Verwaltungsrecht

Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes

Aktenzeichen  RO 2 K 19.32345

Datum:
11.8.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 21539
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3, § 4
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7

 

Leitsatz

1. An der Glaubhaftmachung von Verfolgungsgründen fehlt es in der Regel, wenn der Asylsuchende im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellung nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe unglaubhaft erscheint, sowie auch dann, wenn er sein Asylvorbringen im Laufe des Asylverfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Asylbegehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes gerade im Zusammenhang mit Wehrdienstentziehungen auch bei totalitären Staaten liegt keine Sanktionierung einer politischen Überzeugung vor, wenn die staatliche Maßnahme alleine der Durchsetzung einer alle Staatsbürger gleichermaßen treffenden Pflicht dient. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Wehr- bzw. Nationaldienstpflicht in Eritrea knüpft nicht als solche an einen der in den §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 3b Abs. 1 AsylG genannten Verfolgungsgründe an. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
4. Wegen der Ausreise aus Eritrea zur Umgehung des Nationaldienstes droht mir beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Haftstrafe in einem nicht rechtsstaatlichen Verfahren. (Rn. 58) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 24.10.2019 wird aufgehoben, soweit er dem entgegensteht.
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Von den Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin und die Beklagte je die Hälfte. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
IV. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in jeweils entsprechender Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist im tenorierten Umfang erfolgreich.
Der angegriffene Bescheid erweist sich im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung durch das Gericht (§ 77 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. AsylG) hinsichtlich der Ablehnung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als rechtmäßig und verletzt die Klagepartei nicht in ihren Rechten. Der Klagepartei steht der geltend gemachte Anspruch insoweit nicht zu (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO). Demgegenüber hat die Klägerin einen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes. Soweit der angegriffene Bescheid dem entgegensteht, war er aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG.
Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Ein Ausländer ist – unter Berücksichtigung der unionsrechtlichen Vorgaben – Flüchtling, wenn seine Furcht begründet ist, dass er in seinem Herkunftsland wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung Verfolgungshandlungen im Sinne von § 3a AsylG ausgesetzt ist (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23.12 – juris). Von einer Verfolgung kann nur dann ausgegangen werden, wenn dem Einzelnen in Anknüpfung an die genannten Merkmale gezielt Rechtsverletzungen zugefügt werden, die wegen ihrer Intensität den Betroffenen dazu zwingen, in begründeter Furcht vor einer ausweglosen Lage sein Heimatland zu verlassen und im Ausland Schutz zu suchen. An einer gezielten Rechtsverletzung fehlt es aber regelmäßig bei Nachteilen, die jemand aufgrund der allgemeinen Zustände in seinem Herkunftsland zu erleiden hat, etwa infolge von Naturkatastrophen, Arbeitslosigkeit, einer schlechten wirtschaftlichen Lage oder infolge allgemeiner Auswirkungen von Unruhen, Revolution und Kriegen (vgl. OVG NRW, U.v. 28.3.2014 – 13 A 1305/13.A – juris). Eine Verfolgung i.S. d. § 3 AsylG kann nach § 3c Nr. 3 AsylG auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen, sofern der Staat oder ihn beherrschende Parteien oder Organisationen einschließlich internationale Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten (vgl. auch VG Augsburg, U.v. 11.8.2016 – Au 1 K 16.30744 – juris). Für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist es nach § 3b Abs. 2 AsylG auch unerheblich, ob die Furcht des Betroffenen vor Verfolgung begründet ist, weil er tatsächlich die Merkmale besitzt, die zu seiner Verfolgung führen, sofern der Verfolger dem Betroffenen diese Merkmale tatsächlich zuschreibt.
Für die Beurteilung der Frage, ob die Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG begründet ist, gilt unabhängig davon, ob bereits eine Vorverfolgung stattgefunden hat, der einheitliche Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, U.v. 1.6.2011 – 10 C 25.10 – BVerwGE 140, 22). Dieser Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), der bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr („real risk“) abstellt; das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit. Hierfür ist erforderlich, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegensprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festzustellenden Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Hierbei sind gemäß Art. 4 Abs. 3 Richtlinie 2011/95/EU neben den Angaben des Antragstellers und seiner individuellen Lage auch alle mit dem Herkunftsland verbundenen flüchtlingsrelevanten Tatsachen zu berücksichtigen. Entscheidend ist, ob in Anbetracht der Gesamtumstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23.12 – BVerwGE 146, 67 m.w.N.). Eine in diesem Sinne wohlbegründete Furcht vor einem Ereignis kann auch dann vorliegen, wenn bei einer „quantitativen“ oder mathematischen Betrachtungsweise ein Wahrscheinlichkeitsgrad von weniger als 50% für dessen Eintritt besteht. In einem solchen Fall reicht zwar die bloße theoretische Möglichkeit einer Verfolgung nicht aus; ein vernünftig denkender Mensch wird sie außer Betracht lassen. Ergeben jedoch die Gesamtumstände des Falles die „reale Möglichkeit“ einer Verfolgung, wird auch ein verständiger Mensch das Risiko einer Rückkehr in den Heimatstaat nicht auf sich nehmen. Bei der Abwägung aller Umstände ist die besondere Schwere des befürchteten Eingriffs in einem gewissen Umfang in die Betrachtung einzubeziehen. Besteht bei quantitativer Betrachtungsweise nur eine geringe mathematische Wahrscheinlichkeit für eine Verfolgung, macht es auch aus der Sicht eines besonnen und vernünftig denkenden Menschen bei der Überlegung, ob er in seinen Heimatstaat zurückkehren kann, einen erheblichen Unterschied, ob er z.B. lediglich eine Gefängnisstrafe von einem Monat oder aber die Todesstrafe riskiert. Maßgebend ist damit letztlich der Gesichtspunkt der Zumutbarkeit; sie bildet das vorrangige qualitative Kriterium, das bei der Beurteilung anzulegen ist, ob die Wahrscheinlichkeit einer Gefahr „beachtlich“ ist (BVerwG, U.v. 4.7.2019 – 1 C 31/18 – juris m.w.N.).
Eine Privilegierung des Vorverfolgten erfolgt aber durch die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU. Wer bereits Verfolgung bzw. einen ernsthaften Schaden erlitten hat, für den streitet die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Die Vorschrift misst den in der Vergangenheit liegenden Handlungen oder Bedrohungen eine Beweiskraft für die Wiederholung in der Zukunft bei, wenn sie eine Verknüpfung mit dem Verfolgungsgrund aufweisen (vgl. BayVGH, U.v. 13.2.2019 – 8 B 17.31645 m.w.N. – juris) Diese Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgungshandlungen entkräften (BayVGH, U.v. 13.2.2019 – 8 B 17.31645 m.w.N. – juris).
Bezüglich der vom Ausländer im Asylverfahren geltend gemachten Umstände, die zu seiner Ausreise aus dem Heimatland geführt haben, genügt aufgrund der regelmäßig bestehenden Beweisschwierigkeiten des Flüchtlings die Glaubhaftmachung. Die üblichen Beweismittel stehen ihm häufig nicht zur Verfügung. In der Regel können unmittelbare Beweise im Verfolgerland nicht erhoben werden. Mit Rücksicht darauf kommt dem persönlichen Vorbringen des Ausländers und dessen Würdigung eine gesteigerte Bedeutung zu. Dies bedeutet anderseits jedoch nicht, dass der Tatrichter einer Überzeugungsbildung im Sinne des § 108 Abs. 1 VwGO enthoben ist (BVerwG, U.v. 16.4.1985 – 9 C 109.84 – juris; BVerwG, U.v. 11.11.1986 – 9 C 316.85 – juris). Eine Glaubhaftmachung in diesem Sinne setzt voraus, dass die Geschehnisse im Heimatland schlüssig, substantiiert und widerspruchsfrei geschildert werden. Erforderlich ist somit eine anschauliche, konkrete und detailreiche Schilderung des Erlebten. An der Glaubhaftmachung von Verfolgungsgründen fehlt es in der Regel, wenn der Asylsuchende im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellung nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe unglaubhaft erscheint, sowie auch dann, wenn er sein Asylvorbringen im Laufe des Asylverfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Asylbegehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (vgl. VG Ansbach, U.v. 24.10.2016 – AN 3 K 16.30452 m.w.N. – juris).
In Anwendung dieser Grundsätze ist bei der Klägerin keine Flüchtlingseigenschaft gem. § 3 AsylG festzustellen. Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend wegen der Desertion ihres Lebenspartners inhaftiert worden zu sein und nur gegen Bürgschaft entlassen worden zu sein, um diesen zu suchen.
Vorliegend geht das Gericht bereits von einer fehlenden Glaubwürdigkeit der Klägerin aus. Zweifel an dieser werden bereits dadurch geweckt, dass die Klägerin keine eigenen Papiere vorlegt, die ihre Identität belegen können und die Begründungen für die fehlenden Papiere Unstimmigkeiten und eine Steigerung aufweist. Bei ihrer Anhörung vor dem Bundesamt am 9.12.2016 gab die Klägerin lediglich an, dass ein Schleuser alle ihre Taschen ins Meer geworfen habe. Bei der ergänzenden Anhörung am 15.7.2019 erklärte die Klägerin, dass ein lybischer Soldat das Boot entführte habe, sie verbrennen habe wollen und er die Sachen ins Meer geworfen habe. Hinzukommt, dass der Vortrag der Klägerin bereits im Hinblick auf ihre Schulbildung widersprüchlich ist. Während sie in beiden Anhörungen vor dem Bundesamt angab, dass sie bis zur 4. Klasse in Eritrea in die Schule gegangen sei und am 15.7.2019 sogar die konkrete Schule, die S. in G. benannte, erklärte sie in der mündlichen Verhandlung, dass sie nie in einer Schule gewesen sei. Auf Vorhalt erklärte die Klägerin, dass die Angabe, sie sei bis zur 4. Klasse in der Schule gewesen sei, falsch sei und sie nicht wisse, ob sie das gesagt habe. Soweit die Klägerin versucht, Unstimmigkeiten und Widersprüchlichkeiten damit zu erklären, dass es bei der Anhörung vor dem Bundesamt Fehler gegeben habe und sie dort Angst und Kopfweh gehabt habe, hält das Gericht dies für Schutzbehauptungen. Die Klägerin wurde zweimal angehört und hatte beide Male erklärt, dass sie gesundheitlich in der Lage sei, die Anhörung durchzuführen und es keine Verständigungsprobleme gebe. Aus den Protokollen ergeben sich keinerlei Hinweise auf Probleme bei der Anhörung und die Klägerin unterzeichnete die Kontrollbögen. Auch die Tatsache, dass die Klägerin in Italien keinen Asylantrag stellte, die Weiterreise nach Deutschland mittels eines gefälschten Passes vollzog und sie sich zudem einem ordnungsgemäßen Asylverfahren durch den eigentlich zuständigen Staat mittels des sog. Kirchenasyls entzogen hat, belegt nach Ansicht des Gerichts, dass die Klägerin asyltaktisch handelt und bereit ist, das Erreichen der Bundesrepublik Deutschland und ihren Verbleib hier auch unter Verstoß gegen geltendes Recht zu erwirken.
Auch geht das Gericht davon aus, dass die vorgetragene Verfolgungsgeschichte nicht glaubhaft ist. Denn auch der Vortrag zur angeblichen Inhaftierung aufgrund der Desertion ihres Lebenspartners weist deutliche Unstimmigkeiten auf. So gab die Klägerin zunächst beim Bundesamt an, dass ihr Lebenspartner nach seinem Urlaub 6 Monate bei ihr geblieben sei, dann sei er zu seinen Eltern geflohen, wo man ihn fand. Nach zwei Monaten sie ihm die Flucht in den Sudan gelungen. Im Rahmen der Anhörung 2019 erklärte die Klägerin, dass ihr Lebenspartner unerlaubt für 2 Jahre nach Hause gekommen sei. Auch gab sie dort an, dass sie nichts mehr von ihrem Mann gehört habe. Auf Vorhalt erklärte sie, dass sie nicht gesagt hätte, dass ihr Mann in den Sudan geflohen sei. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung gab die Klägerin an, dass ihr Lebenspartner 2 Jahre bei ihr gewesen sei und zu Hause festgenommen worden sei, als er von der Arbeit gekommen sei. Es ist lebensfremd, dass die Klägerin, hätte sie diese Geschichte selbst erlebt, nicht weiß, ob ihr Lebenspartner 6 Monate oder 2 Jahre unerlaubt bei ihr war und ob er bei seinen Eltern oder bei ihr zuhause verhaftet wurde. Weitere Unstimmigkeiten ergeben sich auf die Anzahl der Verhaftungen bzw. die Dauer der Haft der Klägerin, wer die Bürgschaft geleistet habe und hinsichtlich der für die Reise bezahlten Summe. So gab die Klägerin zunächst vor dem Bundesamt detailliert an, dass zweimal für 1 Monat inhaftiert worden sei und ihr Vater für sie gebürgt habe. Im Rahmen der zweiten Anhörung, erklärte sie, dass sie zweimal für 2 Wochen inhaftiert worden sei und ein Nachbar gebürgt habe. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung äußerte die Klägerin, dass sie einmal für einen Monat inhaftiert worden sei. In Anbetracht der Details zu den jeweiligen Verhaftungen und den jeweiligen Entlassungen und den Zwischenzeiten kann auch nicht von einem Missverständnis bezüglich der Inhaftierungen ausgegangen werden. Auch die Erklärung der Klägerin, dass sie Angst gehabt habe, kann die Unstimmigkeiten, die den Kern der angeblichen Vorverfolgung betreffen, nicht erklären. Auch die Summe, die die Klägerin an den Schleuser gezahlt habe, gab die Klägerin in der ersten Anhörung vor dem Bundesamt mit 7.000 USD an, während sie in der ergänzenden Anhörung erklärte, dass die Flucht insgesamt 5.800 Dollar gekostet habe.
Aufgrund der fehlenden Glaubwürdigkeit der Klägerin und der fehlenden Glaubhaftigkeit des Vortrags geht das Gericht davon aus, dass die Klägerin Eritrea nicht vorverfolgt verlassen hat.
Im Übrigen wäre aber selbst bei einer Wahrunterstellung des klägerischen Vortrags nicht von einer flüchtlingsrelevanten Vorverfolgung auszugehen. Nach dem eigenen Vortrag der Klägerin erfolgte ihre Inhaftierung nicht wegen ihrer politischen Überzeugung, sondern um die Rückkehr ihres Partners in den Nationaldienst zu erreichen. Hierin liegt jedoch gerade keine flüchtlingsrelevante Verfolgung (vgl. auch BVerwG, U.v. 19.4.2018 – 1 C 29/17 – juris). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes gerade im Zusammenhang mit Wehrdienstentziehungen auch bei totalitären Staaten liegt keine Sanktionierung einer politischen Überzeugung vor, wenn die staatliche Maßnahme alleine der Durchsetzung einer alle Staatsbürger gleichermaßen treffenden Pflicht dient (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2018 – 1 C 29/17 – juris m.w.N.). Dies ist auch für die Durchsetzung der Pflicht zum Nationaldienst in Eritrea der Fall.
Die Einberufung zum Nationalen Dienst durch den eritreischen Staat stellt keinen im Rahmen der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylG beachtlichen Verfolgungsgrund dar. Jeder souveräne Staat hat grundsätzlich das Recht, seine Staatsangehörigen zum Wehr- und Militärdienst heranzuziehen (vgl. auch VG Osnabrück, U.v. 18.5.2015 – 5 A 465/14). Ausweislich der Regelung in § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG unterfällt die Heranziehung zum Militärdienst grundsätzlich schon nicht dem Schutzversprechen. Denn diese Vorschrift definiert lediglich Verfolgungshandlungen im Zusammenhang mit einer Verweigerung des Militärdienstes nur in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen und Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 AsylG fallen (Kriegsverbrechen, schwere politische Straftaten, Zuwiderhandlungen gegen die Grundsätze der vereinten Nationen) (vgl. hierzu VG München, U.v. 13.7.2016 – M12 K 16.31184 – juris, VG Ansbach, U.v. 26.9.2016 – .AN 3 K 16.30584 – juris). Hierfür bestehen vorliegend keine Anhaltspunkte. Die Heranziehung zum Nationen Dienst in Eritrea knüpft auch nicht an Persönlichkeitsmerkmale des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG an. Denn bei der Heranziehung zum Nationalen Dienst werden in Eritrea alle Gruppen der Gesellschaft im Wesentlichen gleich behandelt; eine Unterscheidung nach Rasse, Religion usw. findet nicht statt (vgl. hierzu etwa VG Potsdam, U.v. 17.2.2016 – 6 K 1995/15.A – juris; VG München, U.v. 13.7.2016 – M 12 K 16.31184 – juris; VGH BW, U.v. 21.1.2003 – A 9 S 297/00 – juris; VG Regensburg, U.v. 27.10.2016 – RN 2 K 16.31289 – juris; VGH Hessen, U.v. 30.7.2019 – 10 A 797/18.A – juris; BayVGH U.v. 5.2.2020 – 23 B 18.31593 – juris; BVerwG, U.v. 19.4.2018 – 1 C 29/17 – juris). Damit läge selbst bei einer Wahrunterstellung der Inhaftierung der Klägerin im Zusammenhang mit der Desertion ihres Partners hierin keine flüchtlingsrelevante Vorverfolgung. Auch bei einer der Rückkehr der Klägerin wäre daher im Zusammenhang mit der Desertion des Partners der Klägerin – selbst wenn man annähme, dass der Vortrag der Klägerin der Wahrheit entspricht, wovon das Gericht aus den oben genannten Gründen nicht ausgeht – nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit einer flüchtlingsrelevanten Verfolgung zu rechnen.
Auch droht der Klägerin in diesem Zusammenhang keine flüchtlingsrelevante Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe im Sinne des § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG, selbst wenn man die Desertion des Partners noch als wahr unterstellen würde.
Eine Gruppe gilt gemäß § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG insbesondere als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn a) die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und b) die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird. Im Einklang mit Art. 10 Abs. 1 Buchst. d RL 2011/95/EU und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union müssen die mit den Buchstaben a und b gekennzeichneten Voraussetzungen des § 3b Abs. 1 Nr. 4 Halbs. 1 AsylG kumulativ erfüllt sein (BVerwG, U.v. 19.4.2018 – 1 C 29/17 – juris m.w.N).
Eine solche bestimmte soziale Gruppe begründet hier weder die Familie eines Deserteurs noch die Gesamtheit der Familien der eritreischen Deserteure noch die Gesamtheit der nahestehenden Personen eines Deserteurs. Fraglich wäre hier bereits, ob die Klägerin eine Familienangehörige ist, da es sich bei dem angeblichen Deserteur nicht um ihren Ehemann, sondern um ihren Partner handelt, mit dem sie allerdings nach eigenen Angaben ein Kind hat. Dies kann jedoch letztendlich offenbleiben, da die Klägerin auch aus anderen Gründen nicht Teil einer „bestimmten sozialen Gruppe“ im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 4 AsylG ist.
Aus den dem Gericht vorliegenden Erkenntnismitteln ergeben sich keine Anhaltspunkte, dass die eritreische Gesellschaft Familienangehörige von Deserteuren als andersartig betrachtet. Auch fehlt es insoweit an einer deutlich abgegrenzten Identität (BVerwG, U.v. 19.4.2018 – 1 C 29/17 – juris m.w.N). Auch ist hierbei zu beachten, dass hier auch bezüglich des Partners aus den oben genannten Gründen gerade nicht von einer flüchtlingsrelevanten Verfolgung ausgegangen werden kann. Soweit man auf die Gesamtheit der nahestehenden Personen eines Deserteurs abstellt, ist dies bereits zu inhomogen, um das Vorliegen der Voraussetzungen des § 3b Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a AsylG anzunehmen, da es bereits an dem Gemeinhaben eines unveränderlichen gemeinsamen Hintergrundes oder eines die Identität prägenden Merkmals fehlt. Im Übrigen kann auch insoweit nicht von dem Vorliegen der Voraussetzungen des § 3b Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b AsylG ausgegangen werden (BVerwG, U.v. 19.4.2018 – 1 C 29/17 – juris m.w.N).
Das Gericht geht nach alledem aus mehrfachen Gründen nicht davon aus, dass der Klägerin im Zusammenhang mit der angeblichen Desertion ihres Partners bei einer Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine flüchtlingsrelevante Verfolgung droht.
Der Klägerin droht im Falle einer Rückkehr nach Eritrea auch keine flüchtlingsrelevante Verfolgung wegen der Gefahr der Einberufung zum Nationaldienst.
Gemäß der Proklamation Nr. 82/1995 über den Nationaldienst (Proclamation on National Service No. 82/1995) vom 23. Oktober 1995 sind in Eritrea Männer und Frauen vom achtzehnten bis zum vierzigsten Lebensjahr nationaldienstpflichtig („active national service“) und gehören bis zum fünfzigsten Lebensjahr der Reservearmee („reserve military service“) an (Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH), Eritrea: Nationaldienst, Themenpapier der SFH-Länderanalyse vom 30.6.2017, S. 4). Nach abweichenden Angaben soll sich das Höchstalter für den Wehr- und Nationaldienst seit 2009 für Männer auf 57 und für Frauen auf 27 bzw. 47 Jahre belaufen (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea vom 22.3.2019, S. 15; Amnesty International (AI) an VG Magdeburg vom 2.8.2018).
Ob in der Heranziehung der inzwischen 34-jährigen und damit grundsätzlich dienstverpflichteten Klägerin zum Nationaldienst für sich genommen eine Verfolgungshandlung im Sinne des § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG zu sehen wäre, kann offen bleiben. Denn die Einberufung zum Nationaldienst stellt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Regensburg und weiter Teile der Verwaltungsgerichtsbarkeit keine flüchtlingsrelevante Verfolgung dar, da die Wehr- bzw. Nationaldienstpflicht in Eritrea jedenfalls nicht als solche an einen der in den §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 3 b Abs. 1 AsylG genannten Verfolgungsgründe anknüpft (siehe oben und vgl. hierzu u.a. VG Regensburg, U.v. 27.10.2016 – RN 2 K 16.31289 – juris; VGH Hessen, U.v. 30.7.2019 – 10 A 797/18.A – juris; BayVGH U.v. 5.2.2020 – 23 B 18.31593 – juris; BVerwG, U.v. 19.4.2018 – 1 C 29/17 – juris; a.A. VG Cottbus, B.v. 6.3.2020 – 8 K 574/16.A. – juris).
Ein Anspruch auf Flüchtlingsanerkennung ergibt sich für die Klägerin auch nicht aufgrund einer geschlechtsspezifischen Verfolgung bei einer Einberufung in den Nationaldienst.
Die Klägerin ist 34 Jahre alt und ist daher zwar grundsätzlich im nationaldienstpflichtigen Alter. Allerdings wurde sie bislang aufgrund ihrer Mutterschaft nach eigenen Angaben nicht einberufen. Das Gericht geht aufgrund der ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel nicht davon aus, dass eine Einberufung in den militärischen Bereich des Nationaldienstes beachtlich wahrscheinlich erscheint. Aufgrund der formal fortbestehenden Nationaldienstpflicht auch für faktisch Demobilisierte oder solche, die bislang nicht einberufen wurden, bleibt die Einziehung zum Nationaldienst zwar per se möglich, insoweit jedoch – allein – in den zivilen Bereich wahrscheinlich (so auch VG Hamburg, U.v. 6.2.2020 – 19 A 641/19 – juris; OVG Hamburg, U.v. 21.9.2018 – 4 Bf 186/18.A – juris). Das Auswärtige Amt führt in seinem Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea vom 27.1.2020 (Stand: Oktober 2019), S. 15 aus, dass Frauen in der Regel bei Heirat oder Schwangerschaft aus dem Militär bzw. dem „National Service“ entlassen würden. Auch das European Asylum Support Office (EASO) beschreibt im Länderfokus Eritrea (Mai 2015, S. 33 f., dass verheiratete oder verlobte Frauen, Frauen mit Kindern, Schwangere sowie muslimische Frauen aus konservativen, ländlichen Gegenden normalerweise faktisch vom militärischen Teil des Nationaldiensts ausgenommen würden. Weitere Quellen stützen ebenfalls die Annahme, dass Frauen mit Kindern jedenfalls faktisch nicht zum militärischen Teil des Nationaldienstes herangezogen werden. So weist etwa Professor Kibreab darauf hin, dass bei Einwanderungsbehörden und Gerichten eine Tendenz bestehe, unzutreffend den Nationaldienst mit Militärdienst gleichzusetzen. Obwohl es keine Richtlinie gebe, wonach verheiratete Frauen vom Militärdienst im Rahmen des Nationaldienstes befreit wären, könnten verheiratete Frauen, insbesondere Frauen mit Kindern, unter bestimmten Umständen im zivilen Teil des Nationaldienstes eingesetzt werden. Dies bedeute allerdings nicht, dass sie vom Nationaldienst befreit seien. Nach einer Heirat seien sie möglicherweise – abhängig vom willkürlich ausgeübten Ermessen ihrer Vorgesetzten – nicht verpflichtet, in der Armee zu dienen. Sie seien jedoch höchstwahrscheinlich verpflichtet, den Nationaldienst im zivilen Teil abzuleisten. (The Open-Ended Eritrean National Service: The Driver of Forced Migration, 2014, S. 10 f.; vgl. hierzu mit weiteren Nachweisen auch OVG Hamburg, U.v. 21.9.2018, 4 Bf. 186/18.A. – juris). Auch spricht gegen eine Einziehung der Klägerin in den militärischen Bereich des Nationaldienstes, dass aufgrund der Abhängigkeit des Wirtschaftssystems Eritreas vom Nationaldienst davon auszugehen ist, dass die überwiegende Anzahl der dienstpflichtigen Personen im zivilen Bereich eingesetzt ist. So bestätigte der eritreische Informationsminister in einem Interview 2018, dass weniger als ein Fünftel der Nationaldienstleistenden eine militärische Funktion ausübe (BFA Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Eritrea Gesamtaktualisierung am 26.2.2019, S. 12).
Dies zugrundgelegt droht der Klägerin nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Einberufung in den militärischen Bereich des Nationaldienstes. Es kann daher vorliegend dahinstehen, ob die Zustände im militärischen Bereich des Nationaldienstes für Frauen dergestalt sind, dass eine geschlechtsspezifische Verfolgung zu bejahen wäre. Für den zivilen Bereich des Nationaldienstes nimmt das Gericht dies nach den ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen nicht an. Dass Frauen bei einem Einsatz im zivilen Teil des Nationaldienstes mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit sexuelle Gewalt zu befürchten haben, ist nicht erkennbar (so auch VG Hamburg, U.v. 6.2.2020 – 19 A 641/19 – juris). Die Berichte über verbreitete sexuelle Gewalt im eritreischen Nationaldienst beziehen sich auf den militärischen Bereich, insbesondere auf Missbrauch durch militärische Vorgesetzte (vgl. SFH, Eritrea: Nationaldienst, Themenpapier der SFH-Länderanalyse, 30.6.2017, S. 13 f.; vgl. auch OVG Hamburg, U.v. 21.9.2018 – 4 Bf 186/18.A m.w.N. – juris).
Der Klägerin droht im Falle einer Rückkehr nach Eritrea auch keine flüchtlingsrelevante Verfolgung wegen Entziehung vom Nationaldienst, bzw. Verlassen des Nationaldienstes und illegaler Ausreise. Diese würde nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit an einen in §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 3b Abs. 1 genannten Verfolgungsgrund, insbesondere nicht an eine – auch nur unterstellte – politische Überzeugung, anknüpfen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stellen an eine Wehrdienstentziehung geknüpfte Sanktionen, selbst wenn sie von totalitären Staaten ausgehen, nur dann eine Verfolgung dar, wenn diese nicht nur der Ahndung eines Verstoßes gegen eine allgemeine staatsbürgerliche Pflicht dienen, sondern darüber hinaus den Betroffenen auch wegen seiner Religion, seiner politischen Überzeugung oder eines sonstigen flüchtlingsrechtlich erheblichen Merkmals treffen sollen. Eine Verfolgung wird verneint, wenn Sanktionen an eine alle Staatsbürger gleichermaßen treffende Pflicht anknüpfen (vgl. zuletzt BVerwG, B.v. 24.4.2017 – 1 B 22/17, m.w.N – juris; vgl. auch BayVGH, U.v. 24.3.2000 – 9 B 96.35177 – juris; VGH Hessen, U.v. 30.7.2019 – 10 A 797/18.A – juris). Sanktionen wegen Wehrdienstentziehung dienen regelmäßig nicht der politischen oder religiösen Verfolgung, sondern werden ungeachtet solcher Merkmale im Regelfall allgemein und unterschiedslos gegenüber allen Deserteuren/Verweigerern aus Gründen der Aufrechterhaltung der Disziplin verhängt (vgl. auch VG Osnabrück, U.v. 18.5.2015 – 5 A 465/14 – juris). In eine flüchtlingsrelevante Verfolgung schlägt eine Bestrafung wegen Wehrdienstentziehung erst dann um, wenn sie zielgerichtet gegenüber Personen eingesetzt wird, die durch diese Maßnahme gerade wegen eines in § 3 Abs. 1 Nr. 1 genannten Merkmals getroffen werden soll (vgl. auch VG Osnabrück, U.v. 18.5.2015 – 5 A 465/14 – juris), bzw. wenn die zuständigen Behörden aus der Verwirklichung der Tat auf eine Regimegegnerschaft der betroffenen Person schließen und die strafrechtliche Sanktion nicht nur der Ahndung kriminellen Unrechts, sondern auch der Bekämpfung von politischen Gegnern dient (vgl. BVerwG, U.v. 25.6.1991 – 9 C 131.90 – juris).
Es kann jedoch nach Ansicht des Gerichts derzeit nicht davon ausgegangen werden, dass die illegale Ausreise, um sich dem Nationalen Dienst zu entziehen oder die Desertion, vom eritreischen Staat allgemein als Regimegegnerschaft gesehen wird und der Bestrafung damit ein politischer Sanktionscharakter zukommt. Explizite Erkenntnisse, dass die eritreische Regierung Personen, die sich dem Nationalen Dienst entziehen und illegal ausreisen oder desertieren, generell als Regimegegner einstuft und politisch verfolgt, ergeben sich für das Gericht auf Grund der dem Gericht vorliegenden Erkenntnisquellen nicht (Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea vom 27.1.2020, Stand: Oktober 2019, S. 21 f.; Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement (EJPD), Staatssekretariat für Migration (SEM), Sektion Analysen: Focus Eritrea, Update Nationaldienst und illegale Ausreise vom 22.6.2016).
Nach Art. 37 Abs. 1 der Proklamation Nr. 82/1995 vom 23. Oktober 1995 werden Verstöße gegen dieses Regelwerk mit Haftstrafen von zwei Jahren und/oder Geldstrafe geahndet, sofern sich aus dem eritreischen Strafgesetzbuch keine härteren Strafen ergeben. Nach Art. 300 des von Eritrea nach der Unabhängigkeit übernommenen äthiopischen Strafgesetzbuchs von 1991 kann Desertion in Friedenszeiten mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden. In Kriegszeiten beläuft sich das Strafmaß für Desertion auf Haft von fünf Jahren bis lebenslänglich. In schweren Fällen kann auch die Todesstrafe verhängt werden. Im Jahr 2015 wurde ein neues Strafgesetzbuch bekanntgegeben, das in Art. 119 für Desertion in Friedenszeiten Haftstrafen zwischen einem und drei Jahren, in Kriegszeiten zwischen sieben und zehn Jahren vorsieht. Die Todesstrafe in Fällen der Desertion ist hiernach abgeschafft, jedoch soll das neue Strafgesetz noch keine Anwendung finden (Auswärtiges Amt an VG Schwerin vom 10.10.2017; AI vom 28.7.2017, Stellungnahme zum Umgang mit Rückkehrern und Kriegsdienstverweigerern in Eritrea). In der Regel soll die Bestrafung von Deserteuren aber willkürlich, nicht nach der Gesetzeslage und außergerichtlich in einem administrativen Verfahren erfolgen (Auswärtiges Amt an VG Schwerin vom 10.10.2017; AI an VG Magdeburg vom 2.8.2018).
Die Erkenntnislage zeigt derzeit eine große Bandbreite möglicher Folgen bei der Rückkehr von Personen, die illegal ausgereist sind, um sich dem Nationalen Dienst zu entziehen, nämlich von einer Belehrung und Ableistung des Nationalen Dienstes bis zu Haft (Monaten oder Jahre). Diese Bandbreite spricht nach Ansicht des Gerichts dafür, dass diese Personen nicht automatisch als Regimegegner eingestuft werden und damit nicht generell einer politischen Verfolgung unterliegen (vgl. auch BayVGH, U.v. 5.2.2020 – 23 B 18.31593 – juris). Gegen eine generelle Einstufung als politischer Gegner spricht ferner bereits die hohe Zahl der aus Eritrea Flüchtenden. Es kann nicht unterstellt werden, dass der Staat hinter jedem dieser zahlreichen Flüchtenden eine missliebige politische Überzeugung sieht (vgl. ausführlich, VG Düsseldorf, U.v. 23.3.2017 – 6 K 7338/16.A. – juris). Dem eritreischen Staat ist vielmehr bekannt, dass die übergroße Anzahl der Flüchtenden wegen der prekären und unfreien Lebensbedingungen im Nationaldienst und nicht aufgrund einer regimefeindlichen Gesinnung flieht (vgl. auch VG Potsdam, U.v. 10.10.2017 – VG 3 K 2609/16.A, m.w.N. – juris). Vor allem aber spricht gegen eine generelle politische Verfolgung aller Personen, die sich dem Nationalen Dienst entziehen, der derzeitige Umgang der eritreischen Regierung mit freiwilligen – zumindest vorübergehenden – Rückkehrern. Nach der gegenwärtigen Erkenntnislage des Gerichts werden die gesetzlichen Bestimmungen für Desertion, Dienstverweigerung und illegale Ausreise derzeit für diese Personen nicht angewandt. Sofern sie sich mindestens drei Jahre im Ausland aufgehalten haben, besteht für die Rückkehrer die Möglichkeit, einen sog. „Diaspora Status“ zu erhalten. Dieser setzt voraus, dass eine Diasporasteuer (2% Steuer) bezahlt wurde und, sofern die nationale Dienstpflicht noch nicht erfüllt wurde, ein sog. „Reueformular“ unterzeichnet wurde. Dieses umfasst auch ein Schuldeingeständnis mit der Erklärung, die dafür vorgesehene Bestrafung anzunehmen. Zumindest in der Mehrheit kommt es nach den Erkenntnisquellen des Gerichts zu keiner tatsächlichen Bestrafung (Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement (EJPD), Staatssekretariat für Migration (SEM), Sektion Analysen: Focus Eritrea, Update Nationaldienst und illegale Ausreise vom 22.6.2016). Mit diesem „Diaspora Status“ ist es möglich drei Jahre in Eritrea zu bleiben, ohne den Nationalen Dienst ableisten zu müssen. Auch eine Ausreise ist mit diesem Status möglich, so dass es temporäre Reisen zu Urlaubs- und Besuchszwecken gibt (Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement (EJPD), Staatssekretariat für Migration (SEM), Sektion Analysen: Focus Eritrea, Update Nationaldienst und illegale Ausreise vom 22.6.2016; S. 39). Diese Optionen, die gerade auch für Personen gelten, die sich dem Nationalen Dienst durch die illegale Ausreise entzogen haben, sprechen gegen eine generelle Einstufung als politischer Gegner (vgl. auch BayVGH, U.v. 5.2.2020 – 23 B 18.31593 – juris; OVG Saarland, U.v. 21.3.2019 – 2 A 7/18 – juris).
Eine andere Einschätzung ergibt sich auch nicht daraus, dass die erfolgten Verhaftungen oft willkürlich und ohne Angaben von Gründen erfolgen. Anhaltspunkte für eine politisch motivierte Bestrafung der Wehrdienstentziehung bestehen damit nicht (vgl. Auswärtiges Amt an VG Schwerin vom 10.10.2017). Selbstverständlich ist es vorstellbar, dass gerade aus der Willkür der Bestrafungen eine politisch motivierte Systematik bzw. Konnotation gefolgert werden könnte. Jedoch fehlt es auch insoweit an tatsächlichen Anhaltspunkten. Auch die Tatsache, dass es während der gesetzlich vorgesehenen Inhaftierungen zu Folter und Misshandlungen kommen kann, rechtfertigt keine abweichende Wertung (vgl. BayVGH, U.v. 5.2.2020 – 23 B 18.31593 – juris m.w.N; VGH Hessen, U.v. 30.7.2019 – 10 A 797/18.A – juris). Auch wenn der Einsatz von Folter ein Indiz für den politischen Charakter einer Maßnahme darstellen kann, bleibt er ein Indiz und ermöglicht für sich noch keinen zwingenden Rückschluss auf eine tatsächlich dahingehende subjektive Verfolgungsmotivation, wenn wie hier in der zu treffenden Abwägung der Erkenntnismittel diejenigen überwiegen, die dagegen sprechen. Es bedarf daher insoweit regelmäßig der Heranziehung weiterer objektiver Kriterien zur Beurteilung der tatsächlichen Verfolgungsmotivation. Derartige objektive Kriterien können vor allem die tatsächlichen und rechtsstaatlichen Verhältnisse im Heimatstaat des Betroffenen, insbesondere die Eigenart des Staates, sein möglicherweise totalitärer Charakter, die Radikalität seiner Ziele und die zu seiner Verwirklichung eingesetzten Mittel, das Maß an geforderter und durchgesetzter Unterwerfung des Einzelnen und die Behandlung von Minderheiten sein. Maßgeblich ist, ob der Staat seine Bürger in den genannten persönlichen Merkmalen zu disziplinieren, sie ihretwegen niederzuhalten oder im schlimmsten Fall zu vernichten sucht oder ob er lediglich seine Herrschaftsstruktur aufrechterhalten will und dabei die Überzeugung seiner Staatsbürger unbeachtet lässt. Auch die Lasten und Beschränkungen, die ein autoritäres System seiner Bevölkerung auferlegt, vermögen für sich allein eine politische motivierte Verfolgung nicht zu begründen. Ausgehend hiervon bestehen – ungeachtet der Umstände, dass der Nationaldienst in Eritrea auch als politisches Projekt u. a. zur Vermittlung einer nationalen Identität verstanden wird und Verstöße in diesem Zusammenhang gegebenenfalls auch mit harten Sanktionen belegt werden – keine durchgreifenden Anhaltspunkte dafür, dass die im Fall der Nationaldienstentziehung bzw. Desertion in Eritrea gegebenenfalls drohende Haftstrafe in Verbindung mit den prekären Haftbedingungen eine Anknüpfung an flüchtlingsrechtlich relevante Merkmale aufweist (vgl. BayVGH, U.v. 5.2.2020 – 23 B 18.31593 – juris).
Für diese Einschätzung spricht, dass die faktisch unbegrenzte Verpflichtung zur Ableistung des staatlichen National- bzw. Militärdienstes – der im Nachgang zu der Grundausbildung oftmals auch einen Einsatz in der staatlichen Verwaltung umfasst – zuvörderst der Aufrechterhaltung und Sicherung der staatlichen Funktionsfähigkeit dient. Angehörige des Nationaldienstes leisten ihren Dienst nicht allein im eritreischen Militär, sondern auch beim Aufbau von Infrastruktur, etwa beim Straßen- und Dammbau, beim Bau von Wohnungen und öffentlichen Gebäuden sowie in der Landwirtschaft. Angehörige des zivilen Dienstes des Nationaldienstes arbeiten zudem in allen Bereichen der staatlichen Verwaltung und der Wirtschaft (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea vom 27.1.2020 (Stand: Oktober 2019, S. 15; SFH, Eritrea: Nationaldienst, Themenpapier der SFH-Länderanalyse vom 30.6.2017, S. 6 f.). Dies zeigt gerade auch das Beispiel der Klägerin, die nach ihrem eigenen Vortrag ihren Nationaldienst als Grundschullehrerin ableistete. Die gesamte Volkswirtschaft Eritreas und der eritreische Staatsapparat stützen sich auf die Nationaldienstverpflichtung, die in ihrer derzeitigen Ausgestaltung am ehesten als eine Form staatlichen Zwangsdienstes zur Aufrechterhaltung der staatlichen Strukturen zu charakterisieren ist. Von daher dient der Nationaldienst in Eritrea neben militärischen Verteidigungszwecken vor allem der Förderung der volkswirtschaftlichen Entwicklung und Förderung des Landes, der Steigerung der Gewinne staatsnaher bzw. staatlich unterstützter Unternehmen und der Aufrechterhaltung der Kontrolle über die eritreische Bevölkerung. Dies wiederum rechtfertigt die Annahme, dass die durchaus empfindliche Bestrafung der Wehr- bzw. Nationaldienstentziehung oder der Desertion allein dazu dient, die bestehende Herrschaftsstruktur zu sichern und insbesondere das auf der Langzeitverpflichtung der eritreischen Staatsbürger beruhende staatliche System am Leben zu erhalten. Insofern dient die Sanktionierung der Wehr- bzw. Nationaldienstentziehung durch den eritreischen Staat auch nicht der Sanktionierung einer tatsächlichen oder unterstellten missliebigen politischen Überzeugung seiner Bürger, sondern der Durchsetzung der Dienstverpflichtungen im Interesse der Systemsicherung (vgl. BayVGH U.v. 5.2.2020 – 23 B 18.31593- juris; OVG Saarland, U.v. 21.3.2019 – 2 A 10/18 – juris; VGH Hessen, U.v. 30.7.2019 – 10 A 797/18.A – juris). Auch die bereits oben genannte vornehmlich auf die Generierung von Staatseinnahmen abzielende Möglichkeit der Diaspora-Steuer spricht für dieses Verständnis (vgl. hierzu auch BayVGH U.v. 5.2.2020 – 23 B 18.31593 – juris).
Damit liegt nach Auffassung des Gerichts in den möglichen Sanktionen für eine Wehrdienstverweigerung durch illegale Ausreise ohne Hinzutreten weiterer Umstände keine flüchtlingsrelevante Bestrafung mit politischem Charakter (vgl. auch BayVGH, U.v. 5.2.2020 – 23 B 18.31593 – juris; BVerwG, U.v. 19.4.2018 – 1 C 29.17- juris; OVG Saarland, U.v. 21.3.2019 – 2 A 10/18 – juris; VGH Hessen, U.v. 30.7.2019 – 10 A 797/18.A – juris; VG Trier, U.v. 16.1.2018 – 5 K 8188/17.TR – juris; VG Düsseldorf, U.v. 16.2.2017 – 6 K 12164/16A – juris; VG Regensburg, U.v. 27.10.2016 – RN 2 K 16.31289 – juris; VG Ansbach, U.v. 26.9.2016 – AN 3 K 16.30584 – juris; VG Augsburg, U.v. 11.8.2016 – Au 1 K 16.30744 – juris; bzgl. nur illegaler Ausreise VG Braunschweig, U.v. 7.7.2015 – 7 A 368/14; a.A. VG Cottbus, B.v. 6.3.2020 – 8 K 574/16.A. – juris, VG Cottbus, U.v.10.11.2017 – 6 K 386715.A – juris; VG Schwerin, U.v. 8.7.2016 – 15 A 190/15 As – juris; VG Schwerin, U.v. 29.2.2016 – 15 A 3628/15 As – juris; VG Minden, U.v. 13.11.2014 – 10 K 2815/13.A – juris, VG Kassel, Gerichtsbescheid v. 22.7.2014 – 1 K 1364/13.KS.A).
Nach der zugrundeliegenden Auskunftslage kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass bereits die illegale Ausreise vom eritreischen Staat als Hochverrat angesehen wird. Die oben genannten Erkenntnisse betreffen gerade Personen, die illegal ausreisten, um sich dem Nationalen Dienst zu entziehen, also beide Tatbestände verwirklichen. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass illegal ausgereisten eritreischen Staatsbürgern allein wegen der Ausreise und einer gegebenenfalls erfolgten Asylantragstellung im Ausland von staatlichen Institutionen Eritreas eine regimekritische Haltung unterstellt wird und dass sie deshalb im Fall der Rückkehr nach Eritrea von relevanten Verfolgungshandlungen im Sinne des § 3a AsylG betroffen sein könnten (vgl. BayVGH, U.v. 5.2.2020 – 23 B 18.31593 – juris m.w.N.).
Auch die bloße Asylantragsstellung in Deutschland begründet ebenfalls nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine flüchtlingsrelevante Verfolgungsgefahr für die Klägerin in Eritrea (Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea vom 27.1.2020, Stand: Oktober 2019, S. 21).
Es bleibt daher festzuhalten, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Flüchtlingsanerkennung gem. § 3 AsylG hat.
Die Entscheidung des Bundesamts in Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheids, den Antrag der Klägerin im Hinblick auf die Anerkennung als Asylberechtigte abzulehnen, ist bestandskräftig geworden. Die Klägerin hat diese Entscheidung mit ihrer Klage ausdrücklich nicht angegriffen. Ein Anspruch der Klägerin auf Anerkennung als Asylberechtigte würde im Übrigen auch deshalb ausscheiden, weil die Klägerin nach eigenen Angaben über Italien in das Bundesgebiet eingereist ist, Art. 16a Abs. 2 Grundgesetz (GG).
Die Klägerin hat jedoch einen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus.
Nach § 4 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.
Der Klägerin droht bei ihrer Rückkehr nach Eritrea ein ernsthafter Schaden i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG.
Zwar ergibt sich dies nicht aus der vorgetragenen Vorverfolgung, die das Gericht aus den oben genannten Gründen nicht für glaubhaft hält.
Auch ergibt sich die Gefahr eines ernsthaften Schadens i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG nicht aufgrund einer Einberufung der Klägerin zum Nationaldienst. Es ist bei der Klägerin aus den oben genannten Gründen lediglich für eine Einberufung in den zivilen Bereich des Nationaldienstes eine beachtliche Wahrscheinlichkeit anzunehmen. Die Bedingungen im zivilen Bereich des Nationaldienstes führen jedoch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG (so VG Hamburg, U.v. 6.2.2020 – 19 A 641/19 – juris; VG Schleswig, U.v. 22.10.2018 – 3 A 365/17 – juris; VG Gera U.v. 25.2.2020 – 4 K 1599/19; a.A. VG Münster, U.v. 10.9.2019 – 11 K 5924/16.A – juris im Hinblick auf den niedrigen Lohn). Die Nationaldienstpflichtigen führen zivile Aufgaben innerhalb verschiedener Geschäftsbereiche aus; primär in der Staatsverwaltung (zentral wie lokal), in Dienstleistungsbetrieben (Hotels, Restaurants usw.), Gesellschaften, die der PFDJ gehören, etc… Die Nationaldienstpflichtigen, die zivile Arbeiten ausführen, halten sich hauptsächlich an ihren zivilen Arbeitgeber, sei das ein Departement, eine den Behörden gehörende Gesellschaft oder eine private Firma. Nicht militärische Arbeitgeber scheinen sich nicht so streng an militärische Regelungen zu halten als militärische Arbeitgeber (vgl. LANDINFO Eritrea Nationaldienst – 28. Juli 2011 – Inoffizielle Übersetzung einer Analyse von Landinfo Norwegen von Bundesamt für Migration, BFM, Schweiz). Auch wenn auch im zivilen Bereich des Nationaldienstes teils harte Arbeitsbedingungen wie z.B. lange Arbeitszeiten, willkürliche Urlaubsgewährung herrschen (vgl. Eritrea: Nationaldienst, Themenpapier der SFH-Länderanalyse, Bern, 30. Juni 2017, S. 6 ff.) und auch hier die Nationaldienstleistenden nicht von sich aus entscheiden können, in welchem Bereich sie tätig werden, scheint sich die Leistung im zivilen Bereich des Nationaldienstes in vielen Fällen nicht von einer gewöhnlichen Arbeitstätigkeit in Eritrea zu unterscheiden. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass eine Einberufung in den zivilen Bereich des Nationaldienstes mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu einer menschenunwürdigen Behandlung führt, bestehen daher trotz der Einschränkungen für den Einzelnen und der möglicherweise langen Dienstdauer nach Ansicht des Gerichts nicht (vgl. auch VG Schleswig, U.v. 22.10.2018 – 3 A 365/17 – juris; VG Hamburg, U.v. 6.2.2020 – 19 A 641/19 – juris; BVerwG Schweiz, U.v. 10.7.2018; differenzierend VG Münster, U.v. 10.9.2019 – 11 K 5924/16.A.).
Allerdings ergibt sich vorliegend die beachtliche Wahrscheinlichkeit eines ernsthaften Schadens gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG im Hinblick auf die Klägerin aufgrund ihrer illegalen Ausreise und den hier weiter gegebenen Begleitumständen. Zwar teilt das Gericht aus den oben genannten Gründen die Einschätzung des Bundesamtes, dass das bloße Stellen eines Asylantrags und die illegale Ausreise bei einer Rückkehr nach Eritrea nicht zu einer flüchtlingsrelevanten Verfolgung führt, da eine mögliche Strafe der Rückkehrer nicht an flüchtlingsrelevante Merkmale anknüpfe (vgl. streitgegenständlicher Bescheid Seite 7).
Allerdings handelt es sich bei der illegalen Ausreise, von der auch das Gericht bei der Klägerin ausgeht, um eine Straftat, die mit Freiheitstrafe bis zu 5 Jahren oder Geldstrafe bestraft werden kann (Art. 29 Abs. 2 a Proclamation 24/1992) (vgl. AA Auskunft an VG Regensburg vom 28.5.2020). Zwar führt das Auswärtige Amt in seiner Auskunft weiter aus, dass nach seinen Erkenntnissen eine Bestrafung wegen illegaler Ausreise in der Regel unterbleibe, wenn der Betroffene gegenüber der eritreischen Regierung eine Reueerklärung unterzeichne und die eritreische Aufbausteuer in Höhe von 2% des Nettoeinkommens entrichte. Des Weiteren führte das Auswärtige Amt in einer Auskunft an das VG Schleswig-Holstein vom 14.4.2020 aus, dass ihm kein Fall bekannt sei, in dem ein eritreischer Staatsangehöriger nach Wiedereinreise allein aufgrund seiner illegalen Ausreise bestraft worden wäre. Im Hinblick darauf, dass bereits fraglich ist, ob im Falle einer unfreiwilligen Rückkehr der Klägerin eine Regelung eines Diasporastatus überhaupt möglich ist und im Hinblick auf das Reueformular auch von der Klägerin gefordert werden kann, kann wohl bereits nicht von einer Rückkehr der Klägerin im Diasporastatus ausgegangen werden und damit schon aus diesem Grund eine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Inhaftierung verneint werden. Im Übrigen bleibt auch anzumerken, dass der Diasporastatus nicht im Hinblick auf eine dauerhafte Rückkehr gestaltet ist, sondern für Aufenthalte zu Besuchszwecken. Das Gericht sieht diese Möglichkeit und die Tatsache, dass Besuche mit diesem Status auch unproblematisch möglich zu sein scheinen, zwar als gewichtiges Indiz dagegen, dass die Regierung alle Personen, die das Land illegal verlassen, um sich dem Nationaldienst zu entziehen oder desertieren, als politische Gegner einstuft und politisch verfolgt. Allerdings führt alleine die Möglichkeit des Diasporastatus nach Ansicht des Gerichts nicht bereits dazu, dass eine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Inhaftierung im Falle einer illegalen Ausreise und Asylantragsstellung von vornherein ausscheidet. Hierfür spricht auch der aktuelle Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 27.1.2020, wonach bei Rückkehrern, denen illegale Ausreise, das Umgehen der nationalen Dienstpflicht oder gar Fahnenflucht vorgeworfen werden kann, davon ausgegangen werden muss, dass sich diese bei einer Rückkehr nach Eritrea für diese Delikte zu verantworten hätten. Die Bestrafung könne von einer bloßen Belehrung bis zu einer Haftstrafe reichen (vgl. AA Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea, (Stand: Oktober 2019) vom 27.1.2020, S. 22).
Es kann hierbei dahinstehen, ob alleine im Falle einer illegalen Ausreise und Asylantragsstellung bereits eine beachtliche Wahrscheinlichkeit für eine Haftstrafe zu bejahen wäre. Denn im Falle der Klägerin ist nach Ansicht des Gerichts des Weiteren eine Bestrafung wegen Ausreise zur Umgehung des Nationaldienstes beachtlich wahrscheinlich. Auch wenn die Klägerin bislang wegen ihrer 2007 geborenen Tochter nicht in den Nationaldienst einberufen wurde, so war sie bzw. ist sie dennoch im nationaldienstpflichtigen Alter. Da im Hinblick auf die Praxis der Freistellung zum einen in der Regel von Kleinkindern gesprochen wird (vgl. AA an VG Schleswig-Holstein vom 27.7.2018) und sich diese Befreiung zudem nicht zwingend auf den zivilen Bereich des Nationaldienstes bezieht und die Klägerin nach glaubhaften Vortrag nie eingezogen, aber auch nicht offiziell demobilisiert wurde, besteht das „real risk“ das die eritreische Regierung auch in diesen Fällen von einer Ausreise zur Umgehung des Nationaldienstes ausgeht. Auch die Auskunft des AA an das VG SchleswigHolstein vom 27.7.2018 unterschiedet zwischen der Dienstpflicht von weiblichen Rückkehrern im dienstpflichtigen Alter und spricht nur von einer Befreiung von Müttern von Kleinkindern im Regelfall. Ferner spricht für diese Einschätzung auch, dass faktisch freigestellten verheirateten Frauen oder Mütter i.d.R. kein Ausreisevisum erteilt wird. Ausreisevisen werden i.d.R. nur erteilt, wenn der Nationaldienst beendet wurde oder eine Ausnahme von der Dienstpflicht nachgewiesen werden kann (vgl. BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Eritrea, Gesamtaktualisierung am 26.2.2019 S.24; AA an Verwaltungsgericht Regensburg vom 28.5.2020;
Im Hinblick darauf, dass nur wenige Fälle einer Rückkehr nach Eritrea – nicht lediglich zu Besuchszwecken – bekannt sind und in diesen jedoch regelmäßig Haftstrafen verhängt wurden (vgl. AA Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea, (Stand: Oktober 2019) vom 27.1.2020, S. 14 und S. 22) geht das Gericht vorliegend von der beachtlichen Wahrscheinlichkeit einer Haftstrafe in einem nicht rechtsstaatlichen Verfahren aus. Auch das Auswärtige Amt führt im Hinblick auf Strafverfolgung in seinem aktuellen Lagebericht aus, dass Minderjährige, die beim Versuch, das Land illegal zu verlassen, verhaftet werden, meist nach Hause geschickt werden. Volljährige und damit Wehr- und Nationaldienstpflichtige in Haft kämen, der aber auf Antrag häufig im offenen Vollzug abgeleistet werden könne (Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea, (Stand: Oktober 2019) vom 27.1.2020, S. 15). Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass sich in Eritrea zahlreiche Dienstverweigerer aufhalten und das Regime nicht mehr die Kapazitäten zu haben scheint, diese systematisch zu suchen und dem Nationaldienst zuzuführen, da die Klägerin bei einer Rückkehr bereits im Visier der Behörden wäre (anders wohl VG Gießen, U.v. 6 K 8852/17. GI.A – juris).
Zwar scheinen die Haftbedingungen in Eritrea nicht zwangsläufig unmenschlich zu sein (vgl. Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea, (Stand: Oktober 2019) vom 27.1.2020, S. 22). Dies ist jedoch – wie bereits oben ausgeführt – für eine beachtliche Wahrscheinlichkeit nicht erforderlich. Ausreichend ist nach den oben ausgeführten Grundsätzen, dass in Anbetracht der Gesamtumstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor einer Haftstrafe unter menschenrechtswidrigen Bedingungen hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 4.7.2019 – 1 C 31/18 – juris m.w.N.). Vorliegend geht das Gericht aufgrund der ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel davon aus, dass der Klägerin im Falle einer Rückkehr das „real risk“ einer Haftstrafe unter gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Bedingungen droht und dies nicht nur eine rein theoretische Möglichkeit ist, die eine verständige Person außer Acht lassen würde. Die Gesamtumstände des Falles und insbesondere die Berücksichtigung des willkürlichen Verhaltens des eritreischen Staates im Hinblick auf die Behandlung von Personen, die im nationaldienstpflichtigen Alter illegal ausreisen, führen zur Überzeugung des Gerichts, dass auch ein verständiger Mensch in der Situation der Klägerin das Risiko einer Rückkehr in den Heimatstaat nicht auf sich nehmen würde (a.A. VG Gera, U.v. 25.2.2020 – 4 K 1599/19 Ge – n.v. – VG Schleswig, U.v. 22.10.2018 – 2 A 365/17 – juris, VG Hamburg, U.v. 6.2.2020 – 19 A 641/19 – juris, VG Gießen – U.v. 12.6.2020 – 6 K 8852/17.GI.A – juris).
Nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnisquellen sind die Haftbedingungen z.T. unmenschlich hart und lebensbedrohlich. Auch wird von Schlägen und Folterungen berichtet. Auch sollen die hygienischen Zustände und die medizinische Versorgung in den Gefängnissen und Straflagern völlig unzureichend sein (Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea, (Stand: Oktober 2019) vom 27.1.2020, S. 20 m.w.N). Ausgehend hiervon hat die Klägerin auf Grund der beachtlichen Wahrscheinlichkeit einer Bestrafung unter menschenrechtswidrigen Haftbedingungen einen Anspruch auf die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus.
Auf die Ausführungen im Bescheid des Bundesamts vom 24.10.2019 wird im Übrigen Bezug genommen, § 77 AsylG.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 83b Asyl nicht erhoben.
Der Gegenstandswert folgt aus § 30 RVG.


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