Verwaltungsrecht

Anspruch auf erneute Entscheidung über eine Bewerbung um Einstellung in ein Be-amtenverhältnis auf Probe

Aktenzeichen  5 A 118/20 MD

Datum:
3.3.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG Magdeburg 5. Kammer
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:VGMAGDE:2022:0303.5A118.20MD.00
Normen:
Art 33 Abs 2 GG
§ 133 BGB
§ 108 VwGO
§ 17 Abs 1 DG ST 2006
Spruchkörper:
undefined

Leitsatz

1) Das bewusste Hervorrufen einer Fehlvorstellung beim Dienstherrn über den Umfang früherer Verbindungen zur Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ) kann charakterliche Eignungsmängel begründen und einer späteren Ernennung in ein Beamtenverhältnis auf Probe entgegenstehen.2) In einem (dienstpostenbezogenen) Anforderungsprofil können unter Berücksichtigung des Grades der fachlichen Ausdifferenzierung der Organisationseinheit und der Spezialisierung der dort eingesetzten Beamten bestimmte Studienabschlüsse zwingend gefordert werden.

Tenor

Das Verfahren wird eingestellt, soweit der Kläger seine Klage zurückgenommen hat.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der am 25. September 1984 geborene Kläger begehrt zuletzt noch die erneute Entscheidung über seine Bewerbung um eine Ernennung zum Gewerberat im Beamtenverhältnis auf Probe sowie die Übertragung eines Dienstpostens als Sachbearbeiter des Landesamtes für Verbraucherschutz Sachsen-AnHALT.
Zum 1. Februar 2018 wurde der Kläger als Gewerbereferendar in den Vorbereitungsdienst der Laufbahn „Dienst in der Arbeitsschutzverwaltung“, Laufbahngruppe 2, 2. Einstiegsamt, eingestellt und zum Beamten auf Widerruf ernannt. Der Einstellung vorangegangen war ein Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes vor dem Verwaltungsgericht Magdeburg zum Az. 5 B 486/17 MD, in welchem die Kammer dem Beklagten im Wege der Regelungsanordnung aufgab, den Kläger vorläufig bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache in den Vorbereitungsdienst einzustellen.
Am 19. März 2018 veröffentlichte die taz Verlags u. Vertriebs GmbH auf ihrer Internetpräsenz einen Artikel mit der Überschrift „Ex-Kader der HDJ arbeitet für Gauland“. In dem Artikel wird der Kläger in Zusammenhang mit dem 2009 verbotenen Verein „Heimattreue Deutsche Jugend“ gebracht. Im Einzelnen heißt es dort:
„Es geht um den früheren HDJ-Funktionär D., der inzwischen den Namen seiner Ehefrau angenommen hat. […] Der ehemalige HDJ-Kader D. entstammt einer Familie, die engste Bezüge zu den Heimattreuen besaß. Die Homepage der verfassungsfeindlichen Organisation lief auf den Vater in Dessau, Bruder und Schwester führten die Erziehertruppe mit an. In internen Unterlagen der HDJ, die der taz vorliegen, wird im April 2003 über eine neue Abteilung berichtet, die in Zukunft vom „Kameraden D. (FelixN) geleitet werde. Das Ziel der neuen Abteilung und des neuen Leiters sei es, die „Koordinierung des Technischen Dienstes auf Lagern“ zu verbessern. […].“
Einer vom Kläger am 17. Juni 2018 unter dem Az. 12 O 146/18 vor dem Landgericht Düsseldorf erhobenen Unterlassungsklage gegen die weitere Veröffentlichung der zitierten Tatsachenbehauptungen gab das Landgericht Düsseldorf mit Urteil vom 28. November 2018 statt. Auf die Berufung der taz Verlags u. Vertriebs GmbH änderte das OLG Düsseldorf das Urteil der Ausgangsinstanz mit Urteil vom 7. November 2019 (Az. I- 16 U 161/18) ab und wies die Klage insgesamt ab. Zur Begründung führte es u.a. aus, der Kläger sei unstreitig von 1999 bis 2004 Mitglied der HDJ gewesen und habe im Laufe des Jahrs 2003 bis zu seinem Ausscheiden aus der HDJ im Jahr 2004 die Leitung der neu eingerichteten Abteilung für Ausrüstung und Lagertechnik übernommen. Soweit der Kläger im erstinstanzlichen Schriftsatz vom 27. August 2018 unter ausdrücklicher Bezugnahme auf seine eidesstattliche Versicherung vom 28. März 2018 vortragen lasse, er habe in der HDJ keine benennbare Funktion gehabt, stehe dies im unauflösbaren Widerspruch zu seiner eidesstattlichen Versicherung, mit der er lediglich versichert habe, in der HDJ keine „repräsentative Funktion ausgeübt“ zu haben. Damit habe er schon nicht qualifiziert bestritten, dass er nach dem erstinstanzlichen Vortrag der Beklagten ab April 2003 die Leitung derjenigen Abteilung übernommen habe, die den technischen Dienst auf Lagern habe koordinieren sollen, da eine solche technische Koordination typischerweise gerade nicht mit repräsentativen Tätigkeiten einhergehe. Abgesehen davon habe der Kläger keinen Beweis für die Unrichtigkeit der Behauptung angetreten. Die Beklagte habe ihren Vortrag durch Vorlage des organisationsinternen Berichts vom 1. April 2003 über die Einrichtung der neuen, von dem Kläger geleiteten Abteilung sogar noch weiter untermauert, ohne dass sich der Kläger hierzu qualifiziert erklärt habe. Es sei unstreitig, dass der Kläger im April 2003 als Leiter der neuen Abteilung „HALT“ (für „Heimattreue Ausrüstung und Lagertechnik“) angekündigt worden sei.
Zeitlich vor der Erhebung der Unterlassungsklage teilte der hiesige Beklagte dem Kläger während dessen Vorbereitungsdienstes mit Schreiben vom 22. März 2018 mit, in der Presse sei berichtet worden, der Kläger sei als Jugendlicher bzw. junger Erwachsener Mitglied und Funktionsträger des 2009 durch den Bundesinnenminister verbotenen Vereins HDJ gewesen. In einem Artikel vom 21. März 2018 in ZEIT Online sei unter der Überschrift „AFD-Abgeordnete beschäftigen Rechtsextreme und Verfassungsfeinde“ das frühere Engagement des Klägers für die HDJ nunmehr auch mit seiner Tätigkeit als Beamter im Landesamt für Verbraucherschutz in Verbindung gebracht worden. Da eine etwa fortdauernde Betätigung für Organisationen des rechtsextremistischen Spektrums gegen die Pflicht des Klägers verstoßen könne, sich durch sein gesamtes Verhalten zur freiheitlich demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen und darüber hinaus der Reputation der Beschäftigungsbehörde abträglich sein könne, sei der Beklagte gehalten, den Sachverhalt aufzuklären und ggf. die Einleitung beamtenrechtlicher Maßnahmen zu prüfen. Es werde um die dienstliche Erklärung zu folgenden Fragen gebeten:
„1. Waren Sie Mitglied und/oder Funktionsträger der HDJ und wenn ja, in welchem Zeitraum?
2. Ggf.: Wodurch endete Ihre HDJ-Mitgliedschaft und gibt es darüber einen Nachweis (ggf. bitte vorlegen)?
3. Waren oder sind Sie für (weitere) rechtsextremistische Organisationen aktiv bzw. in diesen Mitglied (Diese Frage bezieht sich insbesondere auch auf die in der Anlage aufgeführten Parteien und Organisationen.)?“
Diese Fragen dienten, so der Beklagte im Schreiben vom 22. März 2018 weiter, einerseits dazu, mögliche Beeinträchtigungen des Dienstbetriebs abzuwenden, die sich aus einer etwa fortdauernden Betätigung für rechtsextremistische Organisationen ergeben könnten. Für den Fall, dass eine solche Betätigung nicht vorliege, sollten sie es andererseits ermöglichen, im Rahmen der Fürsorgepflicht des Dienstherrn öffentlichen Verdächtigungen ggf. entgegenzutreten. Eine Beantwortung solle bis zum 6. April 2018 erfolgen.
Am 23. März 2018 teilte das Ministerium für Inneres und Sport des Landes Sachsen-Anhalt als Verfassungsschutzbehörde des Landes dem Beklagten auf ein Auskunftsersuchen nach § 8a Abs. 5 Nr. 4 SprengG in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung mit, der Kläger sei in den letzten 10 Jahren nicht Mitglied in einem Verein gewesen, der nach dem Vereinsgesetz als Organisation unanfechtbar verboten wurde oder der einem unanfechtbaren Betätigungsverbot nach dem Vereinsgesetz unterliegt, oder in einer Partei, deren Verfassungswidrigkeit das Bundesverfassungsgericht nach § 46 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes festgestellt hat. Es seien auch keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass der Kläger in den letzten fünf Jahren einzeln oder als Mitglied einer Vereinigung Bestrebungen verfolgt oder unterstützt habe, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker, gerichtet sind oder durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet habe.
Am 27. März 2018 führten die Fachbereichsleiterin 1 des Beklagten, Frau K. sowie der Präsident des Beklagten, Herr Dr. B., ein Personalgespräch mit dem Kläger. Zu dessen Inhalt ist im Vermerk vom selben Tag festgehalten, der Kläger sei von Dr. K. gebeten worden, über die Presseberichte, insbesondere über seine Zugehörigkeit zur HDJ aus seiner Sicht, zu berichten. Der Kläger habe entgegnet, die Fragen seien ihm bereits schriftlich gestellt und er antworte schriftlich. Er wolle nur schriftlich antworten, da es in diesem Fall auf jedes Komma ankomme. Auf den Vorhalt der Frau K., MdL S. habe in der MZ erklärt, bei Angehörigen der HDJ bestünden für ihn ernsthafte Zweifel, ob das Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung gegeben sei, habe der Kläger auf die ausstehende schriftliche Antwort verwiesen. Hierbei sei er auch geblieben, als darauf hingewiesen worden sei, dass diese Frage nicht Bestandteil der schriftlichen Befragung sei. Weiterhin sei dem Kläger vorgehalten worden, es sei kein Zeichen eines sich entwickelnden Vertrauensverhältnisses, dass er die Möglichkeit habe verstreichen lassen, sich beim ersten Erscheinen eines Presseartikels über seine Person bzw. aus welchem erkennbar gewesen sei, dass er gemeint sei, an die Hausleitung zu wenden.
Am 5. April 2018 beantragte der Kläger vor Abgabe der Stellungnahme Akteneinsicht, die ihm am 2. und 3. Mai 2018 gewährt wurde. Am 8. Mai 2018 beanstandete der Kläger, die Akteneinsicht sei nicht vollständig gewährt worden. Es habe sich um eine Zusammenstellung offensichtlich unvollständiger Unterlagen gehandelt. Akten zur Korrespondenz des Beklagten mit der MZ seien nicht vorgelegt worden. Er gebe vorbehaltlich der Ergänzung nach vollständig erteilter Akteneinsicht mit begleitendem Schreiben die erbetene dienstliche Erklärung ab. Diese lautet wie folgt:
„Ich bekenne mich mit meinem gesamten Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes und trete uneingeschränkt für deren Erhaltung ein. Dies habe ich stets getan, was ich durch meinen Werdegang, meine berufliche Tätigkeit auch und gerade im öffentlichen Dienst und insbesondere durch meinen langjährigen beanstandungsfreien Dienst als Offizier der Bundeswehr bestätigt habe.
Dem von Ihnen genannten Verein HDJ bin ich nicht beigetreten und habe ihn auch nicht als Funktionsträger vertreten. Ich war auch zu keinem Zeitpunkt Mitglied und/oder Funktionsträger in einer der anderen von Ihnen genannten Organisationen. Die bestätigende Auskunft der Verfassungsschutzbehörde (Ministerium für Inneres) vom 23.03.2018 liegt Ihnen bereits vor.“
Mit Schreiben vom 30. August 2018 teilte der Präsident des Beklagten dem Kläger mit, die Auskunft der Verfassungsschutzbehörde habe keine Anhaltspunkte ausgewiesen, die auf weiter zu prüfende Aktivitäten im Sinne der Medienberichte hingewiesen hätten. Auch aus anderen Quellen seien seitdem keine Vorwürfe, denen nachgegangen werden müsse, hinzugetreten. Die Sachverhaltsaufklärung werde mit der Feststellung beendet, dass kein dienstliches Fehlverhalten vorliege.
Am 17. Dezember 2019 legte der Kläger seine Laufbahnprüfung erfolgreich ab.
Bereits zuvor hatte sich der Kläger am 20. November 2019 beim Beklagten um die Einstellung in den Landesdienst unter Ernennung in ein Beamtenverhältnis auf Probe zum Gewerberat beworben. In der hierzu am 13. November 2019 veröffentlichten Ausschreibung des Amtes sowie des Dienstpostens „Sachbearbeiter des Landesamtes für Verbraucherschutz Sachsen-Anhalt heißt es unter der Überschrift „Ihre zwingenden Voraussetzungen“ u.a.:
„Abschluss in einer der folgenden Studienrichtungen:
[…]
Technische Fachrichtungen mit Abschluss Master of Science, Master of Engineering oder Diplom (oder gleichwertige Abschlüsse):
[…]
Fachrichtung Maschinenbau:
Wirtschaftsingenieurwesen Maschinenbau
Maschinenbau
[…].“
Zur Begründung dieses Anforderungsprofil führte der Beklagte im Vermerk vom 4. November 2019 aus, die Einengung des Bewerberfeldes sei sachlich gerechtfertigt, weil die Wahrnehmung der Aufgaben der ausgeschriebenen Dienstposten besondere Kenntnisse und Fähigkeiten voraussetzen, die ein Bewerber ohne die aufgeführten konstitutiven Voraussetzungen nicht mitbringe und sich in angemessener Zeit und ohne unzumutbare Beeinträchtigung der Aufgabenwahrnehmung nicht verschaffen könne. Die Entscheidung für die ausschließlich aufgeführten Studien- bzw. Fachrichtungen ergebe sich aus den Einsatzgebieten laut der genannten Aufgabenbeschreibung. Der Einsatz in besonderen Leitbranchen, die Bearbeitung konkreter Fachlasten bzw. die Betreuung von Unternehmen und Betrieben der aufgeführten Wirtschaftszweige sei nur mit den in einem Studiengang in den aufgeführten Fachrichtungen erlangten Abschlüssen möglich. Nur in einem Studium der aufgeführten Fachrichtungen würden Kenntnisse, Fähigkeiten, Fertigkeiten und entsprechende studienbegleitende Erfahrungen vermittelt, welche den Dienstposteninhaber zur Erfüllung der gestellten Arbeitsaufgaben im besonderen fachlichen Sinne qualifizierten. Weiterhin sei bei der Benennung der erforderlichen Fachrichtungen dem Umstand Rechnung zu tragen, dass Beamte in der Arbeitsschutzverwaltung aus dem Personalbestand des Fachbereichs Arbeitsschutz perspektivisch bis zum Jahr 2023 mit besonderen Kenntnissen und Fähigkeiten ausschieden. Der Zusatz „oder gleichwertige Abschluss“ beziehe sich ausschließlich auf die Art des Abschlusses Master oder Diplom. Es sollten eventuell gleichwertige aber anders benannte Abschlüsse, z.B. Staatsexamina oder Abschlüsse von ausländischen Hochschulen einbezogen werden können, solange die aufgeführten Studien- bzw. Fachrichtungen nachgewiesen seien.
Am 27. Januar 2020 traf der Beklagte die Auswahlentscheidung und hielt mit Blick auf den Kläger fest, dieser sei persönlich nicht geeignet, um in das Beamtenverhältnis auf Probe eingestellt zu werden. Ihm fehle die notwendige charakterliche Eignung. Der Kläger habe, wie sich nunmehr herausgestellt habe, während der Referendarzeit gegenüber dem Beklagten falsche Angaben betreffend seine Mitglied- und Funktionsträgerschaft in der HDJ gemacht. So sei der Dienststelle am 10. Januar 2020 das rechtskräftige Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 18. Oktober 2019 (richtig: 7. November 2019) zum Az. 16 U 161/18 bekannt geworden. In dem Urteil sei durch das Oberlandesgericht Düsseldorf festgestellt worden, dass der Kläger von 1999 bis 2004 Mitglied der HDJ gewesen sei und seit 2003 bis zu seinem Ausscheiden aus der HDJ im Jahr 2004 die Leitung der neueingerichteten Abteilung für Ausrüstung und Lagertechnik übernommen habe. Durch den Vortrag im Verfahren vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf habe der Kläger seine Mitglied- und Funktionsträgerschaft in der HDJ selbst eingeräumt. Mit den falschen Angaben gegenüber dem Beklagten habe er ein schweres innerdienstliches Dienstvergehen begangen. Dieses betreffe die Wahrheitspflicht und damit den Kernbereich der Dienstpflichten. Die vom damaligen Beamten auf Widerruf in vorsätzlicher Weise abgegebene unrichtige dienstliche Erklärung vom 8. Mai 2018 biete nicht die Gewähr dafür, dass künftig ein Vertrauensverhältnis zwischen ihm und dem Dienstherrn aufgebaut werden könne. Unbedingtes Vertrauen könne nur demjenigen Beamten entgegengebracht werden, der sich auch unter ihm unangenehmen und möglicherweise sogar nachteiligen Voraussetzungen zur Wahrheit bekenne. Dies gelte umso mehr, als der Kläger die Chance gehabt habe, in seiner dienstlichen Erklärung den Sachverhalt zu seiner HDJ-Mitgliedschaft vollständig anzugeben. Im Übrigen scheide der Kläger auch deshalb aus dem Auswahlverfahren aus, weil er einen universitären Abschluss lediglich in dem Fach „Wirtschaftsingenieurwesen Logistik“ und damit nicht in einem geforderten Studiengang vorweisen könne.
Mit Schreiben vom 6. Februar 2020 teilte der Beklagte dem Kläger das Ergebnis der Auswahlentscheidung mit. Am 24. Februar 2020 stellte der Kläger beim Verwaltungsgericht Magdeburg im Verfahren zum Az. 5 B 95/20 MD den Antrag, dem Beklagten die Besetzung der ausgeschriebenen Stellen vorläufig zu untersagen. Mit Schriftsatz vom 25/26. Februar 2020 erklärte der Beklagte, es sei keine begrenzte Anzahl an Stellen ausgeschrieben worden. Zugleich sicherte er zu, dem Kläger bis zur rechtskräftigen Entscheidung eines etwaigen Hauptsacheverfahrens zur Besetzung des Dienstpostens „Sachbearbeiter Technischer Aufsichtsdienst“ im Fachbereich Arbeitsschutz des Landesamtes für Verbraucherschutz Sachsen-Anhalt einen Dienstposten freizuhalten. Nachdem die Beteiligten anschließend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt hatten, stellte die Kammer das Verfahren mit Beschluss vom 7. April 2020 ein.
Am 8. März 2020 hat der Kläger bei dem erkennenden Gericht Klage erhoben und führt zur Begründung aus, der Beklagte habe einen Leistungsvergleich bei der Einstellung gar nicht vornehmen wollen. Vielmehr hätten außer ihm alle Gewerbereferendare etwa in der Woche vor dem 3. Dezember 2019 eine schriftliche vorläufige Einstellungszusage vorbehaltlich einer erfolgreich abgeschlossenen Laufbahnprüfung sowie einer amtsärztlich festgestellten Eignung für die Verbeamtung auf Probe erhalten. Die Einstellungszusage sei nachvollziehbar, da die Ausbildung als Gewerbereferendar ihrem Inhalt nach auf eine anschließende Verwendung in der Laufbahn des Gewerbeaufsichtsdienstes ausgerichtet sei. Es entspreche auch der Praxis des Beklagten, alle Absolventen des Vorbereitungsdienstes nach bestandener Prüfung zum Gewerbeassessor einen Dienstposten zur Verwendung in ihrem Aufgabenbereich anzubieten. Auf eine spätere Übernahme habe auch er vertraut.
Er sei auch charakterlich für die Ernennung zum Beamten auf Probe geeignet. Insbesondere habe er seinem Dienstherrn gegenüber während der Zeit im Beamtenverhältnis auf Widerruf keine unwahren Tatsachenangaben gemacht. Im März 2018 sei medial seine bisherige parlamentarische Tätigkeit für die AfD bundesweit bekanntgeworden. In etwa 40 Fällen sei er in Zeitungs- und Rundfunkbeiträgen unter voller namentlicher Nennung mit weiteren individualisierenden biografischen Angaben dargestellt worden. Hierbei sei neben seiner bisherigen Tätigkeit ausdrücklich auch die frühere Zugehörigkeit seines älteren Bruders zur HDJ thematisiert und auch dem Kläger zugeschrieben worden. In der durchgeführten Anhörung habe er sich unbeschränkt zur freiheitlich demokratischen Grundordnung bekannt und dabei insbesondere auf die Auskunft des Ministeriums des Innern vom 23. März 2018 verwiesen. Das Disziplinarverfahren sei eingestellt worden. Dies sei auch unumgänglich gewesen, da seine angebliche Mitgliedschaft zu dem privaten Verein mit annähernd zwei Jahrzehnten erhebliche Zeit zurückliege. Individuelles Fehlverhalten sei nicht erkennbar. Er sei dem Verein zu keinem Zeitpunkt beigetreten und habe diesen auch nicht als Funktionsträger nach außen vertreten. Das alles habe er auch nicht tun können, da er selbst noch minderjährig gewesen sei.
Soweit der Beklagte darauf abstelle, dass nach dem Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 7. November 2019 zum Az. 16 U 161/18 von einer „Mitgliedschaft“ bzw. einer „Funktion“ des Klägers innerhalb der HDJ gesprochen werde, sei er zu dieser Feststellung durch den Beklagten nicht angehört worden. Es werde auch bestritten, dass der Beklagte hiervon erst am 10. Januar 2020 erfahren habe. Unabhängig hiervon sei aus dem Urteil nicht zu schließen, dass er in der Erklärung vom 8. Mai 2018 gelogen habe. Denn der vom Beklagten herangezogene Sachverhalt treffe nicht zu. Er – der Kläger – habe in dem Verfahren vor dem Landgericht Düsseldorf sowie dem Oberlandesgericht Düsseldorf durch eidesstattliche Erklärungen klargestellt, dass er der HDJ niemals formell, etwa durch eine formelle Mitgliedschaft, beigetreten sei und zu keinem Zeitpunkt eine repräsentative oder irgendwie nach außen gerichtete Tätigkeit ausgeübt habe sowie den Verein noch als Schüler auf eigene Initiative verlassen habe. Auf Nachfrage des OLG Düsseldorf habe er nochmals vorgetragen, dass eine Aufnahme seiner Person in den Verein nicht beantragt und nicht vollzogen worden sei, er also kein Vereinsmitglied gewesen sei, keine Beiträge oder ähnliches geleistet habe und er nicht Leiter einer „Abteilung HALT“ geworden sei. Ein organisatorischer Bericht vom 1. April 2003 sei ihm nicht bekannt. Eine Quelle sei vom damaligen Prozessbevollmächtigten der Gegenseite nicht benannt worden. Der Sachverhalt treffe auch inhaltlich nicht zu, da es eine solche Abteilung nicht gegeben habe. Im Übrigen sei das Urteil nur zwischen ihm und der Gegenseite ergangen. Der Beklagte könne sich auf dieses nicht berufen. Auch stünde der Heranziehung des Sachverhaltes die Bestandskraft der Einstellungsverfügung vom 30. August 2018 entgegen. Im Übrigen sei er vom Beklagten im Rahmen seiner Anhörung auch nicht allgemein dazu aufgefordert worden, zu „seiner Beziehung“ zu der HDJ zu berichten. Die Fragestellung im Schreiben vom 22. März 2018 habe er zudem dahingehend verstehen dürfen, dass der Beklagte ausschließlich habe wissen wollen, ob er – der Kläger – durch eine formelle Mitglied- oder Funktionsträgerschaft Kontakte zur HDJ unterhalten habe, die über eine bloße Beziehung zur HDJ hinausgingen. Das sei aber nicht der Fall gewesen.
Unabhängig hiervon belege auch eine unterstellte Falschbeantwortung der Fragen vom 22. März 2018 nicht zwangsläufig die mangelnde persönliche Eignung für den öffentlichen Dienst. Vielmehr müsse – wie in „MfS-Fällen“ – eine erhebliche Verstrickung festgestellt und die Gesamtumstände in den Blick genommen werden. Eine solche Betrachtung habe der Beklagte aber nicht angestellt. Insbesondere habe er die beanstandungsfreie Dienstverrichtung während der Zeit als Gewerbereferendar nicht bei der Bewertung der charakterlichen Eignung berücksichtigt. Zudem ergebe sich aus der Stellungnahme der Verfassungsschutzbehörde vom 23. März 2018, dass er nie Mitglied einer unanfechtbar verbotenen Organisation gewesen sei.
Auch erfülle er die Merkmale des Anforderungsprofils. Einerseits handele es sich bei den in der Ausschreibung angeführten Abschlüssen um eine offene Beispielnennung ohne abschließenden Charakter. Andererseits sei die inhaltliche Beschränkung auf die dort genannten Abschlüsse nicht gerechtfertigt, da sie allein dazu diene, den Bewerberkreis klein zu halten. Auch könne er mit dem erreichten Abschluss „Wirtschaftsingenieurwesen Logistik“ die geforderten Kompetenzen ebenso nachweisen wie eine Person mit dem Abschluss „Wirtschaftsingenieurwesen Maschinenbau“ oder „Maschinenbau“. Denn die Studieninhalte seien bei einem Vergleich der maßgeblichen Studienordnungen weit überwiegend identisch. Soweit der Beklagte eine eigene Rechnung zum Umfang der Vergleichbarkeit angestellt habe, sei diese nicht nachvollziehbar und treffe auch nicht zu. Festzuhalten sei jedenfalls, dass sowohl die in der Ausschreibung geforderten Abschlüsse als auch sein eigener Abschluss eine technische Ausrichtung aufwiesen, die einen Bewerber in die Lage versetze, die auf den Dienstposten anfallenden Aufgaben zu bewältigen. Im Übrigen habe der Beklagte schon keine spezifischen Dienstposten, die bestimmte Abschlüsse zwingend voraussetzten, ausgeschrieben. Die Ausschreibung beziehe sich vielmehr auf einen allgemeinen Dienstposten.
Nachdem der Kläger zunächst schriftsätzlich angekündigt hatte zu beantragen, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 6. Februar 2020 zu verpflichten, ihn als „Sachbearbeiter des Landesamtes für Verbraucherschutz Sachsen-Anhalt“ unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe einzustellen sowie den Beklagten zu verurteilen, ihn im Wege des Schadensersatzes besoldungs- und versorgungsrechtlich so zu stellen, wie er stünde, wenn er zum 26. Februar 2020, hilfsweise zu einem späteren Zeitpunkt, in das Beamtenverhältnis berufen worden wäre, hat er in der mündlichen Verhandlung vom 7. März 2022 die auf Ernennung gerichtete Klage teilweise und die Klage auf Zahlung von Schadensersatz vollständig zurückgenommen.
Der Kläger beantragt nunmehr noch,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 6. Februar 2020 zu verpflichten, über seine Bewerbung auf die ausgeschriebenen Dienstposten als „Sachbearbeiter  des Landesamtes für Verbraucherschutz Sachsen-Anhalt“ unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen
und vertritt die Auffassung, die Klage sei unbegründet. Es bestünden jedenfalls Zweifel an der erforderlichen charakterlichen Eignung des Klägers, da er im Beamtenverhältnis auf Widerruf die ihm mit Schreiben vom 22. März 2018 gestellten Fragen durch das Schreiben vom 8. Mai 2018 unzureichend beantwortet habe. Aufgrund der Berichterstattung verschiedener Medien im März 2018 über die Aktivität des Klägers in der HDJ habe der Kläger – auch wegen des dem Beklagten durch die Berichterstattung drohenden Ansehensverlustes in der Öffentlichkeit – in der Pflicht gestanden, lückenlos Auskunft über seine früheren Verstrickungen zu geben. Nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf dürfe medial weiter berichtet werden, dass der Kläger ein früherer HDJ-Funktionär sei und sich aus internen Unterlagen der HDJ ergebe, dass eine neue Abteilung der HDJ, deren Ziel es sei, die Koordinierung des Technischen Dienstes auf Lagern zu verbessern, in Zukunft von dem Kameraden D. (F.) geleitet werde. Dieser Umstand begründe auch für sich genommen hinreichende Zweifel an der charakterlichen Eignung. Es sei zu erwarten gewesen, dass sich der Kläger zur Presseberichterstattung einlasse. Hierzu habe er sich aber ausgeschwiegen. Sein Aussageverhalten sei stets defensiv geblieben. Eine Äußerung eines Beamten gegenüber seinem Dienstherrn müsse aber vollständig und wahrheitsgemäß sein. Diese Anforderungen erfülle die Erklärung des Klägers nicht.
Unabhängig hiervon erfülle der Kläger die in der Ausschreibung aufgestellten Anforderungen nicht. Der Studiengang „Diplom Wirtschaftsingenieur Logistik (Dipl.-Wi.-Ing)“ sei im Kanon der in der Stellenausschreibung als zwingend angegebenen Studiengänge nicht aufgeführt. Der dort genannte Fächerkanon sei abschließend. Soweit es in der Ausschreibung „oder gleichwertige Abschlüsse“ heiße, sei nur die Art des Abschlusses (Master, Diplom, etc.) angesprochen. Zwar treffe es zu, dass kein spezifischer Fachdienstposten ausgeschrieben worden sei. Hieraus folge aber nicht, dass auch nur alle entfernt passenden Hochschulabschlüsse genügten. Hintergrund der Beschränkung sei die umfangreiche Aufgabenlast der Gewerbeaufsicht. Es werde vor einer Ausschreibung der Bedarf ermittelt. Dies ergebe sich aus dem Anforderungsprofil vom 4. November 2019. Hiernach müsse der Dienstposteninhaber in der Lage sein, mindestens einer der besonderen Fachlasten „04 Gefahrstoffrecht; 07 Seltene physikalische Faktoren; 08 Ionisierende Strahlung; 09 Biologische Arbeitsstoffe/Gentechnik; 10 Medizinprodukterecht; 11 Dampf- und Drucktechnik; 12 Explosionsschutz/entzündliche Stoffe“ zu bedienen, um Unternehmen mit mindestens einem dem Schwerpunkt bzw. mindestens einer der Leitbranchen „01 Chemie; 03 Bau, Stein, Erden; 05 Hochschulen, Gesundheitswesen; 12 Nahrungs- und Genussmittel (insbesondere Landwirtschaft); 22 Versorgung (hier: erneuerbare/nachhaltige/alternative Energien); 23 Feinmechanik; 24 Maschinenbau“ zu betreuen oder die Fachaufgabe Marktüberwachung für Produkte nach dem ProdSG zu bearbeiten. Vor diesem Hintergrund sei die Forderung bestimmter Studienabschlüsse gerechtfertigt. Insbesondere genüge der Abschluss des Vorbereitungsdienstes allein nicht für den Nachweis der fachlichen Eignung. Vielmehr sei ein abgeschlossenes Hochschulstudium in den angegebenen Bereichen zu verlangen, da Zweck des Vorbereitungsdienstes nicht die Vermittlung von Fachkenntnissen sei. Das vom Kläger absolvierte Studium „Diplom Wirtschaftsingenieur Logistik (Dipl.-Wi.-Ing)“ sei auch nicht gleichwertig mit dem geforderten Abschluss „Wirtschaftsingenieur Maschinenbau“. Ein Vergleich der Prüfungsordnungen belege, dass die Abschlüsse fachlich nicht gleichwertig seien. Es bestünden sowohl im Grund- als auch im Hauptstudium Unterschiede. Je nach Studienrichtung absolviere ein Absolvent im Bereich „Wirtschaftsingenieur Maschinenbau“ nur zu 23% bis 42% die gleichen Studienveranstaltungen wie der Kläger im Studiengang „Diplom Wirtschaftsingenieur Logistik (Dipl.-Wi.-Ing)“.
Das Gericht hat die Verfahrensakten zu den Az. 12 O 146/18 sowie I-16 U 161/18 von dem Landgericht Düsseldorf beigezogen.

Entscheidungsgründe

Das Verfahren ist einzustellen, soweit der Kläger seine Klage zurückgenommen hat (§ 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO).
Die noch anhängige Klage, die auf Verurteilung des Beklagten zur erneuten Entscheidung über seine Bewerbung auf den ausgeschriebenen Dienstposten als „Sachbearbeiter des Landesamtes für Verbraucherschutz Sachsen-Anhalt“ gerichtet ist, wobei dieses Begehren in dem ursprünglich gestellten Verpflichtungsantrag auf Ernennung bereits als „Minus“ enthaltenen war (§ 88 VwGO), hat keinen Erfolg. Die Klage ist zwar zulässig (1.), aber unbegründet (2.).
1. Der Zulässigkeit der Klage steht nicht entgegen, dass der Kläger ein Widerspruchsverfahren gegen die ihm unter dem 6. Februar 2020 mitgeteilte Auswahlentscheidung nicht durchlaufen hat. Die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens war zwar gemäß § 54 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG grundsätzlich erforderlich. Nach dieser Norm ist für alle Klagen im Sinne des § 54 Abs. 1 BeamtStG ein Vorverfahren nach den Vorschriften des 8. Abschnitts der Verwaltungsgerichtsordnung durchzuführen, auch wenn die Maßnahme von einer obersten Bundesbehörde getroffen wurde. Da von § 54 Abs. 1 BeamtStG – ebenso wie von § 126 Abs. 1 BBG und § 126 Abs. 1 BRRG – auch Klagen vorbeamtenrechtlicher Art, d.h. Klagen von Nichtbeamten, die ihren Rechtsgrund im Beamtenrecht haben und im Zusammenhang mit der Begründung eines konkreten Beamtenverhältnisses stehen, erfasst sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. März 2021 – 2 B 3/21 –, juris Rn. 11 m.w.N.), ist auch bei der Ablehnung einer Bewerbung um eine Ernennung in ein Beamtenverhältnis auf Probe ein Vorverfahren durchzuführen. Vorliegend war die Durchführung des Vorverfahrens indes entbehrlich.
Entbehrlich ist ein Vorverfahren ausnahmsweise, wenn dem Zweck des Vorverfahrens bereits Rechnung getragen ist oder der Zweck des Vorverfahrens ohnehin nicht mehr erreicht werden kann (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 15. September 2010 – 8 C 21/09 –, juris, Rn. 24). Diese Voraussetzungen sind anzunehmen, wenn sich aus der Gesamtwürdigung der vorgerichtlichen Erklärungen der Behörde ergibt, dass sie sich endgültig darauf festgelegt hat, das Rechtsschutzbegehren abzulehnen. Eine derartige Festlegung setzt voraus, dass die Behörde zu erkennen gegeben hat, sie habe sich ihre Auffassung gebildet und gedenke daran auf jeden Fall festzuhalten. Hat der Betroffene daraufhin Klage erhoben, kann der Beklagte im Klageverfahren nicht dadurch die Durchführung des Widerspruchsverfahrens erreichen, dass sie auf dessen Fehlen verweist und sich gar nicht oder nur hilfsweise zur Sache einlässt (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2013 – 2 C 23/12 –, juris Rn. 37). So liegt der Fall hier. Aufgrund der Ausführungen des Beklagten im Verfahren zum Az. 5 B 95/20 MD, in welchem er dem Kläger zusicherte, ihm bis zur rechtskräftigen Entscheidung eines etwaigen Hauptsacheverfahrens eine Stelle freizuhalten, hat der Beklagte, der als oberste Dienstbehörde auch für die Entscheidung über den Widerspruch zuständig gewesen wäre, hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er die sich stellenden Fragen in einem verwaltungsgerichtlichen Hauptsacheverfahren geklärt wissen möchte. Es bestand vor diesem Hintergrund kein Zweifel, dass der Beklagte an der getroffenen Auswahlentscheidung festhalten und ihr auch in einem Widerspruchsverfahren nicht abhelfen wird.
Unabhängig von den vorstehenden Erwägungen ist die Klage auch deshalb zulässig, weil das Vorverfahren durch sachliche Einlassung des Beklagten im gerichtlichen Verfahren entbehrlich geworden ist (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 20. April 1994 – 11 C 2/93 –, BVerwGE 95, 321-332, juris Rn. 18).
2. Die Klage ist aber unbegründet. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Verurteilung des Beklagten zur erneuten Entscheidung über seine Bewerbung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO analog) zu.
Als Anspruchsgrundlage für eine erneute Entscheidung kommt allein Art. 33 Abs. 2 GG, § 9 BeamtStG in Betracht. Nach diesen Regelungen sind Ernennungen nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung ohne Rücksicht auf Geschlecht, Abstammung, Rasse oder ethnischer Herkunft, Behinderung, Religion, Weltanschauung, politische Anschauungen, Herkunft, Beziehungen oder sexuelle Identität vorzunehmen. Art. 33 Abs. 2 GG vermittelt dem Bewerber ein grundrechtsgleiches Recht auf leistungsgerechte Einbeziehung in die Bewerberauswahl unmittelbar nach Maßgabe von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung. Ein Bewerber um ein öffentliches Amt kann verlangen, dass seine Bewerbung nur aus Gründen zurückgewiesen wird, die durch den Leistungsgrundsatz gedeckt sind (Bewerbungsverfahrensanspruch). Der Bewerberauswahl dürfen nur Gesichtspunkte zugrunde gelegt werden, die den von Art. 33 Abs. 2 GG geforderten Leistungsbezug aufweisen (BVerwG, Urteil vom 30. Juni 2011 – 2 C 19/10 -, juris [m. w. N.]).
Aus Art. 33 Abs. 2 GG i. V. m. Art. 19 Abs. 4 GG folgt des Weiteren die Verpflichtung des Dienstherrn, die seiner Entscheidung zugrundeliegenden wesentlichen Auswahlerwägungen schriftlich niederzulegen. Nur durch eine schriftliche Fixierung der wesentlichen Auswahlerwägungen – deren Kenntnis sich der unterlegene Bewerber gegebenenfalls durch Akteneinsicht verschaffen kann – wird der Mitbewerber in die Lage versetzt, sachgerecht darüber befinden zu können, ob er die Entscheidung des Dienstherrn hinnehmen soll oder ob Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen den Anspruch auf faire und chancengleiche Behandlung seiner Bewerbung bestehen und er gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen will. Darüber hinaus eröffnet erst die Dokumentation der maßgeblichen Erwägungen dem Gericht die Möglichkeit, die angegriffene Entscheidung eigenständig nachzuvollziehen. Schließlich stellt die schriftliche Dokumentation der Auswahlerwägungen sicher, dass die Bewertungsgrundlagen der entscheidenden Stelle vollständig zur Kenntnis gelangt sind; sie erweist sich damit als verfahrensbegleitende Absicherung der Einhaltung der Maßstäbe des Art. 33 Abs. 2 GG (so ausdrücklich: BVerwG, Beschluss vom 16. Dezember 2008 – 1 WB 19/08 -, juris, unter Bezugnahme auf BVerfG, Beschluss vom 9. Juli 2007 – 2 BvR 206/07-, juris).
Für die Rechtmäßigkeit der Auswahlentscheidung kommt es im Übrigen allein auf die Erwägungen an, die der Dienstherr bei seiner Auswahlentscheidung in Ausübung seines Verwendungsermessens und des ihm vorbehaltenen Beurteilungsspielraums hinsichtlich der Eignung der Kandidaten angestellt hat. Mit dieser Entscheidung wird zugleich die Sach- und Rechtslage fixiert, die maßgeblich für die gerichtliche Beurteilung ist. Zwar können Ermessenserwägungen sowie Einschätzungen, bei denen ein Beurteilungsspielraum besteht, in entsprechender Anwendung des § 114 Satz 2 VwGO im gerichtlichen Verfahren ergänzt werden. Hierzu gehört indes nicht die vollständige Nachholung oder die Auswechslung der die Entscheidung tragenden Gründe. Derartige Erwägungen sind vielmehr unzulässig und bei der gerichtlichen Kontrolle der Auswahlentscheidung nicht berücksichtigungsfähig. Gegenteiliges folgt auch nicht aus § 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 VwVfG (i. V. m. § 1 VwVfG LSA), da die Nachholung einer Begründung hiernach bereits dokumentierte materielle Auswahlerwägungen voraussetzt (siehe zum Vorstehenden: BVerwG, Beschluss vom 25. Oktober 2011 – 2 VR 4/11 -, juris, Beschluss vom 16. Dezember 2008 – 1 WB 19/08 -, a. a. O.; zudem: OVG LSA, Beschluss vom 26. Oktober 2010 – 1 M 125/10 -, juris [m. w. N.]).
Unter Beachtung dieser Anforderungen erweist sich die getroffene Auswahlentscheidung als rechtmäßig. Denn der Beklagte geht in seiner schriftlich dokumentierten Auswahlentscheidung ohne Verstoß gegen die aus Art. 33 Abs. 2 GG folgenden Auswahlgrundsätze davon aus, dass dem Kläger die nach Art. 33 Abs. 2 GG erforderliche Eignung für das angestrebte Amt fehlt (a) und der Kläger darüber hinaus mangels qualifizierenden Studienabschlusses vom weiteren Auswahlverfahren auszuschließen war (b).
a) Die von Art. 33 Abs. 2 GG geforderte Auswahlentscheidung hat stets die Eignung der Bewerber für das angestrebte Amt in den Blick zu nehmen. Teil der Eignungsprognose ist auch die Feststellung der charakterlichen Eignung als Unterfall der persönlichen Eignung. Für die Feststellung der charakterlichen Eignung ist eine prognostische Einschätzung zu treffen, inwieweit der Bewerber der von ihm zu fordernden Loyalität, Aufrichtigkeit, Zuverlässigkeit, Fähigkeit zur Zusammenarbeit und Dienstauffassung gerecht werden wird. Das erfordert eine wertende Würdigung aller Aspekte des Verhaltens des Einstellungsbewerbers, die einen Rückschluss auf die für die charakterliche Eignung relevanten persönlichen Merkmale geben können (BVerwG, Beschluss vom 20. Juli 2016 – 2 B 18/16 –, juris Rn. 26 [m.w.N.]). Zur Ablehnung der Einstellung genügen bereits berechtigte Zweifel des Dienstherrn daran, ob der Beamte die charakterliche Eignung besitzt (BVerwG, a.a.O. Rn. 25).
Der Dienstherr trifft die Entscheidung über die charakterliche Eignung im Rahmen seines ihm zustehenden Beurteilungsspielraumes, sodass diese Eignungseinschätzung nur einer beschränkten Überprüfung durch die Verwaltungsgerichte unterworfen ist. Nur der Dienstherr soll durch die für ihn handelnden Organe nach dem erkennbaren Sinn der Regelung über die Auslese nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung ein persönlichkeitsbedingtes Werturteil darüber abgeben, ob und inwieweit der Ernennungsbewerber den – ebenfalls vom Dienstherrn zu bestimmenden – fachlichen und persönlichen Anforderungen eines konkreten Amtes und der Laufbahn entspricht. Allerdings muss jede Auswahlentscheidung auf einer tragfähigen Sachverhaltsermittlung und einer sorgfältigen Abwägung beruhen. Das gilt auch und insbesondere, wenn die Auswahl auf einer Beurteilung der persönlichen, charakterlichen Eignung beruht (vgl. VGH Bayern, Beschluss vom 12. Mai 2016 – 6 CE 16.371 –, juris Rn. 7). Die verwaltungsgerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle hat sich demnach darauf zu beschränken, ob die Verwaltung den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat, ob sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachwidrige Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat (BVerwG, Urteil vom 25. Januar 2001 – 2 C 43/99 –, juris Rn. 23 sowie Urteil vom 30. Januar 2003 – 2 A 1/02 – juris Rn. 11).
Unter Beachtung dieser Grundsätze ist die Bewertung des Beklagten nicht zu beanstanden, wonach aufgrund des Aussageverhaltens des Klägers im Beamtenverhältnis auf Widerruf hinsichtlich einer im Raum stehenden Mitglied- und Funktionsträgerschaft in der HDJ Zweifel an der charakterlichen Eignung zur Ernennung in ein Beamtenverhältnis auf Probe vorliegen. Denn er geht in tatsächlicher Hinsicht zutreffend davon aus, dass der Kläger über seine Verbindungen zur HDJ bewusst unvollständige Angaben gemacht hat und hält sich mit der Bewertung, dass der Kläger hierdurch gegen die ihn im Beamtenverhältnis auf Widerruf treffende Wahrheitspflicht mit der Folge verstoßen hat, dass berechtigte Zweifel an seiner charakterlichen Eignung bestehen, im Rahmen des ihm zustehenden Beurteilungsspielraums.
Die beamtenrechtliche Wahrheitspflicht ist nicht ausdrücklich im Pflichtenkanon der §§ 33 ff. BeamtStG genannt. Sie ergibt sich indes aus dem Wesen des Beamtenverhältnisses als einem gegenseitigen Dienst- und Treueverhältnis (vgl. § 3 Abs. 1 BeamtStG). Sie ist notwendiger und elementarer Bestandteil der Rechtsbeziehungen zwischen Dienstherrn und Beamten; denn Treue setzt Vertrauen, Vertrauen wiederum Wahrheit und Offenheit voraus (vgl. zum BBG BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 1980 – 1 D 89/79 –, juris Rn. 28). Sowohl von der Pflicht aus § 35 Abs. 1 BeamtStG, wonach ein Beamter seine Vorgesetzten zu beraten und zu unterstützen hat, als auch von der Grundpflicht aus § 34 Satz 3 BeamtStG, wonach das Verhalten eines Beamten der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden hat, die sein Beruf erfordert, wird die Wahrheitspflicht des Beamten mitumfasst. Dabei belegen falsche oder unvollständige Angaben eine Selbstbegünstigungstendenz (vgl. zum Verschweigen von Ermittlungsverfahren OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15. Januar 2020 – 1 A 1937/18 -, juris Rn. 10) und lassen darauf schließen, dass der Bewerber die Bedeutung der Pflicht zu wahrheitsgemäßen Angaben gegenüber seinem Dienstherrn gemessen an den eigenen Interessen verkennt, woraus die Befürchtung resultieren kann, dass auch zukünftig mit einem entsprechenden Fehlverhalten des Bewerbers zu rechnen ist (vgl. VGH Hessen, Beschluss vom 23. August 2021 – 1 B 924/21 –, juris Rn. 40).
Unter Beachtung dieser Vorgaben hat der Kläger durch seine auf die Bitte um dienstliche Stellungnahme vom 22. März 2018 eingereichte schriftliche Stellungnahme vom 8. Mai 2018 gegen die ihn im Beamtenverhältnis auf Widerruf obliegende Wahrheitspflicht verstoßen.
In welchem Umfang der Kläger auf das Schreiben vom 22. März 2018 hin zur Auskunftserteilung verpflichtet war, ist durch Auslegung der Aufforderung zur dienstlichen Stellungnahme zu ermitteln. Dabei ist nach § 133 BGB, welcher auch auf öffentlich-rechtliche Erklärungen Anwendung findet, bei der Auslegung einer Willenserklärung der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Es kommt darauf an, wie die Erklärung aus der Sicht des Empfängers bei objektiver Betrachtung zu verstehen ist. Maßgebend ist der geäußerte Wille des Erklärenden, wie er sich dem Empfänger nach dem Wortlaut der Erklärung und den sonstigen Umständen darstellt, die der Empfänger bei Zugang der Erklärung erkennen kann. Dieser hat in den Blick zu nehmen, welchen Zweck der Erklärende verfolgt (BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2013 – 2 C 23/12 –, juris Rn. 15). Weiterhin ist bei der Auslegung des Schreibens vom 22. März 2018 zu berücksichtigen, dass der Beklagte mit der dienstlichen Aufforderung zur Stellungnahme disziplinare Vorermittlungen außerhalb eines förmlich eingeleiteten Disziplinarverfahrens anstellte (vgl. hierzu Köhler/Baunack, BDG, 7. Aufl. 2021, § 17 Rn 5 ff.), welche der Sachverhaltsfeststellung in einem Stadium dienen, in dem nach Auffassung des Dienstherrn noch keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte i.S.d. § 17 Abs. 1 Satz 1 DG LSA vorliegen, die den Verdacht eines Dienstvergehens rechtfertigen.
In Anwendung dieser Maßstäbe ist vorliegend davon auszugehen, dass der Kläger aufgrund der vom Beklagten mit Schreiben vom 22. März 2018 angeforderten Stellungnahme eine umfängliche Auskunft zu allen seinen irgendwie gearteten Beziehungen zur HDJ zu erteilen hatte. Denn hierauf war die Fragestellung des Beklagten bei objektiver Auslegung bezogen.
Dieses Ergebnis wird bereits durch die einleitenden Sätze des Schreibens nahegelegt, nach denen der Dienstherr durch Presseberichterstattung über eine mögliche Verbindung des Klägers zur HDJ Kenntnis erlangt hat. Zwar formuliert der Beklagte in Absatz 3 des Schreibens vom 22. März 2018, dass eine „fortdauernde Betätigung“ für Organisationen des rechtsextremen Spektrums einen Verstoß gegen das Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung bedeuten könnte. Das bedeutet aber nicht, dass er nur zu aktuellen Verbindungen Auskünfte forderte. Denn im Anschluss fragte er unter Nr. 1 danach, ob der Kläger Mitglied und/oder Funktionsträger der HDJ war und in welchem Zeitraum dies ggf. der Fall gewesen sei. Da die HDJ im Jahr 2009 bereits verboten wurde, ist diese Fragestellung erkennbar auf eine Auskunftserteilung von in der Vergangenheit abgeschlossenen – also nicht fortdauernden – Sachverhalten gerichtet. Weiterhin ist bei objektiver Auslegung anzunehmen, dass sich die Fragen des Beklagten nicht lediglich darauf beschränkten, ob der Kläger „formal“ Mitglied der HDJ gewesen sei oder „nach außen“ Funktionen wahrgenommen habe. Eine solche Einschränkung ergibt sich aus dem Wortlaut der Anfrage nicht. Es ist gerade nicht nach einer „formalen“ Mitgliedschaft gefragt. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, er habe die Frage dahingehend verstehen dürfen, verkennt er die oben dargestellten Auslegungsgrundsätze. Nach dem Inhalt der Anfrage war bei objektiver Betrachtung ohne weiteres erkennbar, dass der Beklagte von den Aktivitäten des Klägers in der HDJ keinerlei Kenntnis hatte und diese aufgeklärt wissen wollte. Das muss letztlich auch dem Kläger bekannt gewesen sein. Denn er selbst hat gegenüber dem Landgericht Düsseldorf im Verfahren zum Az. 12 O 146/18 noch mit eidesstattlicher Versicherung vom 28. März 2018 erklärt, seine „damalige Verbindung zur HDJ“ habe er niemals in der Öffentlichkeit thematisiert oder sich zu dieser öffentlich bekannt. Auch unter Berücksichtigung der Zielrichtung des Schreibens vom 22. März 2018 ist anzunehmen, dass vom Kläger eine vollständige Auskunft zu allen irgendwie gearteten Verbindungen zur HDJ gefordert war. Denn in dem in Bezug genommenen Artikel der WELT online ist lediglich davon die Rede, dass der Kläger („ W.“) „als Jugendlicher“ in der HDJ aktiv gewesen sei. Es liegt auf der Hand, dass der Beklagte die Aufklärung suchte, welche Aktivitäten der Kläger tatsächlich mit Verbindung zur HDJ unternommen hatte. Dass eine vollumfängliche Auskunft über seine Verbindungen zur HDJ verlangt war, musste dem Kläger auch nach dem Personalgespräch vom 27. März 2018 bewusst sein, in welchem er unter Bezugnahme auf die Presseberichterstattung aufgefordert wurde, über seine Angehörigkeit zur HDJ aus seiner Sicht zu berichten.
Entgegen der dienstlichen Aufforderung hat der Kläger über seine Verbindungen zur HDJ bewusst unvollständige Angaben gemacht, um beim Beklagten den Irrtum zu erzeugen, er habe zur HDJ keinerlei Verbindungen gehabt. Dies steht zur Überzeugung der Kammer (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) fest aufgrund einer Gesamtschau der Einlassungen des Klägers in der dienstlichen Stellungnahme vom 8. Mai 2018, im gerichtlichen Verfahren sowie unter Berücksichtigung seiner Angaben in der eidesstattlichen Versicherung vom 23. März 2018, welche er in dem Verfahren vor dem Landgericht Düsseldorf zum Az. 12 O 146/18 eingereicht hat.
In seiner Stellungahme vom 8. Mai 2018 gab der Kläger an, er sei der HDJ nicht beigetreten und habe den Verein auch nicht als Funktionsträger vertreten. Weitere Angaben über Verbindungen zur HDJ machte er nicht. Aus diesen Einlassungen kann ein objektiver, mit dem Sachverhalt vertrauter Dritter unter Berücksichtigung des oben dargelegten Verständnisses der Zielrichtung der Aufforderung zur Stellungnahme vom 22. März 2018 nur die Schlussfolgerung ziehen, der Kläger erkläre, relevante Verbindung zur HDJ nicht unterhalten zu haben. Dieser Sachverhalt trifft indes nicht zu. So teilte der Kläger im hiesigen Verfahren selbst mit, er habe die HDJ noch als Schüler auf eigene Initiative verlassen. Das kann er aber nur getan haben, wenn Verbindungen zum Verein tatsächlich bestanden. Auch im Verfahren vor dem Landgericht Düsseldorf zum Az. 12 O 89/18 erklärte der Kläger in der eidesstattlichen Versicherung vom 28. März 2018, er sei im Jahr 1999 als damals 14-jähriger „zur HDJ gestoßen“ und habe den Verein im Jahr 2004 auf eigene Initiative verlassen.
Die Kammer ist auch davon überzeugt, dass der Kläger die beim Beklagten entstandene Fehlvorstellung über seine Verbindung zur HDJ bewusst hervorrufen wollte. Denn nach dem Protokoll des Personalgesprächs vom 27. März 2018 erklärte er gegenüber dem Präsidenten sowie der Fachbereichsleiterin 1 des Beklagten, dass er nur schriftlich antworte, da es in diesem Fall auf jedes Komma ankomme. Zudem erklärte der Kläger in der beim Landgericht Düsseldorf zum Az. 12 O 89/18 vorgelegten eidesstattlichen Versicherung vom 28. März 2018, er bewerte seine damalige Verbindung zur HDJ rückblickend als Jugendsünde und habe sie niemals in der Öffentlichkeit thematisiert oder sich zu dieser öffentlich bekannt. Durch die eidesstattlich versicherte fehlende öffentliche Bekennung seiner Verbindung zur HDJ wird deutlich, dass der Kläger bewusst versucht hat, dem Beklagten dahingehende Informationen trotz der Aufforderung zur dienstlichen Stellungnahme vorzuenthalten um hierdurch beim Beklagten eine Fehlvorstellung über die eigenen Verbindungen zur HDJ hervorzurufen. Ein Beamter ist nach den obigen Grundsätzen aber nicht gehalten, gegenüber seinem Dienstherrn durch spitzfindige Formulierungen dienstrechtlich relevante Sachverhalte zu verschleiern, sondern durch Wahrheit und Offenheit im dienstlichen Verhältnis Vertrauen zu schaffen. Das hat der Kläger nicht getan. Dass der Kläger nunmehr im gerichtlichen Verfahren jedenfalls eine Verbindung zur HDJ zugesteht, ändert nichts daran, dass er gegenüber seinem Dienstherrn mit Schreiben vom 8. Mai 2018 bewusst unvollständige Angaben gemacht hat.
Die Kammer hat weiterhin keinen Zweifel daran, dass der Kläger innerhalb der HDJ die Abteilung HALT führen sollte und damit „Funktionsträger“ im Sinne der Fragestellung vom 22. März 2018 war. Damit hat der Kläger auch insoweit unwahre Angaben gegenüber dem Beklagten gemacht hat. Die Überzeugung der Kammer vom festgestellten Sachverhalt beruht auf dem im Verfahren vor dem OLG Düsseldorf durch die dortige Beklagte vorgelegten HDJ-internen Bericht vom 1. April 2003. Der Kläger nimmt hierzu im gerichtlichen Verfahren keine Stellung und erklärt lediglich, der Bericht sei ihm nicht bekannt und die Quelle dieses Berichts sei nicht offengelegt worden. Dass der Bericht dem Kläger nicht bekannt sei, trifft schon nicht zu, da dieser seinem Prozessbevollmächtigten im Verfahren vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf übersandt wurde. Jedenfalls müsste sich der Kläger dessen Kenntnis zurechnen lassen. Anhaltspunkte dafür, dass diese interne Mitteilung mangels Quellenangabe nicht belastbar, ggf. sogar gefälscht, wäre, liefert der Kläger ebenfalls nicht. Hiervon ist aufgrund der Strafbewährtheit der Herstellung und des Gebrauchs unechter Urkunden zur Täuschung im Rechtsverkehr (§ 267 Abs. 1 StGB) auch nicht ohne weiteres auszugehen.
Anders als der Kläger meint, kann sich der Beklagte bei der Würdigung des Aussageverhaltens des Klägers auf die vorstehenden Sachverhalte berufen.
Dem steht – anders als der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 7. März 2022 angedeutet hat – nicht entgegen, dass der Beklagte die Fragen vom 22. März 2018 gar nicht an ihn hätte richten dürfen. Einerseits war der Beklagte im Rahmen disziplinarer Vorermittlungen befugt, den Kläger zu Sachverhalten zu befragen, aus denen sich Dienstpflichtverletzungen ergeben können. Andererseits durfte der Beklagte auch aus dem Dienst- und Treueverhältnis (§ 3 Abs. 1 BeamtStG) heraus Sachverhaltsermittlungen zu Umständen anstellen, die geeignet sind, Zweifel daran zu begründen, ob der Kläger die Gewähr dafür bietet, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzutreten (vgl. § 7 Abs. 1 Nr. 2 BeamtStG). Insoweit waren die Fragen etwa geeignet, eine Prüfung der Entlassungsvoraussetzungen des § 23 Abs. 4 BeamtStG vorzunehmen. Der Beklagte stellte die Fragen auch nicht aufs Geratewohl. Vielmehr durfte der Beklagte davon ausgehen, dass bei einer dem Kläger durch die Presseberichterstattung vorgeworfenen Mitglied- oder Funktionsträgerschaft in der HDJ Zweifel an der (aktuellen) charakterlichen Eignung jedenfalls nicht von vornherein auszuschließen waren.
Auch das Urteil des OLG Düsseldorf vom 7. November 2019 durfte der Beklagte in den Blick nehmen. Zwar trifft der Einwand des Klägers zu, dass Urteile nur zwischen den Beteiligten wirken. Vorliegend geht es aber nicht um die Frage einer etwaigen Rechtskrafterstreckung. Gesetzliche Normen, die es dem Beklagten oder dem Gericht verwehrten, im Rahmen der ihnen obliegenden Amtsermittlung (vgl. § 24 Abs. 1 Satz 1 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 VwVfG LSA bzw. § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO) Kenntnis von Entscheidungen oder den Kläger betreffenden Verfahrensakten zu nehmen und hieraus ohne Rechtsbindung eigene Schlussfolgerungen zu ziehen, sind nicht erkennbar.
Einer Verwertung der Sachverhalte steht – anders als der Kläger meint – auch nicht entgegen, dass das mit Schreiben vom 22. März 2018 eingeleitete Verwaltungsverfahren am 30. August 2018 mit dem Ergebnis eingestellt wurde, dass ein dienstliches Fehlverhalten nicht vorliege. Denn dieser Feststellung kommt keine bindende Wirkung zu. Vielmehr handelt es sich um eine nur informatorische Mitteilung zum Ergebnis der Vorermittlungen. Ein förmliches Disziplinarverfahren war noch gar nicht eingeleitet. Ein allgemeines gesetzliches Verwertungs- oder Neubewertungsverbot existiert insoweit nicht. Selbst wenn man auf den Sachverhalt die Regelung der §§ 32 Abs. 1, 35 DG LSA entsprechend anwenden und nicht nur disziplinarrechtliche, sondern auch beamtenrechtliche Folgen in den Regelungsbereich einbeziehen wollte – was die Kammer nicht tut -, könnte nach § 35 Abs. 2 DG LSA ungeachtet einer Einstellungsverfügung nach § 32 Abs. 1 DG LSA wegen desselben Sachverhalts eine Disziplinarverfügung erlassen oder Disziplinarklage erhoben werden, wenn wegen desselben Sachverhalts ein rechtskräftiges Urteil aufgrund von tatsächlichen Feststellungen ergeht, die von denjenigen tatsächlichen Feststellungen, auf denen die bisherige Entscheidung beruht, abweichen. Diese Voraussetzungen sind mit Blick auf das rechtskräftige Urteil des OLG Düsseldorf vom 7. November 2019 erfüllt. Denn dort wurde sowohl die Mitgliedschaft des Klägers in der HDJ als auch seine Funktionsträgerschaft in Abweichung von der Annahme des Beklagten im Schreiben vom 30. August 2018 festgestellt.
Doch selbst wenn man mit dem Kläger davon ausgehen wollte, dass der Beklagte nicht befugt gewesen sei, die Frage an den Kläger zu richten, so hätte es dem Kläger als Beamten oblegen, seinen Dienstherrn auf diesen Umstand hinzuweisen. Das hat der Kläger indes nicht getan. Vielmehr hat er unter Verstoß gegen die Wahrheitspflicht den Eindruck erweckt und erwecken wollen, er habe keine Verbindung zum HDJ unterhalten.
Auch im Übrigen sind Fehler des Beklagten bei der Würdigung des festgestellten Sachverhaltes mit Blick auf die charakterliche Eignung des Klägers nicht erkennbar.
Soweit der Kläger sich darauf beruft, aus der Stellungnahme der Verfassungsschutzbehörde vom 23. März 2018 ergebe sich, dass er niemals Mitglied einer unanfechtbar verbotenen Organisation gewesen sei, kann dem nicht gefolgt werden. Denn der Bericht bezieht sich ausweislich der dortigen Angaben und in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Regelungen nur auf einen Zeitraum von 10 bzw. 5 Jahren. Der Kläger hatte die HDJ nach eigenen Angaben aber bereits im Jahr 2004 verlassen, so dass ein Hinweis zu seiner HDJ-Mitgliedschaft in der Stellungnahme vom 23. März 2018 keine Aussage zu Sachverhalten vor dem Jahr 2008 trifft.
Der Kläger kann auch nicht mit der Argumentation durchdringen, selbst bei einer Falschbeantwortung der an ihn mit Schreiben vom 22. März 2018 gerichteten Fragen sei allenfalls dann von einer mangelnden persönlichen Eignung für den öffentlichen Dienst auszugehen, wenn eine erhebliche Verstrickung zur HDJ festgestellt werde. Denn die Entscheidung über die mangelnde charakterliche Eignung knüpft – was der Kläger verkennt – nicht an seiner damaligen Verbindung zur HDJ an, sondern an seinen unwahren Angaben gegenüber dem Dienstherrn im Beamtenverhältnis auf Widerruf. Aus diesem Grund ist auch unerheblich, dass die Verbindungen des Klägers zur HDJ bereits mehr als 17 Jahre zurückliegen und der Kläger zum damaligen Zeitpunkt noch Heranwachsender war. Denn der die Zweifel an der charakterlichen Eignung begründende Pflichtenverstoß fand im Jahr 2018 statt.
Ebenfalls nicht entscheidungserheblich ist, ob er Beklagte – was der Kläger bestreitet – tatsächlich erst am 10. Januar 2020 vom Urteil des OLG Düsseldorf Kenntnis erlangt hat. Für die Bewertung des Verhaltens des Klägers ist dieser Umstand rechtlich irrelevant.
Letztlich unterliegt die Auswahlentscheidung auch keinen formellen Fehlern. Soweit – wie der Kläger meint – im Einstellungsverfahren überhaupt eine gesonderte Anhörungspflicht zur Frage der (fehlenden) charakterlichen Eignung analog § 28 VwVfG bestehen sollte, hat der Kläger auf seine Anhörung spätestens mit Klageerhebung vor Durchführung eines Widerspruchsverfahrens verzichtet.
b) Unabhängig von den vorangegangenen Ausführungen durfte der Beklagte den Kläger auch deshalb vom weiteren Auswahlverfahren ausschließen, weil der Kläger mangels einschlägigen Studienabschlusses das als konstitutiv aufgestellte Anforderungsprofil nicht erfüllt (aa) und der Beklagte dieses rechtmäßig verwendet hat (bb).
aa) Bei den im Anforderungsprofil geforderten Abschlüssen „Wirtschaftsingenieurwesen Maschinenbau“ und „Maschinenbau“ im Bereich der „Technischen Fachrichtungen“ handelt es sich – anders als der Kläger meint – um konstitutive Merkmale des Anforderungsprofils.
Inhalt und Bindungswirkung des in einer Stellenausschreibung enthaltenen Anforderungsprofils sind durch eine entsprechend § 133 BGB am objektiven Empfängerhorizont potentieller Bewerber orientierte Auslegung zu ermitteln (BVerwG, Beschluss vom 20. Juni 2013 – 2 VR 1/13 -, juris = BVerwGE 147, 20), wobei die Vorgaben eines Anforderungsprofils einer ausdehnenden Auslegung nicht zugänglich sind (BVerwG, Beschluss vom 8. Juli 2014 – 2 B 7/14 -, juris = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 61) und die Frage, wie ein konstitutives von einem nicht-konstitutiven Merkmal in einem Anforderungsprofil abzugrenzen ist, von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles abhängt (BVerwG, Beschluss vom 11. September 2008 – 2 B 69.07 -, juris).
Konstitutiv sind solche Merkmale, die zwingend vorgegeben und anhand objektiv überprüfbarer Kriterien, insbesondere ohne die ansonsten gebotene Rücksichtnahme auf Wertungsspielräume des Dienstherrn, eindeutig und unschwer festzustellen sind. Nicht-konstitutive Merkmale sind demgegenüber dadurch gekennzeichnet, dass sie entweder ausdrücklich als nicht zwingend vorliegen sollen, weil sie beispielsweise nur „erwünscht“ sind, oder die ihrer Art nach nicht allein anhand objektiv überprüfbarer Faktoren – bejahend oder verneinend – festgestellt werden können (OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 6. April 2017 – 1 M 38/17 –, juris Rn. 19 – 20; OVG Sachsen, Beschluss vom 2. September 2016 – 2 B 95/16 – und vom 27. März 2015 – 2 B 308/14 -, jeweils, juris; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 3. Januar 2017 – 5 ME 157/16 – und Beschluss vom 1. Dezember 2016 – 5 ME 153/16 -, jeweils juris [m. w. N.]; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14. März 2014 – 6 B 93/14 – und Beschluss vom 30. Oktober 2009 – 1 B 1347/09 -, jeweils, juris; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 7. Dezember 2010 – 4 S 2057/10 -, juris; OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 22. August 2014 – 2 MB 17/14 -, juris).
Hiernach ergibt sich bei Auslegung der Ausschreibung, dass nur solche Bewerber in das Auswahlverfahren einbezogen werden sollten, die über die genannten Studienabschlüsse verfügen.
In der Ausschreibung heißt ausdrücklich: „Ihre Zwingenden Voraussetzungen: […] Abschluss in einer der folgenden Studienrichtungen“. Ein Bewerber kann diese Formulierung nur dahingehende verstehen, dass ausschließlich die ausdrücklich aufgeführten Studienrichtungen für eine Einbeziehung in die eigentliche Auswahlentscheidung qualifizieren. Soweit der Kläger aus der nachfolgenden Formulierung in der Ausschreibung, in der es heißt „Technische Fachrichtungen mit Abschluss Master of Science, Master of Engineering oder Diplom (oder gleichwertige Abschlüsse):“, ableiten möchte, dass die anschließend benannten Studienabschlüsse nur eine beispielhafte Nennung darstellen, trifft dies nicht zu. Denn der Zusatz „oder gleichwertige Abschlüsse“ folgt unmittelbar auf die förmliche Bezeichnung des Abschlusses und nicht auf die nachfolgend benannte Studienrichtung. Diese Systematik der Ausschreibung kann bei objektiver Auslegung von einem Bewerber nur dahingehend verstanden werden, dass – wie auch der Beklagte in der Begründung des Profils anführt – eventuell gleichwertige aber anders benannte Abschlüsse, z.B. Staatsexamina oder Abschlüsse von ausländischen Hochschulen einbezogen werden können, solange die aufgeführten Studien- bzw. Fachrichtungen nachgewiesen sind. Andernfalls hätte sich der Zusatz „oder gleichwertige Abschlüsse“ jeweils hinter den Fachrichtungen finden müssen, was gerade nicht der Fall ist.
Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang in der mündlichen Verhandlung vom 7. März 2022 angedeutet hat, der Beklagte habe keine spezifischen Dienstposten in besonderen Bereichen ausgeschrieben, trifft dies materiell nicht zu. Denn bei einer Auslegung der Ausschreibung entsprechend § 133 BGB wird schon aus dem Anforderungsprofil deutlich, dass der Beklagte bestimmte Leitbranchen in den Blick genommen hat, die in seinem Zuständigkeitsgebiet zu betreuen sind. Dass eine Aufsichtstätigkeit „allgemein“ ohne Bezug zu den vom Beklagten genannten Leitbranchen ausgeführt wird, ist abwegig.
bb) Das aufgestellte konstitutive Anforderungsprofil verstößt auch nicht gegen Art. 33 Abs. 2 GG.
Gemäß Art. 33 Abs. 2 GG dürfen öffentliche Ämter nur nach Kriterien vergeben werden, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung betreffen. Die inhaltlichen Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 GG machen eine Bewerberauswahl erforderlich. Nach dem Laufbahnprinzip wird ein Beamter aufgrund seiner Befähigung für eine bestimmte Laufbahn regelmäßig als geeignet angesehen, jedenfalls diejenigen Dienstposten auszufüllen, die seinem Statusamt entsprechen oder dem nächsthöheren Statusamt zugeordnet worden sind. Es kann erwartet werden, dass der Beamte imstande ist, sich in die Aufgaben dieser Dienstposten einzuarbeiten. Der Grundsatz der auf das Statusamt bezogenen Bestenauswahl ist grundsätzlich auch bei der Festlegung eines Anforderungsprofils zu beachten, in dem der Dienstherr die besonderen Anforderungen des konkret zu besetzenden Dienstpostens festlegt. Eine Einengung des Bewerberfeldes aufgrund der besonderen Anforderungen eines konkreten Dienstpostens ist mit Art. 33 Abs. 2 GG grundsätzlich nicht zu vereinbaren. Ausnahmen hiervon sind nur zulässig, wenn die Wahrnehmung der Aufgaben eines Dienstpostens zwingend besondere Kenntnisse oder Fähigkeiten voraussetzt, die ein Laufbahnbewerber regelmäßig nicht mitbringt und sich in angemessener Zeit und ohne unzumutbare Beeinträchtigung der Aufgabenwahrnehmung auch nicht verschaffen kann (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 20. Juni 2013 – 2 VR 1/13 – BVerwGE 147, 20 Rn. 19 ff., 24 ff. und vom 19. Dezember 2014 – 2 VR 1/14 – Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 65 Rn. 20 ff., 24 ff.). Dienstpostenbezogene Anforderungen können sich insbesondere aus dem Erfordernis bestimmter Fachausbildungen ergeben. So leuchtet unmittelbar ein, dass der Dienstherr etwa bei einem festgestellten Bedarf von Lehrern in einer bestimmten Fremdsprache oder in bestimmten mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern das Anforderungsprofil auf solche Bewerber eingrenzt, die ein entsprechendes Hochschulstudium absolviert haben (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Februar 2010 – 2 C 22/09 – BVerwGE 136, 140 Rn. 17 m.w.N. ). Je stärker die fachliche Ausdifferenzierung der Organisationseinheiten der Verwaltung ist und je höher die Anforderungen an die Spezialisierung der dort eingesetzten Beamten sind, desto eher kann es erforderlich werden, im Interesse der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung besondere Qualifikationsanforderungen an den künftigen Stelleninhaber zu stellen. Bei Behörden mit technisch ausgerichteten Dienstposten etwa ist es denkbar, dass die Aufgabenwahrnehmung bestimmter Dienstposten spezielle fachspezifische Vorkenntnisse technischer Art erfordert (BVerwG, Beschluss vom 19. Dezember 2014 – 2 VR 1/14 – Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 65 Rn. 28).
Bei Anwendung dieser Grundsätze hat der Beklagte in der Ausschreibung rechtmäßig gefordert, dass ein Bewerber über einen Abschluss in einer „naturwissenschaftlichen Fachrichtung“ oder „technischen Fachrichtung“ verfügen muss (aaa). Gleiches gilt für die Untergliederung der technischen Fachrichtung im Bereich der „Fachrichtung Maschinenbau“ betreffend die ausschließlich für ausreichend erachteten Fachrichtungen „Wirtschaftsingenieurwesen Maschinenbau“ oder „Maschinenbau“ (bbb).
aaa) Zunächst bestehen für die Kammer keine Zweifel, dass ein Bewerber über besondere fachliche Kenntnisse verfügen muss, wenn er auf dem Dienstposten eines „Sachbearbeiter Technischer Aufsichtsdienst“ in der Arbeitsschutzaufsicht in einer der vom Kläger in der Begründung des Anforderungsprofils vom 4. November 2019 aufgeführten Leitbranchen „01 Chemie; 03 Bau, Stein, Erden; 05 Hochschulen, Gesundheitswesen; 12 Nahrungs- und Genussmittel (insbesondere Landwirtschaft); 22 Versorgung (hier: erneuerbare/nachhaltige/alternative Energien); 23 Feinmechanik; 24 Maschinenbau“ eingesetzt wird. Dass dem so ist, liegt angesichts der Bandbreite der vom Beklagten benannten Leitbranchen, die auch ohne weitere Darlegung aufgrund der unterschiedlichen zu bedienenden Fachlasten erkennbar unterschiedliche Anforderungen an die Aufsicht stellen, auf der Hand. Insbesondere ist es aus sich heraus verständlich, dass ein Bewerber mit einem Abschluss in einer technischen Fachrichtung nicht ohne weiteres die Aufsicht über Branchen führen kann, die naturwissenschaftlich ausgelegt sind. Gleiches gilt umgekehrt. Erst recht ist ohne weiteres erkennbar, dass ein Bewerber, der in keiner der Branchen über einen einschlägigen Hochschulabschluss verfügt, die dort anfallenden Aufgaben nicht wird bewältigen können.
bbb) Es ist auch nicht zu beanstanden, dass der Beklagte im streitgegenständlichen Anforderungsprofil lediglich die dort konkret bezeichneten Abschlüsse als solche definiert hat, bei denen die begründete Annahme besteht, dass Absolventen die auf dem ausgeschriebenen Dienstposten erforderlichen, in dem Anforderungsprofil mehrfach angeführten Fachkenntnisse in der Fachrichtung Maschinenbau verfügen.
Fordert der Dienstherr in einem Anforderungsprofil zum Nachweis der auf dem Dienstposten erforderlichen Kenntnisse den Abschluss eines Hochschulstudiums in näher bezeichneten Studienbereichen, so muss diese Eingrenzung des Bewerberfelds von der plausiblen Annahme getragen sein, dass nach der allgemeinen Verkehrsanschauung aufgrund der thematischen Bezeichnung dieser Studienbereiche erwartet werden kann, dass deren Absolventen die geforderten Fachkenntnisse vermittelt worden sind (BVerwG, Beschluss vom 23. März 2021 – 2 VR 5/20 –, Rn. 29, juris).
Das ist hier der Fall. Die Annahme des Beklagten, ein Abschluss in den Studiengängen „Wirtschaftsingenieurwesen Maschinenbau“ oder „Maschinenbau“ vermittelte dem Bewerber die notwendigen Kenntnisse zur Betreuung der Leitbranche „24 Maschinenbau“ ist nach allgemeiner Verkehrsanschauung nicht zu beanstanden. Denn diese Studienfächer lassen schon nach ihrer Bezeichnung erwarten, dass sie die erforderlichen Kenntnisse im Bereich Maschinenbau während des Studium lehren.
Anders als der Kläger meint, war die Beklagte auch nicht gehalten, den Studienabschluss des Klägers im Fach „Wirtschaftsingenieurwesen Logistik“ als ausreichend anzusehen, um die Aufsicht über die Leitbranche „24 Maschinenbau“ abzudecken. Der Ausschluss ist unter Berücksichtigung der nach der Verkehrsanschauung aufgrund der thematischen Bezeichnung dieser Studienbereiche zu erwartenden Kenntnisse gerechtfertigt. Denn Bereits die Bezeichnung des Studienganges lässt erwarten, dass der Schwerpunkt des Abschlusses des Klägers nicht auf der Vermittlung technischer, sondern wirtschaftswissenschaftlicher Kenntnisse liegt, da der Studiengang mit „Logistik“ bezeichnet ist und sich „Logistik“ nicht mit technischen Fragen, sondern mit Fragen der Planung, Steuerung, Optimierung und Durchführung von Güter-, Informations- und Personenströmen befasst. Diese Annahme wird gestützt durch einen Vergleich der Studienordnung der Otto-von-Guericke-Universität C-Stadt für den Studiengang „Wirtschaftsingenieurwesen Logistik“ vom 4. Juni 1997 in den Fassungen vom 15. Dezember 2004, 6. Dezember 2006 und 10. Oktober 2007 mit der Studienordnung der Otto-von-Guericke-Universität C-Stadt für den Studiengang „Maschinenbau“ vom 7. Mai 1997 in der Fassung vom 15. Dezember 2004 und 10. Oktober 2007. Denn in letztgenannten Studienordnungen, deren Studieninhalte die Anforderungen der Leitbranche „24 Maschinenbau“ unmittelbar betreffen, werden Fragen der Logistik nicht gesondert unterrichtet.
Das gefundene Ergebnis wird weiterhin gestützt durch die Fächersystematik des statistischen Bundesamtes (Bildung und Kultur, Studierende an Hochschulen, Fächersystematik, Stand Wintersemester 2020/2021). Denn auch dort werden allein die vom Beklagten zugelassenen Studiengänge „Maschinenbau“ und „Wirtschaftsingenieurwesen mit ingenieurwissenschaftlichem Schwerpunkt“ der Obergruppe „08 Ingenieurwissenschaften“ zugeordnet, während Abschlüsse im Studiengang „Wirtschaftsingenieurwesen mit wirtschaftswissenschaftlichem Schwerpunkt“ der Obergruppe „03 Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften“ zugeordnet ist.
Es ist – anders als der Kläger meint – bei der Aufstellung des Anforderungsprofils oder der Auswahlentscheidung auch nicht vom Beklagten zu verlangen, dass dieser sich mit den einzelnen Studienordnungen auseinandersetzt und einen Vergleich der Studieninhalte vornimmt. Ein solches Auswahlverfahren wäre weder praktikabel noch – mangels allgemein gültiger Maßstäbe – rechtssicher durchführbar, wenn es damit belastet würde, etwa den konkreten Inhalt des Studiengangs eines jeden Bewerbers zu ermitteln oder von dem Bewerber vorgelegte Bescheinigungen über einzelne, von diesem konkret erbrachte Studienleistungen zu überprüfen (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 23. März 2021 – 2 VR 5/20 –, Rn. 36, juris). Vielmehr recht die – oben bereits gejahte – allgemeine Annahme, dass sachliche Gründe für die Annahme sprechen, bestimmte Abschlüsse vermittelten bestimmte Kenntnisse, während dies bei weiteren Abschlüssen nicht der Fall ist.
Unabhängig hiervon weist der Abschluss des Klägers nach den Studienordnungen in ihrer zuletzt geltenden Fassung aber auch nicht einen mit Blick auf die Leitbranche „24 Maschinenbau“ zu verlangenden Studieninhalt auf. Im Unterschied zur den Studiengängen „Maschinenbau“ und „Wirtschaftsingenieurwesen Maschinenbau“ fehlt es im Studiengang „Wirtschaftsingenieurwesen Logistik“ im Grundstudium an der Unterrichtung der Fächer „Physik“, „Technische Thermodynamik“, „Werkstofftechnik“, „Fertigungslehre“ und im Hauptstudium (Pflichtbereich) an der Unterrichtung der Fächer „Mess- und Regelungstechnik“, „Konstruktionstechnik“ und „Maschinendynamik“. Damit fehlen einem Bewerber mit dem Abschluss „Wirtschaftsingenieurwesen Logistik“ im Vergleich zu den zugelassenen Studiengängen Kenntnisse in 7 Fachbereichen.
Vergleicht man weiterhin die Studieninhalte des Studiengangs „Maschinenbau“, welcher der Leitbranche „24 Maschinenbau“ am nächsten steht, mit den Studiengängen „Wirtschaftsingenieurwesen Maschinenbau“ und „Wirtschaftsingenieurwesen Logistik“ ist festzustellen, dass der Studiengang „Wirtschaftsingenieurwesen Maschinenbau“ im Grundstudium und dem Pflichtbereich des Hauptstudiums in 15 Fächern mit den Studieninhalten des (im Grundstudium und Pflichtbereich des Hauptstudiums insgesamt 25 Fächer umfassenden) Studiengangs „Maschinenbau“ übereinstimmt (60%). Der Studiengang „Wirtschaftsingenieurwesen Logistik“ stimmt nur in 8 Fächern überein (32%).
Damit bleiben die einem „Wirtschaftsingenieur Logistik“ im Studium vermittelten Kenntnisse ganz erheblich hinter denen der zugelassenen Studiengänge zurück. Dass der Kläger in einer Selbsteinschätzung davon ausgeht, über hinreichende Kenntnisse zu verfügen, um die Leitbranche „24 Maschinenbau“ zu betreuen, ist nicht entscheidend. Vielmehr bestehen in einer Gesamtbetrachtung sachlich nachvollziehbare Gründe, um die Studiengänge „Maschinenbau“ und „Wirtschaftsingenieurwesen Maschinenbau“ als ausreichend zur Vermittlung der auf dem Dienstposten von Anfang an erforderlichen Kenntnisse zu erachten, den Studiengang „Wirtschaftsingenieurwesen Logistik“ aber nicht mehr.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. § 709 Sätze 1 und 2 ZPO.
Beschluss
Das Verwaltungsgericht Magdeburg – 5. Kammer – hat am 7. März 2022 beschlossen:
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 50.269,68 Euro festgesetzt.
Gründe:
Der Kläger hat ursprünglich sowohl einen Anspruch auf Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe als auch einen Anspruch auf Schadensersatz wegen verspäteter Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Probe geltend gemacht. Nach diesen Anträgen richtet sich auch die Streitwertfestsetzung, obgleich der Kläger seine Klage mit Blick auf Teile des Streitgegenstandes zurückgenommen hat. Dabei war die Festsetzung eines gestaffelten Streitwerts nicht erforderlich (gegen einen gestaffelten Streitwert im Allgemeinen OLG Nürnberg, Beschluss vom 12. Januar 2022 – 2 W 4619/21 –, Rn. 11, juris m.w.N.), da die teilweise Klagerücknahme erst in der mündlichen Verhandlung erklärt wurde und damit alle Kosten bereits nach dem für die ursprünglichen Streitgegenstände zu bestimmenden Streitwert angefallen waren.
Für den Anspruch auf Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe beläuft sich der Teilstreitwert gemäß § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2, Sätze 2 und 3 GKG auf die Hälfte der Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, vorliegend mit Blick auf das angestrebte Amt der Besoldungsgruppe A 13 LBesO LSA (Erfahrungsstufe 1) auf 6 x 4.189,14 Euro (= 25.134,84 Euro).
Für den Schadenersatzanspruch ist in Anlehnung an Ziffer 10.2. des Streitwertkatalogs 2013 in entsprechender Anwendung des § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2, Sätze 2 und 3 GKG ebenfalls der (kleine) Gesamtstatus anzusetzen. Zwar bezieht sich Ziffer 10.2. des Streitwertkatalogs 2013 lediglich auf Schadensersatzklagen wegen verspäteter Beförderung. Der hier geltend gemachte Schadensersatz wegen „verspäteter Ernennung“ findet seinen Grund indes in einem vergleichbaren Vorwurf, so dass eine Orientierung an den Empfehlungen des Streitwertkatalogs sachgerecht erscheint.


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