Verwaltungsrecht

Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen eine erneute Zwangsgeldandrohung, Erstreckung der Prozessvollmacht, Feuerstättenbeschau, Unbestimmtheit der Erfüllungsfrist, Geeignetheit einer wiederholten Zwangsgeldandrohung (verneint)

Aktenzeichen  M 8 S 21.3781

Datum:
5.8.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 23296
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
VwZVG Art. 31, 36, 38

 

Leitsatz

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Ziffer II.1 des Bescheids vom 14. Juni 2021 (Az.: … ) wird angeordnet.
II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 875,– Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen einen Bescheid der Antragsgegnerin vom 14. Juni 2021, in dem ihr ein erneutes, viertes Zwangsgeld in Höhe von insgesamt 3.500,- EUR angedroht wird. Sie begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage (M 8 K 21.3782).
Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Anwesens … straße 8, Fl.Nr. …, Gem. … … …
Am 13. Februar 2019 stellte der Bezirkskaminkehrer bei einer Abgaskontrolle fest, dass im vorgenannten Anwesen im 3. OG, links, das Flammenbild der Gasfeuerstätte in der Küche nicht in Ordnung und der Brenner verunreinigt sei. Die Betriebssicherheit des Gerätes sei nicht mehr gewährleistet. Die Antragstellerin wurde durch ihn aufgefordert, die Gasfeuerstätte von einer Heizungsfachfirma überprüfen und den Brenner und Wärmetauscher reinigen sowie den Gasdurchsatz neu einregulieren zu lassen. Hierfür wurde ihr eine Frist bis 15. März 2019 gesetzt.
Nach Ablauf der Frist wandte sich der Bezirkskaminkehrer an die Antragsgegnerin mit der Bitte um weitere Veranlassung.
Mit Schreiben vom 2. Juli 2019 wurde die Antragstellerin durch die Antragsgegnerin auf die Beanstandungen hingewiesen, erneut zur Mängelbeseitigung aufgefordert und zum Erlass einer kostenpflichtigen Verfügung angehört. Es folgten Erinnerungsschreiben am 20. August 2019 und 9. Oktober 2019.
Mit Bescheid vom 13. August 2020, mit Postzustellungsurkunde am 17. August 2020 zugestellt, wurde die Antragstellerin aufgefordert, unverzüglich, spätestens innerhalb von einem Monat nach Unanfechtbarkeit der Verfügung in der Küche der Wohnung im 3. OG links durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass durch den verunreinigten Brenner und dem jederzeit möglichen Abgasaustritt im offenen System der raumluftabhängigen Feuerstätte keine Personen der Nutzungseinheit mehr gefährdet werden und über die ordnungsgemäße Mängelbehebung eine Bescheinigung des zuständigen Bezirkskaminkehrermeisters vorzulegen (Ziffer 1). Für den Fall der nicht fristgerechten Erfüllung dieser Verpflichtung wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 650,- EUR angedroht (Ziffer 2).
Mit Bescheid vom 26. Oktober 2020 (mit Postzustellungsurkunde am 28. Oktober 2020 zugestellt) drohte die Antragsgegnerin für den Fall, dass der Verfügung vom 13. August 2020 nicht unverzüglich, spätestens innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Zustellung dieses Bescheids Folge geleistet werde, ein erneutes (zweites) Zwangsgeld in Höhe von 800,- EUR an. Verbunden mit dem Bescheid war eine Fälligkeitsmitteilung über das im Bescheid vom 13. August 2020 angedrohte (erste) Zwangsgeld in Höhe von 650,- Euro.
Mit weiterem Bescheid vom 24. Februar 2021 (mit Postzustellungsurkunde am 3. März 2021 zugestellt) drohte die Antragsgegnerin für den Fall, dass der Verfügung vom 13. August 2020 nicht unverzüglich, spätestens innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung dieses Bescheids Folge geleistet werde, ein erneutes (drittes) Zwangsgeld in Höhe von 1.200,- Euro an. Verbunden mit dem Bescheid war eine Fälligkeitsmitteilung über das im Bescheid vom 26. Oktober 2020 angedrohte (zweite) Zwangsgeld in Höhe von 800,- Euro.
Mit Bescheid vom 14. Juni 2021 (Az. …) drohte die Antragsgegnerin für den Fall, dass der Verfügung vom 13. August 2020 nicht unverzüglich, spätestens innerhalb einer Frist von “1” nach Zustellung dieses Bescheids Folge geleistet werde, ein erneutes (viertes) Zwangsgeld in Höhe von 3.500,- Euro an. Verbunden mit dem Bescheid war eine Fälligkeitsmitteilung über das im Bescheid vom 24. Februar 2021 angedrohte (dritte) Zwangsgeld in Höhe von 1.200,- Euro. Der Antragstellerin könne die Erfüllung der Auflage innerhalb der festgesetzten Frist billigerweise zugemutet werden. Die Androhung des erneuten Zwangsgelds sei geeignet, erforderlich und angemessen. Für eine pauschale Annahme, dass das Zwangsmittel nach der dritten Androhung nicht mehr geeignet sei, lägen keine Anhaltspunkte vor. Hier sei zu beachten, dass bislang nur Zwangsgelder am unteren Zwangsgeldrahmen angedroht worden seien, welche den Pflichtigen nicht wirtschaftlich beeinträchtigten. Dies habe bislang so gehandhabt werden können, da der Mangel mit geringfügigem Aufwand behebbar sei und davon auszugehen war, dass rechtstreue Eigentümer im eigenen Interesse und dem Interesse der Mieter den ordnungsgemäßen Zustand technischer Einrichtungen in der Wohnung gewährleisteten. Die Antragsgegnerin gehe vor diesem Hintergrund davon aus, dass deutlich höhere Zwangsgelder zum Erfolg führten. Der Verwaltungsaufwand der Antragsgegnerin für eine Ersatzvornahme und die damit verbundenen Kosten für die Antragstellerin stünden außer Verhältnis zur erforderlichen Maßnahme. In den Akten findet sich keine Postzustellungsurkunde.
Mit Schreiben vom 16. Juli 2021, bei Gericht per Telefax eingegangen am selben Tag, erhob der Ehemann der Antragstellerin im Namen der Antragstellerin “Klage gegen Fälligkeitsmitteilung und erneute Androhung eines Zwangsgeldes” und “Feststellungsklage” (M 8 K 21.3782). Über die Klage(n) ist noch nicht entscheiden. Weiterhin stellte er einen
Antrag auf aufschiebende Wirkung.
Eine Begründung von Klage und Eilantrag wurde angekündigt, erfolgte jedoch bislang nicht.
Die Antragsgegnerin beantragte mit Schriftsatz vom 29. Juli 2021,
den Antrag abzulehnen.
Sie verwies zur Begründung auf den Inhalt der Behördenakten sowie auf die Begründung des streitgegenständlichen Bescheides vom 14. Juni 2021. Die Grundverfügung vom 13. August 2020 sei bestandskräftig.
Mit Beschluss vom 15. Februar 2021 hat das Gericht in einem Parallelverfahren (betreffend eine Zwangsgeldandrohung zur Durchsetzung der Mängelbeseitigung hinsichtlich der Gastherme in der Küche in einer anderen Wohnung im streitgegenständlichen Anwesen), in welchem der Ehemann der Antragstellerin eine schriftliche Vollmacht zu den Gerichtsakten gereicht hatte, einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt (M 8 S 20.6425).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts, insbesondere der jeweiligen (weiteren) Begründungen der Bescheide wird auf den Inhalt der Gerichtsakte (auch in dem Hauptsacheverfahren M 8 K 21.3782 sowie den Parallelverfahren M 8 S 20.6425, M 8 K 20.6405 und M 8 K 21.138) und der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag hat auch in der Sache Erfolg, § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO.
Die angefochtene Zwangsgeldandrohung führt nach der im Eilverfahren nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischer Prüfung zu einer eigenständigen Rechtsverletzung der Antragstellerin, Art. 38 Abs. 3 VwZVG. Die Androhung enthält zulasten der Antragstellerin entgegen Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG keine wirksame Fristsetzung. Überdies ist sie zur Zweckerreichung ungeeignet und daher nicht verhältnismäßig, Art. 34 VwZVG entsprechend. Die gegen Ziffer II. 1 des Bescheids vom 14. Juni 2021 gerichtete Anfechtungsklage wird daher voraussichtlich Erfolg haben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Der Antrag war gemäß – entsprechend seinem eindeutigen Wortlaut – §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO dahingehend auszulegen, dass die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage vom 16. Juli 2021 (M 8 K 21.3782) gegen den Bescheid vom 14. Juni 2021 begehrt wird. Gegenstand dieser Anfechtungsklage und des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO ist bei verständiger Würdigung des Rechtsschutzziels die erneute Androhung eines Zwangsgeldes in Ziffer II. 1 (sowie Ziffer II. 2 hinsichtlich der mit der Androhung verbundenen Gebührenfestsetzung als Nebenentscheidung zur Sachentscheidung).
1.1. Zwar hat die Antragstellerin den Bescheid vom 14. Juni 2021 weder in ihrem Antragsschreiben vom 16. Juli 2021 explizit mit Datum benannt noch auf eine gerichtliche Aufforderung hin den angefochtenen Bescheid vorgelegt. Allerdings wird aus dem in der Antragsschrift verwendeten Betreff “Klage gegen Fälligkeitsmitteilung und erneute Androhung eines Zwangsgeldes” in Verbindung mit dem dort genannten Aktenzeichen “…” und dem Satz, dass “in oben bezeichneter Sache innerhalb offener Frist Klage” erhoben werde, unzweifelhaft deutlich, dass ausschließlich der Bescheid vom 14. Juni 2021 (Fälligkeitsmitteilung und Zwangsgeldandrohung) gemeint ist. In den von der Antragsgegnerin vorgelegten Behördenakten zum genannten Aktenzeichen “…” befinden sich insgesamt vier Bescheide (vom 13. August 2020, vom 26. Oktober 2020, vom 24. Februar 2021 und vom 14. Juni 2021). Da alle Bescheide bis auf den vom 14. Juni 2021 bereits bestandskräftig sind und somit keine Klage “innerhalb offener Frist” mehr möglich ist, ist offensichtlich der jüngste Bescheid Gegenstand von Klage und Eilantrag. Die Antragsgegnerin hat dies, wie ihr Schriftsatz zeigt, ebenso gesehen.
1.2. Gegen die Fälligkeitsmitteilung (Ziffer I), welche selbst kein Verwaltungsakt ist, kann nicht mit der Anfechtungsklage, sondern nur mit einer Feststellungsklage (§ 43 VwGO) vorgegangen werden (vgl. VG München, B.v. 30.3.2015 – M 8 S 15.261 – juris Rn. 16). Zwar hat die Antragstellerin ausdrücklich auch Feststellungsklage erhoben. Für vorläufigen Rechtsschutz hinsichtlich dieser Feststellungsklage – mit dem Ziel der einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung – wäre ein Antrag nach § 123 VwGO, wonach das Gericht eine einstweilige Anordnung treffen soll, statthaft. Ein solches Begehr lässt sich dem Schreiben der Antragstellerin vom 16. Juli 2021 jedoch nicht entnehmen.
2. Der so ausgelegte Antrag ist zulässig, § 80 Abs. 5 Satz 1, Alt. 1 VwGO.
2.1. Der Antrag ist statthaft. Die Anfechtungsklage hat nicht bereits gem. § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufschiebende Wirkung, denn die Androhung eines (erneuten) Zwangsgeldes ist eine Maßnahme der Verwaltungsvollstreckung. Derartige Maßnahmen sind gem. Art. 21a Satz 1 VwZVG kraft Gesetzes sofort vollziehbar (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO). In einem solchen Fall kann die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gem. Art. 38 Abs. 1 Satz 1, Art. 21a Satz 2 VwZVG i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO beim Gericht der Hauptsache beantragt werden.
Zwar wäre der Antrag dann nicht statthaft, wenn der in der Hauptsache angefochtene Verwaltungsakt bereits bestandskräftig ist (vgl. Hoppe in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 67 und 81). Da sich in den Akten jedoch kein Zustellnachweis hinsichtlich des streitgegenständlichen Bescheids befindet, ist nach summarischer Prüfung davon auszugehen, dass die Anfechtungsklage in der Hauptsache fristwahrend eingelegt wurde, § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO.
2.2. Überdies kann der Ehemann der Antragsstellerin diese vor dem Verwaltungsgericht vertreten, § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2, 1. Alt VwGO. Die Kammer geht davon aus, dass sich die in den – zwischen den gleichen Beteiligten zur im wesentlichen gleichen Sache geführten – Parallelverfahren (M 8 S 20.6425 und M 8 K 20.6405) vorgelegte schriftliche Vollmacht der Antragstellerin zugunsten ihres Ehemanns auf das hiesige Verfahren erstreckt (vgl. hierzu: Czybulka/Siegel in: Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 5. Auflage 2018, § 67 Rn. 83; Schenk in: Schoch/Schneider, Verwaltungsgerichtsordnung: VwGO, Werkstand: 40. EL Februar 2021, § 67 Rn. 91, jeweils m.w.N.).
3. Der Antrag ist begründet.
3.1. Im Rahmen einer Entscheidung über einen Antrag gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO trifft das Gericht ausschließlich eine eigene Ermessensentscheidung darüber, welche Interessen höher zu bewerten sind – die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsaktes oder die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streitenden Interessen (vgl. Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 88). Dabei stehen sich das Suspensivinteresse der Antragstellerin und das Interesse insbesondere der Antragsgegnerin, den Verwaltungsakt sofort vollziehen zu können, grundsätzlich gleichwertig gegenüber. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache als wesentliches, aber nicht alleiniges Indiz zu berücksichtigen (Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 85 ff.). Fällt die Erfolgsprognose zu Gunsten der Antragstellerin aus, erweist sich der angefochtene Verwaltungsakt also nach summarischer Prüfung – wie hier – gegenüber der Antragstellerin als rechtswidrig, besteht in der Regel kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung (vgl. hierzu ausführlich: BayVGH, B.v. 26.7.2011 – 14 CS 11.535 – juris Rn. 18).
3.2. Daran gemessen ist vorliegend die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der gegen die Zwangsgeldandrohung in Ziffer II. 1 des Bescheids vom 14. Juni 2021 gerichteten Anfechtungsklage vom 16. Juli 2021 geboten. Das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin überwiegt das gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 21a Satz 1 VwZVG kraft Gesetzes bestehende und allein deshalb ein nicht unerhebliches Gewicht aufweisende (vgl. BayVGH, B.v. 6.2.2019 – 15 CS 18.2459 – juris Rn. 27) Interesse der Antragsgegnerin an deren sofortiger Vollziehung.
3.2.1. Bei einer Zwangsgeldandrohung, Art. 36 Abs. 1 Satz 1 VwZVG, Art. 29 Abs. 2 Nr. 1 VwZVG handelt es sich um einen Leistungsbescheid, Art. 31 Abs. 3 Satz 2 VwZVG, Art. 23 Abs. 1 VwZVG. Gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 3 VwZVG ist die Zwangsgeldandrohung, wenn sie – wie hier – nicht mit dem Grundverwaltungsakt verbunden ist und dieser – wie hier – unanfechtbar geworden ist (Zustellung am 17. August 2020) nur insoweit anfechtbar, als eine Rechtsverletzung durch die Androhung selbst behauptet wird. Die Androhung ist insbesondere dann rechtswidrig, wenn entweder die besonderen Voraussetzungen des Art. 36 Abs. 1 und Abs. 7 VwZVG nicht vorliegen oder die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen nicht gegeben sind, Art. 18 ff VwZVG.
3.2.1. Gegen diese Vorgaben verstößt die streitgegenständliche Zwangsgeldandrohung. Sie ist rechtswidrig, da der Antragstellerin keine bzw. eine nicht bestimmbare Frist gesetzt wurde.
Gemäß Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG ist bei der Androhung der Zwangsmittel bzw. Vollstreckung für die Erfüllung der Verpflichtung aus dem Grundverwaltungsakt eine Frist zu bestimmen, innerhalb welcher dem Pflichtigen der Vollzug billigerweise zugemutet werden kann. Diese Frist ist dann angemessen und zumutbar, wenn sie einerseits das behördliche Interesse an der Dringlichkeit der Ausführung berücksichtigt und andererseits dem Betroffenen die nach der allgemeinen Lebenserfahrung erforderliche Zeit gibt, seiner Pflicht nachzukommen (BayVGH, B.v. 1.4.2016 – 15 CS 15.2451, juris Rn. 26 m.w.N.).
Die Frist i.S.d. Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG muss klar bestimmbar sein (vgl. hierzu: Wernsmann in: Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz, 1. Auflage 2020, Art. 36 Rn. 18). Das Bestimmtheitsgebot (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG) verlangt, dass der Inhalt der getroffenen Regelung für den Adressaten der Verfügung so vollständig, klar und unzweideutig erkennbar sein muss, dass er sein Verhalten danach richten kann (Müller in: Huck/Müller, Verwaltungsverfahrensgesetz, 3. Auflage 2020, § 37 Rn. 2).
Vorliegend wurde eine “Frist von 1 nach Zustellung dieses Bescheides” gesetzt. Diese Frist ist unbestimmt und keiner Auslegung zugänglich. Der streitgegenständliche Bescheid enthält weder im Tenor noch in seiner Begründung Anhaltspunkte, welcher Zeitrahmen (z.B. 1 Tag, 1 Woche, 1 Monat…) der Antragstellerin zur Erfüllung der Verpflichtung zugestanden werden sollte.
Die Fristsetzung war auch nicht entbehrlich, da es sich bei der der Antragstellerin aufgegebenen Handlung (Mängelbeseitigung) um keine reine Duldungs- oder Unterlassungspflicht handelt (vgl. BayVGH, B.v. 29.3.1993 – 14 CE 93.434 – juris Rn. 31).
3.2.2. Die streitgegenständliche Zwangsgeldandrohung verstößt überdies gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, da sie keinen Erfolg versprechen lässt.
Zwar kann ein Zwangsmittel gemäß Art. 37 Abs. 1 Satz 2 VwZVG so lange und so oft angewendet werden, bis die aufgegebene Verpflichtung erfüllt ist. Allerdings muss das gewählte Zwangsmittel und damit auch die seiner Anwendung vorausgehende Androhung des Zwangsmittels im Einzelfall verhältnismäßig sein. Das gewählte Zwangsmittel muss u.a. geeignet sein, den Betroffenen zur Erfüllung der ihm aufgegebenen Verpflichtungen anzuhalten, d.h. einen rechtzeitigen und zweckentsprechenden Erfolg im Hinblick auf die Erfüllung der zu vollstreckenden Pflicht erwarten lassen (Art. 34 VwZVG entsprechend). An dieser Voraussetzung mangelt es einer erneuten Zwangsgeldandrohung dann, wenn mehrere vorangegangene Zwangsgeldandrohungen trotz entsprechender Erhöhungen der nachfolgenden Zwangsgelder erfolglos geblieben sind. Das gewählte Zwangsmittel ist entgegen seinem Zweck dann nicht geeignet, den Verpflichteten zur Erfüllung der durchzusetzenden Pflichten anzuhalten. Zwangsgelder sind nach ihrer Zweckbestimmung kein Mittel der Einnahmenerzielung der Verwaltung, sondern Beugemittel. Ihr Sinn und Zweck besteht nicht in einer steten Wiederholung der Androhung nach Fristablauf und Fälligstellung der angedrohten Zwangsgelder ohne Rücksicht auf die mit ihnen durchzusetzenden Pflichten und deren Erfüllung. Wenn die Anwendung des Zwangsmittels keinen zweckentsprechenden und rechtzeitigen Erfolg erwarten lässt, scheidet die Androhung weiterer Zwangsgelder aus (BayVGH, B.v. 27.8.2020 – 2 CS 20.1199 – BayVBl 2020, 776; VG München, B.v. 27.4.2020 – M 8 E 20.1457, M 8 S 20.1458 – n.V., jeweils m.w.N.).
Genauso liegt es hier. Die bisher verhängten und fällig gestellten Zwangsgelder (650,- EUR, 800,- EUR und 1.200,- EUR) haben die Antragstellerin nicht dazu bewegen können, der ihr auferlegten Pflicht nachzukommen. Es lagen im Zeitpunkt seiner Androhung keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass das erneute, vierte Zwangsgeld einen Sinneswandel bei der Antragstellerin hervorrufen würde. Seit der ersten Fristsetzung zur Mängelbeseitigung war bereits eine Zeitspanne von über zwei Jahren verstrichen, obschon die der Antragstellerin auferlegte Pflicht (im wesentlichen Beauftragung eines Fachunternehmens) ohne großen zeitlichen und finanziellen Aufwand zu erfüllen gewesen wäre. Sie hat sich von den bisherigen Vollstreckungsmaßnahmen nicht ansatzweise beeindrucken lassen, sondern vielmehr Zwangsgelder in Höhe von insgesamt 2.650,- EUR in Kauf genommen, die in Summe weit über dem finanziellen Aufwand liegen dürften, die betreffende Gasfeuerstätte von einem Fachunternehmen überprüfen zu lassen. Die Antragstellerin hat zudem weitere behördliche Anordnungen und Vollstreckungsmaßnahmen hinsichtlich der Mängelbeseitigung in einer anderen Wohnung im streitgegenständlichen Anwesen (s.o.) beharrlich ignoriert.
Die Herstellung rechtmäßiger Zustände war vor dem Hintergrund des Verhaltens der Antragstellerin (“Aussitzen”) hier offensichtlich nur durch die Wahl eines anderen Zwangsmittels (etwa die sich hier geradezu aufdrängende Ersatzvornahme) möglich. Dass dies für die Antragsgegnerin einen erhöhten Verwaltungsaufwand mit sich bringen könnte, ist im Rahmen der Wahl des verhältnismäßigsten Mittels, welches einen zweckentsprechenden und rechtzeitigen Erfolg erwarten lässt, ohne Belang.
Dass die Antragsgegnerin nach eigenem Dafürhalten bisher dreimal in Folge Zwangsgelder “im unteren Zwangsgeldrahmen” festsetzte, welche “den Pflichtigen nicht wirtschaftlich beeinträchtigten”, die sie also augenscheinlich von vornherein selbst für ungeeignet zur Zweckerreichung hielt (vgl. Art. 31 Abs. 2 Satz 2 VwZVG) ist vor diesem Hintergrund weder nachvollziehbar, noch vermag dies die Geeignetheit bzw. Verhältnismäßigkeit der hier streitgegenständlichen fortgesetzten vierten Zwangsgeldandrohung zu begründen. Die Verwaltungsvollstreckung dient nicht einem “langsamen Herantasten” – gegebenenfalls über einen Zeitraum von mehreren Jahren – an die finanzielle “Schmerzgrenze” des Pflichtigen, sondern der schnellen und effektiven Gefahrenabwehr bzw. der schnellen und effektiven Herstellung rechtmäßiger Zustände.
Das Vollstreckungsverhalten der Antragsgegnerin erschöpft sich vorliegend indes darin, in regelmäßigen Abständen Zwangsgelder anzudrohen und fällig zu stellen (aus den vorgelegten Behördenakten wird nicht erkennbar, ob überhaupt Beitreibungsversuche unternommen wurden). Dieses Verhalten dient augenscheinlich (auch) dazu, den Rückgriff auf andere, im konkreten Einzelfall effektivere Vollstreckungsmaßnahmen, welche für die Antragsgegnerin allerdings mit einem größeren Verwaltungsaufwand verbunden wären, zu vermeiden. Hierdurch wird der Sinn und Zweck der Verwaltungsvollstreckung insbesondere angesichts der betroffenen Rechtsgüter (körperliche Unversehrtheit der Mieter) allerdings offenkundig verfehlt.
3.2.3. Auf die weiteren Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen der Zwangsgeldandrohung kommt es angesichts dessen nicht mehr an.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nrn. 1.5 und 1.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.


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