Verwaltungsrecht

Approbationsverfahren mit einer Gleichwertigkeitsprüfung

Aktenzeichen  W 10 E 20.636

Datum:
25.5.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 11226
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123 Abs. 1 S. 2
BÄO § 3 Abs. 2 S. 2
BÄO § 3 Abs. 3
RL 2005/36/EG Art. 14 Abs. 5
GG Art. 12 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, das Approbationsverfahren der Antragstellerin mit einer Gleichwertigkeitsprüfung nach § 3 Abs. 3 der Bundesärzteordnung fortzuführen.
II. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin begehrt im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Fortführung ihres Approbationsverfahrens mit einer Gleichwertigkeitsprüfung nach § 3 Abs. 3 Satz 1 der Bundesärzteordnung (BÄO).
1. Die am … … 1987 in Tunis geborene Antragstellerin hat in Tunesien ein Studium der Humanmedizin erfolgreich abgeschlossen. Mit Schreiben vom 21. April 2019, bei der Regierung von Oberbayern eingegangen am 26. April 2019, beantragte sie die Erteilung der Approbation als Ärztin. Dem Antragsschreiben waren u.a. ein Studienplan (Curriculum) der Fakultät der Medizin der Universität M…, Tunesien in beglaubigter Übersetzung, Arbeitszeugnisse sowie erforderliche Erklärungen der Antragstellerin beigefügt. Des Weiteren verwies die Antragstellerin auf die ebenfalls beigefügte, von der Regierung von Unterfranken ausgestellte vorläufige Berufserlaubnis mit einer Geltungsdauer vom 11. März 2019 bis 19. August 2020 und bat darum, zunächst zu prüfen, ob die Erteilung der Approbation ohne Ablegung einer Kenntnisprüfung möglich wäre. Sollte nach Überprüfung der eingereichten Unterlagen festgestellt werden, dass die Ablegung einer Kenntnisprüfung unbedingt notwendig sei, werde gebeten, die nächsten Termine und Örtlichkeiten zur Ablegung der Kenntnisprüfung für das Jahr 2019 und 2020 mitzuteilen.
Anhand des bei der Regierung von Unterfranken angeforderten Aktenvorgangs wurde festgestellt, dass die Antragstellerin bereits im Jahr 2018 beim Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg im Regierungspräsidium Stuttgart ein Verwaltungsverfahren mit dem Ziel der Erteilung der ärztlichen Approbation durchgeführt hatte. Mit E-Mail der damals zuständigen Sachbearbeiterin vom 7. März 2018 war der Antragstellerin auf ihre Anfrage mitgeteilt worden, dass die Gleichwertigkeit der medizinischen Ausbildung im Sinne der BÄO grundsätzlich entweder durch eine Gleichwertigkeitsprüfung oder aber durch eine Kenntnisprüfung nachgewiesen werden könne. Für die Gleichwertigkeitsprüfung sei die Einholung eines gebührenpflichtigen Gutachtens notwendig. Alternativ zur Gleichwertigkeitsüberprüfung werde ihr angeboten, einen gleichwertigen Kenntnisstand im Rahmen einer Kenntnisprüfung nachzuweisen. Sie werde gebeten mitzuteilen, ob sie die Prüfung der Gleichwertigkeit über ein Gutachten oder über die Kenntnisprüfung wünsche. Ein sog. Defizitbescheid gemäß § 3 Abs. 3a der BÄO könne erst nach Vorliegen des Ergebnisses des Gutachtens bezüglich der Gleichwertigkeit der Ausbildung erteilt werden (Bl. 200/202 der Behördenakte). Auf die Nachfrage der nunmehr zuständigen Sachbearbeiterin des Landesgesundheitsamtes Baden-Württemberg, ob sie sich bereits für die Kenntnisprüfung entschieden und die Option eines Gutachtens zur Feststellung der Gleichwertigkeit ihrer in Tunesien abgeschlossenen Ausbildung verworfen habe, hatte die Antragstellerin mit E-Mail-Nachricht vom 14. November 2018 (Bl. 178 der Behördenakte) geantwortet, sie habe sich „in der Tat für die Kenntnisprüfung entschieden“ und werde sich nun darauf vorbereiten. Des Weiteren war die Antragstellerin darauf hingewiesen worden, dass bislang kein „offizieller“ Approbationsantrag vorliege, was ihr bereits mit E-Mail der früheren Sachbearbeiterin vom 11. Juli 2018 mitgeteilt worden sei (Bl. 179 der Behördenakte). Mit E-Mail vom 12. Dezember 2018 hatte die Antragstellerin der Weiterleitung der Akte an den für die Kenntnisprüfung zuständigen Sachbearbeiter des Landesgesundheitsamtes Baden-Württemberg zugestimmt (Bl. 152 der Behördenakte). Nach Aufnahme in die Liste für die Kenntnisprüfung (E-Mail vom 14.12.2018, Bl. 151 der Behördenakte) hatte sie ihren Antrag auf Approbationserteilung beim Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg mit Schreiben vom 15. Januar 2019 zurückgenommen. Der Hintergrund hierfür war, dass die Antragstellerin ein Stellenangebot als Ärztin in einer Klinik in U… erhalten und für die Ausübung dieser Tätigkeit bei der Regierung von Unterfranken die Erteilung der Berufserlaubnis beantragt hatte. Das Approbationsverfahren war daraufhin mit Bescheid des Landesgesundheitsamtes Baden-Württemberg vom 22. Januar 2019 eingestellt worden.
Des Weiteren war der Antragstellerin mit Bescheid des Landesgesundheitsamtes Baden-Württemberg vom 25. Mai 2018 eine vom 15. Juni 2018 bis 15. Dezember 2018 befristete Berufserlaubnis zur vorübergehenden Ausübung des ärztlichen Berufs erteilt und mit Bescheid vom 25. Mai 2018 für die Zeit vom 16. Dezember 2018 bis 16. Juni 2019 verlängert worden.
2. Mit Schreiben vom 26. Juni 2019 teilte die Regierung von Oberbayern der Antragstellerin mit, dass sie mit ihrer Anmeldung am 14. Dezember 2018 bereits der Teilnahme an der Kenntnisprüfung in Baden-Württemberg zugestimmt habe, weshalb die Durchführung der Gleichwertigkeitsprüfung in ihrem Falle, wie mit Antrag vom 24. April 2019 begehrt, durch die Regierung von Oberbayern nicht möglich sei. Es sei erforderlich, dass die Antragstellerin erfolgreich an der Kenntnisprüfung teilnehme. Hierzu werde um Vorlage eines vollständig ausgefüllten und unterschriebenen Antragsformulars auf Anmeldung für die Teilnahme an der Kenntnisprüfung bis 1. August 2019 gebeten (Bl. 419/420 der Behördenakte).
Dem widersprach die Antragstellerin mit E-Mail vom 22. Juli 2019 (Bl. 424/425 der Behördenakte) sowie mit Schreiben vom 23. Juli 2019 (Bl. 444/445 der Behördenakte). Sie habe sowohl den Antrag auf Approbationserteilung als auch auf die Anmeldung zur Kenntnisprüfung beim Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg zurückgenommen. Dies gelte auch für die von dieser Behörde im Jahr 2019 festgesetzten Termine zum Zwecke der Ablegung der Kenntnisprüfung, welche von der Antragstellerin weder durch die Bestimmung eines Prüfungstermins noch vom Regierungspräsidium im Rahmen einer offiziellen Zulassung zur Prüfung bestätigt worden seien. Sie könne deshalb nicht nachvollziehen, weshalb die Durchführung der Gleichwertigkeitsprüfung in ihrem Fall nicht möglich sein solle. Sie erwarte, dass bei einem Ausbildungsabschluss in einem Drittstaat in jedem Einzelfall eine individuelle und sorgfältige Prüfung der Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes erfolge. Demnach könne ein tunesischer Abschluss bei gleichwertigem Ausbildungsstand im Rahmen eines Approbationsverfahrens auch ohne die Ablegung einer Kenntnisprüfung Anerkennung finden. Sie bitte daher um Durchführung einer Gleichwertigkeitsprüfung.
Die Regierung von Oberbayern hielt mit Schreiben vom 12. August 2019 (Bl. 452/453 der Behördenakte), E-Mail-Nachricht vom 3. September 2019 (Bl. 466/468 der Behördenakte) sowie mit Schreiben an den zwischenzeitlich bestellten Bevollmächtigten der Antragstellerin vom 22. November 2019 (Bl. 493/494 der Behördenakte) an ihrer Rechtsauffassung fest. Mit der Beantragung der Kenntnisprüfung als zweiter Stufe des Approbationsverfahrens habe die Antragstellerin konkludent auf die Gleichwertigkeitsprüfung verzichtet bzw. die Notwendigkeit einer Kenntnisprüfung wegen wesentlicher Unterschiede in der Ausbildung anerkannt. Eine Rückkehr zur Gleichwertigkeitsprüfung sei vom Gesetzgeber nicht mehr vorgesehen.
Nach Akteneinsicht forderte der Bevollmächtigte der Antragstellerin die Regierung von Oberbayern erneut mit Schreiben vom 16. Januar 2020 unter Fristsetzung zum 24. Januar 2020 auf, die erste Stufe des Approbationserteilungsverfahrens durchzuführen. Anderenfalls werde die Antragstellerin auf die Möglichkeit vorläufigen Rechtsschutzes hingewiesen werden, da ihre Berufserlaubnis zum 19. August 2020 ende.
3. Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 27. Februar 2020, am 2. März 2020 per Telefax beim Bayerischen Verwaltungsgericht München eingegangen, beantragte die Antragstellerin,
„die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO vorläufig zu verpflichten, die Gleichwertigkeitsprüfung nach § 3 Absatz 3 Satz 1 BÄO im Rahmen des Approbationsantrages der Antragstellerin durchzuführen.“
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass aus § 3 Abs. 3 BÄO ein gesetzlicher Anspruch auf Erteilung der Approbation folge, soweit die Feststellung der Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes schon anhand der eingereichten Dokumente über den Inhalt und die Abschlüsse möglich sei. Die Anerkennungsbehörde sei deshalb stets zunächst zur Durchführung der Gleichwertigkeitsprüfung verpflichtet. Erst wenn sich ergebe, dass die Gleichwertigkeit der Ausbildung auch unter Berücksichtigung der Berufserfahrung nicht gegeben sei, könne eine Kenntnisprüfung auferlegt werden (mit Verweis auf OVG Magdeburg, B.v. 10.1.2019, Az.: 1 L 59/18). Eine Gleichwertigkeitsprüfung habe im Falle der Antragstellerin nicht stattgefunden. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners habe die Antragstellerin zu keinem Zeitpunkt gegenüber dem Regierungspräsidium Stuttgart oder der Regierung von Oberbayern auf die Gleichwertigkeitsprüfung verzichtet. Ein solcher Verzicht sei weder konkludent noch ausdrücklich geschehen. Sie habe dafür auch keinerlei Veranlassung gehabt. Ohne die begehrte einstweilige Anordnung drohe der Antragstellerin die Gefahr, ihrer beruflichen Tätigkeit als Ärztin nach dem 19. August 2020, d.h. nach dem Auslaufen der Berufserlaubnis gemäß dem Bescheid vom 7. März 2019, nicht mehr nachgehen zu können. Damit drohten ihr schwerwiegende und letztlich irreparable Nachteile. Es sei der Antragstellerin somit nicht zuzumuten, auf die Entscheidung in der Hauptsache zu warten.
Dem Antrag beigefügt war eine eidesstattliche Versicherung der Antragstellerin vom 27. Februar 2020, in welcher sie u.a. erklärt, dass sie sich in dem Verfahren auf Approbationserteilung beim Regierungspräsidium Stuttgart nicht zu einer Kenntnisprüfung angemeldet bzw. einen Antrag auf Kenntnisprüfung gestellt habe. Auch habe sie nicht auf eine Gleichwertigkeitsprüfung verzichtet. Entsprechendes gelte für das bei der Regierung von Oberbayern durchgeführte Verfahren auf Approbationserteilung. Den entsprechenden Antrag habe sie nach Rücknahme ihres Antrags beim Regierungspräsidium Stuttgart gestellt. Da ihre Berufserlaubnis mit dem 19. August 2020 ende, müsse das Approbationsverfahren bis zu diesem Zeitpunkt abgeschlossen sein, weil sie ansonsten nicht mehr als Ärztin in Deutschland arbeiten könne.
4. Für den Antragsgegner beantragt die Regierung von Oberbayern mit Schriftsatz vom 10. März 2020, den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Antragstellerin habe weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Die Antragstellerin habe keinen Anspruch auf Durchführung einer Gleichwertigkeitsprüfung nach § 3 Abs. 3 Satz 1 BÄO. Aufgrund der bereits beantragten Teilnahme an einer Kenntnisprüfung in Baden-Württemberg müsse die Antragstellerin für den Erhalt einer Approbation in Bayern ebenfalls eine Kenntnisprüfung erfolgreich absolvieren. Aus der gesetzlichen Konstruktion des § 3 Abs. 3 BÄO werde deutlich, dass der Gesetzgeber zunächst eine Gleichwertigkeitsprüfung vorgesehen habe, es jedoch auf der zweiten Stufe ermögliche, direkt an einer Kenntnisprüfung teilzunehmen. Dies werde vor allem durch das Wort „auch“ in § 3 Abs. 3 Satz 4 BÄO deutlich. Dadurch werde betont, dass es sich um eine gleichgestellte Möglichkeit zur Erlangung der Approbation handele. Diese Bestimmung sei erst mit Fassung vom 1. April 2012 in das Gesetz eingefügt worden und betone in Abkehr zu den vorherigen Fassungen, dass die Kenntnisprüfung gerade nicht nur „ersatzweise“ vorgesehen sei. Indem der Gesetzgeber zwei verschiedene Begutachtungsformen vorsehe, müsse es dem Antragsteller auch gewährt werden, nur von der zweiten Möglichkeit – der Ablegung einer Kenntnisprüfung – Gebrauch zu machen. Da die Antragstellerin sich in Baden-Württemberg für die Teilnahme an der Kenntnisprüfung entschieden habe, könne durch einen Wechsel des Bundeslandes nicht mehr in die Begutachtungsform gewechselt werden. Sie habe durch die Beantragung der Kenntnisprüfung eine einseitige und empfangsbedürftige Willenserklärung gegenüber der Behörde abgegeben und damit klar zum Ausdruck gebracht, dass eine Gleichwertigkeitsprüfung nicht gewünscht sei. Vielmehr habe die Antragstellerin sich eindeutig schon für die zweite Stufe des Verfahrens entschieden. Es könne folglich von einem konkludenten Verzicht auf ein Sachverständigengutachten ausgegangen werden. Die Gründe, weshalb sie sich für die Kenntnisprüfung entschieden habe, seien dabei nicht von Bedeutung. Würde man einen Wechsel in die Begutachtungsform zulassen, so würde dies unter Umständen bedeuten, dass ein Antragsteller beliebig oft das Bundesland bzw. die berufszulassende Behörde wechseln könne, bis das gewünschte Ergebnis erzielt werde. Um ein einheitliches Verwaltungsverfahren zu erzielen, sei es zwingend notwendig, dass der Antragsteller an seine vorherige Entscheidung gebunden bleibe. Diese Bindung an die vorher getroffene Entscheidung sei für die Antragstellerin auch nicht nachteilig, weil der Berufszugang durch die weiterbestehende Möglichkeit der Teilnahme an der Kenntnisprüfung nicht versperrt sei und ferner noch die gleiche Anzahl an Wiederholungsversuchen für die Kenntnisprüfung gemäß § 37 Abs. 7 Satz 1 der Approbationsordnung für Ärzte (ÄApprO) zu Verfügung stehe. Für die Durchführung einer Gleichwertigkeitsprüfung könne die Antragstellerin auch keinen Anordnungsgrund geltend machen. Sie könne auf keine schweren und unzumutbaren, nachträglich nicht zu beseitigenden Nachteile verweisen, welche die Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigten. Es sei ihr zumutbar, das Hauptsacheverfahren abzuwarten. Die Antragstellerin habe die Möglichkeit, durch die erfolgreiche Teilnahme an der Kenntnisprüfung die Approbation zu erhalten und ihrer Tätigkeit als Ärztin vollumfänglich nachzugehen. Darüber hinaus sei gemäß § 10 Abs. 3 BÄO eine Verlängerung der Berufserlaubnis über die gesetzlich vorgesehene Gesamtdauer von höchstens zwei Jahren hinaus in besonderen Einzelfällen möglich.
5. Mit Beschluss vom 29. April 2020, Az.: M 27 E 20.923, erklärte sich das Verwaltungsgericht München für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Würzburg.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag, mit dem die Antragstellerin sinngemäß begehrt, den Antragsgegner zur Fortführung ihres Approbationsverfahrens mit einer Gleichwertigkeitsprüfung nach § 3 Abs. 3 Satz 1 und 2, Abs. 2 Satz 2 bis 6 und Satz 8 BÄO zu verpflichten, hat auch in der Sache Erfolg.
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist zulässig, insbesondere statthaft.
a) Ein gemäß § 123 Abs. 5 VwGO vorrangiger Antrag nach § 80 oder § 80a VwGO kommt nicht in Betracht, da in der Hauptsache eine Verpflichtungsklage in der Form der Untätigkeitsklage gemäß § 75 VwGO zu erheben wäre. Da der Antragsgegner die Rechtsauffassung vertritt, dass die Antragstellerin zunächst eine Kenntnisprüfung ablegen müsse, ruht das Approbationsverfahren faktisch. Die Antragstellerin hat jedoch möglicherweise nach § 3 Abs. 2 Satz 8 i.V.m. § 3 Abs. 3 Satz 2 BÄO einen Rechtsanspruch auf Erlass eines Feststellungsbescheides innerhalb von vier Monaten nach Eingang der vollständigen Antragsunterlagen, wenn die Gleichwertigkeitsprüfung wesentliche Unterschiede des Ausbildungsganges i.S. des § 3 Abs. 2 Satz 3 bis 5 BÄO ergibt. Einer solchen Feststellung kommt eigenständige materiell-rechtliche Bedeutung zu, weil sie einerseits zur Auferlegung der Kenntnisprüfung gemäß § 3 Abs. 2 Satz 6 und Abs. 3 Satz 3 BÄO führt und zum anderen ein Hindernis für die Erteilung der Approbation nach § 3 Abs. 3 Satz 1 BÄO darstellt. Der Feststellungsbescheid hat damit auch den Zweck, für die Antragstellerin spätestens nach Ablauf der Entscheidungsfrist von vier Monaten Klarheit zu schaffen, ob ihre medizinische Ausbildung im Drittstaat als gleichwertig anerkannt wird oder ob sie zur Erlangung der Approbation die Kenntnisprüfung ablegen muss, und ihr damit entsprechende Dispositionen zu ermöglichen. Das in § 3 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 bis 6 und 8, 9 BÄO geregelte Verfahren zur Approbationserteilung an Antragsteller, welche wegen einer in einem Drittstaat absolvierten ärztlichen Grundausbildung die Erteilungsvoraussetzung des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BÄO nicht erfüllen, ist als gestuftes Verwaltungsverfahren ausgestaltet, sodass jeder Stufe dieses Verfahrens ein eigenständiger verfahrens- und materiell-rechtlicher Gehalt zukommt. Offenbleiben kann, ob aus § 8 Abs. 2 Satz 8 BÄO auch ein Rechtsanspruch auf einen positiven Feststellungsbescheid folgt für den Fall, dass der Antragsgegner die Gleichwertigkeit des im Drittstaat absolvierten Ausbildungsganges feststellt, weil es darauf im vorliegenden Rechtsstreit nicht entscheidungserheblich ankommt. Damit wäre das Rechtsschutzziel der Antragstellerin in der Hauptsache vorrangig auf die Erteilung eines Feststellungsbescheides nach Abschluss der Gleichwertigkeitsprüfung gemäß § 3 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 8 BÄO und erst in zweiter Linie – bei Erfüllen aller Erteilungsvoraussetzungen – auf die Approbationserteilung gerichtet. Statthaft ist hierfür die Verpflichtungsklage in der Form der – nach Ablauf der Sperrfrist gemäß § 75 Satz 2 VwGO von drei Monaten zulässigen – Untätigkeitsklage. Dem entspricht im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 VwGO.
b) § 44a VwGO steht dem nicht entgegen. Zwar stellt die Gleichwertigkeitsprüfung einen unselbständigen Verfahrensteil i.S.d. § 44a VwGO dar. Diese Vorschrift ist auch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes anwendbar (BVerwG, NVwZ-RR 1997, 663; BayVGH, BayVBl. 2002, 410). Die Antragstellerin kann im vorliegenden Verfahren aber nicht auf den Rechtsschutz in der Hauptsache gegen die das Verfahren abschließende Entscheidung, d.h. gegen den Feststellungsbescheid nach § 3 Abs. 2 Satz 8 BÄO bzw. gegen eine eventuelle Ablehnung der Approbationserteilung verwiesen werden. Aus dem Spannungsverhältnis zwischen § 44a VwGO und dem Anspruch auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG folgt eine Einschränkung des Anwendungsbereichs der erstgenannten Vorschrift in Fällen, in denen ein effektiver Rechtsschutz in Bezug auf die streitbefangene Verfahrenshandlung nicht mehr bei der das Verwaltungsverfahren abschließenden Sachentscheidung erreicht werden kann und der Betroffene dadurch unmittelbar in eigenen, nicht notwendigerweise grundrechtlich fundierten Rechten verletzt wird (VG Freiburg im Breisgau, B.v. 26.1.2016 – A 5 K 2597/15 – juris Rn. 8 mit Verweis auf VGH BW, U.v. 1.12.2015 – A 11 S 490/15 – juris Rn. 17, 18 m.w.N.; VG Halle (Saale), B.v. 30.12.2010 – 4 B 408/10 – juris Rn. 7). So liegen die Dinge hier, weil mit einer auf Erteilung eines Feststellungsbescheides bzw. auf Approbationserteilung gerichteten Klage die von der Antragstellerin geltend gemachte zeitliche Verzögerung des Approbationsverfahrens nicht mehr rückgängig gemacht werden könnte. Gerade in dieser zeitlichen Verzögerung liegen aber die im vorliegenden Verfahren von der Antragstellerin geltend gemachten wesentlichen Nachteile infolge des Verlustes ihres Arbeitsplatzes nach Ablauf der Berufserlaubnis am 19. August 2020. Die Antragstellerin kann damit im Wege der einstweiligen Anordnung beantragen, dass der Antragsgegner verpflichtet wird, ihren Approbationsantrag weiter zu bearbeiten, also das Approbationsverfahren mit einer Gleichwertigkeitsprüfung fortzuführen (vgl. zum einstweiligen Rechtsschutz mit dem Ziel der Verfahrensfortführung bzw. Verbescheidung: VG Wiesbaden, B.v. 20.12.2013 – 5 L 970/13.WI – juris Rn. 27; VG Halle (Saale), B.v. 30.12.2010 – 4 B 408/10 – juris Rn. 7).
2. Der Antrag ist auch begründet.
Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint (Regelungsanordnung). Im Hinblick auf die durch Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistete Garantie effektiven Rechtsschutzes ist der Antrag begründet, wenn der geltend gemachte Anspruch hinreichend wahrscheinlich ist (Anordnungsanspruch) und es dem Antragsteller schlechthin unzumutbar ist, das Ergebnis des Hauptsacheverfahrens abzuwarten (Anordnungsgrund). Diese Voraussetzungen sind gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft zu machen.
a) Der Antragstellerin steht bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Anspruch auf Prüfung der Gleichwertigkeit der in einem Drittstaat (Tunesien) absolvierten ärztlichen Grundausbildung gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 und 2, Abs. 2 Sätze 2 bis 6, 8 und 9 BÄO zur Seite, welcher den erforderlichen Anordnungsanspruch darstellt (aa)). Der Antragsgegner verweigert die Durchführung einer Gleichwertigkeitsprüfung zu Unrecht mit dem Verweis darauf, dass die Antragstellerin sich bereits auf eine Kenntnisprüfung gemäß § 3 Abs. 3 Satz 3 BÄO festgelegt habe (bb)).
aa) Aus dem Wortlaut, der Entstehungsgeschichte, dem Regelungsgefüge sowie dem Sinn und Zweck der einschlägigen Vorschriften ergibt sich nach der Auffassung der Kammer eindeutig, dass eine Prüfung der Gleichwertigkeit gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 und 2 BÄO zwingend vorgesehen ist, bevor der betreffende Antragsteller auf eine Kenntnisprüfung verwiesen werden kann. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 BÄO haben Antragsteller, die über einen Ausbildungsnachweis als Arzt verfügen, der in einem anderen als den in Abs. 2 Satz 1 genannten Staaten, mithin einem Drittstaat ausgestellt ist, einen Rechtsanspruch auf Erteilung der Approbation, wenn die Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes gegeben ist. Gemäß § 3 Abs. 3 Satz 2 BÄO gilt für die Prüfung der Gleichwertigkeit Abs. 2 Satz 2 bis 6 sowie Satz 8 und 9 BÄO entsprechend. Gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 BÄO ist der Ausbildungsstand als gleichwertig anzusehen, wenn die Ausbildung des Antragstellers keine wesentlichen Unterschiede gegenüber der Ausbildung aufweist, die in diesem Gesetz und in der Rechtsverordnung nach § 4 Abs. 1 geregelt ist. Wann wesentliche Unterschiede im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 2 BÄO vorliegen, ist in § 3 Abs. 2 Sätze 3 bis 5 BÄO näher definiert. Liegen solche wesentlichen Unterschiede vor, so müssen die Antragsteller gemäß § 3 Abs. 2 Satz 6 BÄO nachweisen, dass sie über die Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen, die zur Ausübung des Berufs des Arztes erforderlich sind. Der Nachweis der erforderlichen Kenntnisse ist im Falle der Drittstaatsausbildung gemäß § 3 Abs. 3 Satz 3 BÄO durch das Ablegen einer Prüfung zu erbringen, welche sich auf den Inhalt der staatlichen Abschlussprüfung bezieht (Kenntnisprüfung). Nach § 3 Abs. 2 Satz 8 BÄO ist den Antragstellern über die Feststellung der wesentlichen Unterschiede, die zur Auferlegung einer Eignungsprüfung führt, spätestens vier Monate nach dem der zuständigen Behörde alle erforderlichen Unterlagen vorliegen, ein rechtsmittelfähiger Bescheid zu erteilen; auf diese Vorschrift wird in § 3 Abs. 3 Satz 2 BÄO für den Fall der Drittstaatsausbildung ausdrücklich verwiesen.
Soweit der Antragsgegner meint, aus der Formulierung „auch“ in § 3 Abs. 3 Satz 4 BÄO ergebe sich, dass es sich bei der Kenntnisprüfung um eine gleichgestellte Möglichkeit zur Erlangung der Approbation gegenüber der Gleichwertigkeitsprüfung handele, vermag die Kammer dem nicht zu folgen. Die Auslegung, welche der Antragsgegner den einschlägigen Normen geben will, ist schon nicht durch deren Wortlaut gedeckt. Nach § 3 Abs. 3 Satz 4 BÄO sind die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten nach Satz 3, d.h. im Wege der Kenntnisprüfung, auch nachzuweisen, wenn die Prüfung des Antrags nur mit unangemessenem zeitlichen oder sachlichen Aufwand möglich ist, weil die erforderlichen Unterlagen und Nachweise aus Gründen, die nicht in der Person der Antragsteller liegen, von diesen nicht vorgelegt werden können. Die Formulierung „auch“ bezieht sich somit auf die beiden Fälle, in welchen nach § 3 Abs. 3 Satz 3 und 4 BÄO eine Kenntnisprüfung abgelegt werden muss, nämlich entweder auf den Fall der Feststellung wesentlicher Unterschiede gemäß § 3 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 3 Abs. 2 Satz 6 BÄO oder auf den Fall, dass die Prüfung des Antrags nur mit unangemessenem Aufwand in zeitlicher oder sachlicher Hinsicht möglich ist (§ 3 Abs. 3 Satz 4 BÄO). Nur in diesen Fällen darf nach dem Wortlaut der Vorschriften eine Kenntnisprüfung verlangt werden. Beide Fälle liegen hier aber nicht vor, da der Antragsgegner ausweislich des Akteninhalts zum einen bislang keine Prüfung der Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes der Antragstellerin vorgenommen hat und zum anderen weder dargelegt noch ersichtlich ist, dass die Prüfung der Gleichwertigkeit nur mit unangemessenem zeitlichen oder sachlichen Aufwand möglich wäre.
Auch die Entstehungsgeschichte der einschlägigen Normen spricht gegen die vom Antragsgegner vertretene Auslegung. Nach der ursprünglichen Gesetzesfassung konnte die Approbation auf der Grundlage einer im Drittstaat absolvierten ärztlichen Ausbildung nur erlangt werden, wenn der Ausbildungsstand nach einer entsprechenden Überprüfung als gleichwertig anzusehen war. Durch die Gesetzesänderung vom 4. Dezember 2001 (BGBl. I, S. 3320) war eine Kenntnisstandsprüfung ersatzweise vorgesehen, wenn die Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes nicht gegeben oder nicht feststellbar war (§ 3 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 und Nr. 2 BÄO in der damaligen Fassung; vgl. dazu BVerwG, U.v. 11.12.2008 – 3 C 33.07 – juris Rn. 32). Mit den Änderungen des § 3 Abs. 2 und 3 BÄO durch Art. 4 Nr. 2c Doppelbuchst. bb) mit Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Anerkennung der Berufsqualifikationen der Heilberufe vom 2. Dezember 2007 (BGBl. I, S. 2686) beabsichtigte der Gesetzgeber eine Umstellung, welche deutlich macht, dass sich der Begriff der „Prüfung“ bei der Beurteilung der Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes nicht auf die Kenntnisprüfung bezieht, sondern die Tätigkeit der zuständigen Behörde beschreibt, wenn diese den Ausbildungsvergleich vornimmt (BT-Drs. 16/6458, S. 169). Der Gesetzgeber ging davon aus, dass die Regelung zur Kenntnisprüfung zugunsten der Antragsteller wirke. Sie mache deutlich, dass die zuständige Behörde grundsätzlich eine Gleichwertigkeitsprüfung durchzuführen habe und die Antragsteller nur unter den präzisierten Voraussetzungen auf eine Kenntnisprüfung verweisen dürfe. Damit könne die Behörde nicht wegen eines zu hohen Verwaltungsaufwandes bei der Gleichwertigkeitsprüfung eine Kenntnisprüfung anordnen (BT-Drs. 16/6458, S. 169). Damit steht fest, dass nach dem Willen des historischen Gesetzgebers die Kenntnisprüfung lediglich ersatzweise für den Fall vorgesehen ist, dass keine Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes festgestellt werden kann, weil wesentliche Unterschiede bestehen oder weil die Gleichwertigkeitsprüfung wegen eines unverhältnismäßigen zeitlichen oder sachlichen Aufwandes i.S.d. § 3 Abs. 3 Satz 4 BÄO nicht durchgeführt wird.
Dieses Ergebnis wird bestätigt durch den Regelungszusammenhang des § 3 Abs. 3 Satz 2, 3 und 4 BÄO mit § 3 Abs. 2 Satz 6 BÄO, wonach die Kenntnisprüfung (nur) vorgesehen ist, wenn die Gleichwertigkeitsprüfung zur Feststellung wesentlicher Unterschiede führt oder gemäß § 3 Abs. 3 Satz 4 BÄO aus nicht von den Antragstellern zu vertretenden Gründen einen unangemessenen zeitlichen oder sachlichen Prüfungsaufwand verursachen würde. Des Weiteren verdeutlicht die Regelung in § 3 Abs. 2 Satz 8 BÄO, wonach über die Feststellung der wesentlichen Unterschiede, die zur Auferlegung einer Eignungsprüfung führen, den Antragstellern spätestens vier Monate nach Vorliegen aller erforderlichen Unterlagen ein rechtsmittelfähiger Bescheid zu erteilen ist, dass eine Gleichwertigkeitsprüfung zwingend zu erfolgen hat, bevor den Antragstellern eine Kenntnisprüfung auferlegt wird.
Bestätigt wird das bisher gefundene Ergebnis durch die Auslegung nach dem Sinn und Zweck der Vorschriften über die Kenntnisprüfung. Danach stellt die Kenntnisprüfung eine vom Gesetzgeber vorgesehene weitere Möglichkeit dar, um im Falle des Vorliegens wesentlicher Unterschiede der Ausbildung in einem Drittstaat dennoch zu einer Approbationserteilung zu gelangen (vgl. BT-Drs. 16/6458, S. 169). Die Kenntnisprüfung ist damit gegenüber der Gleichwertigkeitsprüfung, welche sich nicht auf die individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten der Antragsteller, sondern auf die objektiven Umstände des jeweiligen Ausbildungsganges bezieht, nachrangig (vgl. BVerwG, U.v. 11.12.2008 – 3 C 33.07 – juris Rn. 32; B.v. 6.6.2017 – 3 B 42.16 – juris Rn. 6; OVG Magdeburg, B.v. 10.1.2019 – 1 L 59/18, unveröffentlicht, Entscheidungsabdruck S. 7; ebenso schon VG Haale (Saale), U.v. 21.7.2005 – 1 A 33/04 – juris Rn. 56 ff.; vgl. auch OVG Magdeburg, U.v. 22.12.2006 – 1 L 412/05 – juris Rn. 26, 32).
Schließlich ergibt sich auch aus dem anwendbaren höherrangigen Recht, dass den Antragstellern vor dem Auferlegen einer Kenntnisprüfung zunächst Gelegenheit gegeben werden muss nachzuweisen, dass eventuelle im Wege der Gleichwertigkeitsprüfung festzustellende erhebliche Unterschiede im Ausbildungsgang durch erworbene Kenntnisse, Fähigkeiten und Berufserfahrung ausgeglichen sind. Dies folgt zum einen aus Art. 14 Abs. 5 der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen (RL 2005/36/EG in der Fassung der RL 2013/55/EU v. 20.11.2013 ABl. L 354, S. 132; vgl. dazu BVerwG, B.v. 6.6.2017 – 3 B 42.16 – juris Rn. 6, 10). Zum anderen erfordert das Grundrecht der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG eine einschränkende Auslegung der Vorschriften über die Kenntnisprüfung. Als subjektive Zulassungsschranke ist das Auferlegen einer Kenntnisprüfung rechtfertigungsbedürftig und muss dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen (OVG NRW, U.v. 17.2.2017 – 13 A 235/15 – juris Rn. 109 m.V.a. BVerfG, B.v. 14.3.1989 – 1 BvR 1033/82, 1 BvR 174/84 – juris). Da der Gesetzgeber im Falle der Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes keine Notwendigkeit für eine Kenntnisprüfung gesehen hat, darf ohne Überprüfung der Gleichwertigkeit – abgesehen von den Fällen des § 3 Abs. 3 Satz 4 BÄO – auch keine Kenntnisprüfung auferlegt werden. Ein entsprechendes Verlangen der Approbationsbehörde ist damit unverhältnismäßig.
bb) Auch die weiteren, vom Antragsgegner für seine Rechtsauffassung angeführten Argumente vermögen nicht zu überzeugen. Zum einen besteht keine Bindung der Antragstellerin an die in Baden-Württemberg getroffene Entscheidung für eine Kenntnisprüfung. Zum einen handelte es sich um ein anderes Verwaltungsverfahren, welches durch die Antragsrücknahme der Antragstellerin und den daraufhin ergangenen Einstellungsbescheid des Landesgesundheitsamtes Baden-Württemberg abgeschlossen worden ist, ohne dass eine Kenntnisprüfung abgelegt wurde. Zum anderen ist nicht auszuschließen, dass für die Entscheidung der Antragstellerin, die Kenntnisprüfung abzulegen, eine Fehlinformation durch die dortige Behörde ausschlaggebend war. Für ein Wahlrecht der Antragstellerin zwischen Gleichwertigkeits- oder Kenntnisprüfung, wie es die im Aktenvorgang enthaltenen Äußerungen des Landesgesundheitsamtes Baden-Württemberg nahelegen, besteht nach der oben erfolgten Auslegung der einschlägigen Vorschriften des § 3 BÄO kein Raum. Da es sich bei der Gleichwertigkeitsprüfung, wie dargelegt, nach der gesetzgeberischen Konzeption um einen zwingenden Verfahrensschritt handelt, welcher außer in den Fällen des § 3 Abs. 3 Satz 4 BÄO nicht übergangen werden darf, stand dieser auch nicht zur Disposition der Antragstellerin. Ein Verzicht auf eine Gleichwertigkeitsprüfung war damit nicht möglich. Die vom Antragsgegner gesehene Gefahr, dass ein Antragsteller beliebig oft das Bundesland bzw. die berufszulassende Behörde wechseln könnte, bis er das gewünschte Ergebnis erzielt habe – also eine Art approbationsrechtliches „forum-shopping“ betreiben könnte -, ist mit dieser Auslegung nicht verbunden. Nach der dargestellten Regelungssystematik hat die erste Behörde, bei welcher die Approbation beantragt wird, die Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes zu überprüfen und im Falle des Bestehens wesentlicher Unterschiede einen negativen Feststellungsbescheid zu erteilen (§ 3 Abs. 2 Satz 8 i.V.m. Abs. 3 Satz 2 BÄO). Dieser Feststellungsbescheid entfaltet Bindungswirkung auch für andere Behörden (vgl. Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 43 Rn. 41 ff., insb. 43, 137 ff., insb. 139). Damit ist ausgeschlossen, dass ein Antragsteller nach Scheitern seines Approbationsverfahrens ohne eine relevante Veränderung der Sach- oder Rechtslage mit Erfolg in einem Bundesland bzw. bei einer anderen Approbationsbehörde versuchen könnte, die Approbation zu erlangen.
b) Der Antragstellerin steht auch der erforderliche Anordnungsgrund zur Seite. Mit dem Ablauf der bis 19. August 2020 erteilten Berufserlaubnis gemäß § 10 Abs. 2 BÄO droht der Antragstellerin ohne ärztliche Approbation der Verlust des Arbeitsplatzes und damit der wesentlichen wirtschaftlichen Existenzgrundlage. Dies stellt grundsätzlich einen wesentlichen Nachteil i.S.d. § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO dar (vgl. Beck´scher Onlinekommentar, VwGO, § 123 Rn. 129 m.w.N.; Schoch in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 123 Rn. 80b; vgl. auch Schwab, NVwZ 2020, 689 ff. zur Glaubhaftmachung einer wirtschaftlichen Existenzgefährdung). Ob zum Verbleib der Antragstellerin auf dem bisherigen Arbeitsplatz die vorläufige Berufserlaubnis über die mit Ablauf des 19. August 2020 erschöpfte maximale Geltungsdauer von zwei Jahren gemäß § 10 Abs. 2 Satz 2 BÄO hinaus auf der Grundlage des § 10 Abs. 3 Satz 1 BÄO wieder erteilt werden wird, ist nicht voraussehbar. Zum einen setzte dies entweder das Vorliegen besonderer Gründe im Einzelfall nach § 10 Abs. 3 Satz 1 Alternative 1 BÄO oder das Vorliegen eines Bedürfnisses aus Gründen der ärztlichen Versorgung i.S.d. § 10 Abs. 3 Satz 1 Alternative 2 BÄO voraus. Aus Gründen der ärztlichen Versorgung darf die Berufserlaubnis jedoch nur wiedererteilt werden, wenn die Gleichwertigkeit des Ausbildungsstandes zumindest auf dem von der Antragstellerin am konkreten Arbeitsplatz wahrzunehmenden ärztlichen Gebiet feststeht, was voraussetzte, dass im Erteilungszeitpunkt bereits eine Gleichwertigkeitsprüfung mit für die Antragstellerin positivem Ergebnis durchgeführt worden wäre. Ob demgegenüber angesichts der rechtswidrigen Weigerung der Regierung von Oberbayern als Approbationsbehörde, eine Gleichwertigkeitsprüfung durchzuführen, ein besonderer Einzelfall i.S.d. § 10 Abs. 3 Satz 1 Alternative 1 BÄO vorliegt, erscheint fraglich. Denn für die Erteilung der ärztlichen Berufserlaubnis ist eine andere Behörde, nämlich die Regierung von Unterfranken, zuständig. Darüber hinaus handelt es sich bei der Erteilung einer vorläufigen Berufserlaubnis nach § 10 Abs. 3 Satz 1 BÄO in jedem Falle um eine Ermessensentscheidung. Schließlich kann die Antragstellerin auch nicht auf das Ablegen einer Kenntnisprüfung als Alternative zum Erlass einer einstweiligen Anordnung verwiesen werden, weil ihr damit eine zusätzliche Belastung auferlegt würde (vgl. Schoch in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 123 Rn. 87b).
c) Da das Begehren in der (noch nicht erhobenen) Klage in der Hauptsache nach Auffassung der Kammer primär auf den Erlass eines Feststellungsbescheides gemäß § 3 Abs. 2 Satz 8 BÄO gerichtet wäre, wird durch die einstweilige Anordnung mit dem hier ausgesprochenen Tenor die Hauptsache nicht vorweggenommen. Dennoch lägen auch hierfür die Voraussetzungen vor, da der Anordnungsanspruch – wie dargelegt – mit hoher Wahrscheinlichkeit besteht und der Verlust des Arbeitsplatzes einen unzumutbaren, im Hauptsacheverfahren irreversiblen Nachteil darstellt (vgl. BVerwG, B.v. 13.8.1999 – 2 VR 1.99 – juris Rn. 24; BayVGH, B.v. 18.9.2018 – 21 CE 18.1100 – juris Rn. 20; B.v. 12.4.2018 – 21 CE 18.136 – juris Rn. 12; B.v. 27.11.2015 – 21 CE 15.2183 – juris Rn. 16; B.v. 29.6.2007 – 21 CE 07.1224 – juris Rn. 5).
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
4. Für die Festsetzung des Streitwerts waren folgende Erwägungen maßgeblich: Für eine auf Approbationserteilung gerichtete Klage sieht der Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 31. Mai und 1. Juni 2012 sowie am 18. Juli 2013 beschlossenen Änderungen unter Ziffer 16.1 als Streitwert den Jahresbetrag des erzielten oder erwarteten Verdienstes, mindestens aber 30.000,00 EUR vor. Da die Klage in der Hauptsache aber primär auf Erteilung eines Feststellungsbescheides gemäß § 3 Abs. 2 Satz 8 BÄO zu richten wäre, könnte hierfür nicht der volle Streitwert der Approbationserteilung, sondern nach der Überzeugung der Kammer nur die Hälfte, d.h. 15.000,00 EUR, angesetzt werden. Unter Berücksichtigung des vorläufigen Charakters des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens ergibt sich daraus der vorliegend festgesetzte Streitwert von 7.500,00 EUR.


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