.2136).
Wie schon ausgeführt hat das Gericht weiter keine triftigen Anhaltspunkte, geschweige denn konkrete Belege, dass die Lebensverhältnisse und die humanitären Lebensbedingungen in Folge der Covid-19-Pandemie in Nigeria in der Weise verschlechtert hätten oder alsbald verschlechtern würden, dass generell für jeden Rückkehrer eine extreme Gefahr im oben zitierten Sinn mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen würde. Gerade angesichts der regionalen Unterschiede und dem unterschiedlichen Vorgehen der einzelnen Bundesstaaten bestehen weiterhin ausreichende Möglichkeiten, sich ein Existenzminimum zu erwirtschaften, so dass eine Rückkehr nach Nigeria zumutbar ist. Bei der Nahrungsmittel- und Wasserversorgung kommt es zudem zu keinem Mangel, der über das übliche Maß hinausgehen würde (BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Kurzinformation der Staatendokumentation Afrika, COVID-19 – aktuelle Lage vom 10.6.2020, S. 9)
Nach alledem es gibt keine belastbaren Anhaltspunkte dafür, dass sich Wirtschaft und Versorgungslage der Bevölkerung trotz internationaler humanitärer Hilfe, trotz Gegensteuerns des nigerianischen Staates und trotz lokaler Hilfsbereitschaft infolge der Pandemie derart verschlechtern würde, dass die Antragstellerin nicht mehr in der Lage wäre, den Lebensunterhalt für sich sicherzustellen (ebenso VG Cottbus, B.v. 29.5.2020 – 9 L 226/20.A – juris U.v. 29.5.2020 – 9 K 112/19.A – juris).
Die in den Medien berichtete Zunahme der Gewalt gegen Frauen in Nigeria während des Locks downs (vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 25.6.2020, https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/gesundheit/coronavirus/corona-lockdown-in-nigeria-eine-epidemie-der-gewalt-16829039.html; Frankfurter Rundschau vom 15.6.2020, https://www.fr.de/politik/corona-nigeria-kirche-vergewaltigt-gewalt-gegen-frauen-steigt-13797921.html) führt zu keiner anderen Beurteilung. Denn zum einen betreffen diese Berichte gerade den Zeitraum des mittlerweile größtenteils beendeten Lock downs, der in Nigeria (wie im Übrigen auch in anderen, auch europäischen Staaten) zu einer Erhöhung der häuslichen Gewalt sowie zu einer Zunahme von Vergewaltigungen und Morden geführt hatte. Zum anderen ist der nigerianische Staat auch insofern nicht tatenlos geblieben, sondern er hat auf betreffende Proteste reagiert und den Notstand ausgerufen sowie weitere Maßnahmen gegen sexuelle Gewalt ergriffen (vgl. die vorstehend zitierten Zeitungsberichte).
Das Gericht verkennt – auch unter Berücksichtigung der COVID-19-Pandemie – nicht die mitunter schwierigen Lebensverhältnisse in Nigeria. Diese betreffen jedoch nigerianische Staatsangehörige in vergleichbarer Lage in gleicher Weise.
Im Übrigen wird – auch im Hinblick auf die COVID-19-Situation – auf den angefochtenen Bundesamtsbescheid Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung der Gründe abgesehen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Des Weiteren ist die Ausländerbehörde (und nicht die Antragsgegnerin) zuständig, über eventuelle inlandsbezogene Abschiebungshindernisse – wie etwa Ehe und Familie (Art. 6 GG) oder Reiseunfähigkeit – zu entscheiden (§ 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG).
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage war daher abzulehnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.


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