Verwaltungsrecht

Antrag auf Zulassung von Berufung – Anspruch auf die Beibehaltung von Einnummerierung

Aktenzeichen  8 ZB 18.178

Datum:
12.6.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 14555
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, § 124a Abs. 4 S. 4, § 173 S. 1
ZPO § 278 Abs. 1
BayStrWG Art. 52

 

Leitsatz

1 Bei der Bezeichnung der Grundstücke einer Gemeinde mit Hausnummern handelt es sich um eine rein ordnungsrechtliche Aufgabe. Sie verleiht den Eigentümern der Grundstücke keine Befugnisse oder Rechtsstellungen, die sie ohne die Bezeichnung nicht hätten, und begründet auch keine begünstigenden Rechtspositionen. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein Recht auf fehlerfreien Ermessensgebrauch besteht nicht für sich, sondern setzt eine materielle Rechtsposition voraus, also eine Norm, die zumindest auch dem Individualinteresse zu dienen bestimmt ist. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
3 Ein Verfahrensmangel wegen Verstoßes gegen § 173 S. 1 VwGO iVm § 278 Abs. 1 ZPO setzt zunächst eine realistische Möglichkeit einer vergleichsweisen Einigung voraus. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
4 Art. 103 Abs. 1 GG verlangt nicht, dem Beteiligten neben seinem Rechtsanwalt die Möglichkeit zu persönlichen Erklärungen zu geben. Etwas anderes gilt nur dann, wenn gewichtige Gründe substantiiert vorgetragen werden, die die persönliche Anwesenheit des Beteiligten in der mündlichen Verhandlung zur Aufklärung des Sachverhalts oder zur effektiven Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung als erforderlich erscheinen lassen. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 2 K 17.3476, M 2 K 17.3478 2017-11-28 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
III. Der Streitwert wird für das Antragsverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin ist Eigentümerin mehrerer zusammenhängender Grundstücke in der Innenstadt von M …, auf denen sich ein Büro-, Wohn- und Geschäftshauskomplex befindet und die an drei Seiten von der überörtlich bekannten Geschäftsstraße M …straße sowie den weniger bekannten Straßen H … und F …straße umschlossen werden. Sie möchte letztlich für alle Gebäudeteile die Einnummerierung zur M …straße.
Während die von der M …straße erschlossenen vorderen Gebäudeteile bisher dieser zugeordnet waren (Hausnummern X und Y), hatte die Beklagte zuletzt mit Bescheid vom 16. April 1968 für einen an der F …straße gelegenen Gebäudeteil im Südosten die Zuordnung und Hausnummer „F …straße W“ vergeben. Nach dem Abschluss von Umbau- und baulichen Erweiterungsmaßnahmen verfügte die Beklagte mit drei Bescheiden vom 28. Juni 2017 die Einnummerierungen M …straße X (nordwestliche Geschäftszeile) und F …straße Z (durch südwestliches Treppenhaus erschlossene Gebäudeteile). Die nordöstliche Geschäftszeile erhielt die Hausnummer M …straße Y, ebenso die durch das südöstliche Treppenhaus erschlossenen Gebäudeteile (bisher F …straße W).
Die Klägerin hat Anfechtungsklage gegen die Einnummerierungsbescheide M …straße X (Az. M 2 K 17.3476) und F …straße Z (Az. M 2 K 17.3478) erhoben. Zur Begründung führte sie aus, dass nur ein geringer Teil der Nutzflächen über die Treppenhäuser an der F …straße erschlossen werde. Es bestehe daher kein Anlass, die bisherige Nummerierung und Zuordnung des gesamten Gebäudeteils zur M …straße X zu ändern.
Das Verwaltungsgericht wies beide Klagen mit Urteil vom 28. November 2017 ab. Mit ihren Anträgen auf Zulassung der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Rechtsschutzbegehren weiter. Soweit sich die Klägerin gegen den Zuteilungsbescheid F …straße Z (Az. M 2 K 17.3478) wendet, wurde das Verfahren – nach Klarstellung des Rechtsschutzziels durch die Klägerbevollmächtigten – abgetrennt und unter dem Aktenzeichnen 8 ZB 17.411 fortgeführt.
II.
Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg. Die von der Klägerin geltend gemachten Zulassungsgründe sind nicht hinreichend dargelegt oder liegen nicht vor (§ 124 Abs. 2, § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO).
1. Aus dem Vorbringen der Klägerseite ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen nur, wenn einzelne tragende Rechtssätze oder einzelne erhebliche Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts durch schlüssige Gegenargumente infrage gestellt werden (vgl. BVerfG, B.v. 16.7.2013 – 1 BvR 3057/11 – BVerfGE 134, 106 = juris Rn. 36; B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – NVwZ 2016, 1243 = juris Rn. 16). Sie sind nicht erst dann gegeben, wenn bei der im Zulassungsverfahren allein möglichen summarischen Überprüfung der Erfolg des Rechtsmittels wahrscheinlicher ist als der Misserfolg (vgl. BVerfG, B.v. 3.3.2004 – 1 BvR 461/03 – BVerfGE 110, 77/83; B.v. 16.1.2017 – 2 BvR 2615/14 – IÖD 2017, 52 = juris Rn. 19). Schlüssige Gegenargumente liegen vor, wenn der Antragsteller substanziiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546/548 = juris Rn. 19; BayVGH, B.v. 12.10.2017 – 14 ZB 16.280 – juris Rn. 2 m.w.N.). Dabei kommt es grundsätzlich nicht auf einzelne Elemente der Urteilsbegründung an, sondern auf das Ergebnis der Entscheidung, also auf die Richtigkeit des Urteils nach dem Sachausspruch in der Urteilsformel (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838 = juris Rn. 9; BayVGH, B.v. 19.3.2013 – 20 ZB 12.1881 – juris Rn. 2). Das Darlegungsgebot (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) erfordert, die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Dies bedarf einer substanziierten Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung, durch die der Streitstoff durchdrungen und aufbereitet wird (vgl. BayVGH, B.v. 10.7.2017 – 19 ZB 17.952 – juris Rn. 4; B.v. 1.3.2018 – 8 ZB 17.1486 – juris Rn. 11 m.w.N.).
Gemessen an diesen Anforderungen zeigt die Klägerin keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Ersturteils auf.
1.1 Das klägerische Vorbringen zum Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Ersturteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) wird den Darlegungserfordernissen nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO zumindest in weiten Teilen nicht gerecht. Es erschöpft sich weitestgehend in der Wiederholung des Vortrags im verwaltungsgerichtlichen Verfahren. Auf das angegriffene Ersturteil geht die Klägerin nur oberflächlich ein, ohne sich substanziiert mit den Gründen auseinanderzusetzen. Ob der Antrag insofern die Zulässigkeitsanforderungen erfüllt, kann dahinstehen, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Ersturteils jedenfalls nicht vorliegt (vgl. nachfolgend).
1.2 Das Verwaltungsgericht hat zutreffend entschieden, dass die Zuordnung des vorderen Teils des Gebäudes zur M …straße X die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt. Es liegt weder eine willkürliche Zuteilung des Anwesens zur M …straße X – auf die sich die Klägerin im Zulassungsantrag bezieht – vor, noch besteht der von Klägerseite geforderte „Bestandsschutz“ in Bezug auf die Beibehaltung der Einnummerierung.
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach die Maßstäbe für eine Zuteilung von Hausnummern und die Vergabe von Straßennamen klargestellt. Im Beschluss vom 6. Dezember 2011 wurde dazu ausgeführt (Az.: 8 ZB 11.1676 – BayVBl. 2012, 309 f. = juris Rn. 11, 14):
„Wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat (vgl. BayVGH vom 8.9.1982 BayVBl 1983, 20; vom 15.4.1999 Az. 8 B 95.589 ; vom 5.3.2002 Az. 8 B 01.1164 ), handelt es sich bei der Bezeichnung der Grundstücke einer Gemeinde mit Hausnummern um eine rein ordnungsrechtliche Aufgabe. Sie dient dem Interesse der Allgemeinheit an einer klar erkennbaren Gliederung des Gemeindegebiets und hat Bedeutung für Meldewesen, Polizei, Post, Feuerwehr und Rettungsdienst. Sie verleiht den Eigentümern der Grundstücke keine Befugnisse oder Rechtsstellungen, die sie ohne die Bezeichnung nicht hätten, und begründet auch keine begünstigenden Rechtspositionen. Die Benennung eines Anwesens mit einer Hausnummer gehört nicht zu dem nach Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Eigentum. Es handelt sich nicht um eine Rechtsstellung, sondern um eine aus einem staatlichen Hoheitsakt fließende tatsächliche Auswirkung, einen Rechtsreflex, der den Eigentümern nur so lange zu wirtschaftlichem Nutzen gereichen kann, wie das Anwesen die Benennung trägt. Die Beibehaltung der Anschrift ist eine Chance, die nicht zum geschützten Besitzstand des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs zählt. Auch unter dem Blickwinkel des Namensrechts als Ausdruck des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG ist die Anschrift nicht geschützt, weil sie nicht zur Identität einer Person oder Firma gehört (zum Ganzen vgl. BayVGH vom 8.9.1982 BayVBl 1983, 20; vom 15.4.1999 Az. 8 B 95.589 ; vom 5.3.2002 Az. 8 B 01.1164 ).
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Einnummerierung in eine bestimmte Straße. Es ist ein anerkannter Grundsatz des allgemeinen Verwaltungsrechts, dass ein Recht auf fehlerfreien Ermessensgebrauch nicht für sich besteht, sondern eine materielle Rechtsposition voraussetzt, also eine Norm, die zumindest auch dem Individualinteresse zu dienen bestimmt ist (vgl. BVerwG vom 7.1.1972 BVerwGE 39, 235/237; BayVGH vom 8.9.1982 BayVBl 1983, 20). Wie ausgeführt haben jedoch die Grundstückseigentümer keine Rechtsposition inne, die sie der erstmaligen Zuteilung einer Hausnummer durch die Gemeinde oder aber der Änderung einer Hausnummerierung entgegensetzen können. Die Gemeinde hat die betroffenen Eigentümer vielmehr nur anzuhören und ihre eventuellen Einwendungen und Interessen im Rahmen ihrer Entscheidung zu würdigen (vgl. BayVGH vom 6.8.1998 FStBay 1999 Nr. 97; vom 15.4.1999 Az. 8 B 95.589 ). Anders als bei der Entscheidung über die Vergabe oder Änderung von Straßennamen nach Art. 52 Abs. 1 BayStrWG (vgl. BayVGH vom 19.2.1988 BayVBl 1988, 496/497; vom 16.5.1995 BayVBl 1995, 726; vom 15.4.1999 Az. 8 B 95.589 ) können die Grundstückseigentümer demnach weder bei der erstmaligen Hausnummernzuteilung noch bei der Umnummerierung geltend machen, dass die Gemeinde eine fehlerhafte Ermessensentscheidung getroffen hat. Bei der Vergabe der Hausnummern steht der ordnungsrechtliche Gesichtspunkt so stark im Vordergrund, dass die Interessen der Anlieger zurücktreten müssen (vgl. BayVGH vom 5.3.2002 Az. 8 B 01.1164 ). Wesentliche Vorteile oder Nachteile durch die Zuteilung oder Nichtzuteilung einer bestimmten Hausnummer sind auch nicht zu erwarten. Entsprechendes hat für die Änderung bestehender Zuweisungen von Hausnummern zu gelten.“
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat das Verwaltungsgericht eine willkürliche Einnummerierung zutreffend verneint. Bei der objektivrechtlich ausgerichteten Prüfung des Willkürverbots ist danach zu fragen, ob eine vertretbare Entscheidung vorliegt oder ob „die tatsächliche und eindeutige Unangemessenheit einer Maßnahme im Verhältnis zu der Situation, deren sie Herr werden soll“ gegeben ist (vgl. BVerfG, B.v. 26.2.1985 – 2 BvR 1145/83 – BVerfGE 69, 161/169). Die Klägerin hat im Zulassungsverfahren keine Anhaltspunkte für Willkür dargelegt. Sie räumt vielmehr selbst ein, dass nach den Umbaumaßnahmen ein (wenn auch geringer) Teil der Nutzflächen „über die Treppenhäuser an der F …straße und im Innenhof des Anwesens M …straße X“ erschlossen wird (Schriftsatz vom 14.2.2018, S. 4), der (nur) über die F …straße und nicht über die M …straße erreichbar ist. Dies deckt sich mit den in der Niederschrift über die öffentliche Sitzung am 28. November 2017 enthaltenen Feststellungen (Akte des Verwaltungsgerichts, Sitzungsprotokoll, S. 3). Ob eine Einnummerierung des rückwärtigen Gebäudeteils in die M …straße ebenfalls vertretbar sein könnte, spielt demgegenüber keine Rolle. Eine tatsächliche und eindeutige Unangemessenheit hat die Klägerin nicht dargelegt. Sie setzt letztlich nur ihre Einschätzung an die Stelle der Beurteilung durch die für die Einteilung zuständige Beklagte. Woraus die Klägerseite – bei Zugrundelegung der Senatsrechtsprechung (vgl. oben) – einen „Bestandsschutz“ mit der „Rechtsfolge“ ableiten will, dass „eine Änderung der Hausnummer nur bei gewichtigsten Gründen“ möglich sei, bleibt unklar.
Schließlich kann sich die Klägerin auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass § 2 Abs. 5 der Satzung über die Benennung der öffentlichen Verkehrsflächen und die Nummerierung der Gebäude und Grundstücke in der L … M … (Straßennamen- und Hausnummernsatzung) vom 19. Juli 1988 (ABl. S. 185) der Beklagten nichtig wäre. Danach besteht kein Anspruch auf Erteilung oder Beibehaltung einer bestimmten Hausnummer. Ein Ausschluss des Rechtsschutzes in Fällen der Willkür, wie von der Klägerin behauptet, kann der Regelung nicht entnommen werden. Vielmehr wird lediglich klargestellt, dass die Satzung keinen Anspruch auf Erteilung oder Beibehaltung einer bestimmten Hausnummer verleiht. Fälle einer tatsächlichen und eindeutigen Unangemessenheit einer Maßnahme werden vom Wortlaut dagegen nicht erfasst. Dies folgt auch aus einer verfassungskonformen Auslegung unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Bestimmung, die nicht darauf abzielt, der Verwaltung Befugnisse zu objektiv willkürlichem Verhalten einzuräumen.
1.3 Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der Klägerin in Bezug auf die hier streitgegenständliche Anfechtung des Bescheids über die Einnummerierung M …straße X schon das Rechtsschutzbedürfnis fehlen dürfte. Sie begehrt letztlich die Zuteilung zur M …straße X auch für den rückwärtigen Gebäudeteil. Warum hierfür neben der Anfechtung des Bescheids zur Einnummerierung in die F …straße Z (der Gegenstand des Verfahrens 8 ZB 18.411 ist) auch die Anfechtung der Zuteilung des vorderen Gebäudeteils erforderlich sein sollte, erschließt sich nicht. Regelungsgegenstand des hier streitgegenständlichen Verwaltungsakts ist die Beibehaltung des bisherigen Zustands, bezogen auf die erfassten Gebäudeteile. Wie die Klägerin durch eine Aufhebung ihre Rechtsstellung verbessern will, ist nicht ersichtlich.
2. Ein Berufungszulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt ebenfalls nicht vor.
Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten im Sinn dieser Bestimmung weist eine Rechtssache auf, wenn die Beantwortung der für die Entscheidung erheblichen Fragen in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht voraussichtlich das durchschnittliche Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten bereitet, wenn sich diese also wegen ihrer Komplexität und abstrakten Fehleranfälligkeit aus der Mehrzahl der verwaltungsgerichtlichen Verfahren heraushebt (vgl. BayVGH, B.v. 3.11.2011 – 8 ZB 10.2931 – BayVBl 2012, 147/149 = juris Rn. 28; B.v. 10.4.2017 – 15 ZB 16.673 – juris Rn. 42 jeweils m.w.N.).
Das ist nicht der Fall. Die auftretenden Rechtsfragen (vgl. oben Nr. 1.) lassen sich bei Heranziehung der gängigen Auslegungsmethoden ohne Weiteres aus dem Gesetz lösen oder sind in der obergerichtlichen Rechtsprechung bereits geklärt.
3. Die Klägerin hat schließlich keinen Verfahrensfehler in einer dem § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise geltend gemacht, auf dem das Urteil beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Ein solcher Mangel muss nach höchstrichterlicher Rechtsprechung sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substanziiert dargetan werden (vgl. BVerwG, B.v. 19.8.1997 – 7 B 261.97 – NJW 1997, 3328 = juris Rn. 4 m.w.N.). Das ist nicht geschehen.
3.1 Ein Verstoß gegen § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 278 Abs. 1 ZPO, wonach das Gericht – bei der Ausübung des gerichtlichen Ermessens – in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits oder einzelner Streitpunkte bedacht sein soll, wurde nicht dargelegt. Die Klägerin macht nur geltend, das Gericht habe nicht hinreichend auf eine gütliche Einigung hingewirkt. Ein solcher Verfahrensmangel setzt zunächst eine realistische Möglichkeit einer vergleichsweisen Einigung voraus (BayVGH, B.v. 16.12.2014 – 10 ZB 14.1741 – juris Rn. 29 ff.). Daran fehlt es. Die Beklagte hat verdeutlicht, dass sie nicht vergleichsbereit ist und auch nicht war. Im Übrigen stellt auch die Klagerücknahme eine verfahrensbeendigende Parteierklärung dar, die zu einer gütliche Beilegung führt (vgl. Greger in Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 278 Rn. 3). Das Gericht hat durch den Beschluss, nicht vor dem 11. Dezember 2017, 12 Uhr, eine Entscheidung zuzustellen, der Klägerin die Möglichkeit einer solchen Klagerücknahme eröffnet und ist daher seinem Auftrag – unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstands – gerecht geworden.
3.2 Soweit die Klägerin einen Verstoß gegen § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 251 Satz 1 ZPO rügt, fehlt es ebenfalls an dem schlüssigen Vortrag eines Verfahrensfehlers. Das Gericht hat nach § 251 Satz 1 ZPO nur dann das Ruhen anzuordnen, wenn beide Parteien dies beantragen und anzunehmen ist, dass wegen Schwebens von Vergleichsverhandlungen oder aus sonstigen wichtigen Gründen diese Anordnung zweckmäßig ist. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass diese Voraussetzungen vorlagen. Es fehlte – aufgrund mangelnder Vergleichsbereitschaft der Beklagten (vgl. oben Nr. 3.1) – vielmehr bereits an einem wichtigen Grund. Im Urteil wird insofern nachvollziehbar ausgeführt, dass eine Ruhensanordnung nicht zweckmäßig gewesen wäre. Darauf geht das Zulassungsvorbringen nicht ein. Zudem lag keine entsprechende prozessuale Erklärung der Beklagten gegenüber dem Gericht vor. Hierfür reicht es nicht aus, dass sich der Klägerbevollmächtigte auf ein Telefonat mit einem Vertreter der Beklagten bezogen hat, das nach den Darlegungen der Beklagten im Zulassungsverfahren einen anderen Inhalt hatte als von Klägerseite dargestellt. Zudem ist die Klägerin auf die zutreffenden Ausführungen im angegriffenen Urteil zu § 116 Abs. 2 VwGO zu verweisen, mit denen sie sich im Zulassungsverfahren ebenfalls nicht auseinandergesetzt hat.
3.3 Soweit die Klägerin schließlich mit ihrem Vorbringen, die Entscheidung wäre anders ausgefallen, wenn der Termin zur mündlichen Verhandlung verlegt, ihrem Komplementär dadurch die Teilnahme ermöglicht worden wäre und er die Örtlichkeiten hätte näher erläutern können, eine Verletzung rechtlichen Gehörs rügen wollte, liegt eine solche nicht vor. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat zu Verfahrensmängeln im Zusammenhang mit der Rüge fehlender Teilnahmemöglichkeit an der Hauptverhandlung ausgeführt (BayVGH, B.v. 5.2.2018 – 10 ZB 17.2439 – juris Rn. 3):
„Hat ein Rechtsmittelführer wie der Kläger tatsächlich nicht an der mündlichen Verhandlung in erster Instanz teilnehmen können, muss dargelegt werden, dass das Erstgericht einen Terminsverlegungsantrag zu Unrecht abgelehnt hat. Eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs kommt also nur dann in Betracht, wenn ein erheblicher Grund für eine Verlegung i.S.v. § 173 VwGO i.V.m. § 227 Abs. 1 ZPO vorgelegen hat und dem Gericht unterbreitet worden ist (BVerwG, B.v. 22.5.2006 – 10 B 9.06 – juris Rn. 9; BayVGH, B.v. 8.2.2017 – 11 ZB 17.30041 – juris Rn. 16; B.v. 26.1.2018 – 10 ZB 17.31356 – Rn. 2 m.w.N.). Wird eine Partei durch einen Rechtsanwalt vertreten, ist ihre Anwesenheit im Termin zur mündlichen Verhandlung grundsätzlich nicht erforderlich, weil ihre Rechte in dem erforderlichen Umfang durch den Prozessbevollmächtigten wahrgenommen werden können (BVerwG, B.v. 4.8.1998 – 7 B 127.98 – juris Rn. 2; BayVGH, B.v. 26.1.2018 – 10 ZB 17.31356 – Rn. 3; Brüning in Posser/Wolff, BeckOK VwGO, Stand 1.4.2017, § 102 Rn. 8.2). Insbesondere verlangt Art. 103 Abs. 1 GG nicht, dem Beteiligten neben seinem Rechtsanwalt die Möglichkeit zu persönlichen Erklärungen zu geben. Etwas anderes gilt nur dann, wenn gewichtige Gründe substantiiert vorgetragen werden, die die persönliche Anwesenheit des Beteiligten in der mündlichen Verhandlung zur Aufklärung des Sachverhalts oder zur effektiven Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung als erforderlich erscheinen lassen (BayVGH, B.v. 8.2.2017 – 11 ZB 17.30041 – juris Rn. 18; B.v. 26.1.2018 – 10 ZB 17.31356 – Rn. 3).“
Vorliegend wurde die Klägerin anwaltlich vertreten. Sie hat im Zulassungsverfahren nicht dargelegt, dass das Verwaltungsgericht den Terminsverlegungsantrag zu Unrecht abgelehnt hat. Ebenso wenig wurden gewichtige Gründe im oben genannten Sinn dafür vorgebracht, dass eine persönliche Anwesenheit ihres Komplementärs zur Aufklärung des Sachverhalts oder zur effektiven Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung erforderlich gewesen wäre. Es bleibt unklar, welchen Beitrag dieser hätte leisten können. Pauschale Hinweise auf die besonderen Ortskenntnisse genügen insofern nicht. Im Übrigen wurde auch nicht dargelegt, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichts ermittlungsbedürftig gewesen wären, welche für erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen und welche tatsächlichen Feststellungen bei der Durchführung der vermissten Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern diese unter Zugrundelegung der materiell-rechtlichen Auffassung des Erstgerichts zu einer für die Klägerin günstigeren Entscheidung hätten führen können. Daher wurde auch kein Verstoß des Verwaltungsgerichts gegen seine Aufklärungspflicht gemäß § 86 Abs. 1 VwGO (vgl. dazu BayVGH, B.v. 5.2.2018 – 10 ZB 17.2439 – juris Rn. 5 m.w.N.) dargelegt.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 sowie § 52 Abs. 1 GKG.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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