Verwaltungsrecht

Anordnung einer Detailuntersuchung, hinreichender Verdacht einer schädlichen Bodenveränderung, ermessensfehlerfreie Störerauswahl

Aktenzeichen  W 4 S 20.1820

Datum:
5.1.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 9482
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 80 Abs. 3
BBodSchG § 9 Abs. 2

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 1.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung einer bodenschutzrechtlichen Anordnung und begehrt im vorliegenden Verfahren die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage.
Die Antragstellerin ist Eigentümerin der Grundstücke mit den Fl.Nrn. …68/1, …69/1 und …69 der Gemarkung W … Bis zum Jahr 1998 wurde auf diesen Grundstücken ein Sägewerk betrieben.
Unter dem 4. Dezember 2018 teilte die Stadt Karlstadt dem Antragsgegner mit, dass zwischen ihr und der Antragstellerin ein schuldrechtlicher Kaufvertrag für die Grundstücke Fl.Nrn. …68/1, …69/1 und …69 der Gemarkung W … geschlossen worden sei. Zwischen den Vertragspartnern sei vereinbart worden, dass der Kaufpreis in zwei Raten zu zahlen sei. Die erste Rate sei mit Abbruch des Gebäudes fällig, die zweite Rate erst, wenn die Altlastenfreiheit der Grundstücke bestätigt sei. Diese Bestätigung stehe allerdings noch aus. Die Antragstellerin habe das Ingenieurbüro …, mit einer orientierenden Bodenuntersuchung beauftragt. Das Gutachten vom 15. Juli 2017 habe ergeben, dass auf sämtlichen Freiflächen Holzbehandlungsmittel ausgebracht worden seien und der Parameter Fluorid den entsprechenden Prüfwert überschritten habe. Aufgrund der höheren Fluorid-Konzentrationen sei am 20. August 2015 eine ergänzende Untersuchung mit dem Ziel, die vertikale Verteilung zu erkunden, durchgeführt worden. Nach Vorlage der Analysen sei eine Zuordnung des untersuchten Materials bis zur Deponieklasse II möglich. Die bei einem Ortstermin im Juni 2016 vom Wasserwirtschaftsamt Aschaffenburg geforderten Bohrungen seien im Oktober 2016 durch das Büro … durchgeführt worden. Wie dem hierzu erstellten Gutachten vom 9. November 2016 zu entnehmen sei, seien im Rahmen dieser Untersuchungen neben der Flurbelastung auch Verunreinigungen mit PAK und MKW festgestellt worden.
Nach Anhörung und mehrfachen Gesprächen zwischen Antragstellerin und Antragsgegner erließ der Antragsgegner am 10. Juni 2020 einen Bescheid mit folgendem Inhalt:
1. Frau … W …wird verpflichtet, auf den Grundstücken Fl.-Nrn. …68/1, …69/1 und …69 der Gemarkung W … die notwendige Detailuntersuchung zur abschließenden Gefahrenabschätzung unter Beachtung der Vorgaben der Ziffer 2.2 des LfW-Merkblattes 3.8/1 durch einen Sachverständigen nach § 18 Bundes-Bodenschutzgesetz (BBodSchG) durchzuführen.
Die Beauftragung des Sachverständigen ist dem Landratsamt … schriftlich nachzuweisen. Das Gutachten über die Detailuntersuchung ist dem Landratsamt … in 1-facher Ausfertigung zusammen mit sämtlichen Plänen und als Datei (in Format pdf) auf Datenträger in Form einer CD-ROM vorzulegen.
Die in den Voruntersuchungen ermittelten Verdachtsbereiche sind wie folgt zu untersuchen:
1.1. Im Bereich der Rammkernbohrung (RKB) 3/Messpunkt (MP) 3 ist ein Baggerschurf bis eine Tiefe von 5 m herzustellen, um das Ausmaß an MKW- und PAK-Belastung erfassen und ggf. einen Zusammenhang mit der früheren Nutzung auf dem Gelände herstellen zu können. Horizontbezogen sind Bodenproben zu entnehmen.
Durch 6 – 8 Rammkernsondierungen (DN 80 / Tiefe 6 m) sind kontaminierte Bereiche in gesättigter und ungesättigter Zone horizontal und vertikal abzugrenzen. Das Schadstoffinventar ist nach Art, Menge und räumlicher Verteilung zu erfassen und zu bewerten.
1.2. Im Bereich der RKB 1/MP 7/MP 8 ist im Handhabungsbereich der Tauchwanne zur Imprägnierung durch 6 – 8 Rammkernsondierungen (DN 80/Tiefe 6 m) zu prüfen, inwieweit sich relevante Bodenbelastungen durch Imprägniermittel ergeben haben.
1.3. Durch 6 – 8 Rammkernsondierungen (DN 80/Tiefe 6 m) sind im Bereich der RKB 2/MP 6 die kontaminierten Bereiche in gesättigter und ungesättigter Zone horizontal und vertikal abzugrenzen.
1.4. Im Zuge der Herstellung der Rammkernsondierungen ist die Lage des Grundwasserspiegels zu ermitteln und hieraus die Grundwasserfließrichtung zu bestimmen. Für die ebenfalls erforderliche Untersuchung des Grundwassers ist vorerst eine Grundwassermessstelle DN 125 bis in eine Tiefe von 10 m niederzubringen, die den Abstrom erfasst.
1.5. Die Untersuchung des Bodens und des Grundwassers (membranfiltrierte Probe) hat auf folgende branchentypische Schadstoffparameter zu erfolgen:
Parameter
Boden
Grundwasser
Arsen
X
X
Chrom gesamt
X
X
Chrom (VI)
X
X
Kupfer
X
X
Bor
X
X
Fluorid
X
X
Quecksilber
X
X
Zink
X
X
Chlorphenole (PCP)
X
MKW
X (nur im Bereich RKB 3/MP 3)
X
PAK
X (nur im Bereich RKB 3/MP 3)
X
Phenolindex
X (nur im Bereich RKB 3/MP 3)
Naphtaline
X
2. Frau … W … wird verpflichtet, vor Durchführung der Detailuntersuchung ein zielführendes Untersuchungsprogramm unter Berücksichtigung der Ziffer 1 dieses Bescheids dem Landratsamt … vorzulegen. Werden im Rahmen der Untersuchungen Auffälligkeiten organoleptischer oder optischer Art festgestellt, ist das Erkundungsprogramm vom verantwortlichen Sachverständigen zielführend zu modifizieren und vorab mit den zuständigen Behörden abzustimmen.
3. Androhung von Zwangsgeld
3.1 Für den Fall, dass der unter Ziffer 1 geforderte Nachweis über die Beauftragung eines Sachverständigen nicht bis spätestens 31.08.2020 vorgelegt wurde, wird ein Zwangsgeld in Höhe von 500,00 € zur Zahlung fällig.
3.2 Soweit das unter Ziffer 2 dieses Bescheides geforderte Untersuchungsprogramm nicht bis zum 30.09.2020 dem Landratsamt … vorgelegt wurde, wird ein Zwangsgeld in Höhe von 500,00 € zur Zahlung fällig.
3.3 Wurde das unter Ziffer 1 geforderte Gutachten über die Detailuntersuchung nicht spätestens bis 01.03.2021 vorgelegt, wird ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000,00 € zur Zahlung fällig.
4. Die sofortige Vollziehung der Ziffern 1 und 2 dieser Anordnung wird angeordnet.
Wegen der Begründung wird auf den Bescheid vom 10. Juni 2020 Bezug genommen.
Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 2. Juli 2020, eingegangen beim Verwaltungsgericht Würzburg am 3. Juli 2020, ließ die Antragstellerin gegen den Bescheid des Landratsamts … vom 10. Juni 2020 Klage erheben, die unter dem Az. W 4 K 20.861 geführt wird und über die noch nicht entschieden wurde. Zudem wurde mit Schriftsatz vom 20. November 2020 im vorliegenden Verfahren beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage im Verfahren W 4 K 20.861 wiederherzustellen.
Zur Begründung wurde insbesondere auf die Vermögensverhältnisse der Antragstellerin hingewiesen, auf eine Vereinbarung mit dem Landratsamt … und dass die behauptete Verschmutzung durch in den Boden gesickertes Öl nicht durch den Betrieb des Sägewerkes verursacht worden sein könne.
Mit Schriftsatz vom 8. Dezember 2020 beantragte das Landratsamt … für den Antragsgegner, den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen auf die Begründung im streitgegenständlichen Bescheid Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte im vorliegenden Verfahren und im Verfahren W 4 K 20.861 sowie auf die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist zulässig, aber nicht begründet.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsaktes angeordnet ist, die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen den zugrundeliegenden Bescheid ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. in den Fällen, in denen die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs kraft Gesetzes entfällt, die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs anordnen. Das Gericht prüft bei ersterem, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind, und trifft im Übrigen jeweils eine eigene Abwägungsentscheidung. Bei der im Rahmen dieser Entscheidung gebotenen Interessenabwägung kommt vor allem den Erfolgsaussichten des Verfahrens in der Hauptsache besondere Bedeutung zu. Bleibt das Hauptsacheverfahren mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos, wird die Abwägung in der Regel zum Nachteil des Betroffenen ausfallen.
In Bezug auf die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung hat der Antragsgegner dem formalen Erfordernis nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO Rechnung getragen. Das Landratsamt hat in ausreichender Weise dargelegt, warum die sofortige Vollziehung der Verfügung notwendig ist. Die Ausführungen, die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei notwendig, weil aufgrund des unsachgemäßen Umgangs mit wassergefährdenden Stoffen über einen längeren Zeitraum eine abschließende Gefährdungsabschätzung notwendig sei, ist nicht zu beanstanden. Dies gilt auch für die weiteren Ausführungen des Antragsgegners, Ziel der Gefährdungsabschätzung sei, festzustellen, ob Sanierungsmaßnahmen oder Schutz- und Beschränkungsmaßnahmen erforderlich seien. Eine Entscheidung über mögliche Rechtsbehelfe könne nicht abgewartet werden, das öffentliche Interesse an der Gefährdungsabschätzung und der sich daraus möglicherweise ergebenden Sanierungs- oder Schutz- und Beschränkungsmaßnahmen überwiege das Interesse der Antragstellerin.
Die Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO sind somit beachtet.
Des Weiteren ist der streitgegenständliche Bescheid nach der im Rahmen des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht zu beanstanden und vermag daher die Antragstellerin nicht in ihren subjektiven Rechten zu verletzen. Die hiergegen erhobene Anfechtungsklage wird nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand voraussichtlich keinen Erfolg haben (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dem vom Antragsgegner verfolgten öffentlichen Interesse an der alsbaldigen Vollziehung der angegriffenen Maßnahme kommt vor diesem Hintergrund – auch unter Einschluss der im Übrigen vorzunehmenden Interessenabwägung – der Vorrang zu.
Ausgangspunkt der rechtlichen Beurteilung für die in den Ziffern 1 und 2 des streitgegenständlichen Bescheids getroffenen Anordnungen ist § 9 Abs. 2 BBodSchG.
Danach kann die zuständige Behörde anordnen, dass die in § 4 Abs. 3, 5 und 6 BBodSchG genannten Personen die notwendigen Untersuchungen zur Gefährdungsabschätzung durchzuführen haben, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte der hinreichende Verdacht einer schädlichen Bodenveränderung oder eine Altlast besteht. Weiterhin kann verlangt werden, dass die Untersuchungen von Sachverständigen nach § 18 BBodSchG durchgeführt werden (§ 9 Abs. 2 Satz 2 BBodSchG).
§ 9 Abs. 2 Satz 1 BBodSchG erlaubt – bei hinreichendem Verdacht einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast – grundsätzlich nicht nur die behördliche Anordnung einer Detailuntersuchung an sich, sondern auch die hier gegenständliche, vorgelagerte Anordnung einer Konzeptvorlage für eine Detailuntersuchung (vgl. VG Regensburg, U.v. 25.02.2013 – RN 8 K 12.1344 – juris Rn. 14; VG Augsburg, B.v. 18.7.2013 – Au 3 S 13.780 – juris Rn. 47; B.v. 28.1.2011 – Au 6 S 10.1814 – juris Rn. 56-70, 195 f., 202 ff., 208 ff.). Auch Ziffer 2.2 des Merkblatts 3.8/1 des Bayerischen Landesamts für Umwelt („Untersuchung und Bewertung von Altlasten, schädlichen Bodenveränderungen und Gewässerverunreinigungen“ – Stand: 31.10.2001, seinerzeit erstellt vom Bayerischen Landesamt für Wasserwirtschaft) enthält insoweit den Hinweis, dass vor der Durchführung einer Detailuntersuchung vom Verpflichteten ein zielführendes Untersuchungsprogramm vorzulegen sei; bei großflächigen und/oder komplexen Altlasten und schädlichen Bodenveränderungen sei es sinnvoll, die Detailuntersuchung iterativ und damit mehrstufig zu gestalten (vgl. 14 des Merkblatts Nr. 3.8/1 vom 31.10.01).
Die Anordnung der Detailuntersuchung ist im streitgegenständlichen Bescheid auch hinreichend bestimmt.
Für eine auf § 9 Abs. 2 Satz 1 BBodSchG gestützte Anordnung einer Detailuntersuchung nach § 3 Abs. 4 und 5 der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung (BBodSchV), d.h. der Durchführung der zur Gefährdungsabschätzung „notwendigen Untersuchungen“ durch den Pflichtigen, folgt aus dem Bestimmtheitsgebot des Art. 37 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG), dass Art und Weise der Maßnahmen genau, zumindest in ihren wesentlichen Zügen festzulegen sind (vgl. Versteyl/Sondermann, BBodSchG, 2. Aufl. 2005, § 9 Rn. 34; Troidl, NVwZ 2010, 154, 156 f.). Die Detailuntersuchung ist darauf gerichtet, das Gefahrenpotential abschließend festzustellen (§ 2 Nr. 4 BBodSchV). Die Untersuchungsanordnung muss daher ergebnisorientiert darauf gerichtet sein, dass als Resultat der aufgegebenen Untersuchungen entweder das „ob“ der Gefahr oder das Fehlen eines Sanierungsbedürfnisses zweifelsfrei feststeht. „Notwendig“ im Sinne von § 9 Abs. 2 Satz 1 BBodSchG sind also all jene Untersuchungen, die zu einem abschließenden Ergebnis hinsichtlich der Gefährdungsabschätzung kommen. Um dem Übermaßverbot als Bestandteil des mit Verfassungsrang ausgestatteten Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu entsprechen, hat die Behörde die Kriterien dafür, was im Sinne der Befugnisnorm „notwendig“ ist, festzulegen. Sie hat dabei insbesondere eine Aussage zu treffen, mit welchen Mitteln (z.B. Rammkernsondierungen) die Untersuchungen durchzuführen sind, auf welche Parameter (Schadstoffe bzw. Schadstoffgruppen, Wirkungspfade) hin zu untersuchen ist, und das geforderte Untersuchungsprogramm jedenfalls in seinen Grundzügen zu bestimmen. Sie kann – wie bereits ausgeführt – dem Pflichtigen auch aufgeben, durch eine geeignete Stelle zunächst ein Untersuchungskonzept erstellen zu lassen, das vor der Realisierung mit der Behörde abzustimmen ist. Auch in diesem Fall jedoch genügt die Anordnung den Anforderungen an die Bestimmtheit und Klarheit nur, wenn entsprechende konkreten Vorgaben im Bescheid enthalten sind (vgl. hierzu etwa auch VG Augsburg, B.v. 18.7.2013 – Au 3 S 13.780 – juris Rn. 47).
Diesen Anforderungen an die Bestimmtheit wird der streitgegenständliche Bescheid vom 10. Juni 2020 zweifellos gerecht. So wird dort detailliert vorgegeben, mit welcher Untersuchungsmethode grundsätzlich zu verfahren ist. Des Weiteren wird klar bestimmt, auf welche branchentypische Schadstoffparameter die Untersuchung des Bodens und des Grundwassers zu erfolgen hat. Die Bestimmtheit des streitgegenständlichen Bescheids hat die Antragstellerin mithin auch nicht in Frage gestellt.
Keine Zweifel hat die Kammer des Weiteren, dass die Tatbestandsvoraussetzungen von § 9 Abs. 2 Satz 1 BBodSchG vorliegend gegeben sind. Insbesondere gilt dies im Hinblick auf den hinreichenden Verdacht für das Vorliegen einer schädlichen Bodenveränderung oder einer Altlast.
Nach § 2 Abs. 3 BBodSchG sind schädliche Bodenveränderungen Beeinträchtigungen der Bodenfunktionen, die geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für den Einzelnen oder die Allgemeinheit herbeizuführen. Der Eintrag wassergefährdender Stoffe ist grundsätzlich geeignet, die natürliche Funktion des Bodens als Bestandteil des Naturhaushalts, insbesondere mit seinen Wasserkreisläufen zu beeinträchtigen und darüber hinaus Gefahren für das Grundwasser hervorzurufen. Konkrete Anhaltspunkte, die – bezogen auf das Grundwasser – den hinreichenden Verdacht einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast im Sinne von § 9 Abs. 2 Satz 1 BBodSchG begründen, liegen nach § 3 Abs. 4 Satz 1 BBodSchV in der Regel vor, wenn Untersuchungen eine Überschreitung von Prüfwerten ergeben oder wenn aufgrund einer Bewertung nach § 4 Abs. 3 BBodSchV (Sickerwasserprognose) eine Überschreitung von Prüfwerten zu erwarten ist. Besteht ein hinreichender Verdacht in diesem Sinne oder aufgrund sonstiger Feststellungen, soll eine Detailuntersuchung durchgeführt werden (§ 3 Abs. 4 Satz 2 BBodSchV).
Solche konkreten Anhaltspunkte im Sinne von § 9 Abs. 2 Satz 1 BBodSchG i.V.m. § 3 Abs. 4 BBodSchV sind vorliegend gegeben.
Im Rahmen der orientierenden Untersuchung und der sich daran anschließenden ergänzenden Untersuchung durch das Ing.-Büro …, wurden im Eluat Feststoffgehalte für Fluor über dem Hilfswert 1 gemäß dem Lfw-Merkblatt 3.8/1 festgestellt. Die Analytik erbrachte auch den Nachweis, dass die Konzentrationen der PAK-Summe eine erhebliche Konzentration über den Hilfswert 2 aufwiesen. Zudem wurde bei einer Tiefe von vier Bohrmetern eine MKW-Konzentration von 1.500 mg/kg festgestellt.
Auf Grundlage dieser Ergebnisse hat das Wasserwirtschaftsamt Aschaffenburg eine Detailuntersuchung aller betroffenen Grundstücke für erforderlich gehalten. Da neben Fluorbelastungen auch Verunreinigungen mit PAK und MKW festgestellt worden seien, seien im Rahmen der Detailuntersuchung die betroffenen Grundstücke auch daraufhin zu untersuchen, da der Gefahrenverdacht sich hier ebenfalls bereits erhärtet habe.
Insbesondere unter Berücksichtigung des Umstands, dass den amtlichen Auskünften der Wasserwirtschaftsämter als zuständige Fachbehörden im Verwaltungsprozess ein sehr hoher Erkenntniswert zukommt, ist die vom Antragsgegner geforderte Detailuntersuchung nicht zu beanstanden. Denn die fachlichen Äußerungen der Wasserwirtschaftsämter beruhen typischerweise nicht nur auf allgemeinen wasserwirtschaftlichen Erkenntnissen, sondern zugleich auf einer jahrelangen Beobachtung und Erfassung der örtlichen Gewässerverhältnisse (vgl. allgemein BayVGH, B.v. 17.12.2014 – 8 ZB 14.661 – juris Rn. 6).
Nach alldem hat das Gericht keine Zweifel, dass konkrete Anhaltspunkte i.S.v. § 9 Abs. 2 Satz 1 BBodSchG i.V.m. § 3 Abs. 4 BBodSchV vorliegen und die Tatbestandsseite des § 9 Abs. 2 Satz 1 BBodSchG demnach erfüllt ist. Substantiierte Einwendungen hiergegen hat die Antragstellerin auch nicht erhoben. Solche sind mit Blick auf die Ergebnisse der bereits durchgeführten Untersuchungen und die hierauf beruhenden Einschätzungen des Wasserwirtschaftsamtes Aschaffenburg auch nicht ersichtlich.
Auch im Hinblick auf die Störerauswahl ist die im streitgegenständlichen Bescheid getroffene Ermessensentscheidung unter Berücksichtigung des § 114 Satz 1 VwGO nicht zu beanstanden. Dies gilt sowohl hinsichtlich des Entschließungs- als auch hinsichtlich des Auswahlermessens.
Angesichts der Gutachten des Ing.-Büros …, sowie der Auskünfte des Wasserwirtschaftsamtes Aschaffenburg spricht mit Blick auf das hohe Schutzgut Grundwasser vorliegend sehr viel dafür, von einer Handlungspflicht des Landratsamts auszugehen. Fehler hinsichtlich des Entschließungsermessens sind dementsprechend auch nicht geltend gemacht worden.
Auch die Entscheidung des Landratsamts zur Störerauswahl ist nicht zu beanstanden. Das Landratsamt hat die gesetzlichen Grenzen seines Ermessens nicht überschritten und von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (§ 114 Satz 1 VwGO).
Potentielle Adressaten der Untersuchungsanordnung sind die in § 4 Abs. 3, 5 und 6 BBodSchG genannten Personen. Die Auswahl zwischen den potentiellen Adressaten richtet sich grundsätzlich nach den zu § 4 entwickelten Kriterien (vgl. hierzu etwa Buck NVwZ 2001, 51 f.). Auf Grund des vorbereitenden Charakters der Untersuchungsanordnung wird sie sich jedoch in der Praxis – schon aus Effektivitätsgesichtspunkten – meistens an den Inhaber der tatsächlichen Gewalt richten (vgl. OVG Bremen NuR 2004, 182 (183); VGH München NJW 2004, 2768 (2770); VGH München NZM 2003, 651 f.; Frenz BBodSchG Rn. 56).
Gemessen hieran ist die vom Landratsamt getroffene Entscheidung nicht zu beanstanden. Das Landratsamt hat sich ausführlich damit beschäftigt, dass die Antragstellerin sowohl Handlungsstörerin als auch, als Grundstückeigentümerin, Zustandsstörerin ist. Dieses Ergebnis wird auch nicht durch den unsubstantiierten Vortrag des Antragstellervertreters infrage gestellt, nach dem Krieg seien durch die US-Armee Militärfahrzeuge auf dem freien Grundstück des Sägewerks abgestellt worden. Auch unter Berücksichtigung dessen ist das Vorgehen des Landratsamts schon aus Effektivitätsgründen nicht zu beanstanden.
Schließlich sind auch keine Anhaltspunkte für die Kammer erkennbar, dass der Umfang der geforderten, gestuft ausgestalteten Detailuntersuchung mit der vorherigen Vorlage eines Untersuchungskonzepts nicht erforderlich und damit unverhältnismäßig wären.
Einwende hiergegen wurden von der Antragstellerin auch nicht substantiiert erhoben.
Der streitgegenständliche Bescheid mit seinen Anordnungen unter den Ziffern 1 und 2 ist damit nach der im vorliegenden Verfahren gebotenen, aber ausreichenden summarischen Prüfung rechtmäßig.
Entgegen der Annahme, des Antragstellervertreters hat der Antragsgegner auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Antragstellerin bei der Auswahlentscheidung genügend berücksichtigt. Die Ausführungen des Antragsgegners, die Antragstellerin erhalte einen Kaufpreis von der Stadt Karlstadt in Höhe von 94.400,00 EUR, 47.500,00 EUR seien ihr bereits überwiesen worden, lassen im Wege der summarischen Überprüfung darauf schließen, dass die Antragstellerin gerade nicht wirtschaftlich vollkommen überfordert sein wird. Die Kosten vielleicht später anzuordnender abschließender Sanierungsmaßnahmen bleiben vorliegend außer Betracht. Selbst wenn die Antragstellerin diesbezüglich mangelnde wirtschaftliche Leistungsfähigkeit oder Existenzgefährdung erfolgreich einwenden könnte, wäre dies kein Grund, jetzt ihr gegenüber eine Anordnung gemäß § 9 Abs. 2 BBodSchG nicht zu erlassen, deren Erfüllung ihr möglich ist (vgl. BayVGH v. 3.7.1996 – Az. 22 CS 96.1305 – juris).
Schließlich sind auch die unter Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids verfügten Zwangsgeldandrohungen nach der hier vorzunehmenden summarischen Prüfung rechtmäßig, sofern diese vom vorliegenden Antrag miterfasst sein sollten (§ 88 VwGO). Dies gilt unter Berücksichtigung der hier gebotenen Eilbedürftigkeit und des hier betroffenen hohen Schutzgutes des Grundwassers insbesondere auch hinsichtlich der gesetzten Erfüllungsfristen. Einwände hiergegen hat die Antragstellerin nicht erhoben. Gleiches gilt hinsichtlich der Höhe der angedrohten Zwangsgelder, die ohnehin sehr gering sind.
Hinsichtlich der Zwangsgeldandrohungen weist das Gericht aufgrund der Tatsache, dass die in der Ziffer 3 festgesetzten Fristen mittlerweile abgelaufen sind auf Folgendes hin:
Zwar gebietet es Art. 19 Abs. 4 GG nicht, die Fristbestimmung in einer Zwangsgeldandrohung als gegenstandslos zu behandeln, wenn das Verwaltungsgericht bei Ablauf der Erfüllungsfrist (Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG) noch nicht über den Antrag des Betroffenen, die aufschiebende Wirkung herzustellen bzw. anzuordnen, entschieden hat. Denn die Rechte des Betroffenen können bei der Ausübung des durch Art. 37 Abs. 1 Satz 1 VwZVG eingeräumten ”Anwendungsermessens“ berücksichtigt werden. Wird der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO nach Ablauf dieser Frist abgelehnt, dann ist das ”Anwendungsermessen“ in der Regel aber so auszuüben, dass das Zwangsmittel erst dann angewendet wird, wenn dem Betroffenen nach der (erstinstanzlichen) Entscheidung ausreichend Zeit geblieben ist, die Anordnung zu befolgen (vgl. BayVGH, B.v. 20.12.01 – 1 ZE 01.2820 – juris Rn. 15). Denn andernfalls wäre der durch Art. 19 Abs. 4 GG geschützte effiziente Rechtsschutz in aller Regel nicht gewährleistet (vgl. BayVGH, a.a.O. – juris Rn. 16).
Damit erscheint nach der hier gebotenen, summarischen Prüfung ein Erfolg der Klage der Antragstellerin gegen die bodenschutzrechtliche Untersuchungsanordnung und die hier verfügten Zwangsgeldandrohungen nicht wahrscheinlich. Gründe, die das dadurch im Grundsatz vorgezeichnete überwiegende Interesse des Antragsgegners und der Allgemeinheit kompensieren, sind nicht ersichtlich. Insbesondere werden, was die finanzielle Seite anbetrifft, keine vollendeten Tatsachen geschaffen. Wenn der strittige Bescheid im Hauptsacheverfahren entgegen der aktuellen Erkenntnislage aufgehoben würde, hätte die Antragstellerin einen Anspruch auf Ersatz der von ihr aufgewendeten Kosten (vgl. VGH BW, B.v. 3.9.2002 – 10 S 957/02 – juris Rn. 4).
Der Antrag war dementsprechend vollumfänglich abzulehnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.


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