Verwaltungsrecht

Antrag auf Befreiung von der Berufsschulpflicht

Aktenzeichen  M 3 E 16.9

Datum:
16.2.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayEUG BayEUG Art. 39 I, IV 1 Nr. 3 u. Art. 36
VwGO VwGO § 123 I

 

Leitsatz

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert wird auf 2.500,- € festgesetzt,

Gründe

I.
Der am … 1999 geborene Antragsteller besuchte vom Schuljahr 2006/2007 bis 2009/2010 die Grundschule, im Anschluss daran vom Schuljahr 2010/2011 bis 2014/2015 die Mittelschule.
Der Antragsteller begann im Jahr 2004 mit der Ausübung des …-sports. Eigener Angabe zufolge trainierte er von 2006 bis 2010 in der …-schule … in … war von 2008 bis 2010 im Kadertraining München/Oberbayern des Bayerischen …-verbands (…), in der Folgezeit an verschiedenen Trainingszentren. Seit 2015 trainiert der Antragsteller an der …-schule … in … Sein aktueller Trainingsplan sieht – nach eidesstattlicher Versicherung des Trainers – derzeit vor:
jeweils Montag bis Donnerstag
von 9 bis 10 Uhr selbstständiges Warm-up,
von 10 bis 12 Uhr Taktik- und Techniktraining in Einzelstunden,
von 13 bis 14 Uhr Matchtraining mit Spielern,
von 17 bis 18 Uhr Ausdauertraining;
jeweils Montag bis Mittwoch zusätzlich von 16 bis 17 Uhr Fitness- und Konditionstraining,
freitags: je nach körperlicher Form und Turnierplanung zusätzliches Training sowie die Teilnahme am Herrenmannschaftstraining von 20 bis 22 Uhr,
für das neue Jahr zusätzliche Einheiten im Bereich Mentaltraining.
Mit Schreiben vom 30. September 2015 wiesen die Beruflichen Schulen … (im Folgenden: die Schule) die Mutter des Antragstellers auf seine Berufsschulpflicht für das Schuljahr 2015/2016 hin, Unterrichtsbeginn sei der 5. Oktober 2015.
Mit E-Mail vom … Oktober 2015 teilte die Schule der Mutter des Antragstellers mit, der Antragsteller sei für den zweiten Unterrichtsblock für Jugendliche ohne Ausbildungsplatz vom 11. Januar bis 18. März 2016 vorgesehen.
Mit Schreiben vom … November 2015 beantragten die Bevollmächtigten für den Antragsteller bei der Schule, den Antragsteller nach Art. 39 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BayEUG von der Pflicht zum Besuch der Berufsschule zu befreien, hilfsweise ihn zunächst für das Schuljahr 2015/2016 nach § 34 Abs. 1 BSO zu beurlauben.
Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antragsteller sei Hochleistungssportler und strebe eine Profikarriere im … an. Es würde für ihn eine unzumutbare Härte darstellen, wenn er sein …- und Turnierprogramm einschränken oder unterbrechen müsste, um seiner Berufsschulpflicht nachzukommen. Eine internationale Profikarriere sei realistisch. Das öffentliche Interesse an der Förderung des Spitzensports sei als abwägungserheblicher Belang zu würdigen.
Mit Schreiben vom 9. Dezember 2015 teilte die Schule den Bevollmächtigten mit, mit dem Besuch der Berufsschule im Zeitraum vom 11. Januar 2016 bis 18. März 2016 erfülle der Antragsteller die Berufsschulpflicht für das Schuljahr 2015/2016. Mit diesem Angebot sei bereits dem Wunsch der Mutter entgegengekommen, dem Antragsteller möglichst viel Spielraum für seine sportliche Ausbildung und Tätigkeit zu bieten. Diese Unterrichtsblock umfasse weniger Stunden als die Unterrichtsblöcke zu Beginn und zum Ende des Schuljahres, der Unterricht finde nur am Mittwoch, Donnerstag und Freitag statt. Für eine Befreiung vom Besuch der Berufsschule nach Art. 39 Abs. 4 Nr. 3 BayEUG werde keine Veranlassung gesehen, auch vor dem Hintergrund, dass sich der Antragsteller erst im 10. Schulbesuchsjahr befinde. Für die Teilnahme an Kursen oder an besonderen sportlichen Ereignissen sei eine tageweise Beurlaubung vom Besuch der Berufsschule möglich.
Eine erneute Bitte der Bevollmächtigten um antragsgemäße Entscheidung mit Schreiben vom … Dezember 2015 lehnte die Schule mit Schreiben vom 7. Januar 2016 unter Hinweis auf das Schreiben vom 9. Dezember 2015 ab; ergänzend wurde angeboten, den Antragsteller generell vom Sportunterricht zu befreien, so dass für ihn der Unterricht am Mittwoch bereits um 11.15 Uhr enden würde.
Am … Januar 2016 beantragten die Bevollmächtigten des Antragstellers beim Verwaltungsgericht München,
dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO aufzugeben, den Antragsteller vorläufig bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache von der Pflicht zum Besuch der Berufsschule zu entbinden.
Ein Bescheid über den Antrag vom … November 2015 sei bislang nicht ergangen. Der Anordnungsgrund sei darin begründet, dass der unmittelbar bevorstehende Unterrichtsbeginn den Antragsteller hindere, seinen langfristig ausgerichteten Trainingsplan weiterverfolgen zu können; er müsse seinen Wettkampfbetrieb deutlich einschränken. Nach fachlicher Einschätzung seines Trainers könnte dies zu irreversiblen Nachteilen für die sportliche Entwicklung und Aufbauarbeit des Antragstellers führen. Der Antragsteller befinde sich in dem maßgeblichen Alter zwischen 14 bis 23 Jahren, in dem sich regelmäßig entscheide, ob der Durchbruch als …profi gelinge oder nicht; hierzu wurde eine eidesstattliche Erklärung vorgelegt.
Der Anordnungsanspruch folge aus Art. 39 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BayEUG i. V. m. § 33 Abs. 1 BSO und aus Art. 12 Abs. 1 GG, hinsichtlich der hilfsweise begehrten Beurlaubung könne sich der Antragsteller auf § 34 Abs. 1 BSO berufen. Es spreche viel dafür, dass sich das Ermessen in Richtung eines Anspruchs auf Befreiung verdichtet habe. Der Beruf des Profisportlers, den der Antragsteller anstrebe, sei ein vom Schutzbereich der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG umfasster Beruf. Eine anerkannte Berufsausbildung zum …profi gebe es nicht. Dementsprechend kollidiere die Berufsschulpflicht für Jugendliche ohne Ausbildungsplatz mit der Trainings- und Wettkampfausbildung zum …profi. Die Härtefallklausel des Art. 39 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BayEUG biete die Möglichkeit, den Trainings- und Wettkampfbetrieb, der gleichsam die Ausbildung zum Beruf …profi darstelle, mit der grundsätzlich bestehenden Berufsschulpflicht in Einklang zu bringen. Durch Art. 39 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BayEUG sollten besondere Konstellationen gelöst werden können, in denen es bei Jugendlichen ohne Ausbildungsplatz aus nachvollziehbaren Gründen ausnahmsweise eine unbillige Härte bedeuten würde, wenn sie ihrer grundsätzlich bestehenden Berufsschulpflicht nachkommen müssten. Der Antragsteller habe anders als in den meisten anderen nicht reglementierten Berufsbildern keine Möglichkeit, seine diesbezügliche Entwicklung erst nach Abschluss der Berufsschulpflicht voranzutreiben. Es würden ihm dann Jahre der kontinuierlichen sportlichen Leistungssteigerung fehlen. Die öffentliche Förderung des Spitzensports stelle einen öffentlichen Belang dar, der in behördliche Ermessensentscheidungen – zumindest – einzubeziehen und zu würdigen sei. Die Möglichkeit, etwa ein Sportgymnasium zu besuchen, an dem die Erfüllung der Schulpflicht mit dem Trainings- und Wettkampfbetrieb jugendlicher Spitzensportler organisatorisch zusammengebracht werde, habe der Antragsteller nicht, da er nicht über die Zugangsvoraussetzungen für ein Gymnasium verfüge.
Der Antragsteller legte Auszüge aus der deutschen Rangliste des Deutschen …bunds der U 18 – U 12 – Junioren bei, wo der Antragsteller zum Stichtag 31. März 2015 auf Rang …, zum Stichtag 30. September 2015 auf Rang … geführt wird. Er legte außerdem eine eidesstattliche Versicherung seines Trainers vor, wonach im Bereich … ein regelmäßiges und aufwendiges Training mit etwa 10 Trainingseinheiten pro Woche unbedingt erforderlich sei, dazu käme eine Vielzahl von Athletiktrainingseinheiten. Ergänzend wurde ein zusammenfassender Bericht der schulpsychologischen Arbeit mit dem Antragsteller im März 2014 durch die staatliche Schulpsychologin Frau V. vom … Januar 2016 vorgelegt. Danach befand sich der Antragsteller zu diesem Zeitpunkt in einer sehr belasteten Situation; im Mittelpunkt der Arbeit stand die Wahrnehmung bisher erfolgreicher Bewältigungsstrategien und der Blick auf Ressourcen und Stärken, als wichtigste Ressource habe sich in dieser Phase für den Antragsteller das … herausgestellt.
Ergänzend trugen die Bevollmächtigten vor, die Trainingseinheiten müssten sich deshalb grundsätzlich auf Montag bis Donnerstag konzentrieren, da die Turniere meistens ab Freitag beginnen würden. Ein regelmäßiges Training freitags sei daher nicht möglich. Wenn er nicht an Turnieren teilnehme, trainiere der Antragsteller auch freitags. Selbst weniger Trainingseinheiten als im gegenwärtigen Konzept vorgesehen könnte der Antragsteller insbesondere wegen der weiten Fahrtwege zwischen Trainingsorten, Schulstandort und Wohnort im Fall der Teilnahme am Berufsschulunterricht nicht bewerkstelligen.
Der Antragsgegner erhielt Gelegenheit zur Äußerung. Wegen weiterer Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Der gestellte Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO hat keinen Erfolg.
Nach § 123 Abs. 1 S. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht der Hauptsache auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert würde. Nach § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO ist eine Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn glaubhaft gemacht wird, dass die Regelung nötig erscheint, um den Antragsteller vor bestimmten Nachteilen zu bewahren. Der Antrag ist somit begründet, wenn insbesondere der prozessuale Anspruch auf Sicherung des Hauptsacheanspruchs besteht. Das ist der Fall, wenn der zu sichernde Anspruch des Antragstellers nach den Vorschriften des materiellen Rechts besteht (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft (§ 294 ZPO) gemacht wird. Bei der Entscheidung nach § 123 Abs. 1 VwGO hat das Gericht die widerstreitenden privaten und öffentlichen Interessen der Beteiligten gegeneinander abzuwägen. Für diese Abwägung ist nach ständiger Rechtsprechung in erster Linie entscheidend, ob die Antragspartei mit einem Erfolg in einem Hauptsacheverfahren rechnen könnte. Insbesondere dann, wenn mit einer – sei es auch nur befristeten – Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Hauptsache bereits vorweggenommen würde, muss der Erfolg in der Hauptsache nicht nur wahrscheinlich sein, sondern bejaht werden können.
Zwar hat der Antragsteller einen Anordnungsgrund dargelegt, da nach seiner Darstellung bereits der Besuch des aktuellen Unterrichtsblocks, um die Berufsschulpflicht im Schuljahr 2015/2016 zu erfüllen, bei ihm zu einem schweren, möglicherweise in der Zukunft nicht mehr kompensierbaren Nachteil hinsichtlich des angestrebten Berufsziels eines …-Profi-Sportlers führt.
Das Gericht geht jedoch bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur möglichen überschlägigen Überprüfung davon aus, dass der Antragsteller nicht die Befreiung von der für das laufende Schuljahr bestehenden Berufsschulpflicht beanspruchen kann, dass der Antragsgegner somit den darauf gerichteten Antrag mit Schreiben vom 9. Dezember 2015 zu Recht abgelehnt hat.
Der Antragsteller unterliegt der Berufsschulpflicht. Nach Art. 37 Abs. 3 Satz 1 des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) i.d.F der Bek. vom 31. Mai 2000 (GVBl 2000, S. 414) endet die Vollzeitschulpflicht nach neun Schuljahren; gemäß Art. 39 Abs. 1 BayEUG wird nach dem Ende der Vollzeitschulpflicht die Schulpflicht durch den Besuch der Berufsschule erfüllt, soweit keine andere in Art. 36 BayEUG genannte Schule besucht wird. Dass der Antragsteller unter die gesetzliche Berufsschulpflicht fällt, wird auch von ihm nicht in Abrede gestellt.
Ebenso unstreitig ist, dass für den Antragsteller keiner der in Art. 39 Abs. 3 BayEUG genannten Befreiungstatbestände zutrifft.
Dem Antragsteller steht jedoch, bei der im vorliegenden Verfahren nur möglichen überschlägigen Überprüfung der Sach- und Rechtslage, auch kein Anspruch auf Befreiung vom Besuch der Berufsschule auf der Grundlage des Art. 39 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BayEUG zu. Nach dieser Vorschrift können Berufsschulpflichtige ohne Ausbildungsverhältnis allgemein oder im Einzelfall bei Vorliegen eines Härtefalls vom Besuch der Berufsschule befreit werden.
Beim Begriff des „Härtefalls“ handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Mit der Aufnahme einer Härtefallklausel in ein Gesetz will der Gesetzgeber ein Korrektiv der gesetzlichen Vorgaben für einen – atypischen – Einzelfall eröffnen. Als Ausnahmen von den gesetzlichen Vorgaben sind Härtefallregelungen grundsätzlich restriktiv anzuwenden. Hinzukommt, dass es sich bei den Umständen, die das Vorliegen eines Härtefalls begründen sollen, um auf einen speziellen Einzelfall bezogene Fallgestaltungen handeln muss; falls diese Umstände auch bei einer Vielzahl anderer Betroffener in gleicher Weise vorliegen könnten, der Gesetzgeber sie aber nicht in die gesetzlichen Regelungen einbezogen hat, darf dieser gesetzgeberische Wille nicht durch die Anwendung der Härtefallklausel missachtet werden. Üblicherweise handelt es sich bei den Umständen, die einen Härtefall begründen können, um unvorhergesehen auftretende, vom Betroffenen nicht beeinflussbare Ereignisse.
Wenn der Begriff des Härtefalls im Sinne von Art. 39 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BayEUG in diesem Sinn verstanden wird, dann können die vom Antragsteller genannten Umstände in Anbetracht des hohen Rangs, den der Gesetzgeber der Erfüllung der Schulpflicht einräumt, keinen Härtefall begründen und daher nicht den Ermessensspielraum der Vorschrift, der wohl im Sinne eines intendierten Ermessens auszufüllen wäre, eröffnen.
Nach Art. 129 Abs. 1 der Bayerischen Verfassung sind alle Kinder zum Besuch der Volksschule und der Berufsschule verpflichtet. Die Schulpflicht stellt „eine die Kinder und ihre Eltern treffende staatsbürgerliche Grundpflicht“ dar (BayVerfGH, E. v. 13.12.2002 – Vf. 73 – VI – 01 – BayVBl 2003, 236, Rn. 29); sie gilt „als eine unverzichtbare Bedingung für die Gewährleistung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und zugleich als unerlässliche Voraussetzung für die Sicherung der wirtschaftlichen und sozialen Wohlfahrt der Gesellschaft“, sie stellt sicher, dass sich jeder dieser Grundausbildung unterzieht (BayVerfGH, a. a. O. Rn. 31). Die Durchsetzung der Schulpflicht verstößt nicht gegen grundrechtlich geschützte Rechtspositionen (BayVGH, B. v. 16.3.1992 – 7 CS 92.512 – BayVBl 1992, 343, Rn. 19).
Der Gesetzgeber geht vom Fortbestand der Schulpflicht auch für diejenigen Jugendlichen aus, die eine spezielle – sei es künstlerische oder sportliche – Laufbahn anstreben, für die sie sich im außerschulischen Bereich fortbilden müssen. In dieser Situation befindet sich eine Vielzahl von Jugendlichen. Die „Deutsche Rangliste 2015 Junioren Jg. 1997 – 2004“ umfasst allein in dem vom Antragsteller vorgelegten Auszug Rangziffern bis 4358. Es gibt viele Sportarten, in denen bereits Jugendliche zum Leistungssport hingeführt werden. Dasselbe gilt für eine Ausbildung an einem Musikinstrument, auch hier müssen Jugendliche, die eine Solistenkarriere anstreben, bereits frühzeitig mit einer weit über eine hobbymäßige Beschäftigung hinausgehenden Intensität auf das selbst gesteckte Ziel hinarbeiten, durch Unterricht, Übungseinheiten oder etwa durch Auftritte und die Teilnahme an Wettbewerben. Trotzdem hat der Gesetzgeber diesen Umstand nicht gleichrangig neben den in Art. 39 Abs. 4 Satz 1 Nrn. 1 und 2 BayEUG genannten Befreiungstatbeständen in das Gesetz aufgenommen. Vielmehr hat er die Möglichkeit einer Befreiung von der Berufsschulpflicht auf die Fälle bezogen, in denen wegen anderweitiger Ausbildung des Jugendlichen, durch den Besuch von Vollzeitlehrgängen (Nr. 1) oder bei Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses, jedoch erst nach elf Schulbesuchsjahren (Nr. 2) auch ohne den Besuch der Berufsschule eine angemessene Ausbildung gewährleistet ist. Diese gesetzgeberische Entscheidung hat der Antragsgegner zu Recht akzeptiert, an dieser Vorgabe des Gesetzgebers hat sich auch das Gericht bei seiner rechtlichen Beurteilung zu orientieren.
Zwar geht das Gericht angesichts der vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen zu seinem Trainingsumfang und der derzeitigen Einbindung in den Turnierbetrieb davon aus, dass der Antragsteller tatsächlich eine weit über die hobbymäßige Beschäftigung hinausgehende sportliche Ausbildung absolviert. Es ist für das Gericht auch nachvollziehbar, dass die in diesem Bereich erzielten Erfolge für den Antragsteller in seiner persönlichen Entwicklung zentrale Bedeutung haben. Trotzdem kann der Antragsteller nicht verlangen, dass über die Zuerkennung des Vorliegens eines Härtefalls die in der Verfassung verankerte Schulpflicht zurücktritt hinter das von ihm entwickelte, rein private Trainings-/Ausbildungskonzept. Vielmehr muss in eine solche private Planung von vornherein die Schulpflicht miteinbezogen werden. Wenn im Nachhinein eine Kollision zwischen der Schulpflicht und dem privaten Trainings-/Ausbildungskonzept auftritt, kann diese nicht zulasten der Erfüllung der verfassungsrechtlich verankerten Schulpflicht gelöst werden.
Das „Fernstudium“ an einer österreichischen privaten Bildungseinrichtung, das der Antragsteller eigener Aussage zufolge absolviert und wofür er eine Teilnahmebestätigung vorgelegt hat, ist im vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich. Der Gesetzgeber hat geregelt, durch den Besuch welcher Schulen die Schulpflicht erfüllt werden kann; der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass dieses Fernstudium zur Erfüllung der Schulpflicht nach dem BayEUG ausreichend wäre; dies ist auch für das Gericht nicht ersichtlich, da die österreichische Bildungseinrichtung nicht zu den in Art. 36 BayEUG genannten Schulen gehört, durch deren Besuch die Schulpflicht erfüllt wird.
Da sich die Schulpflicht bereits grundsätzlich gegenüber dem vom Antragsteller privat organisierten Trainings- und Ausbildungskonzept durchsetzt, kommt es nicht darauf an, ob und in welchem Ausmaß dieses Konzept durch den streitgegenständlichen Blockunterricht (an zwei Wochentagen jeweils von 8.00 bis 13.00 Uhr, an einem Tag von 8.00 bis 11.15 Uhr) dauerhaft und irreversibel beeinträchtigt würde, was für das Gericht anhand des bisherigen Vortrags allerdings noch nicht nachvollziehbar dargelegt wurde.
Die Gewährung von Beurlaubungen (§ 34 BSO) zur Teilnahme an Turnieren hat der Antragsgegner bereits in Aussicht gestellt; im Wege der Beurlaubung kann jedoch nicht die vom Antragsteller gewünschte generelle Entbindung vom Besuch der Berufsschule im aktuellen Schuljahr erreicht werden.
Der Antrag war daher abzulehnen.
Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO
Streitwert: §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1, 2 GKG


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