Verwaltungsrecht

Anspruch auf Zulassung zum Studium der Zahnmedizin

Aktenzeichen  7 ZB 18.20002

Datum:
20.1.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 1171
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
HZV § 56 Abs. 1
KapVO Art. 19 Abs. 1
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1

 

Leitsatz

1. Die Berufung ist erfolglos. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Schlüssige Gegenargumente, welche substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigen aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergib, dass die erstinstanzliche Entscheidung im Ergebnis unrichtig ist, wurden nicht vorgetragen (NVwZ 2011, 546). Insbesondere ist die Berechnung der ausstattungsbezogenen Kapazität gem. § 39 Abs. 2 Satz 2 HZV korrekt.  (Rn. 6 – 8) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei den Behandlungseinheiten (= Behandlungsstühlen) handelt es sich um solche, die für die Zahnbehandlung oder -erhaltung objektiv geeignet sind. Zur Ausbildung ungeeignete und tatsächlich auch nicht zur Verfügung stehende Behandlungseinheiten müssen nicht in der Kapazitätsberechnung berücksichtigt werden.  (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Grenzwert 0,67 für die Berechnung der jährlichen Aufnahmekapazität der klinische Behandlungseinheiten für die Zahnerhaltungs- und Zahnersatzkunde je Studierendem oder Studierender gem. § 56 Abs. 1 Satz 1 HZV ist nicht zu beanstanden.  (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
4. Einzelerwägungen der Marburger Analyse, welche sich mit Methoden zur Kapazitätsermittlung im Studiengang Zahnmedizin” befasst, können nicht isoliert betrachtet werden.  (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 7 K 16.10031 2018-08-08 GeB VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin begehrt die Zulassung zum Studium der Zahnmedizin im ersten Fachsemester an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) nach den rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen des Wintersemesters 2015/16, weil die Universität ihre Ausbildungskapazität nicht ausgeschöpft habe.
Das Verwaltungsgericht Würzburg hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 8. August 2018 abgewiesen, weil alle Studienplätze für Studienanfänger im Studiengang Zahnmedizin im Wintersemester 2015/2016 vergeben wurden und keine weiteren Studienplätze vorhanden waren.
Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung macht die Klägerin geltend, an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung bestünden ernstliche Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Sie trägt im Wesentlichen vor, sowohl das Verwaltungsgericht als auch der Verwaltungsgerichtshof hätten bereits in der Vergangenheit fehlerhaft entschieden, dass aufgrund der Besonderheit des Fachs “Parodontologie” die entsprechenden Behandlungseinheiten (= Behandlungsstühle) bei der Kapazitätsberechnung nicht zu berücksichtigen seien. Der Grenzwert für die jährliche Aufnahmekapazität von 0,67 nach § 19 Abs. 1 KapVO (richtig § 56 Abs. 1 HZV) berücksichtige bereits, dass ein gewisser Anteil von Patienten für die studentische Ausbildung nicht geeignet sei. Die Ausgliederung der Behandlungseinheiten mit der Begründung, diese würden nur für die Behandlung der für die studentische Ausbildung nicht geeigneten schweren Erkrankungsfälle verwendet, habe zur Folge, dass die Berechnung nach § 19 Abs. 1 KapVO (richtig § 56 Abs. 1 HZV) statistisch verfälscht werde. Die bisherige Rechtsprechung zur Ausgliederung der Behandlungseinheiten wegen Nichtgeeignetheit der Patienten sei aufzugeben, da eine derartige Klassifizierung verfehlt sei. Verwiesen werde auf das Fachgutachten zur Bewertung des Faches “Parodontologie” im Lehrbetrieb an deutschen Universitätskliniken unter definierter Beurteilung der Zuordnung nach KapVO von Dr. S. Dieser lege ausführlich dar, dass es sich bei dem Fach “Parodontologie” um ein ganz normales Fach des Lehrbetriebs handle, bei dem keine Sonderbehandlung im Sinne von Eignungswahrscheinlichkeit oder ähnlichem zugrunde gelegt werden könne.
Der Beklagte tritt dem Antrag entgegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind anzunehmen, wenn in der Antragsbegründung ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden (vgl. etwa BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – NJW 2009, 3642) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838/839). Schlüssige Gegenargumente in diesem Sinne liegen dann vor, wenn der Rechtsmittelführer substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung im Ergebnis unrichtig ist (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546/548).
Durch das Vorbringen der Klägerin im Zulassungsverfahren wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht ernstlich in Frage gestellt und es werden keine Gesichtspunkte aufgezeigt, die weiterer Klärung in einem Berufungsverfahren bedürften. Die Einwände gegen die Rechtsprechung zur Berechnung der ausstattungsbezogenen Kapazität überzeugen nicht. Das Verwaltungsgericht geht zu Recht davon aus, dass die JMU ihre Ausbildungskapazität im Studiengang Zahnmedizin ausgeschöpft hat. Zur Begründung beruft es sich auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofs vom 21. Oktober 2016 – 7 CE 16.10279 und 7 CE 16.10280 – (juris), die die Berechnung der ausstattungsbezogenen Kapazität für das Sommersemester 2016 gebilligt haben. Nichts anderes kann für die Berechnung der hier maßgeblichen ausstattungsbezogenen Kapazität für das Wintersemester 2015/2016 gelten, weil der Festsetzung der Zulassungszahl die jährliche Aufnahmekapazität zugrunde gelegt wird (vgl. § 39 Abs. 2 Satz 2 HZV).
Wie der Senat auch für die Berechnung der ausstattungsbezogenen Kapazität in anderen Jahren bereits mehrfach entschieden hat (vgl. BayVGH, B.v. 7.7.2017 – 7 CE 17.10045 u.a.; B.v. 1.2.2016 – 7 ZB 15.10368; B.v. 19.11.2013 – 7 CE 13.10250; B.v. 11.7.2011 – 7 CE 11.10096 – jeweils juris), geht die JMU in ihrer Kapazitätsberechnung zutreffend von den ihr für die Ausbildung der Studierenden im Studiengang Zahnmedizin zur Verfügung stehenden 57 klinischen Behandlungseinheiten der Lehreinheit Zahnmedizin für die Zahnerhaltungs- und Zahnersatzkunde aus (§ 56 Abs. 1 HZV). Bei den Behandlungseinheiten (= Behandlungsstühlen) handelt es sich um solche, die für die Zahnbehandlung oder -erhaltung objektiv geeignet sind und auch nach der Organisation der JMU diesen Zwecken dienen. Die JMU hat die drei klinischen Behandlungseinheiten in den Räumen der Abteilung für Parodontologie in die Kapazitätsberechnung zu Recht nicht einbezogen, weil diese Behandlungseinheiten für die Behandlung der für die studentische Ausbildung nicht geeigneten schweren Erkrankungsfälle verwendet werden. Studentische Ausbildung in Bezug auf Parodontologiebehandlungen, die nach § 49 Satz 5 der Approbationsordnung für Zahnärzte Bestandteil der Prüfung in der Zahnerhaltungskunde sind, findet demgegenüber an anderen klinischen Behandlungseinheiten statt, welche in die Kapazitätsberechnung einbezogen sind. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die JMU nicht verpflichtet, zur Ausbildung ungeeignete und tatsächlich auch nicht zur Verfügung stehende Behandlungseinheiten in ihrer Kapazitätsberechnung zu berücksichtigen und auf diese Weise ihre Ausbildungskapazität zulasten einer ordnungsgemäßen Ausbildung der Studierenden rechnerisch zu erhöhen. Nicht zum Tragen kommt deshalb der Vortrag der Klägerin, der Grenzwert für die jährliche Aufnahmekapazität von 0,67 beinhalte bereits einen statistischen Abschlag zur Kompensation von für die Ausbildung ungeeigneter Patienten; eine zusätzliche Ausgliederung von nicht für die Ausbildung geeigneter Behandlungseinheiten stelle eine “statistische Trickserei” dar. Denn der Grenzwert von 0,67 ist ausschließlich im Zusammenhang mit den für die studentische Ausbildung geeigneten und für diese vorgesehenen Behandlungseinheiten zu betrachten.
Die JMU setzt auch – wie der Senat ebenfalls bereits mehrfach entschieden hat (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 21.10.2016 – 7 CE 16.10280 – juris Rn. 11 f.; B.v. 1.2.2016 – 7 ZB 15.10368 – juris Rn. 9) – zu Recht als Grenzwert für die Berechnung der jährlichen Aufnahmekapazität 0,67 klinische Behandlungseinheiten für die Zahnerhaltungs- und Zahnersatzkunde je Studierendem oder Studierender an (§ 56 Abs. 1 Satz 1 HZV). Das von der Klägerin vorgelegte “Gutachten mit der Bewertung des Faches Parodontologie im Lehrbetrieb an deutschen Universitäts-Zahnkliniken unter definierter Beurteilung der Zuordnung nach KapVO” von Dr. H.S. vom 27. Juli 2013 beinhaltet – ungeachtet dessen, dass es sich nicht mit den Verhältnissen an der JMU befasst – insofern keine neuen bzw. davon abweichenden Erkenntnisse. Die Bewertung des Faches “Paradontologie” im Lehrbetrieb ist für die Festsetzung des Grenzwerts von 0,67 ohne Relevanz.
Der Grenzwert von 0,67 beruht – wie der Senat ebenfalls in der Entscheidung vom 21. Oktober 2016 – 7 CE 16.10280 – (juris Rn. 12) unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 13. Dezember 1984 – 7 C 85.82 – (BVerwGE 70, 346) bereits ausgeführt hat – auf der sachverständigen Grundlage des von der Projektgruppe Zahnmedizin an der Philipps-Universität Marburg im Jahr 1976 erstellten sogenannten “Mangel-Gutachtens” (“Marburger Analyse”), das sich grundlegend mit der “Analyse und Bewertung von Daten und Methoden zur Kapazitätsermittlung im Studiengang Zahnmedizin” befasst. Danach können Einzelerwägungen der Marburger Analyse nicht isoliert betrachtet werden, weil das den Grenzwert erklärende “Ableitungsmodell” der Marburger Analyse von den konkreten Ausstattungsverhältnissen der Einzelkliniken abstrahierende Modellannahmen zu Grunde legt, die in ihrem Gesamtzusammenhang die teilweise widerstreitenden Interessen des klinischen Personals, der auszubildenden Studenten und der Studienbewerber zum Ausgleich bringen. Dem Normgeber obliegt es zwar, die Grenzwertregelung unter Beobachtung zu halten und zu überprüfen, ob der Ausbildungsbetrieb, ohne Schaden zu nehmen, eine zulassungsgünstigere Ausgestaltung des Kapazitätsrechts gestattet. Er muss jedoch nicht darlegen, warum er bei gleichbleibenden Verhältnissen eine einmal getroffene Regelung nicht zulassungsgünstiger ändert. Entgegen der Ansicht der Klägerin genügt es daher nicht, den derzeit geltenden Grenzwert oder Einzelerwägungen der Marburger Analyse in Zweifel zu ziehen, solange nicht dargetan wird, dass die Ausbildung der Zahnmediziner, ohne Schaden zu nehmen, auch bei Annahme eines zulassungsgünstigeren Grenzwerts möglich wäre. Welche Konsequenzen die Klägerin aus ihrem Vortrag, laut Internetausdruck vom 14. November 2016 existierten ein Phantomkurs Paradontologie und Behandlungskurse Paradontologie I und II, die in anderen Räumlichkeiten stattfänden, herleiten will, erschließt sich nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 2 GKG.


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