Verwaltungsrecht

Asyl, Iran: Kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und subsidiären Schutzes

Aktenzeichen  M 28 K 17.32282

Datum:
13.2.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 28057
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3, § 4
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7

 

Leitsatz

Hinsichtlich des Vorliegens einer die religiöse Identität des Klägers prägende Hinwendung zum christlichen Glauben besteht für die insoweit inmitten stehenden Sach- und Rechtsfragen keine präjudizielle Wirkung allein der formalen, kirchenrechtlich wirksamen Taufe (vgl. VGH BW BeckRS 2014, 49016).  (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

In der Verwaltungsstreitsache konnte auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 9. Februar 2018 entschieden werden, obwohl kein Vertreter der ordnungsgemäß geladenen Beklagten zum Termin erschienen ist, § 102 Abs. 2 VwGO.
Die zulässige Klage ist in den Haupt- und Hilfsanträgen nicht begründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, die Beklagte zu verpflichten, ihm unter Aufhebung der jeweils entgegenstehenden Ziffern des angegriffenen Bescheids die Flüchtlingseigenschaft (§ 3 AsylG) oder subsidiären Schutz (§ 4 AsylG) zuzuerkennen oder zu seinen Gunsten ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen. Das BAMF hat den Asylantrag zu Recht vollumfänglich abgelehnt.
Der Einzelrichter ist nicht hinreichend davon überzeugt, dass die Darstellung des Klägers zu denjenigen Gründen, die ihn zur Ausreise aus dem Iran veranlasst haben sollen, der Wahrheit entspricht (nachfolgend 2.). Eine flüchtlings- oder abschiebungsschutzrelevante Gefährdung der Klagepartei für den Fall der Rückkehr in den Iran ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der Darstellung, zum Christentum konvertiert zu sein und nach der christlichen Religion leben zu wollen (nachfolgend 3.). Dafür, dass die Klagepartei aus sonstigen Gründen im Falle ihrer Rückkehr in den Iran in flüchtlings- oder abschiebungsschutzrechtlich relevanter Weise gefährdet sein könnte, wurden Anhaltspunkte weder vorgetragen, noch sind solche – auch unter Berücksichtigung der Asylantragstellung des Klägers im Bundesgebiet – dem Gericht ersichtlich. Rechtmäßig wurde damit gemessen an § 34 AsylG der Klagepartei in Ziffer 5. des Bescheids auch die Abschiebung in den Iran angedroht. Hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Befristungsentscheidung nach § 11 Abs. 1 AufenthG in Ziffer 6. des Bescheids wurden rechtliche Bedenken von der Klägerseite schon nicht geltend gemacht, solche sind auch dem Gericht nicht erkennbar (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1. Zur Begründung im Einzelnen wird hinsichtlich des rechtlichen Rahmens und des Prüfungsmaßstabs bezüglich der §§ 3 ff., 4 AsylG sowie des § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG auf die Darstellung in dem angegriffenen Bescheid verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG). Im Übrigen:
2. Der Einzelrichter ist nicht hinreichend davon überzeugt, dass die Darstellung des Klägers zu denjenigen Gründen, die ihn zur Ausreise aus dem Iran veranlasst haben sollen, der Wahrheit entspricht.
Der Einzelrichter muss im Asylverfahren sowohl von der Wahrheit – und nicht nur von der Wahrscheinlichkeit – des vom Asylsuchenden behaupteten individuellen Schicksals als auch von der Richtigkeit der Prognose drohender Verfolgung bzw. Gefährdung die volle Überzeugung gewinnen. Dabei obliegt es der Klagepartei, die Gründe für ihr Asylbegehren in schlüssiger Form vorzutragen. Sie hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich ergibt, dass bei verständiger Würdigung des Einzelfalles die Furcht vor Verfolgung begründet und es ihr nicht zuzumuten ist, im Herkunftsland zu verbleiben oder dorthin zurückzukehren. Wegen des sachtypischen Beweisnotstandes, in dem sich Asylsuchende insbesondere im Hinblick auf asylbegründende Vorgänge im Herkunftsland vielfach befinden, genügt für diese Vorgänge in der Regel die Glaubhaftmachung. Voraussetzung für ein glaubhaftes Vorbringen ist allerdings – unter Berücksichtigung des Herkommens, Bildungsstandes und Alters des Asylsuchenden und deshalb möglicher, insbesondere sprachlicher Schwierigkeiten, die eigenen Belange dem Gericht überzeugend und „farbig“ darzustellen – ein detaillierter, in sich schlüssiger und überzeugender Vortrag ohne wesentliche Widersprüche und Steigerungen.
Gemessen hieran ist festzustellen:
Die Zweifel des Einzelrichters knüpfen vor allem an das dem angeblich unmittelbaren Fluchtanlass vorgelagerte Geschehen, nämlich daran an, dass der Kläger etwa acht Monate vor seiner Ausreise aus dem Iran in einem Fußballverein zwei christliche Konvertiten (nachfolgend: R. und A.) neu kennengelernt habe, die ihn bereits nach zwei bis drei Wochen zu regelmäßigen Treffen von Konvertiten in einer Kirche (bzw. einem Nebenraum der Kirche) in seiner Heimatstadt mitgenommen haben sollen. Zwar schilderte der Kläger mit dem Tod seines Vaters einen nachvollziehbaren Grund, weshalb er sich seinerzeit in einer für ihn persönlich sehr schwierigen Situation und psychisch angeschlagenen Stimmung befunden und sich mit seinen Problemen dem R. und A. offenbart habe. Gemessen an der für christliche Konvertiten im Iran tatsächlich bestehenden Verfolgungsgefahr erscheint die kurze Zeit, in der R. und A. zu ihm Vertrauen gefasst und ihn zu den Treffen der Konvertiten mitgenommen haben sollen, aber ungewöhnlich. Eine überzeugende Erklärung hierfür konnte der Einzelrichter den Erläuterungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung nicht entnehmen, dies bezieht auch die diesbezügliche Erläuterung des Klägers in seiner Anhörung vor dem BAMF mit ein, R. und A. seien tief gläubig gewesen und hätten keine Angst gehabt, das zu offenbaren.
Zweifel ergeben sich auch hinsichtlich der Darstellung der behaupteten Kirchenbesuche. Zwar konnte der Kläger in der mündlichen Verhandlung die Lage der Kirche in seiner Heimatstadt an Hand von Kartenmaterial beschreiben. Die diesbezügliche Einschätzung der Beklagten (Seite 5 Mitte des streitgegenständlichen Bescheids), die Angaben des Klägers hätten sich bei einer Recherche nicht bestätigt, kann insoweit nicht nachvollzogen werden, denn die armenische „St. Mary´s Church“ (so wird die Kirche in den in der mündlichen Verhandlung besprochenen Internet-Quellen bezeichnet) liegt tatsächlich in der Nähe einer Polizeistation, einer Filiale der vom Kläger benannten Bank und mit dem K. S. in der Nähe einer Art von „Kreisverkehr“. Andererseits ergibt sich hieraus noch kein hinreichend tragfähiger Beleg dafür, dass der Kläger diese Kirche (bzw. einen Nebenraum davon) auch tatsächlich für die Treffen von Konvertiten regelmäßig besuchte. Diese Kirche dürfte, wie die sehr einfache Auffindbarkeit für den Einzelrichter aus Internet-Quellen zeigt, in der Heimatstadt des Klägers allgemein bekannt sein und ist auch nach außen hin (durch ihre Bauweise und deutlich erkennbare Kreuze) leicht als christliches Kirchengebäude erkennbar. Gleichzeitig ist auch festzustellen, dass die Beschreibung des Klägers, wie sie von der Straße aus exakt den behaupteten Zugang zu dieser Kirche bzw. zu dem Nebenraum für die Treffen der Konvertiten genommen haben sollen, nicht so prägnant und zielsicher ausfiel, dass allein daraus schon sicher auf ein mehrfaches tatsächliches Betreten des Kirchengebäudes (oder des behaupteten Nebenraums) durch den Kläger geschlossen werden könnte.
Gewichtiger als dieser Aspekt erscheint dem Einzelrichter aber Folgendes:
Der Kläger stellte in der mündlichen Verhandlung dar, die Treffen in oder bei der Kirche hätten regelmäßig Sonntagnachmittags mit rund 30 Personen stattgefunden, wovon etwa die Hälfte aus der Heimatstadt des Klägers, die andere Hälfte jeweils aus dem mehr als 300 km entfernten T. angereist sein soll. Dabei hätten sie mit den die Kirche regulär und von Seiten des iranischen Staats erlaubt besuchenden armenischen Gemeindemitgliedern nichts zu tun gehabt. Dies erscheint dem Einzelrichter unter zwei Gesichtspunkten fraglich: Zum einen erscheint es schwer nachvollziehbar, dass und warum christliche Konvertiten aus T. jede Woche den weiten Weg in die Heimatstadt des Klägers und wieder zurück nach T. auf sich genommen haben sollen. Da der Kläger von deren Herkunft zwar gewusst haben, mit diesen Personen aber nicht über ihr Motiv, in die Heimatstadt des Klägers zu kommen und sich nicht in T. zu treffen, gesprochen haben will, konnte er dafür auch keine plausible Erklärung geben. Zum anderen erscheint es, gemessen an der iranischen Lebenswirklichkeit für christliche Konvertiten im Iran, schon zweifelhaft, dass sich diese regelmäßig in einer relativ großen Zahl zur gleichen Zeit am gleichen Ort zu Treffen zusammengefunden haben sollen. Der für den Einzelrichter insoweit Wesentlichste Aspekt ist indes Folgender: Angehörige der christlichen armenischen Minderheit im Iran können im Grundsatz im Iran ihre Religion unbehelligt ausüben und sich etwa auch zu Gottesdiensten in ihren Kirchen versammeln. Die von staatlicher Seite entsprechend „geduldeten“ christlichen Gemeinden müssen jedoch angesichts der staatlichen Verfolgung und Ahndung von ehemals muslimischen Konvertiten im Iran mit ihrer Beobachtung und mit schwerwiegenden Konsequenzen, etwa der Schließung von Kirchen, der Inhaftierung von Geistlichen und der Auflösung von Gemeinden, rechnen, wenn die Existenz von Konvertiten in ihrer Gemeinde bekannt werden würde (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht Iran, Stand November 2015, Seite 15). Es erscheint deshalb weder schlüssig nachvollziehbar noch vom Kläger insoweit überzeugend erläutert, dass sich eine relativ große Gruppe von ehemals muslimischen Konvertiten wie behauptet regelmäßig mit Wissen der für die armenische Gemeinde Verantwortlichen in oder im unmittelbaren Umfeld der armenischen Kirche im Zentrum der Heimatstadt des Klägers getroffen haben sollen.
Allenfalls im Wege einer Gesamtwürdigung der Glaubwürdigkeit der Darstellung des Klägers würdigt der Einzelrichter im Übrigen den in der mündlichen Verhandlung ausführlich thematisierten Widerspruch hinsichtlich der Konfession des Pfarrers Z., der die Gruppe der Konvertiten geleitet und die Treffen in der armenischen Kirche organisiert haben soll (in der Dokumentation der Anhörung des Klägers vor dem BAMF heißt es, Z. habe an sich in T. gepredigt, sei evangelischer Priester und habe mit dem „orthodoxen Kirchenoberhaupt“ gesprochen, um die Erlaubnis zur Nutzung des Nebenraums für die Treffen der Konvertiten zu erhalten; demgegenüber gab der Kläger in der mündlichen Verhandlung an, Z. sei orthodoxer Geistlicher gewesen): So berücksichtigt der Einzelrichter durchaus, dass auf Grund der im Zeitpunkt der Anhörung des Klägers vor dem BAMF hohen Arbeitsbelastung des BAMF (vgl. Göbel-Zimmermann/Skrzypczak, ZAR 2016, 357/358) Übersetzungs- und/oder Dokumentationsfehler während der Anhörungen in den Asylverfahren, auf die sich der Kläger insoweit in der mündlichen Verhandlung auch berufen hat, nicht auszuschließen sind. Die Bewertung von Widersprüchen eines Asylbewerbers zwischen der Dokumentation seiner Anhörung vor dem BAMF und den Aussagen in der mündlichen Verhandlung muss deshalb bei Befragungen aus dem Zeitraum, in dem der Kläger befragt wurde, eine gewisse „Fehlertoleranz“ aufweisen. Andererseits ist festzustellen, dass die Nachfrage des Anhörers und die diesbezüglich dokumentierte Antwort des Klägers, wer die Erlaubnis erteilt habe, in einer orthodoxen Kirche einen evangelischen Gottesdienst abzuhalten, eher wenig Sinn ergeben würde, hätte der Kläger seinerzeit tatsächlich behauptet, Z. sei orthodoxer Geistlicher gewesen.
Im Übrigen konnte der Einzelrichter auch und gerade nach der Art und Weise des Vortrags des Klägers hinsichtlich der behaupteten Vorfluchtgründe nicht die erforderliche Überzeugung gewinnen, dass der Kläger tatsächlich wahrheitsgemäß ein selbst erlebtes Fluchtschicksal schilderte. Zwar hat der Kläger, wie bereits dargelegt, mit dem Tod seines Vaters grundsätzlich ein plausibles Anknüpfungsmerkmal für sein Interesse und seine Hinwendung zu einer anderen Religion benannt; insoweit zeigte sich der Kläger in der mündlichen Verhandlung auch glaubhaft emotional bewegt. Für den Einzelrichter wurde dennoch in der mündlichen Verhandlung nicht hinreichend deutlich, dass und welcher innere Prozess sich beim Kläger insoweit durch die behauptete Teilnahme an Treffen christlicher Konvertiten im Iran und seine (nach eigener Darstellung überhaupt erstmals sieben Monate vor der Ausreise erfolgte) Hinwendung zum christlichen Glauben schon im Iran ergeben haben soll. Seine diesbezügliche Darstellung erschien auch teilweise klischeeartig und überzeichnet, etwa, wenn er sich als früher „schmutzigen Menschen“ bezeichnete, der im Islam „nichts als Lügen“ gesehen habe oder wenn er auf die Frage des Einzelrichters, ob er bei der Teilnahme an den Treffen nicht auch Bedenken bezüglich seiner persönlichen Sicherheit vor staatlicher Verfolgung gehabt habe, auf eine Bibelstelle verwies, so als ob der Kläger seinerzeit bereits über ein gefestigtes Wissen aus der Bibel verfügt hätte.
Vor diesem Hintergrund ist der Einzelrichter auch von der Wahrheit der an die vermeintlichen Treffen des Klägers mit R. und A. anknüpfende Darstellung zum angeblich unmittelbar fluchtauslösenden Geschehen, der Verhaftung des Freundes R., des vermuteten Verrats des Klägers durch R. und nachfolgend der vorübergehenden Festnahme der Mutter des Klägers und der Durchsuchung der Wohnung, nicht hinreichend überzeugt. Diesbezüglich weitere Möglichkeiten zur Aufklärung in tatsächlicher Hinsicht wurden – auch auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung durch die Klagepartei – nicht gesehen.
Auch sonst konnte der Einzelrichter bei der ausführlichen Befragung zu den Vorfluchtgründen in der mündlichen Verhandlung – und sei es auf Grund eines einzelnen, besonders prägnanten sachlichen Details oder auf Grund einer besonders überzeugenden Darstellung auch nur eines einzelnen, ggf. nebensächlichen Aspekts durch die Klagepartei im behördlichen oder gerichtlichen Verfahren – nicht die Überzeugung davon gewinnen, dass zu dem behauptetem Grund der Ausreise des Klägers aus dem Iran tatsächlich wahrheitsgemäß vorgetragen wird.
Dabei berücksichtigt der Einzelrichter – nicht allein streitentscheidend, aber als ein Element einer Gesamtwürdigung der Glaubwürdigkeit der Klagepartei – auch, dass der Kläger im November 2015 aus dem Iran ausgereist ist. Der Ausreisezeitpunkt fällt in einen Zeitraum, in dem sich wenige Monate zuvor allgemeinbekannt eine außergewöhnlich hohe Zahl von Asylbewerbern auch aus der Herkunftsregion der Klagepartei insbesondere über die sog. „Balkanroute“ nach Europa begeben hat und vor allem im September 2015 ein über die Medien weltweit kommunizierter Zustand der faktischen Grenzöffnung in Deutschland und der vermeintlich „unkompliziert“ bestehenden Möglichkeit, in Deutschland Aufnahme zu finden, zu bestehen schien. Der Einzelrichter muss bei der Gesamtwürdigung der Glaubwürdigkeit von Asylbewerbern, die im zeitlichen Zusammenhang mit diesen Ereignissen ihr Heimatland verlassen haben, auch in Rechnung stellen, dass sie möglicherweise in Folge dieser Ereignisse die vermeintlich bestehende Chance wahrnehmen wollten, aus nicht asylrelevanten Gründen in Europa Aufnahme zu finden.
Aus einer Gesamtschau der vorgenannten Aspekte, insbesondere des wie dargelegt wenig realistischen Geschehensablaufs und der Art und Weise des persönlichen Vortrags dieser behaupteten Geschehnisse durch den Kläger in der mündlichen Verhandlung, ergibt sich deshalb, dass der Kläger nach Überzeugung des Einzelrichters im November 2015 unverfolgt aus dem Iran ausgereist ist.
3. Eine flüchtlings- oder abschiebungsschutzrelevante Gefährdung des Klägers für den Fall der Rückkehr in den Iran ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der Darstellung, zum Christentum konvertiert zu sein und nach der christlichen Religion leben zu wollen.
Das Gericht ist nicht ausreichend davon überzeugt, dass die behauptete Konversion des Klägers zum Christentum auf einer ernsthaften inneren Glaubensüberzeugung beruht, mithin eine die religiöse Identität des Klägers prägende Hinwendung zum christlichen Glauben vorliegt.
Vorrangig ist klarzustellen, dass für die insoweit inmitten stehenden Sach- und Rechtsfragen nach ständiger Rechtsprechung der entscheidenden Kammer keine präjudizielle Wirkung allein der formalen, kirchenrechtlich wirksamen Taufe besteht (vgl. im Einzelnen: VGH BW, B.v. 19.2.2014 – A 3 S 2023/12 – juris Rn. 10; OVG NRW, B.v. 11.11.2013 – 13 A 2252/13.A – juris Rn. 11; BayVGH, B.v. 7.5.2013 – 14 ZB 13.30082 – juris Rn. 5). Im Übrigen:
Der Einzelrichter ist nicht ausreichend davon überzeugt, dass der Kläger – wie es erforderlich wäre – auf Grund einer gefestigten inneren Überzeugung und prognostisch gesehen andauernd sein Leben nach dem christlichen Glauben gestalten und entsprechend dieser Grundsätze auch im Fall einer unterstellten Rückkehr in den Iran ohne Rücksicht auf eine drohende Gefährdung oder Verfolgung ehemals muslimischer Konvertiten im Iran leben möchte. Bei einer Gesamtwürdigung des Eindrucks, den der Einzelrichter aus der Dokumentation der Anhörung des Klägers vor dem BAMF, den Äußerungen im gerichtlichen Verfahrung und vor allem auf Grund der ausführlichen Befragung des Klägers in der mündlichen Verhandlung von dem Grund des Klägers für seine Ausreise aus dem Iran, von dem Weg des Klägers zum Christentum, von seinen diesbezüglichen Beweggründen und Motiven, von der bisherigen Lebensgestaltung und Glaubensausübung des Klägers und schließlich von der Verinnerlichung seines Glaubens gewinnen konnte, ist das Gericht nicht ausreichend davon überzeugt, dass das Christentum seine Identität und seine Persönlichkeit so wesentlich bestimmt und prägt, dass er im Fall der Rückkehr in den Iran in eine grundlegenden Menschen- und Freiheitsrechten widersprechende ernstliche Gewissensnot geraten würde, wenn er dort seinen Glaubenswechsel verbergen müsste, um eine Verfolgung oder Gefährdung zu vermeiden. Voraussetzung einer entsprechenden Schutzgewährung wäre stets, dass die Religionsausübung auf einer ernsthaften inneren Glaubensüberzeugung beruht, mithin eine die religiöse Identität des Betreffenden prägende Hinwendung zu einem bestimmten Glauben vorliegt und dass der Betreffende nach Rückkehr in sein Heimatland die religiösen Betätigungen seines Glaubens (wie etwa den Besuch von Gottesdiensten, den kommunikativen Austausch mit andere Gläubigen oder sogar den Versuch, andere Menschen vom seinem Glauben zu überzeugen) auch als zur Wahrung seiner religiösen Identität unerlässlich empfindet, da er sonst in eine ernstliche Gewissensnot geriete sowie dass der Betreffende sich dadurch der tatsächlichen Gefahr einer Verfolgung aussetzen würde. Ob dies der Fall ist, kann stets nur im Wege einer Würdigung des konkreten Einzelfalls entschieden werden.
Zunächst ist festzuhalten, dass der Einzelrichter durchaus davon ausgeht, dass der Kläger sich (wie aus den Bestätigungen der Freien Evangelischen Gemeinde N. vom 25. Juni und 11. Oktober 2016 sowie vom 25. Januar 2018, der Christlichen Gemeinde O. e.V. vom 28. Januar 2018, der Christlichen Gemeinde G. vom 24. Januar 2018 und der „Persischen Christengemeinde, Dienst unter persisch Sprechenden in Deutschland – DupSiD e.V.“ vom 24. Januar 2018 deutlich wird) in christlichen Gemeinde aktiv engagiert, insbesondere dort regelmäßig an Gottesdiensten teilnimmt. Allein aus einem derartigen tatsächlichen Engagement lässt sich indes noch kein hinreichender Schluss auf die rechtlich erforderliche, ernstliche Verinnerlichung des neuen Glaubens ziehen. Dem Einzelrichter ist aus einer Vielzahl von Asylverfahren iranischer Staatsangehöriger, die ihre Konversion zum Christentum vor Gericht vorbringen, bekannt, welche Aktivitäten von Asylbewerbern unabhängig von ihrer Glaubensüberzeugung in christlichen Gemeinden entfaltet werden können und mit welch „offenen Armen“ und mit welch großer Unterstützung christliche Gemeinden insoweit regelmäßig am Gemeindeleben interessierte und integrationswillige Konvertiten aufnehmen und betreuen.
Auch verfügt der Kläger über Kenntnisse der christlichen Religion, die er etwa in den von ihm in der Freien evangelischen Gemeinde N … absolvierten Kursen und Weiterbildungen zum christlichen Glauben und bei der bisherigen Teilnahme an Veranstaltungen in den christlichen Gemeinden erlangen konnte.
Maßgeblich für die Entscheidung im Fall des Klägers ist indes:
Dem Einzelrichter erscheint zunächst der Prozess, der zur Bildung der neuen christlichen Glaubensüberzeugung des Klägers geführt haben soll, nicht hinreichend glaubhaft. Gemessen an den oben (unter 2.) dargelegten Ausführungen muss das Gericht davon ausgehen, dass der Kläger ohne vertieftes Wissen vom Christentum unverfolgt aus dem Iran ausgereist ist. Die Einlassungen des Klägers, auf welche Weise er nach seiner Einreise im Bundesgebiet Kontakte mit christlichen Gemeinden und anderen Christen knüpfte, deuten eher auf eine gewisse Zufälligkeit und auch darauf hin, dass sich der Kläger in einem für ihn sicherlich schwierigen Umfeld (Einreise als Asylbewerber in einem fremden Land in einem Zeitraum einer allgemeinbekannt sehr hohen Zahl von Asylbewerbern mit entsprechenden Schwierigkeiten in Bezug auf Unterbringung, Betreuung, Verfahren etc.) von der – aus welchem Motiv auch immer erfolgten – Hinwendung anderer iranischer Asylbewerber zum Christentum am Ort seiner früheren Unterbringung im Raum N. „anstecken“ ließ und dass er zunächst – verständlicherweise – vor allem die zwischenmenschliche Zuwendung und Wertschätzung durch andere in- und ausländische Christen als ein positives Erlebnis empfand (vgl. Niederschrift über die Anhörung des Kläger vor dem BAMF, Seite 8 oben: In N. „gibt es eine deutsch-persische Gemeinde. […] Alle meine Freunde waren ebenfalls in dieser Gemeinde. Ich wollte mit meinen Freunden aus meiner Unterkunft zusammen sein. Ich habe mich in dieser Gemeinde sehr wohl gefühlt“). Dass und ggf. warum der Kläger sich, gleichsam „befreit“ von der alles überwölbenden islamischen Gesellschaftsordnung im Iran, aus eigenem inneren Antrieb und Interesse in seinem neuen freiheitlichen und weltanschaulich neutralen Staats- und Gesellschaftsumfeld bewusst dem Christentum zugewandt hätte, wurde für den Einzelrichter aus seinen Ausführungen indes nicht hinreichend deutlich. So hat sich der Kläger etwa bis zuletzt im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nach eigenen Angaben nicht mit anderen Religionen und auch nicht vertieft mit anderen christlichen Konfessionen auseinandergesetzt. Auch seine frühere Religion, den Islam, betrachtet der Kläger nach wie vor allein aus einer ersichtlich vom iranischen Regierungs- und Gesellschaftssystem geprägten Sichtweise als eine „Religion der Lüge und der Gewalt“. Aus dem Vortrag des Klägers ergaben sich für den Einzelrichter deshalb keine überzeugenden Anhaltspunkte dafür, dass der von ihm im Jahr 2016 beschrittene Weg der Annäherung an den christlichen Glauben und des Wechsels zum christlichen Glauben einen ergebnisoffenen, sorgfältig abgewogenen, auf ehrlich empfundene Charakteristika seiner Persönlichkeit und eine insoweit sukzessive gewonnene und nachhaltig tragende Glaubensüberzeugung abgestimmten Prozess dargestellt hätte, der mit seiner christlichen Taufe im November 2016 seinen Abschluss gefunden hätte.
Der Einzelrichter verkennt nicht, dass selbst bei einer anfangs zufälligen oder gar asyltaktisch motivierten Hinwendung eines unverfolgt aus dem Iran ausgereisten Klägers zum Christentum es der Klage auch zum Erfolg verhelfen würde, wenn jedenfalls im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung eine die religiöse Identität des Klägers prägende Hinwendung zum christlichen Glauben vorliegen würde. Hiervon ist der Einzelrichter indes nicht ausreichend überzeugt:
So traten jedenfalls vertiefte und zugleich differenzierte Kenntnisse des Klägers über seinen neuen Glauben trotz des zwischenzeitlich weiter verstrichenen Zeitraums und der insoweit für den Kläger bestehenden Möglichkeit, sein Wissen und seine Erfahrungen in Fragen der Religion zu vertiefen und zu festigen, nicht in Erscheinung.
Unbeschadet dieses Aspekts gründen die Zweifel des Einzelrichters aber vor allem auf dem persönlichen Eindruck vom Kläger in der mündlichen Verhandlung und das bei seiner ausführlichen Befragung gewonnene Bild von der Persönlichkeit des Klägers und seiner behaupteten Glaubensüberzeugung. Insoweit ist festzustellen, dass der Kläger die Fragen des Einzelrichters, die auf die Überprüfung der Ernsthaftigkeit und Nachhaltigkeit seiner Glaubensüberzeugung abzielten, nicht hinreichend überzeugend beantwortete. Auch unter Berücksichtigung des Alters, des Bildungsstandes und möglicher sprachlicher Schwierigkeiten blieben seine Antworten, etwa zu den Aspekten, welche Merkmale des christlichen Glaubens der Kläger als besonders wesentlich ansieht und wie der christliche Glauben sich im täglichen Leben des Klägers äußere, „farblos“ und von Allgemeinplätzen und Schlagworten des christlichen Glaubens geprägt. Antworten hingegen, die ersichtlich von seiner individuellen Persönlichkeit geprägt auf die Verinnerlichung seines Glaubens schließen lassen könnten, wurden für den Einzelrichter daraus nicht hinreichend erkennbar. Auch konnte der Einzelrichter in der mündlichen Verhandlung – auch unter Berücksichtigung der Passagen, in denen der Kläger ersichtlich emotional bewegt vom Tod seines Vaters berichtete – zu keinem Zeitpunkt wirklich den Eindruck gewinnen, dass der Kläger bezogen auf seinen neuen Glauben gleichsam „aus dem Herzen sprach“. Dabei ist der Einzelrichter davon überzeugt, dass dies nicht etwa aus der nicht zu bestreitenden Schwierigkeit herrührte, innere Tatsachen und Beweggründe wie die Bedeutung des eigenen Glaubens im Gespräch darzustellen. Auch verfügt der Kläger grundsätzlich erkennbar über die intellektuellen Fähigkeiten, seine Belange flüssig und wortreich verbal zu präsentieren. Schließlich berücksichtigt der Einzelrichter durchaus, nicht etwa introvertiertere Persönlichkeiten gegenüber Menschen, die zu einer extrovertierteren Ausdrucks- und Darstellungsweise neigen, zu benachteiligen. Beim Kläger war insoweit während weiter Teile seiner Anhörung indes eher eine übersteigerte und „aufgesetzt“ wirkende Darstellung feststellbar, etwa in der Passage, in der er seinen Drang zur Verkündung der christlichen Botschaft auch gegenüber Anders- und Nichtgläubigen herausstellte.
Mithin ergab sich für den Einzelrichter bei einer Gesamtschau der Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung kein ausreichend überzeugendes Bild, wonach hinreichend tragfähig von einer ernsthaften und nachhaltigen Verinnerlichung des christlichen Glaubens beim Kläger ausgegangen werden könnte.
Vor diesem Hintergrund ergibt sich allein aus der Taufe des Klägers in einer Freien evangelischen Gemeinde, der Eingliederung des Klägers in christliche Gemeinden im Bundesgebiet und auch den vom Kläger in der mündlichen Verhandlung geltend gemachten Aktivitäten für die Freie evangelische Gemeinde N. (etwa an deren öffentlichem internationalem Bücherstand) nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer flüchtlings- oder abschiebungsschutzrelevanten Gefährdung im Falle der Rückkehr in den Iran. Ohne eine die religiöse Identität des Klägers prägende, ernsthafte Hinwendung zum Christentum und ohne erkennbar gefestigte innere Glaubensüberzeugung besteht für den Fall der Rückkehr des Klägers in den Iran nach Überzeugung des Einzelrichters nicht die Gefahr, Verfolgungsmaßnahmen durch den iranischen Staat oder ihm zuzurechnender Akteure wegen „Abfalls vom islamischen Glauben“ ausgesetzt zu sein (BayVGH, B.v. 30.1.2018 – 14 ZB 18.30076 – noch n.v.; B.v. 7.11.2016 – 14 ZB 16.30380 – juris Rn. 7 m.w.N.; OVG NRW, B.v. 11.1.2018 – 13 A 2476/17.A – juris Rn. 9 m.w.N.).
Die (gerichtskostenfreie, § 83 b AsylG) Klage war deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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