Verwaltungsrecht

Asyl, Nigeria: Erfolgloser Antrag auf Zulassung der Berufung

Aktenzeichen  7 ZB 19.31630

Datum:
21.5.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 27531
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 1, § 78 Abs. 4 S. 4
EMRK Art. 3
AufenthG § 60 Abs. 5

 

Leitsatz

1. Die Frage, ob ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG wegen des Fehlens einer ausreichenden Existenzgrundlage zu bejahen ist, kann nicht Gegenstand einer Grundsatzentscheidung sein. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das im Rahmen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK erforderliche Mindestmaß der im Zielstaat drohenden Gefahren bei unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten schwierige Lebensverhältnisse  kann erreicht sein, wenn die Rückkehrer ihren existenziellen Lebensunterhalt nicht sichern können, kein Obdach finden oder keinen Zugang zu medizinischer Behandlung erhalten. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
3. Einer weitergehenden abstrakten Konkretisierung ist das Erfordernis, dass ein „gewisses Mindestmaß an Schwere“ erreicht sein muss, nicht zugänglich. Vielmehr bedarf es insoweit der Würdigung aller Umstände des Einzelfalls (vgl. BVerwG BeckRS 2018, 20119). (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 7 K 17.35208 2019-03-08 VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Der einzig geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) ist schon nicht den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG entsprechend dargelegt und liegt auch nicht vor.
Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung i.S.v. § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG erfordert, dass eine Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich, bislang höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht geklärt und über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus bedeutsam ist; die Frage muss ferner im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts einer berufungsgerichtlichen Klärung zugänglich sein und dieser Klärung auch bedürfen (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 22.1.2019 – 5 B 1.19 D – juris Rn. 2 m.w.N.; B.v. 25.8.2015 – 1 B 40.15 – BayVBl 2016, 104 Rn. 6 m.w.N.; BayVGH, B.v. 4.6.2018 – 14 ZB 17.390 – juris Rn. 14 m.w.N.). Um den auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützten Zulassungsantrag zu begründen, muss der Rechtsmittelführer innerhalb der Frist des § 78 Abs. 4 Satz 1 AsylG (1.) eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, (2.) ausführen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist, (3.) erläutern, weshalb die formulierte Frage klärungsbedürftig ist, und (4.) darlegen, weshalb der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. BayVGH, B.v. 7.2.2017 – 14 ZB 16.1867 – juris Rn. 15 m.w.N.).
1. Soweit der Kläger meint, grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG komme dem Umstand zu, dass die schlechte wirtschaftliche Situation in Nigeria zu einem Abschiebungsverbot aufgrund schlechter humanitärer Verhältnisse führe und als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK zu qualifizieren sei, wird schon keine konkrete Frage formuliert.
Ungeachtet dessen kann die Frage, ob ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG wegen des Fehlens einer ausreichenden Existenzgrundlage zu bejahen ist, nicht Gegenstand einer Grundsatzentscheidung sein. In der Rechtsprechung des EGMR ist geklärt, dass unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten schwierige Lebensverhältnisse nur ausnahmsweise dann ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK begründen können, wenn die einem Ausländer im Zielstaat drohenden Gefahren ein gewisses Mindestmaß an Schwere erreichen (EGMR, U.v. 13.12.2016 – Nr. 41738/10, Paposhvili/Belgien – Rn. 174). Das erforderliche Mindestmaß kann erreicht sein, wenn die Rückkehrer ihren existenziellen Lebensunterhalt nicht sichern können, kein Obdach finden oder keinen Zugang zu medizinischer Behandlung erhalten. Einer weitergehenden abstrakten Konkretisierung ist das Erfordernis, dass ein „gewisses Mindestmaß an Schwere“ erreicht sein muss, nicht zugänglich. Vielmehr bedarf es insoweit der Würdigung aller Umstände des Einzelfalls (BVerwG, B.v. 8.8.2018 – 1 B 25.18 – juris Rn. 1). Das Verwaltungsgericht hat zu § 60 Abs. 5 AufenthG u.a. auf die Ausführungen des streitgegenständlichen Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 30. Oktober 2017 Bezug genommen und im Fall des Klägers keine besonderen Gefahren aufgrund schlechter humanitärer oder wirtschaftlicher Verhältnisse erkannt. Ob dies zutrifft, ist eine Frage des Einzelfalls, die einer grundsätzlichen Klärung nicht zugänglich ist.
2. Auch soweit der Kläger meint, es sei von grundsätzlicher Bedeutung, „ob der nigerianische Staat gegenüber relevanten Verfolgungsmaßnahmen nichtstaatlicher Dritter ausreichend Schutz bietet oder hierzu erwiesenermaßen nicht willens oder in der Lage ist“, legt er mit seinem Vorbringen den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) schon nicht den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG entsprechend dar, da er nicht ausführt, inwieweit diese Frage für das Verwaltungsgericht entscheidungserheblich gewesen sein soll. Das Gericht hat jeweils selbständig tragend einen Anspruch des Klägers auf Flüchtlingsschutz bereits deshalb verneint, da es zum einen dessen Verfolgungsgeschichte für unglaubhaft gehalten hat und zum anderen davon ausgegangen ist, dass dem Kläger die Möglichkeit einer internen Fluchtalternative offenstehe. Abgesehen davon ist die aufgeworfene Frage einer fallübergreifenden Klärung auch deshalb nicht zugänglich, da sie nur unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls beantwortet werden kann.
Kosten: § 154 Abs. 2 VwGO


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