Verwaltungsrecht

Anspruch auf Neubeurteilung im Polizeidienst

Aktenzeichen  B 5 K 18.12

Datum:
13.11.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 47456
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 19 Abs. 4, Art. 33 Abs. 2
BBG § 21
BLV § 48, § 49 Abs. 3 S. 1

 

Leitsatz

1 Da der Dienstherr das Beurteilungssystem grundsätzlich nach seinen Vorstellungen und den Erfordernissen seines Geschäftsbereichs gestalten kann, ist er ua auch befugt, eine Notenskala aufzustellen und festzulegen, welcher Begriffsinhalt den einzelnen Notenbezeichnungen zukommen soll. Das Gesamturteil, mit dem die dienstliche Beurteilung gem. § 49 Abs. 3 S. 1 BLV schließt, ist nach einem einheitlichen Beurteilungsmaßstab unter Berücksichtigung der Anforderungen des Amtes zu bilden und muss sich nachvollziehbar und plausibel aus den einzelnen Gesichtspunkten der Bestenauswahl herleiten lassen. (Rn. 22) (red. LS Alexander Tauchert)
2 Entscheidet sich der Dienstherr für ein Ankreuzverfahren, so müssen die Bewertungsmerkmale hinreichend differenziert und die Notenstufen textlich definiert sein, wobei die insoweit getroffenen allgemeinen und pauschalen Werturteile auf entsprechende Nachfrage hin zu erläutern, zu konkretisieren und dadurch plausibel zu machen sind. Dies kann der Dienstherr durch Anführung von tatsächlichen Vorgängen, aber auch von weiteren konkretisierenden (Teil-)Werturteilen tun. (Rn. 22) (red. LS Alexander Tauchert)
3 Das Gesamturteil ist als die erforderliche zusammenfassende Bewertung durch eine Würdigung, Gewichtung und Abwägung der (ggf.) unterschiedlich bedeutsamen Einzelbewertungen zu bilden, wobei es im Rahmen des dem Dienstherrn zustehenden Ermessens dessen Sache ist, festzulegen, welches Gewicht er dem jeweiligen einzelnen Merkmal im Verhältnis zu anderen Einzelmerkmalen einheitlich zumessen will. (Rn. 22) (red. LS Alexander Tauchert)
4 Die – richtige – Begründung des Gesamturteils hat in der dienstlichen Beurteilung selbst zu erfolgen. Anders als etwa bei nachträglich erhobenen Einwänden gegen Einzelbewertungen in der dienstlichen Beurteilung genügt es nicht, das Gesamturteil nachträglich zu plausibilisieren. Zulässig ist allenfalls eine Intensivierung (im Sinne einer ergänzenden Anreicherung) einer schon in der dienstlichen Beurteilung enthaltenen Begründung. (Rn. 23) (red. LS Alexander Tauchert)
5 Denn es ist grundsätzlich dem Beurteiler überlassen, in welcher Weise er sich die erforderlichen Kenntnisse über die Eignung, Befähigung und fachliche Leistung des zu beurteilenden Beamten verschafft. Gemäß Ziffer 3.2 BeurtRL BPOL ist eine eigene unmittelbare Erkenntnisquelle nicht zwingend nötig. (Rn. 26) (red. LS Alexander Tauchert)

Tenor

1. Die Beklagte wird unter Aufhebung der Regelbeurteilung zum Stichtag 1. Oktober 2016 und des Widerspruchbescheides der Direktion Bundesbereitschaftspolizei vom 11. Dezember 2017 verpflichtet, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu beurteilen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
3. Die Hinzuziehung der Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
4. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1. Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg. Die periodische dienstliche Beurteilung des Klägers vom 15. Mai 2017 für den Beurteilungszeitraum vom 1. Oktober 2014 bis 30. September 2016 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 11. Dezember 2017 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat einen Anspruch auf Aufhebung der Beurteilung und erneute Beurteilung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts, § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO.
Dienstliche Beurteilungen sind – ihrem Wesen als persönlichkeitsbedingte Werturteile entsprechend – von den Verwaltungsgerichten nur eingeschränkt überprüfbar. Allein der Dienstherr bzw. der für ihn handelnde Vorgesetzte soll nach dem erkennbaren Sinn der Regelungen über die dienstliche Beurteilung (§ 21 des Bundesbeamtengesetzes – BBG, §§ 48 ff. der Verordnung über die Laufbahnen der Bundesbeamtinnen und Bundesbeamten – Bundeslaufbahnverordnung – BLV) ein persönliches Werturteil darüber abgeben, ob und inwieweit der Beamte den ebenfalls grundsätzlich vom Dienstherrn zu bestimmenden fachlichen und persönlichen Anforderungen seines Amtes und seiner Laufbahn entspricht. Die verwaltungsgerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle hat sich gegenüber dieser der gesetzlichen Regelung immanenten Beurteilungsermächtigung darauf zu beschränken, ob der Dienstherr den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt hat, ob er von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat. Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle kann dagegen nicht dazu führen, dass das Gericht die fachliche oder persönliche Beurteilung des Beamten durch den Dienstherrn in vollem Umfange nachvollzieht oder diese gar durch eine eigene Beurteilung ersetzt (vgl. BVerwG, U.v. 26.6.1980 – 2 C 8/78 – BVerwGE 60, 245/246; BayVGH, B.v. 29.1.1997 – 3 B 95.1662; U.v. 22.5.1985 – 3 B 94 A.1993). Soweit der Dienstherr Richtlinien für die Abfassung der dienstlichen Beurteilung erlassen hat, ist vom Gericht zudem zu prüfen, ob die Richtlinien mit den normativen Regelungen über die dienstliche Beurteilung im Einklang stehen und ob diese Richtlinien eingehalten sind (BVerwG, U.v. 21.3.2007 – 2 C 2.06 – juris Rn. 7). Innerhalb des durch die gesetzlichen Vorschriften gezogenen Rahmens steht es grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn, wie er verwertbare Aussagen zu den einzelnen Beurteilungsmerkmalen gestalten und begründen und worauf er im Einzelnen sein Gesamturteil stützen will (BVerwG, U.v. 17.12.1981 – 2 C 69.81 – BayVBl 1982, 348). Der Dienstherr kann einerseits einzelne Tatsachen oder Vorkommnisse im Beurteilungszeitraum aufgreifen und aus ihnen wertende Schlussfolgerungen ziehen, wenn er sie etwa zur Charakterisierung des Beamten für besonders typisch hält oder für eine überzeugende Aussage zu einzelnen Beurteilungsmerkmalen für wesentlich erachtet. Er kann sich andererseits aber auch auf die Angabe zusammenfassender Werturteile aufgrund einer unbestimmten Vielzahl nicht benannter Einzeleindrücke beschränken (BVerwG, U.v. 26.6.1980 – 2 C 8.78 – BVerwGE 60, 245/247).
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der das Gericht folgt, sind dienstliche Beurteilungen zu begründen. Das ergibt sich aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG), aus dem Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) und aus der Funktion der dienstlichen Beurteilung, eine tragfähige Grundlage für eine an den Kriterien des Art. 33 Abs. 2 GG orientierte Auswahlentscheidung zu vermitteln. Im Einzelnen gilt insoweit Folgendes: Da der Dienstherr das Beurteilungssystem grundsätzlich nach seinen Vorstellungen und den Erfordernissen seines Geschäftsbereichs gestalten kann, ist er u.a. auch befugt, eine Notenskala aufzustellen und festzulegen, welcher Begriffsinhalt den einzelnen Notenbezeichnungen zukommen soll. Das Gesamturteil, mit dem die dienstliche Beurteilung gemäß § 49 Abs. 3 Satz 1 BLV schließt, ist nach einem einheitlichen Beurteilungsmaßstab unter Berücksichtigung der Anforderungen des Amtes zu bilden und muss sich nachvollziehbar und plausibel aus den einzelnen Gesichtspunkten der Bestenauswahl herleiten lassen. Der Dienstherr ist grundsätzlich frei in seiner Entscheidung, ob er solche dienstlichen Beurteilungen vorsieht, die sich in einem individuell erstellten Text (Fließtext) zu Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung des zu Beurteilenden verhalten, oder ob er mit seinen Beurteilungsrichtlinien für die Einzelbewertungen ein Ankreuzverfahren ohne zusätzliche textliche Begründungen etabliert. Im zuerst genannten Fall muss sich schon aus dem Fließtext ergeben, welches Gewicht den jeweiligen Einzelaussagen beigemessen wird und wie das Gesamturteil aus ihnen hergeleitet wurde. Entscheidet sich der Dienstherr hingegen für ein Ankreuzverfahren, so müssen die Bewertungsmerkmale hinreichend differenziert und die Notenstufen textlich definiert sein, wobei die insoweit getroffenen allgemeinen und pauschalen Werturteile auf entsprechende Nachfrage hin zu erläutern, zu konkretisieren und dadurch plausibel zu machen sind. Dies kann der Dienstherr durch Anführung von tatsächlichen Vorgängen, aber auch von weiteren konkretisierenden (Teil-)Werturteilen tun. Entscheidend ist, dass das Werturteil keine formelhafte Behauptung bleibt, sondern dass es für den Beamten einsichtig und für außenstehende Dritte nachvollziehbar wird, dass der Beamte die tragenden Gründe und Argumente des Dienstherrn erfährt und für ihn der Weg, der zu dem Werturteil geführt hat, in einer Weise sichtbar wird, die ihm die Prüfung der Erfolgsaussichten eines gerichtlichen Verfahrens und dem Gericht eine entsprechende Überprüfung nach den insoweit geltenden Maßstäben ermöglicht. Das Gesamturteil ist als die erforderliche zusammenfassende Bewertung durch eine Würdigung, Gewichtung und Abwägung der (ggf.) unterschiedlich bedeutsamen Einzelbewertungen zu bilden, wobei es im Rahmen des dem Dienstherrn zustehenden Ermessens dessen Sache ist, festzulegen, welches Gewicht er dem jeweiligen einzelnen Merkmal im Verhältnis zu anderen Einzelmerkmalen einheitlich zumessen will. Mit dem Begriff „einheitlich“ ist ausgesprochen, dass die erforderliche Gewichtung der Einzelmerkmale weder mit Bezug auf den konkret durch den Beamten innegehabten Dienstposten noch durch verschiedene Beurteiler unterschiedlich erfolgen darf. Das Gesamturteil darf sich als zusammenfassende Bewertung im vorgenannten Sinne nicht auf die Bildung des arithmetischen Mittels aus den Einzelbewertungen beschränken. Die angesprochene Gewichtung bedarf schon deshalb einer Begründung, weil nur so die Einhaltung gleicher Maßstäbe gewährleistet, das Gesamturteil nachvollzogen und einer gerichtlichen Überprüfung zugeführt werden kann. Erst durch die Ausführungen einer textlichen Begründung des Gesamturteils wird erkennbar, wie dieses aus den Einzelbewertungen hergeleitet und welches Gewicht den einzelnen Gesichtspunkten der Bestenauswahl gegeben worden ist. Eine solche nähere Begründung ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch dann erforderlich, wenn die Beurteilungsrichtlinien für die Einzelbewertungen einerseits und für das Gesamturteil andererseits unterschiedliche Bewertungsskalen vorsehen. Denn hier muss erläutert werden, wie sich die unterschiedlichen Bewertungsskalen zueinander verhalten und wie das Gesamturteil aus den Einzelbewertungen gebildet wurde. Im Übrigen sind die Anforderungen an die Begründung des Gesamturteils dabei (ohne Hinzutreten sonstiger, Abweichendes gebietender Umstände) umso geringer, je einheitlicher das Leistungsbild bei den Einzelbewertungen ist. Gänzlich entbehrlich ist eine Begründung des Gesamturteils jedoch nur dann, wenn im konkreten Fall eine andere als die vergebene Note nicht in Betracht kommt, weil sie sich – vergleichbar einer Ermessensreduzierung auf Null – geradezu aufdrängt (vgl. BVerwG, U.v. 17.9.2015 – 2 C 27.14 – juris Rn. 12 ff., 37; U.v. 28.1.2016 – 2 A 1.14 – juris Rn. 30 ff. m. w. N.; U.v. 2.3.2017 – 2 C 21.16 – juris Rn. 59 ff.; U.v. 1.3.2018 – 2 A 10.17 – juris Rn. 32 ff.).
Die – richtige – Begründung des Gesamturteils hat in der dienstlichen Beurteilung selbst zu erfolgen. Anders als etwa bei nachträglich erhobenen Einwänden gegen Einzelbewertungen in der dienstlichen Beurteilung genügt es nicht, das Gesamturteil nachträglich zu plausibilisieren. Zulässig ist allenfalls eine Intensivierung (im Sinne einer ergänzenden Anreicherung) einer schon in der dienstlichen Beurteilung enthaltenen Begründung. Ausgeschlossen ist deshalb die Möglichkeit, die Begründung auszutauschen oder ihr einen weiteren, eigenständigen Argumentationsstrang hinzuzufügen. Die Pflicht, das Gesamturteil der dienstlichen Beurteilung bei uneinheitlichem Leistungsbild zu begründen, zielt auf die Herstellung einer materiell richtigen Entscheidung und nicht auf ihre Darstellung; ersteres kann durch eine nachträgliche, nicht nur anreichernde Begründung nicht erreicht werden. Auch die erforderliche Einheitlichkeit und gleiche Anwendung der den dienstlichen Beurteilungen zugrunde liegenden Maßstäbe kann nur dann hinreichend gewährleistet und ggf. gerichtlich überprüft werden, wenn diese in der dienstlichen Beurteilung offen- und niedergelegt sind. Andernfalls besteht das naheliegende Risiko, dass jeweils nachträglich ein „passendes“ Kriterium für denjenigen Beamten nachgeschoben wird, der ein Rechtsmittel eingelegt hat (BVerwG, U.v. 1.3.2018 – 2 A 10.17 – juris Rn. 48; BVerwG, B.v. 21.12.2016 – 2 VR 1.16 – BVerwGE 157, 168 Rn. 41; BVerwG, U.v. 2.3.2017 – 2 C 21.16 – BVerwGE 157, 366 Rn. 75 ff.).
Rechtsgrundlage für die dienstliche Beurteilung des Klägers sind die im Jahr 2015 erlassenen, zum Zeitpunkt der Erstellung der Beurteilung gültigen Richtlinien für die Beurteilung der Beamtinnen und Beamten der Bundespolizei in Form des Erlasses des Bundesministeriums des Innern vom 10. Dezember 2015 (BeurtRL BPOL) sowie die allgemein für die dienstliche Beurteilung der Polizeivollzugsbeamten in der Bundespolizei geltenden Bestimmungen des § 21 BBG und der §§ 48 ff. BLV.
An diesen Grundlagen sowie an den oben dargelegten Grundsätzen für die gerichtliche Überprüfbarkeit dienstlicher Beurteilungen gemessen erweist sich die angefochtene periodische Beurteilung des Klägers als rechtswidrig.
Zwar beruht entgegen der Ansicht des Klägers die dienstliche Beurteilung nicht auf einer unzureichenden Erkenntnisgrundlage. Denn es ist grundsätzlich dem Beurteiler überlassen, in welcher Weise er sich die erforderlichen Kenntnisse über die Eignung, Befähigung und fachliche Leistung des zu beurteilenden Beamten verschafft. Gemäß Ziffer 3.2 BeurtRL BPOL ist eine eigene unmittelbare Erkenntnisquelle nicht zwingend nötig. So begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, dass trotz der unüblich langen Abordnung des Klägers zum Bundesamt für Verfassungsschutz, die Beurteiler – wie in der mündlichen Verhandlung dargestellt – ihre Erkenntnisse aus eigener (wenn auch zeitlich kurzer) Erfahrung, vor allem aber aus den Beurteilungsbeiträgen des Bundesamtes für Verfassungsschutz, als auch aus Gesprächen mit den Truppführern und Kollegen hatten.
Die Beurteilung erweist sich aber jedenfalls deshalb als rechtswidrig, weil die Begründung des Gesamturteils defizitär ist, da sie nicht erkennen lässt, wie sich das alte Beurteilungssystem zu dem neuen Beurteilungssystem verhält, wie die nach dem alten Beurteilungssystem erstellten Beurteilungsbeiträge im Rahmen des neuen Beurteilungssystem zu berücksichtigen waren bzw. ob und inwiefern alle drei Beurteilungsbeiträge des Bundesamtes für Verfassungsschutz Berücksichtigung fanden.
Beruht eine dienstliche Beurteilung vollständig oder – wie hier – teilweise auf Beurteilungsbeiträgen Dritter, umfasst die Pflicht zur Plausibilisierung der Beurteilung auch eine Erläuterung, wie aus diesen Beiträgen die in der dienstlichen Beurteilung enthaltenen Werturteile entwickelt wurden. Abweichungen von den in den Beurteilungsbeiträgen enthaltenen Tatsachen oder Wertungen sind zu erläutern. Nach Maßgabe dieser Grundsätze bedarf es hier einer Begründung, wie die in den Beurteilungsbeiträgen des Bundesamtes für Verfassungsschutz ausgeworfenen Einzelbewertungen gerade in die Einzelbewertungen der Beurteilung „übersetzt“ worden sind. Dies gilt gerade auch vor dem Hintergrund, dass die Beurteilungsbeiträge den ganz überwiegenden Beurteilungszeitraum abdecken.
Eine grundsätzlich zulässige schlichte Übernahme der Einzelbewertungen aus dem Beurteilungsbeitrag kann hier nicht erfolgen und ist nicht erfolgt, weil das Notensystem zwischenzeitlich geändert worden ist: Während die einzelnen Leistungsmerkmale früher aufsteigend mit eins bis neun Punkten zu bewerten waren, umfasst die neue mit den aktuellen Beurteilungsrichtlinien vom 10. Dezember 2015 eingeführte Bewertung nur noch sechs Stufen anhand von Buchstaben – teilweise in Verbindung mit einer Zahlenkombination (aufsteigend: „C“, „B3“, „B2“, „B1“, „A2“, „A1“). Nach den neuen Beurteilungsrichtlinien stehen nunmehr den früheren neun Bewertungsstufen jetzt sechs Stufen gegenüber. Vor diesem Hintergrund bedarf es nachvollziehbarer Erläuterungen dazu, aus welchen Gründen der Beurteiler bei der gebotenen maßgeblichen Berücksichtigung der Beurteilungsbeiträge die darin vergebenen Einzelnoten (sowohl Beurteilungsbeitrag vom 1. Oktober 2015 bis 1. Mai 2016 als auch Beurteilungsbeitrag vom 2. Mai 2016 bis 14. August 2016: siebenmal die Spitzennote neun, fünfmal die zweitbeste Note acht; der weitere Beurteilungsbeitrag des Bundesamtes für Verfassungsschutz vom 1. Oktober 2014 bis 30. September 2015 liegt dem Gericht nicht vor) unter (zurückhaltender) Mitberücksichtigung des ansonsten noch beurteilten Zeitraums zu den in der Regelbeurteilung vergebenen, die einzelnen (gleichgebliebenen, nur um das Merkmal „Körperliche Leistung“ ergänzten) Leistungsmerkmale betreffenden Einzelnoten (fünfmal „B3“, siebenmal „B2“, dreimal „B1“) gelangt ist. Daran fehlt es.
Eine solche Erläuterung ist zunächst nicht deshalb entbehrlich, weil sich durch den Austausch der Notenskalen Verschiebungen in Bezug auf die einzelnen Bewertungsstufen ergeben (können) und eine unbesehene „Eins-zu-Eins-Gegenüberstellung“ einzelner Stufen im Sinne einer Gleichwertigkeit nicht mehr möglich ist, da diese sechs Stufen genauso wie die früheren neun Stufen das gesamte mögliche Leistungs- und Befähigungsspektrum von der Höchstleistung bis hin zu einer mangelhaften Leistung abdecken müssen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Beurteiler in der mündlichen Verhandlung angegeben haben, dass auch ihnen keine Formeln zum Umrechnen an die Hand gegeben worden seien und sie lediglich den Hinweis erhalten haben, dass die Beurteilungssysteme nicht miteinander zu vergleichen seien. Im Gegenteil erfordert die Umstellung auf eine neue Beurteilungsskala, die nicht ohne Weiteres mit der alten in Beziehung zu setzen ist, gerade eine Begründung dafür, wie die Bewertungen der Beurteilungsbeiträge nach der alten Skala in das neue System zu „übersetzen“ sind. Der bloße Hinweis darauf, dass beiden Beurteilungssysteme nicht miteinander zu vergleichen seien, genügt hier nicht.
Eine Betrachtung der alten Notenstufen neun, acht und sieben zeigt zunächst, dass diese vergeben wurden, wenn die Anforderungen übertroffen wurden, und zwar durch „stets besonders herausragende Leistungen“, „überwiegend herausragende Leistungen“ bzw. „häufig herausragende Leistungen“. Hatten die Leistungen des Beamten den Anforderungen (in Abstufungen) lediglich entsprochen, so kamen die übrigen Noten zum Einsatz, wobei allerdings für die Zuerkennung der Notenstufe sechs gelegentlich herausragende Leistungen zu erbringen waren. Eine insbesondere in zeitlicher Hinsicht entsprechende Formulierung findet sich bei der Notenstufe „B2“, indem das gelegentliche Übertreffen der Anforderungen verlangt wird. Das rechtfertigt die Annahme, dass diese Notenstufen sechs und „B2“ sich in etwa entsprechen. Diese Annahme wird durch den Blick auf die jeweils höheren Notenstufen bekräftigt. Notenstufe sieben verlangte ein Übertreffen der Anforderungen durch „häufig herausragende Leistungen“. Die Vergabe der Notenstufe „B1“ ist in ähnlicher Weise daran geknüpft, dass der Beamte die Anforderungen „häufig“ übertrifft. Für die Notenstufe acht waren die Anforderungen durch „überwiegend herausragende Leistungen“ zu übertreffen, und in zeitlich ganz ähnlicher Weise müssen „besondere Leistungen und Fähigkeiten während des überwiegenden Beurteilungszeitraumes deutlich herausragen“, um die Note „A2“ zu erreichen. Nach der alten Spitzennote schließlich mussten die Anforderungen „durch stets besonders herausragende Leistungen“ übertroffen werden. Auch hier fällt gerade in zeitlicher Hinsicht eine Parallelität der aktuellen Spitzennote auf. Denn danach müssen „besondere Leistungen und Fähigkeiten während des gesamten Beurteilungszeitraumes“ – also stets – deutlich herausragen (vgl. OVG NRW, B.v. 30.8.2018 – 1 B 1046/18 – juris Rn. 14). Bei diesem Befund ist nicht ohne weitere Erklärung nachvollziehbar, weshalb die im Beurteilungsbeitrag für den Kläger ausgeworfenen Einzelnoten neun bzw. acht in der Regelbeurteilung zu fünfmal „B3“, siebenmal „B2“, dreimal „B1“ geführt haben.
Eine abweichende Bewertung ergibt sich auch nicht anhand der Angaben der Beurteiler in der mündlichen Verhandlung. Auch wenn die in der mündlichen Verhandlung getätigte Aussage, Beurteilungsbeiträge fielen, da ohne Quervergleich erstellt, oft günstiger aus als nachfolgende Beurteilungen, in die sie einflössen, plausibel und im vorliegenden Fall auch nachvollziehbar erscheint, so genügt das Anstellen dieser Erwägung im gerichtlichen Verfahren nicht. Diese Aussage scheint insofern auf den Kläger zuzutreffen, da – wie die Zeugen in der mündlichen Verhandlung ausführten – der Tätigkeitsbereich des Klägers während seiner Abordnung zum Bundesamt für Verfassungsschutz nur einen kleinen Teilbereich dessen abdeckte, was die im Rahmen der Beurteilung relevante Vergleichsgruppe umfasste. Während den Arbeitsplatz des Klägers ausweislich der Beurteilungsbeiträge des Bundesamtes für Verfassungsschutz das unauffällige Beobachten von nachrichtendienstlich relevanten Personen, Objekten und Ereignissen über einen längeren Zeitraum sowie die Dokumentation und Berichterstattung der jeweiligen Handlungsabläufe prägte, übernahmen die in der Vergleichsgruppe der Hauptmeister tätigen Polizeivollzugsbeamten Eingriffsmaßnahmen, Grenzarbeit, bahnpolizeiliche Aufgaben, standen im Kontakt zu Bürgern und waren teilweise mit Führungsaufgaben betraut. Die Tätigkeit des Observierens stelle in der Vergleichsgruppe nur einen kleinen Baustein der „normalen“ Polizeiarbeit dar. Hinzukommt, dass die Tätigkeit des „Führens“ anderer Menschen und der damit einhergehenden Verantwortung anderer Polizeivollzugsbeamter der Vergleichsgruppe von den Beurteilern – nach ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung – als schwieriger und anspruchsvoller eingestuft wurde als die Tätigkeit des Klägers.
Auch wenn die Beurteiler in der mündlichen Verhandlung eindrücklich beschrieben, wie die Beurteilung erstellt, der Kläger beurteilt, mit der Vergleichsgruppe verglichen und in diese eingeordnet worden war, fehlen Ausführungen in der dienstlichen Beurteilung, die es dem Kläger ermöglichen, die tragenden Gründe und Argumente des Dienstherrn zu erfahren und nachzuvollziehen, damit für ihn der Weg, der zu dem Werturteil geführt hat, in einer Weise sichtbar wird, die ihm die Prüfung der Erfolgsaussichten eines gerichtlichen Verfahrens ermöglicht.
Zudem geht aus der Begründung des Gesamturteils nicht hervor, ob und inwiefern welche Beurteilungsbeiträge des Bundesamtes für Verfassungsschutz Berücksichtigung fanden. Es findet sich lediglich der pauschale Hinweis „Der Beurteilungsbeitrag des Bundesamtes für Verfassungsschutz sowie der ALN fanden Berücksichtigung“. Dadurch wird aber nicht erkennbar, ob alle drei Beurteilungsbeiträge des Bundesamtes für Verfassungsschutz berücksichtigt wurden. Es mangelt an Angaben, inwiefern diese berücksichtigt wurden und sich ausgewirkt haben; insbesondere fehlt eine Begründung, wie die Beurteiler von den „sehr guten“ Beiträgen zu einer durchschnittlichen Regelbeurteilung kommen. Die Begründung der Gesamtbeurteilung entbehrt einer nachvollziehbaren Erklärung, woraus sich die Gesamtnote ergibt. Die diesbezügliche Erklärung „Die Gesamtnote B2 ergibt sich unter Berücksichtigung der Bewertungen der einzelnen Leistungsmerkmale (insbesondere der obligatorischen) und der einzelnen Befähigungsbewertungen als Akt der Gesamtwürdigung der Leistungen des Beurteilten unter Beachtung der Anforderungen an den gebündelt bewerteten Dienstposten und der Erfüllung der Leistungserwartungen im Hinblick auf die Aufgabenbeschreibung.“, ist pauschal gefasst und ermöglicht dem Kläger keinen Rückschluss. Erst recht lässt sich dem nichts entnehmen, wie die Beurteilungssysteme sich zueinander verhalten, insbesondere nicht wie nach altem System erstellte Beiträge „umgerechnet“ wurden bzw. sich zu dem neuen verhalten.
Damit geht das Gericht davon aus, dass die Begründung des Gesamturteils, die in der Beurteilung selbst zu erfolgen hat – zumal für die Beurteilungsbeiträge und die Beurteilung unterschiedliche Bewertungsskalen Anwendung fanden – ausführlicher hätte begründet werden müssen.
2. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erachtet, da im vorliegenden Rechtsstreit schwierige Sach- und Rechtsfragen zu klären waren, die einer anwaltlichen Vertretung bedurften (§ 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.


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