Verwaltungsrecht

Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Zulassung der Berufung

Aktenzeichen  13a ZB 16.30990

Datum:
1.2.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 102474
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3 Abs. 1, § 4, § 78 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4
VwGO § 166

 

Leitsatz

In der Rechtsprechung des VGH München ist geklärt, dass die Verfolgungshandlungen, denen der sunnitische Bevölkerungsteil ausgesetzt ist, im Staat Irak die für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderliche kritische Verfolgungsdichte nicht aufweisen (vgl. u.a. VGH München BeckRS 2017, 100394; VGH München BeckRS 2015, 50092). (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

B 3 K 16.30681 2016-11-03 Urt VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
II. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
III. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, da der Zulassungsantrag keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 3. November 2016 bleibt ohne Erfolg.
Auch wenn der Kläger explizit keinen Zulassungsgrund nennt, macht er mit seinem Vortrag sinngemäß eine grundsätzliche Bedeutung nach § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG geltend. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass die im Zulassungsantrag dargelegte konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist und ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 36).
Der Kläger führt aus, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass einem … im I. keine Gruppenverfolgung drohe und eine inländische Fluchtalternative bestehe. Über diese beiden Fragen gebe es neuere Erkenntnisse. Er selbst sei bekennender Gegner des … Militärs und des Konflikts zwischen … und …; den IS halte er für eine terroristische Vereinigung. Nach seiner politischen Überzeugung sei er nicht gefragt worden. Als bekennender Pazifist sei er Kriegsdienst- und Befehlsverweigerer und habe deshalb bei einer Rückkehr mit einer langjährigen Haftstrafe zu rechnen, aber auch mit einer erniedrigenden, unmenschlichen Behandlung. Der Auffassung, dass ihm kein ernsthafter Schaden drohe, trete er mit einem Verweis auf den neuesten Bericht von Amnesty International vom 18. Oktober 2016 (Irak: Kriegsverbrechen durch Milizen und Regierungstruppen – „Punished for Daesh’s crimes: Displaced Iraqis abused by militias and government forces“) entgegen. Fluchtalternativen für Sunniten gebe es nicht. Ihm müsste deshalb nicht nur subsidiärer Schutz, sondern darüber hinaus die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt werden.
Soweit sich der Kläger auf eine Gruppenverfolgung von … bezieht, ist in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs geklärt, dass die Verfolgungshandlungen, denen der sunnitische Bevölkerungsteil ausgesetzt ist, im Staat Irak die für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderliche kritische Verfolgungsdichte nicht aufweisen (BayVGH, B.v. 9.1.2017 – 13a ZB 16.30740 – juris; U.v. 23.11.2012 – 13a B 12.30083 u.a.; U.v. 14.12.2010 – 13a B 10.30084 – juris = KommunalpraxisBY 2011, 358 -LS-; s. auch B.v. 20.7.2015 – 20 ZB 15.30139 – juris). Der Umfang der Eingriffshandlungen in asylrechtlich geschützte Rechtsgüter, die an die sunnitische Religionszugehörigkeit anknüpfen, rechtfertigt in der Relation zu der Größe dieser Gruppe nicht die Annahme einer alle Mitglieder erfassenden gruppengerichteten Verfolgung.
Die allgemeinen und zudem pauschalen Ausführungen des Klägers zur Menschenrechtslage bieten keinen Anlass, im Rahmen eines Berufungsverfahrens in eine erneute Risikobewertung einzutreten. Andere Ausgangsdaten, die darauf hindeuten, dass die zugrunde gelegten Erkenntnisse zwischenzeitlich unrichtig oder überholt wären, werden vom Kläger nicht genannt. Der von ihm zitierte Bericht von Amnesty International dokumentiert Menschenrechtsverstöße und hierzu geführte Gespräche mit Augenzeugen, Hilfsorganisationen usw., ohne nähere Zahlen oder Detailangaben zu nennen. Aus dem aktuellen und auch vom Verwaltungsgericht herangezogenen Bericht des Auswärtigen Amts über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik I. vom 18. Februar 2016 (Lagebericht) ergibt sich ebenfalls kein Anhaltspunkt für eine zu ändernde Beurteilung.
Der weiter sinngemäß aufgeworfenen Frage, ob für … innerstaatliche Fluchtalternativen bestehen, kommt ebenfalls keine grundsätzliche Bedeutung zu. Unabhängig davon, ob das Verwaltungsgericht überhaupt tragend auf eine Fluchtalternative abgestellt hat, wäre die Frage einer allgemeinen Klärung nicht zugänglich, da ihre Beantwortung wesentlich von den Umständen des Einzelfalls abhinge. Gleiches gilt für das persönliche Verfolgungsschicksal des Klägers und dessen politische Überzeugung einschließlich der Tatsache, dass er als bekennender Pazifist Kriegsdienst- und Befehlsverweigerer sei. Den außerdem von ihm angesprochenen subsidiären Schutz im Hinblick auf die Gefahr von Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung im Sinn von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG hat der Kläger bereits vom Bundesamt zuerkannt bekommen und er war deshalb nicht Streitgegenstand.
Soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2016 zusätzlich die Frage aufwirft, „ob einem homosexuellen … im I. eine Gruppenverfolgung droht“, wird dieser Zulassungsgrund nicht innerhalb der Frist des § 78 Abs. 4 AsylG geltend gemacht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.


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