Verwaltungsrecht

Asylrecht, Herkunftsland Irak, Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet, Einreise zum Ehemann auf dem Landweg, Schwangerschaft

Aktenzeichen  M 4 S 21.32397

Datum:
24.11.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 37345
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
AsylG § 30 Abs. 1
AsylG § 26

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage mit der sie sich gegen die Ablehnung ihres Asylantrags als offensichtlich unbegründet mit Bescheid der Beklagten vom 22. Oktober 2021 wendet.
Die 27-jährige Antragstellerin ist irakische Staatsangehörige kurdischer Volks- und muslimischer Religionszugehörigkeit. Sie stammt aus der Stadt … in der Provinz …
Die Antragstellerin heiratete am … … 2020 in … den am … … 1991 geborenen Herrn „… … …“. Der am selben Tag geborene Herr „… … … …“ besaß eine Aufenthaltserlaubnis, die – soweit lesbar – vom … … 2019 bis zum … … 2021 gültig war.
Am … … 2020 verließ die Antragstellerin nach ihren Angaben ihr Heimatland und reiste im selben Monat nach Bulgarien ein.
Am … … 2020 wurden der Antragstellerin in Bulgarien Fingerabdrücke genommen.
Am … … 2021 bescheinigte die Ausländerbehörde dem Ehemann der Antragstellerin, dass sein Aufenthaltstitel gemäß § 81 Abs. 4 AufenthG als fortbestehend gilt.
Am … … 2021 äußerte die Antragstellerin ein Asylgesuch. Sie gab an, dass ihr Ehemann Herr … in Deutschland und sie im 2. Monat schwanger sei. Am … … 2021 erhielt die Antragstellerin einen Mutterpass. Der errechnete Entbindungstermin ist danach der … … 2021.
Am … … 2021 wurde die Antragstellerin zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zur Klärung der Zulässigkeit des gestellten Asylantrags persönlich in … angehört. Sie gab an, sie sei auf die Unterstützung ihres Ehemanns angewiesen. Ausgereist aus ihrem Herkunftsland sei sie am … … 2020, zunächst für ca. zwei Tage in die Türkei, von dort für drei bis fünf Monate nach Bulgarien und von dort durch unbekannte Länder nach Deutschland. Die Einreise in die Bundesrepublik habe „ca.“ im Mai 2021 stattgefunden. Sie sei mit Kleinbus und Lkw gereist. In den Mitgliedstaat Bulgarien sei sie im Oktober 2020 eingereist und habe dort für drei bis fünf Monate in einem Camp gelebt. Einen Monat „nach ihrem Gefängnis“ habe sie in Bulgarien internationalen Schutz beantragt. Man habe ihr in Bulgarien auch Fingerabdrücke genommen; wann, wisse sie nicht mehr. Mit Schreiben vom 2. Juli 2021 gab die Antragstellerin in einem Schreiben zu den gegen ihre Rückkehr in ihr Herkunftsland sprechenden Gründen an, sie sei in Bulgarien zwei Monate im Gefängnis gewesen. Sie habe keinen Antrag auf Flüchtlingsstatus gestellt, weil sie zu ihrem Mann nach Deutschland gewollt habe. In ihrer Heimat sei ihr Leben in Gefahr. Sie habe keine Ahnung, welche Papiere „sie“ sie hätten unterschreiben lassen; es habe keinen Dolmetscher gegeben, sie habe nichts verstanden und nur mit dem Kopf genickt. Sie habe auch dort gesagt, dass sie unbedingt zu ihrem Mann nach Deutschland müsse.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) richtete am selben Tag ein Übernahmeersuchen an Bulgarien, das am 7. Juli 2021 mit der Begründung abgelehnt wurde, die Antragstellerin habe zwar am … … 2020 einen Asylantrag in Bulgarien gestellt, nach dem … … 2021 habe man jedoch keine Informationen mehr zu ihr. Nachdem eine Remonstration des Bundesamts erfolglos blieb, übernahm die Bundesrepublik das Verfahren.
Bei ihrer persönlichen Anhörung am … … 2021 gab die Antragstellerin an, sie habe ihre Heimat am … … 2020 verlassen und sei über die Türkei, Serbien und Bulgarien, wo ca. fünf bis sechs Monate gewesen sei, mit einem Lastwagen 2021 in das Bundesgebiet eingereist; wann genau, wisse sie nicht mehr. Die berufliche und wirtschaftliche Situation ihrer Eltern und Geschwistern sei durchschnittlich. Sie habe zehn Jahre lang die Schule besucht, aber keinen Beruf erlernt. Sie habe 10.000 US-Dollar für ihre Flucht gezahlt, die ihr Ehemann und ihr Schwiegervater aufgebracht hätten. Sie habe im April 2020 in Kurdistan geheiratet. Im Hinblick auf ihr Verfolgungsschicksal trug die Antragstellerin vor, ihr Ehemann sei in Deutschland. Sie habe ihn in Kurdistan geheiratet und zu ihm ziehen wollen. Einen anderen Grund für ihre Ausreise habe sie nicht. Sie habe in der Heimat nicht lange bleiben können, weil es ihren Schwiegereltern und Eltern wirtschaftlich schlecht gegangen sei. Sie könne nicht in den Irak zurück, weil sie im 5. Monat schwanger und ihr Ehemann hier sei. Ihre Ausreise sei schon vor der Hochzeit geplant gewesen, weil sie und ihr Ehemann schon in einer Beziehung gestanden hätten. Ihr Ehemann sei der Sohn einer Tante mütterlicherseits. Eine Heirat planten sie seit drei oder vier Jahren. Ihr Ehemann sei „letztes Jahr bei Ausbruch der Corona-Pandemie im Irak gewesen“ und ihre Familien hätten „sich zusammen gesetzt“. Ihr jetziger Ehemann sei zwei Monate im Irak gewesen. „Wegen Corona“ habe er nicht schneller zurückkommen können.
Mit Bescheid vom 22. Oktober 2021 lehnte das Bundesamt die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1), auf Asylanerkennung (Nr. 2) und auf subsidiären Schutz (Nr. 3) als offensichtlich unbegründet ab, verneinte das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG (Nr. 4), drohte unter Setzung einer Ausreisefrist von einer Woche die Abschiebung in den Irak oder einen anderen zur Aufnahme bereiten oder zur Rückübernahme verpflichteten Staat an (Nr. 5) und befristete das angeordnete Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 15 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Nr. 6). Die Antragstellerin sei offensichtlich i.S.v. § 30 Abs. 1 AsylG kein Flüchtling i.S.v. § 3 Abs. 1 AsyG. Es liege keine flüchtlingsrelevante Verfolgung vor. Einziger Grund für die Ausreise sei die Zusammenführung mit dem Ehemann gewesen. Der Antragstellerin drohe ebenfalls offensichtlich kein ernsthafter Schaden i.S.v. § 4 Abs. 1 AsylG. Insbesondere gebe es keine Hinweise auf einen innerstaatlichen Konflikt in der Herkunftsprovinz der Klägerin … Subsidiärer Familienschutz gemäß § 26 Abs. 5 AsylG scheide aus. Zwar sei die Ehe im Heimatland geschlossen worden. Die Lebensgemeinschaft sei dort aber nicht gelebt worden, weil der Ehemann nur ca. zwei Monate im Heimatland gewesen sei und dies ausschließlich zum Zweck der Eheschließung. Außerdem sei die Ehe lange nach der Verfolgungshandlung gegen den Ehemann geschlossen worden, weshalb eine „Verfolgungsgemeinschaft“ i.S.v. § 26 AsylG nicht vorliege. Nach Ablehnung des internationalen Schutzes als offensichtlich unbegründet lägen auch die Voraussetzungen für die Anerkennung als Asylberechtigte gemäß Art. 16a Abs. 1 GG offensichtlich nicht vor. Die Antragstellerin habe ausschließlich Gründe vorgetragen, die nicht asylrelevant seien und auch für die Prüfung des internationalen Schutzes nicht von Belang seien. Damit dränge sich die Ablehnung des Asylantrags förmlich auf. Ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK wegen schlechter humanitärer Bedingungen im Heimatland komme nur in sehr außergewöhnlichen Einzelfällen in Betracht. Die vom EGMR hierfür geforderten hohe Anforderungen an den Gefahrenmaßstab lägen unter Betrachtung der allgemeinen Versorgungslage auch vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen und humanitären Auswirkungen der Corona-Pandemie im Irak nicht vor. Individuelle gefahrerhöhende Umstände lägen nicht vor, da die Antragstellerin über ein großes und intaktes familiäres Netzwerk in ihrer Heimatstadt … verfüge. Sämtliche Mitglieder der Großfamilie, einschließlich der Eltern und dreier Brüder lebten dort. Die Antragstellerin sei verheiratet, bei einer hypothetisch zu unterstellenden Rückkehr im Familienverbund sei sie weder alleinerziehend noch auf die Rückkehr in ihr Elternhaus angewiesen. Die ganz außerordentlichen individuellen Umstände, um eine Abschiebung als unmenschliche Behandlung qualifizieren zu können, lägen auch unter Berücksichtigung der Corona-Pandemie auf die Lebensbedingungen der Antragstellerin nicht vor. Es sei anzunehmen, dass es ihr auch weiterhin möglich sein werde, ein Leben (jedenfalls) am Rande des Existenzminimums zu führen. Gefahrerhöhende Umstände seien nicht ersichtlich. Bei der Schwangerschaft der Antragstellerin handele es sich nicht um ein zielstaats-, sondern allenfalls um ein von der Ausländerbehörde zu prüfendes inlandsbezogenes Abschiebungshindernis. Der Antragstellerin drohe auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG führen würde. Krankheiten seien nicht vorgetragen worden. Auch vor dem Hintergrund der pandemischen Lage drohe der Antragstellerin im Irak keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben. Es sei nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin im Fall einer Rückkehr durch das Corona-Virus mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahr ausgesetzt wäre. Dieser Gefahr sei sie in gleicher Weise in der Bundesrepublik Deutschland ausgesetzt. Es sei weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Antragstellerin zum z.B. wegen hohen Alters oder Vorerkrankungen gefährdeten Personenkreis gehöre. Der Bescheid wurde der Antragstellerin am 10. November 2021 ausgehändigt.
Hiergegen ließ die Antragstellerin durch ihre Prozessbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 11. November 2021 unter Ankündigung einer gesonderten Klagebegründung nach der zur Klagebegründung beantragten Akteneinsicht Klage erheben (M 4 K …), die am selben Tag bei Gericht per Telefax eingegangen ist, und zugleich beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Die Antragsgegnerin legte am 15. November 2021 die Behördenakte und am 23. November 2021 die um den Zustellungsnachweis ergänzte Behördenakte vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten nimmt das Gericht Bezug auf die Gerichtsakte, auch des Hauptsacheverfahrens und die vorgelegte Behördenakte.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg. Er ist unbegründet.
I. Der Antrag bleibt ohne Erfolg.
Der Antrag, die kraft Gesetzes (§ 75 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz Nr. 3 VwGO) ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die Abschiebungsandrohung im Bescheid des Bundesamts vom 22. Oktober 2021 anzuordnen, hat keinen Erfolg. Er ist zulässig, da er insbesondere fristgemäß innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe (§ 36 Abs. 3 Satz 1 VwGO) gestellt wurde.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist jedoch unbegründet, da keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des ablehnenden Bescheids vom 22. Oktober 2021 bestehen. Weder ist die Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet zu beanstanden, noch liegt ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor.
Gemäß § 36 Abs. 4 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet werden, wenn – gemäß § 36 Abs. 4 Satz 2 AsylG gemessen am Vortrag der Antragstellerin – ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Ernstliche Zweifel liegen dann vor, wenn erhebliche Gründe dafürsprechen, dass die Abschiebungsandrohung und insbesondere die Offensichtlichkeitsentscheidung des Bundesamtes einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhalten (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – juris Rn. 99 ff.). Von einem Standhalten ist auszugehen, wenn an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen und bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung sich die Abweisung geradezu aufdrängt (BVerfG, B.v. 5.2.1993 – 2 BvR 1294/92 – juris Rn. 15; B.v. 20.9.2001 – 2 BvR 1392/00 – juris Rn. 17).
Das Gericht hat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes weiter auch die Einschätzung des Bundesamtes, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (§ 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylG), zum Gegenstand seiner Prüfung zu machen. Dies ist zwar der gesetzlichen Regelung des § 36 AsylG nicht ausdrücklich zu entnehmen, jedoch gebieten die verfassungsrechtlichen Gewährleistungen der Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 103 Abs. 1 GG die diesbezügliche Berücksichtigung auch im Verfahren nach § 36 AsylG (vgl. zur insoweit vergleichbaren Rechtslage nach § 51 Ausländergesetz 1990 BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166/221).
Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist die Offensichtlichkeitsentscheidung des Bundesamtes ebenso wenig zu beanstanden (1.) wie die Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht bestehen (2.). Vorläufiger Rechtsschutz gegen die Abschiebungsandrohung ist daher abzulehnen.
1. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel daran, dass das Bundesamt den Asylantrag und den Antrag auf Zuerkennung internationalen Schutzes zu Recht als offensichtlich unbegründet abgelehnt hat.
1.1. Den Angaben der Antragstellerin sind keinerlei Anhaltspunkte für eine mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohende Verfolgung i.S.v. §§ 3 ff. AsylG bzw. Art. 16a GG zu entnehmen. Die Antragstellerin hat von Anfang angegeben, dass sie in das Bundesgebiet eingereist sei, weil sie zu ihrem Ehemann habe ziehen wollen. Bei ihrer Anhörung zu ihrem Verfolgungsschicksal am … … 2021 gab die Antragstellerin an, sie habe zu ihrem Mann ziehen wollen, einen anderen Grund für ihre Ausreise habe sie nicht gehabt. Anhaltspunkte für eine flüchtlingsrelevante Verfolgung ergeben sich aus dem Vorbringen der Antragstellerin nicht, dieses ist vielmehr hinsichtlich eines Verfolgungsschicksals offensichtlich nicht von Belang (vgl. VG Cottbus, B.v. 5.1.2021 – 9 L 585/20.A – BeckRS 2021, 2473 Rn. 5). In der Sache handelt es sich um einen Familiennachzug, der allerdings nicht nach dem im Aufenthaltsgesetz hierfür vorgesehenen Verfahren mit einer vorherigen Prüfung und Zustimmung der zuständigen Ausländerbehörde zu einem längerfristigen Aufenthalt, sondern unter dessen Umgehung auf eigene Faust durchgeführt wurde.
1.2. Gleiches gilt auch für einen Anspruch auf abgeleiteten Familienflüchtlingsschutz gemäß § 26 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 AsylG. Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass das Bundesamt auch diesen Anspruch als offensichtlich unbegründet abgelehnt hat.
Zugunsten der Antragstellerin geht das Gericht – wie offenbar auch das Bundesamt – davon aus, dass der Ehemann der Antragstellerin unanfechtbar als Asylberechtigter anerkannt bzw. international schutzberechtigt ist. Die Akten des Ehemanns wurden dem Gericht von der Antragsgegnerin nicht vorgelegt.
1.2.1. Der Asylantrag der Antragstellerin am 25. Mai 2021 wurde schon nicht „unverzüglich“ nach der Einreise i.S.v. § 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylG gestellt.
Die Antragstellerin ist nach ihren eigenen Angaben im Oktober 2020 nach Bulgarien eingereist, hat sich zwei Monate dort im „Gefängnis“ befunden und musste für ihre „Freilassung“ Fingerabdrücke machen lassen. Fingerabdrücke wurden der Antragstellerin in Bulgarien am … … 2020 abgenommen. Die Antragstellerin hat sich nach ihren Angaben sowohl bei der Anhörung am … … 2021 als auch am … … 2021 für drei bis fünf Monate in Bulgarien aufgehalten. Die bulgarischen Behörden haben nach der Asylantragstellung dort am … … 2020 seit dem … … 2021 keine Informationen mehr zur Antragstellerin.
Selbst wenn man die Angabe eines ca. fünfmonatigen Aufenthalts in Bulgarien bei einer Einreise Ende Oktober 2020 zu Grunde legt, ist die Antragstellerin nach ihren eigenen Angaben spätestens schon im April 2021 ins Bundesgebiet eingereist. Hierzu passt auch, dass die Antragstellerin ausweislich ihres Mutterpasses am … … 2021 in der 6. Schwangerschaftswoche war. Die Angabe, dass ihr Ehemann sie einmal besucht habe, als sie in Serbien war – wo sie sich nach ihren Angaben in der Anhörung am … … 2021 vor ihrem drei- bis fünfmonatigen Aufenthalt in Bulgarien aufgehalten habe – steht dieser Einschätzung nicht entgegen.
Bei ihrer Anhörung am … … 2021 gab die Antragstellerin dementsprechend auch an, nicht mehr genau zu wissen, wann sie eingereist sei und äußerte sich über ihren weiteren Reiseweg von Bulgarien in die Bundesrepublik Deutschland nur sehr vage. Diese Vagheit ist aufgrund der großen zeitlichen Nähe zwischen Anhörung und angeblicher Einreise und unter Berücksichtigung des Bildungsstands der Antragstellerin (zehnjährige Schulausbildung) schon nicht nachvollziehbar.
Bei diesem Geschehensablauf ist aber schon nach den eigenen Angaben der Antragstellerin davon auszugehen, dass sie bereits im April 2021 in das Bundesgebiet eingereist ist und damit am … … 2021 deutlich mehr als zwei Wochen nach ihrer Einreise und somit nicht mehr „unverzüglich“ i.S.v. § 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Asyl beantragt hat.
1.2.2. Ein Anspruch auf abgeleiteten Flüchtlingsschutz als Ehegattin scheitert weiter auch daran, dass die Ehe mit dem Asylberechtigten bzw. international Schutzberechtigten nicht schon in dem Staat „bestanden“ hat, in dem der Asylberechtigte politisch verfolgt wird, § 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 5 Satz 1 AsylG. Das entsprechende Offensichtlichkeitsverdikt der Antragsgegnerin ist nicht ernstlich zweifelhaft.
Nach den vorgelegten Unterlagen hat die Antragstellerin zwar – anders als von ihr in der Anhörung am … … 2021 angegeben – die Ehe nicht „im April 2020“, sondern am … … 2020 im Irak geschlossen. Es fehlt aber an der Voraussetzung, dass die Ehe mit dem Asylberechtigten bzw. international Schutzberechtigten schon in dem Staat bestanden hat, in dem der Asylberechtigte bzw. international Schutzberechtigte verfolgt wird (§ 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 5 AsylG). Erforderlich ist nämlich, dass sich die Ehegatten nach der Eheschließung, und sei es auch nur für kurze Zeit, gemeinsam im Verfolgerstaat aufgehalten und die Ehe „gelebt“ haben. Das ist in Literatur und Rechtsprechung einhellige Meinung (vgl. VG Saarlouis Urt. v. 7.4.2015 – 5 K 2074/14, BeckRS 2015, 47235, beck-online).
Die Antragstellerin hat schon nicht vorgetragen, dass sie im Irak nach der Eheschließung gemeinsam mit ihrem Ehemann in ehelicher Lebensgemeinschaft gelebt hat. Sie hat im Gegenteil angegeben, bis zu ihrer Ausreise mit ihren Eltern und Geschwistern gewohnt zu haben. Ihr gesamter Vortrag bei ihrer Anhörung blieb darüber hinaus auch äußerst vage, in Bezug auf ein eheliches Zusammenleben machte die Antragstellerin keine Angaben.
So trug die Antragstellerin trug vor, dass ihr jetziger Ehemann, der ein Cousin mütterlicherseits sei, „bei Ausbruch der Coronakrise im Jahr 2020“ im Irak gewesen sei, und sich die Familien dann „zusammengesetzt“ hätten. Der Ehemann sei etwa zwei Monate dagewesen, weil er wegen Corona nicht schneller habe zurückreisen können. Eine Eheschließung sei seit drei bis vier Jahren geplant gewesen.
Damit hat die Antragstellerin aber nicht vorgetragen, im Verfolgerstaat ihres Ehemanns nach der Eheschließung überhaupt mit diesem in ehelicher Lebensgemeinschaft gelebt zu haben.
An der Rechtmäßigkeit der Ablehnung der Zuerkennung abgeleiteten Flüchtlingsschutzes als Ehegattin als offensichtlich unbegründet bestehen daher keine ernsthaften Zweifel.
1.3. Auch an der Ablehnung der Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG im Hinblick auf die Herkunftsregion der Antragstellerin, die Provinz …, als offensichtlich unbegründet, bestehen keine ernsthaften Zweifel. Dass der Antragstellerin, gemessen an ihrem Vortrag, kein subsidiärer Schutzstatus zuzuerkennen ist, liegt ebenfalls auf der Hand. Auf die zutreffenden Ausführungen des Bundesamts wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen, § 77 Abs. 2 AsylG.
2. Auch die Rechtmäßigkeit der Ablehnung der Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist nicht ernstlich zweifelhaft.
Das Bundesamt hat sich zutreffend und ausführlich mit den gegenwärtigen wirtschaftlichen und humanitären Verhältnissen im Irak, auch im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie auseinandergesetzt. Nachvollziehbar und zutreffend wird in der ausführlichen Darstellung in der Bescheidsbegründung dargelegt, dass der Antragstellerin aufgrund ihrer individuellen Umstände, auch unter Berücksichtigung ihrer bevorstehenden Entbindung, insbesondere wegen ihres großen und intakten familiären Netzwerks in ihrer Heimatstadt, der nach Angaben der Antragstellerin durchschnittlichen wirtschaftlichen Situation der Familie und ihrer relativ guten Schulbildung und unter Berücksichtigung einer hypothetisch unterstellen gemeinsamen Rückkehr im Familienverband bei einer Rückkehr in den Irak nicht beachtlich wahrscheinlich droht, ihr Existenzminimum nicht sichern zu können. Auf die Ausführungen des Bundesamts wird daher Bezug genommen und von einer wiederholenden Darstellung abgesehen, § 77 Abs. 2 AsylG. Für die Ausführungen zu § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG gilt entsprechendes.
II. Die Antragstellerin trägt als unterliegender Teil gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des gemäß § 83b AsylG gerichtskostenfreien Verfahrens.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.


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