Verwaltungsrecht

Ausweisung eines in Deutschland aufgewachsenen und strafrechtlich verurteilten Asylantragstellers

Aktenzeichen  M 25 S 17.32454

Datum:
14.2.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 143056
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 71 Abs. 5
VwGO § 80 Abs. 5
AufenthG § 60 Abs. 5 u. Abs. 7

 

Leitsatz

Die sorgfältige Ermittlung und Bewertung des tatsächlichen Geschehens ist Ausgangspunkt der Beurteilung eines medizinisch relevanten Sachverhalts in einer ärztlichen Bescheinigung. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Antragsteller ist togoischer Staatsangehöriger und wendet sich in der Hauptsache gegen die Ablehnung seines Asylfolgeantrags durch die Antragsgegnerin. Im vorliegenden Eilverfahren begehrt er die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage.
Der 21-jährige Antragsteller ist in Deutschland geboren und aufgewachsen. In den Jahren 1995 und 2002 führte er erfolglos Asylverfahren durch.
Der Antragsteller ist wegen Straffälligkeit bestandskräftig aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen (Bescheid v. 7.8.2014, VG München, U.v. 11.3.2015 – M 25 K 14.3700; BayVGH, B.v. 5.8.2015 – 10 ZB 15.1056).
Im Januar 2016 beantragte der Antragsteller aus der Strafhaft heraus Asyl. Dieses Verfahren ist rechtskräftig negativ abgeschlossen (VG München, U.v. 28.7.2016 – M 25 K 16.31188).
Im August 2016 wurde der Kläger aus der Strafhaft entlassen.
In der Folge scheiterten mehrere Versuche der Ausländerbehörde, den Antragsteller in Vollziehung der Ausweisung abzuschieben:
Mitte September 2016 wurde der Antragsteller in der Nacht vor seiner geplanten Abschiebung nicht an seiner Wohnanschrift angetroffen. Das Amtsgericht München ordnete daraufhin die einstweilige Freiheitsentziehung an (B.v. 27.9.2016). Die polizeiliche Fahndung blieb ohne Erfolg. Eine für den 4. Oktober 2016 terminierte Luftabschiebung unter notwendiger Sicherheitsbegleitung wurde deshalb storniert. Am … November 2016 wurde der Antragsteller festgenommen. Mit Beschluss vom selben Tag ordnete das Amtsgericht München Abschiebehaft an. Seitdem befindet sich der Antragsteller in Abschiebehaft.
Am … Januar 2017 stellte der Antragsteller einen Asylfolgeantrag, den er im Wesentlichen mit seiner psychischen Erkrankung begründete. Die Erkrankung sei seit Ende 2012 bekannt. Er habe aber keine ärztlichen Bescheinigungen vorlegen können. Er habe schon eine Panikattacke erlitten und sei deshalb drei Tage in einer Klinik gewesen. Er sei auch schon mit Antidepressiva behandelt worden. Er habe den Vermerk „Gemeinschaftsunterkunft“ auch jetzt in der Abschiebehaft, damit er nicht allein in einem Haftraum untergebracht werde, weil er eine hohe Suizidgefahr besitze. Er nehme auch Medikamente. Nach seiner Haftentlassung habe er alle zwei Wochen Gespräche mit einem Psychiater geführt. Er sei auch nur ein einziges Mal in Togo gewesen und dort von Polizisten körperlich misshandelt worden. Er habe dies in den früheren Asylverfahren nicht erwähnt, weil es ihm schwer falle, darüber zu sprechen. Er vermute, dass die politischen Aktivitäten seines Vaters die Übergriffe ausgelöst hätten. Er habe Angst, in Togo erneut Opfer solcher Angriffe zu werden. Seine Erkrankung könne in Togo nicht behandelt werden. Er legte die Bescheinigung eines praktischen Arztes und Diplom-Psychologen vom … Dezember 2016 vor.
Mit Beschluss vom 5. Januar 2017 lehnte das Verwaltungsgericht München (M 25 E 17.30163) den Antrag des Antragstellers, die Antragsgegnerin anzuweisen, der zuständigen Ausländerbehörde bis zum rechtskräftigen Abschluss des Asylfolgeverfahrens eine Mitteilung gemäß § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG zu unterlassen, unanfechtbar als unbegründet zurück.
Am 5. Januar 2017 stellte die Prozessbevollmächtigte unter Vorlage der auch im Asylfolgeverfahren vorgelegten ärztlichen Bescheinigung vom … Dezember 2016 einen Antrag gemäß § 123 VwGO, die Ausländerbehörde zu verpflichten, bis zu einer amtsärztlichen Untersuchung die für den … Januar 2017 angesetzte Abschiebung auszusetzen. Mit Beschlüssen vom selben Tag lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag ab (M 25 E 17.49) und wies der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Beschwerde zurück (10 CE 17.30). Die gesetzliche Vermutung der Reisefähigkeit (§ 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG) sei durch die vorgelegte ärztliche Bescheinigung nicht widerlegt.
Eine geplante Luftabschiebung des Antragstellers am … Januar 2017 scheiterte am Widerstand des Antragstellers.
Mit Schreiben vom 12. Januar 2017 teilte die Antragsgegnerin der Ausländerbehörde mit, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 bis VwVfG nicht vorliegen und ein weiteres Asylverfahren nicht durchgeführt werde.
Mit Schreiben vom 18. Januar 2017 legte die Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerin ein ärztliches Attest vom … Januar 2017 vor. Derselbe praktische Arzt und Diplom-Psychologe, der bereits am … Dezember 2016 u.a. Reiseunfähigkeit diagnostiziert hatte, wiederholte seine Ausführungen vom … Dezember 2016 und ergänzte sie um die Angabe, dass ihm der Vater des Antragstellers mitgeteilt habe, dass der Antragsteller sich beim gestrigen Versuch der Abschiebung massiv zur Wehr gesetzt habe. Das Geschehen erscheine ihm als eine Folge des Nichtwahrnehmens der psychischen Situation des Betreffenden. Aus seiner psychischen Destabilisierung drohe die Gefahr einer völligen Dekompensation, die zu Angriffen auf andere, wie auch zu Suizidhandlungen führen könne. Eine Abschiebung in der jetzigen Situation würde völlig unkontrollierbare Reaktionen eines psychisch schwer erkrankten Menschen in Kauf nehmen.
Mit Bescheid vom 3. Februar 2017 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag als unzulässig ab (Nr. 1). Sie lehnte auch den Antrag auf Abänderung des Bescheids vom 19. Mai 2016 bezüglich der Feststellung zu § 60 Abs. 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes ab (Nr. 2). Der Antragsteller wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen. Ansonsten werde ihm die Abschiebung in die Republik Togo oder in einen anderen aufnahmebereiten oder zur Rückübernahme verpflichteten Staat angedroht (Nr. 3).
Die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig wurde auf § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG gestützt. Die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG lägen nicht vor. Der Antragsteller habe nichts vorgetragen, was im Falle einer Rückkehr nach Togo zu irgendeiner Art von Verfolgung führen könnte, sondern lediglich auf eine seit dem Jahr 2012 bestehende Erkrankung verwiesen.
Auch das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG wurde verneint. Es sei wegen der Stellung des Asylfolgeantrags aus der Abschiebehaft heraus offensichtlich, dass der Asylfolgeantrag gestellt worden sei, um eine drohende Aufenthaltsbeendigung abzuwenden bzw. diese zumindest zu erschweren.
Außerdem sei die Diagnose der angeblichen Erkrankung nicht nachvollziehbar dargelegt. Die eingereichten ärztlichen Bescheinigungen erfüllten bei weitem nicht die Mindestanforderungen, die das Bundesverwaltungsgericht (U.v. 11.9.2007 – 10 C8.07 – BVerwGE 129, 251 ff.) an den Sachvortrag einer psychischen Erkrankung stelle, um eine Pflicht zur weiteren Sachaufklärung auszulösen. Eine Pflicht zur weiteren Sachaufklärung werde nicht ausgelöst, wenn das Attest keine Angaben über eine eigene ärztliche Exploration, also die gezielte Befragung zur Ermittlung der Symptomatik, und über die Befunderhebung enthält. Ebenfalls nicht ausreichend sei es, wenn sich das Attest im Wesentlichen auf die Wiedergabe der – offenbar nicht weiter überprüften – Angaben des Antragstellers beschränke und ohne nähere Erläuterung bescheinige, dass die von ihm gemachten Angaben für das Vorhandensein einer Depression sprächen. Schließlich sei es auch nicht ausreichend, wenn der Facharzt keine nachvollziehbar begründete eigene Diagnose stelle. Die Abschiebungsandrohung wurde auf § 71 Abs. 4 AsylG i.V.m. § 34 Abs. 1 AsylG gestützt. Auf die Begründung des Bescheids wird im Übrigen Bezug genommen.
Mit Schriftsatz vom 8. Februar 2017, bei Gericht am selben Tag eingegangen, ließ der Antragsteller durch seine Prozessbevollmächtigte Klage gegen den Bescheid erheben (M 25 K 17.32453) und gemäß § 80 Abs. 5 VwGO beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen bzw. wiederherzustellen.
Sie kündigte an, eine Begründung nachzureichen.
Die Antragsgegnerin legte die Behördenakte in elektronischer Form am 9. Februar 2017 vor.
Mit Beschluss vom 10. Februar 2017 lehnte das Verwaltungsgericht den vom Antragsteller persönlich gestellten Antrag auf Aussetzung seiner Abschiebung gemäß § 123 VwGO ab (M 25 E 17.504).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes nimmt das Gericht Bezug auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte sowie auf die beigezogenen Gerichtsakten in den Verfahren M 25 K 16.31188, M 25 E 17.49 und M 25 E 17.504.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg, weil er unbegründet ist.
Das private Interesse des Antragstellers, von der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorerst verschont zu bleiben, überwiegt nicht das öffentliche Vollzugsinteresse.
Für die nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vom Gericht zu treffende Entscheidung ist maßgebend, ob das private Interesse des Antragstellers das öffentliche Interesse am Vollzug des Verwaltungsakts überwiegt. Bei dieser gerichtlichen Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs vorrangig zu berücksichtigen. Hat der Rechtsbehelf voraussichtlich Erfolg, weil der angegriffene Verwaltungsakt fehlerhaft ist, überwiegt das Aussetzungsinteresse des Betroffenen das öffentliche Vollzugsinteresse. Wird der Antragsteller im Verfahren der Hauptsache aller Voraussicht nach keinen Erfolg haben, weil die angegriffene Verfügung als rechtmäßig zu beurteilen ist, ist der Antrag in aller Regel unbegründet. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, so verbleibt es bei der Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden öffentlichen bzw. privaten Interessen.
Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung ist gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung. Hiernach spricht mehr dafür, dass der Antragsteller in der Hauptsache keinen Erfolg haben wird, weshalb dem öffentlichen Vollzugsinteresse der Vorzug zu geben ist.
Die Klage in der Hauptsache gegen die Ablehnung des Antrags als unzulässig in Nr. 1 des Bescheids wird voraussichtlich keinen Erfolg haben, weil die Ablehnung des Folgeantrags als unzulässig zu Recht erfolgt ist und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt. Auf die zutreffenden Ausführungen im Bescheid wird Bezug genommen. Soweit der Antragsteller eine Verfolgung durch togoische Behörden befürchtet, ist das Vorbringen schon nicht konkret und schlüssig dargelegt. Der Antragsteller benennt weder Ort, noch Zeit und Umstände, unter denen eine körperliche Misshandlung in der Vergangenheit stattgefunden haben soll und die Anlass für die aktuellen Befürchtungen geben soll. Außerdem ist der Vortrag verspätet (§ 51 Abs. 3 VwVfG). Die Einlassung des Antragstellers, es falle ihm schwer, über diese Erlebnisse zu sprechen sind weder überzeugend noch ausreichend.
Auch die Anfechtung der Abschiebungsandrohung wird voraussichtlich ohne Erfolg bleiben. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG stehen ihr nicht entgegen. Die Antragsgegnerin hat die Abänderung des Bescheids vom 19. Mai 2016 bezüglich der Feststellungen zu § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG zu Recht abgelehnt.
Unabhängig von der verspäteten Geltendmachung der Gründe für den Wiederaufgreifensantrag (§ 51 Abs. 3 VwVfG) droht dem Antragsteller in Togo weder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK noch eine sonstige konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz.
Hinsichtlich der Verspätung des Vortrags hinsichtlich einer befürchteten Verfolgung und Misshandlung durch togoische Polizisten wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.
Die Voraussetzungen von § 60 Abs. 5 AufenthG liegen unabhängig davon auch nicht vor. Eine Abschiebung ist gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG unzulässig, wenn sich dies aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ergibt. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen werden. Wann eine „unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung“ vorliegt, hängt vom Einzelfall ab. Eine Schlechtbehandlung einschließlich Bestrafung muss jedenfalls ein Minimum an Schwere erreichen, um in den Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu fallen. Abstrakt formuliert sind unter einer menschenrechtswidrigen Schlechtbehandlung Maßnahmen zu verstehen, mit denen unter Missachtung der Menschenwürde absichtlich schwere psychische oder physische Leiden zugefügt werden und mit denen nach Art und Ausmaß besonders schwer und krass gegen Menschenrechte verstoßen wird (Renner/Bergmann, Ausländerrecht, 10. Aufl. 2011, § 60 AufenthG Rn. 35 f.). Es müssen konkrete Anhaltspunkte oder stichhaltige Gründe dafür glaubhaft gemacht werden, dass der Ausländer im Fall seiner Abschiebung einem echten Risiko oder einer ernsthaften Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt wäre. Diese Voraussetzungen sind mit dem unsubstantiierten Vorbringen einer befürchteten Misshandlung durch Polizisten nicht erfüllt.
Der Abschiebung des Antragstellers steht auch kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG aus gesundheitlichen Gründen entgegen.
Auch den diesbezüglichen Wiederaufgreifensantrag hat der Antragsteller nicht innerhalb der Dreimonatsfrist des § 51 Abs. 3 VwVfG, beginnend mit dem Tag, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat, gestellt. Der Antragsteller begründet seinen Asylfolgeantrag selbst damit, dass die Erkrankung seit Ende 2012 bekannt sei. Selbst wenn man zugunsten des Antragstellers davon ausgeht, dass die Diagnose erst später gestellt wurde, weil er sich erst nach seiner Haftentlassung in ärztliche Behandlung begeben hat, ist nicht ersichtlich, weshalb er seine psychische Erkrankung erst knapp fünf Monate später im Januar 2017 geltend gemacht hat. Auf den Umstand, dass die erste ärztliche Bescheinigung vom … Dezember 2016 stammt, kann sich der Antragsteller nicht mit Erfolg berufen. Denn er wurde immerhin August 2016 in zweiwöchentlichem Abstand therapiert, weshalb davon auszugehen ist, dass dieser Therapie auch eine Diagnose zu Grunde gelegen hat. Unabhängig davon verbleibt es beim eigenen Vortrag des Antragstellers, dass die Erkrankung bereits seit Ende 2012 bekannt ist.
Unabhängig davon liegt aber auch kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor. Danach soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht.
Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Eine konkrete Gefahr liegt dann vor, wenn die Verschlechterung alsbald nach der Rückkehr ins Herkunftsland eintreten würde, weil der Ausländer auf die dort unzureichende Möglichkeit der Behandlung angewiesen wäre und anderswo wirksame Hilfe nicht in Anspruch nehmen könnte (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 29.7.1999 – 9 C 2/99 – juris). Dies ist beim Antragsteller nicht der Fall.
Das Gericht hält die vorgelegten Atteste nicht für geeignet, überhaupt eine zielstaatsrelevante schwere psychische Erkrankung glaubhaft zu machen. Den Bescheinigungen lässt sich entnehmen, dass der Antragsteller bereits im Jahr 2013 an unbehandelten Depressionen gelitten haben soll. Eine Aussage zum Schweregrad der Depression wird nicht getroffen. Mit welcher Methode der Arzt diese Diagnose aufgrund von Therapiegesprächen in zweiwöchentlichem Abstand im Zeitraum zwischen dem … August 2016 und dem … November 2016 getroffen hat, wird nicht erläutert. Das Attest verhält sich bereits nicht dazu, wann der Antragsteller sich erstmals vorgestellt hat und wie viele Sitzungen in diesem Zeitraum stattgefunden haben noch welche sonstigen Untersuchungen erfolgt sind.
Der Arzt schildert, dass der Antragsteller während der Haft, also in einem Zeitraum, in dem er den Antragsteller noch nicht behandelte, oft an Angstzuständen, teils Panikattacken sowie psychosomatischen Reaktionen wie Schweißausbrüchen gelitten habe und er Angst vor seiner Abschiebung habe. Sofern die Bescheinigung dahingehend zu verstehen ist, dass die Diagnose einer Depression auf den diesbezüglichen Angaben des Antragstellers beruhen soll, setzt sich der Arzt nicht mit der nicht auszuschließenden Möglichkeit auseinander, dass es sich hierbei um unzutreffenden Vortrag handeln könnte. Den Bescheinigungen lässt sich jedenfalls nicht entnehmen, dass dem Arzt frühere ärztliche Atteste oder Bescheinigungen in Bezug auf den Antragsteller vorgelegen haben. Die sorgfältige Ermittlung und Bewertung des tatsächlichen Geschehens als Ausgangspunkt der Beurteilung eines medizinisch relevanten Sachverhalts ergibt sich aus den vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen für das Gericht nicht. Auch die abschließende Einschätzung des Arztes, dass es sich beim Antragsteller um einen „psychisch schwer erkrankten Menschen“ handele, genügt den Anforderungen an die Substantiierung einer Erkrankung nicht und ersetzt nicht eine fachliche Diagnose.
Damit hat der Antragsteller eine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, nicht substantiiert vorgetragen. Insofern ist das Gericht voraussichtliche auch nicht aufgrund des Amtsermittlungsgrundsatzes verpflichtet, im Hauptsacheverfahren Beweis zu erheben, was im vorliegenden Eilverfahren zu offenen Erfolgsaussichten und der Notwendigkeit einer Interessenabwägung führen würde. Die Abschiebungsandrohung begegnet auch im Übrigen keinen rechtlichen Bedenken.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.


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