Verwaltungsrecht

Ausweisung, Vermögensdelikte, Irakischer Staatsangehöriger, Widerruf der Flüchtlingseigenschaft, 20 Jahre, Aufenthalt im Bundesgebiet, 4 Kinder im Bundesgebiet, Kinder mit deutscher Staatsangehörigkeit

Aktenzeichen  M 24 K 20.3444

Datum:
24.6.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 26077
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 53

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
1. Streitgegenstand ist der Bescheid der Landeshauptstadt M. vom 19. Mai 2020 in der Fassung vom 24. Juni 2021. Die Klage ist im Hauptantrag als Anfechtungsklage gegen die in diesem Bescheid verfügte Ausweisung, im Hilfsantrag als Verpflichtungsklage auf Herabsetzung der von dem Beklagten verfügten Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots (§ 11 AufenthG) statthaft. Sie ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere ist die Klagefrist eingehalten.
2. Der Kläger konnte nach Übergang der ausländerrechtlichen Zuständigkeit auf die ZAB die Klage auf den Freistaat Bayern als neuen Beklagten umstellen. Die mit dem Beklagtenwechsel verbundene Klageänderung war zulässig, da sich die übrigen Beteiligten, einschließlich des neuen Beklagten auf die geänderte Klage ohne zu widersprechen eingelassen haben und die Klageänderung im Übrigen auch sachdienlich ist (§ 91 Abs. 1, Abs. 2 VwGO).
3. Die Klage ist im Haupt- und Hilfsantrag unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid vom 14. Juli 2020 in der Fassung vom 24. Juni 2021 erweist sich im hier maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (vgl. BVerwG, U.v. 30.7.2013 – 1 C 9.12 – juris Rn. 8; U.v. 10.7.2012 – 1 C 19.11 – juris Rn. 12) als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf (weitere) Verkürzung der Frist des gegen ihn verfügten Einreise- und Aufenthaltsverbots (§ 113 Abs. 5 VwGO, § 114 Satz 1 VwGO).
3.1. Der Bescheid ist formell rechtmäßig.
Die Ausländerbehörde der Landeshauptstadt M. war für den Erlass des Bescheides nach § 71 Abs. 1 AufenthG, § 1 Nr. 1, § 2, § 6 Abs. 1 Satz 1 (seit 1. Dezember 2020: § 7 Abs. 1 Satz 1) Zuständigkeitsverordnung Ausländerrecht (ZustVAuslR) vom 27. August 2018 (GVBl. S. 714, 738, BayRS 26-1-1-I), die zuletzt durch Verordnung vom 2. November 2020 (GVBl. S. 625) geändert worden ist, sachlich und örtlich zuständig. Die Haft des Klägers ändert nichts an der örtlichen Zuständigkeit (§ 6 Abs. 3 Nr. 1 bzw. heute § 7 Abs. 3 Nr. 1 ZustVAuslR). Dem Kläger wurde vor Erlass des Bescheides Gelegenheit gegeben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern (Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG).
3.2. Die in Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheides verfügte Ausweisung des Klägers ist materiell rechtmäßig.
Das Gesetz sieht die Ausweisung ausnahmslos als gebundene Entscheidung vor, bei der die Behörde keine Ermessenserwägungen treffen darf und die daher der vollen gerichtlichen Nachprüfung unterliegt (BeckOK AuslR/Tanneberger/Fleuß, 25. Ed. 1.11.2019, AufenthG § 53 Rn. 20 m.w.N.).
Das Gericht folgt zunächst – soweit nicht nachfolgend anders erläutert – der ausführlichen und zutreffenden Begründung des streitgegenständlichen Bescheids vom 14. Juli 2020 in der Fassung vom 24. Juni 2021 und sieht – abgesehen von den folgenden Ausführungen – von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 117 Abs. 5 VwGO).
3.2.1. Die Ausweisung findet vorliegend ihre Rechtsgrundlage in § 53 Abs. 1, Abs. 2, § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG. Nach § 53 Abs. 1 AufenthG wird ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausweisung mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Im Vordergrund steht bei § 53 Abs. 1 AufenthG die Ausweisung aus Gründen der Gefahrenabwehr, insbesondere zur Verhinderung künftiger Straftaten durch den auszuweisenden Ausländer (spezialpräventive Ausweisung) oder durch sonstige Ausländer (generalpräventive Ausweisung). Die Ausweisung besitzt ordnungsrechtlichen Charakter; es handelt sich nicht um eine strafrechtliche Sanktion. Der Begriff der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in § 53 Absatz 1 AufenthG entspricht daher dem des allgemeinen Polizeirechts (BeckOK AuslR/Tanneberger/Fleuß, aaO., AufenthG § 53 Rn. 22).
Entgegen den Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid ist die Ausweisung im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht zu messen an den besonderen Voraussetzungen des § 53 Abs. 3a AufenthG. Denn die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist bereits seit dem 8. Juli 2020 und damit sogar noch vor dem Erlass des streitgegenständlichen Bescheids bestandskräftig widerrufen. Damit kann sich der Kläger nicht auf die in § 53 Abs. 3a AufenthG geregelten besonderen Hürden bei der Ausweisung von Ausländern mit bestehender Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft berufen.
Die Ausweisung ist unter Berücksichtigung des dargelegten Maßstabs vorliegend rechtmäßig, weil das persönliche Verhalten des Klägers gegenwärtig eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, auch generalpräventive Ausweisungsinteressen bestehen und nach der erforderlichen Interessenabwägung die Ausweisungsinteressen die Bleibeinteressen des Klägers überwiegen.
3.2.2. Vom Kläger geht eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung aus. Durch seine Verurteilung durch das Amtsgericht … vom … August 2018 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und 9 Monaten und einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 11 Monaten wegen Betrugs in 150 Fällen in Tatmehrheit mit versuchtem Betrug in drei Fällen in Tatmehrheit mit Diebstahl hat der Kläger das typisierte besonders schwerwiegende Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG verwirklicht. Dieses greift, wenn ein Ausländer wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens 2 Jahren verurteilt wurde. Damit ist die vom Kläger ausgehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung indiziert. Ein spezialpräventives Ausweisungsinteresse liegt vor.
3.2.3. Diese Gefahr ist auch noch gegenwärtig. Vom Kläger geht zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung die erforderliche Wiederholungsgefahr aus.
3.2.3.1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei spezialpräventiven Ausweisungsentscheidungen und deren gerichtlicher Überprüfung eine eigenständige Prognose zur Wiederholungsgefahr zu treffen (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 15.1.2013 – 1 C 10.12 – juris Rn. 18). Bei der Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (vgl. BayVGH, U.v. 30.10.2012 – 10 B 11.2744 – juris Rn. 33 m.w.N.). An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind bei dieser Prognose umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (st. Rspr.; BayVGH, B.v. 03.03.2016 – 10 ZB 14.844 – juris Rn 11; B.v. 16.03.2016 – 10 ZB 15.2109 – juris Rn. 18; BayVGH, U.v. 30.10.2012 – 10 B 11.2744 – juris Rn. 34; BVerwG, U.v. 4.10.2012 – 1 C 13.11 – juris Rn. 18).
3.2.3.2. Gemessen an diesem Maßstab geht zur Überzeugung des Gerichts (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) vom Kläger vorliegend weiterhin eine die Ausweisung tragende Wiederholungsgefahr für die Begehung weiterer Straftaten aus. Das Gericht stuft die Wiederholungsgefahr vorliegend zudem als hoch ein. Denn bei dem Kläger handelt es sich um einen Intensivstraftäter, der immer wieder mit den Strafgesetzen in unterschiedlichen Bereichen, wenn auch vornehmlich mit Diebstahls- und Betrugsstraftaten in Konflikt geraten ist. Dabei hat er sich weder von laufenden Bewährungen, noch von einschlägigen Vorverurteilungen und früheren Inhaftierungen und schließlich auch nicht von einer ausländerrechtlichen Verwarnung von der Begehung weiterer Straftaten abhalten lassen. Dabei begann die Strafbarkeit des Klägers bereits wenige Jahre nach seiner Einreise und zog sich bis zu seiner Inhaftierung im Jahr 2017 ohne größere Unterbrechung hin. Er ist nur wenige Jahre ohne die Begehung von Straftaten ausgekommen.
Auch in der Haft ist der Kläger negativ aufgefallen. Er musste mehrfach disziplinarisch geahndet werden, wie sich aus dem Bericht der JVA … vom 18. Juni 2021 ergibt. Zudem ließe selbst ein Wohlverhalten in dem geschützten Rahmen der Haft nach ständiger Rechtsprechung noch nicht mit der notwendigen Sicherheit auf einen dauerhaften Einstellungswandel und eine innerlich gefestigte Verhaltensänderung schließen, die ein Entfallen der Wiederholungsgefahr rechtfertigen würden (vgl. BayVGH, B.v. 13.10.2017 – 10 ZB 17.1469 – juris Rn. 12; B.v. 29.8.2017 – 10 C 17.1298 – juris Rn. 3; B.v. 19.5.2015 – 10 ZB 15.331 – juris Rn. 7). Es ist auch nicht davon auszugehen, dass der Kläger nach der Haft in ein Umfeld kommen wird, das ihn von der Begehung weiterer Straftaten abhalten würde, zumal er bereits mit der Mutter seines letzten Kindes liiert war, als er die Straftaten beging, die zu der Anlassverurteilung führten. Auch die Geburt seiner Kinder konnte ihn zu keinem Zeitpunkt in der Vergangenheit von der Begehung weiterer Straftaten abhalten. All dies spricht zur Überzeugung des Gerichts für die Annahme einer die Ausweisung tragenden Wiederholungsgefahr.
3.2.4. Neben diesen spezialpräventiven Erwägungen kann die Ausweisung auch auf generalpräventive Zwecke gestützt werden, da der Kläger nach dem bestandskräftigen Widerruf der Flüchtlingseigenschaft nicht zu den in § 53 Abs. 3a AufenthG genannten Personengruppen gehört (BVerwG, U.v. 12.7.2018 – 1 C 16/17 Rn. 16; VG München, U.v. 1.2.2017 – M 9 K 16.1028 – juris Rn. 25). Es besteht ein generalpräventives besonders schwerwiegendes bzw. schwerwiegendes Ausweisungsinteresse, das weiterhin aktuell ist.
3.2.4.1. Eine Ausweisung kann auch nach dem seit 1. Januar 2016 geltenden Auswei sungsrecht regelmäßig (zu Ausnahmen bei durch § 53 Abs. 3 bis 4 AufenthG besonders geschützten Personenkreisen BVerwG, U.v. 12.7.2018 – 1 C 16/17 – BVerwGE 162, 349 juris Rn. 19 unter Verweis auf BT-Drs. 18/4097 S. 49) auf generalpräventive Gründe gestützt werden, denn vom weiteren Aufenthalt eines Ausländers, der Straftaten begangen hat, kann auch dann eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehen, wenn von ihm selbst keine (Wiederholungs-)Gefahr mehr ausgeht, im Fall des Unterbleibens einer ausländerrechtlichen Reaktion auf sein Fehlverhalten andere Ausländer aber nicht wirksam davon abgehalten werden, vergleichbare Delikte zu begehen (BVerwG, U.v. 9.5.2019- 1 C 21.18 – BVerwGE 165, 331 – juris Rn. 17). Zur Annahme eines generalpräventiven Ausweisungsinteresses im Sinne des § 53 Abs. 1 AufenthG bedarf es – anders als unter Geltung von § 56 Abs. 1 Satz 2 AufenthG a.F. – nicht der Verurteilung wegen besonders schwerwiegender Delikte für die öffentliche Sicherheit und Ordnung (vgl. BayVGH, B.v. 12.11.2020 – 10 ZB 20.1852 – juris Rn. 7 f; BayVGH, B.v. 6.3.2020 – 10 ZB 19.2419 – juris Rn. 5). So hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof im Einzelfall auch im Falle von Falschangaben zur Erlangung einer Duldung (BayVGH, B.v. 10.12.2018 – 10 ZB 16.1511 – juris Rn. 19; B.v. 17.9.2020 – 10 C 20.1895 – juris Rn. 10), einer Identitätstäuschung gegenüber der Ausländerbehörde (BayVGH, B.v. 6.3.2020 – 10 ZB 19.2419 – juris Rn. 5), Falschangaben im Visumverfahren (BayVGH, B.v. 28.12.2018 – 10 C 18.1361 – juris Rn. 13), der Verletzung der Passpflicht (BayVGH, B.v. 4.5.2020 – 20.666 – juris Rn. 8) oder einer Körperverletzung (BayVGH, B.v. 27.4.2020 – 10 C 20.51 – juris Rn. 7) ein generalpräventives Ausweisungsinteresse bejaht. Erforderlich ist lediglich, dass die Ausweisung an Straftaten oder Verhaltensweisen anknüpft, bei denen sie nach allgemeiner Lebenserfahrung geeignet erscheint, andere Ausländer von Taten ähnlicher Art und Schwere abzuhalten (BVerwG, U.v. 3.5.1973 – I C 33.72 – BVerwGE 42, 133 – juris Rn. 34; Bauer in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 53 AufenthG Rn. 64; Dörig, Handbuch Migrations- und Integrationsrecht, 2. Aufl. 2020, § 7 Rn. 27). Auch muss das Ausweisungsinteresse noch aktuell sein (BVerwG, U.v. 9.5.2019 -1 C 21.18 – BVerwGE 165, 331 – juris Rn. 17). Darüber hinaus sind Art und Schwere der jeweiligen Anlasstat lediglich im Rahmen der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen (so auch Bauer in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 53 AufenthG Rn. 63). Für die zeitliche Begrenzung eines generalpräventiven Ausweisungsinteresses, das an strafrechtlich relevantes Handeln anknüpft, ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 12.7.2018 – 1 C 16.17 – juris Rn. 23) für die vorzunehmende gefahrenabwehrrechtliche Beurteilung eine Orientierung an den Fristen der §§ 78 ff. Strafgesetzbuch (StGB) zur Strafverfolgungsverjährung angezeigt. Dabei bildet die einfache Verjährungsfrist des § 78 Abs. 3 StGB, deren Dauer sich nach der verwirklichten Tat richtet und die mit Beendigung der Tat zu laufen beginnt, eine untere Grenze. Die obere Grenze orientiert sich hingegen regelmäßig an der absoluten Verjährungsfrist des § 78c Abs. 3 Satz 2 StGB, die regelmäßig das Doppelte der einfachen Verjährungsfrist beträgt. Innerhalb dieses Zeitrahmens ist der Fortbestand des Ausweisungsinteresses anhand generalpräventiver Erwägungen zu ermitteln (vgl. BayVGH, B.v. 4.5.2020 – 10 ZB 20.666 – juris Rn. 8).
3.2.4.2. Gemessen daran besteht im Fall des Klägers noch ein generalpräventives Ausweisungsinteresse aufgrund der von ihm begangenen Straftaten, insbesondere der zuletzt abgeurteilten Betrugsstraftaten. Insoweit ist die Ausweisung konkret geeignet, andere Ausländer von der Begehung vergleichbarer Straftaten abzuhalten. Mit der Ausweisung wird im konkreten Fall verdeutlicht, dass derartige Straftaten wie die zahlreichen vom Kläger begangenen Betrugsstraftaten und die von ihnen ausgehenden Gefahren für gewichtige Rechtsgüter der Bürger nicht hingenommen werden und dass der betreffende Täter nicht nur mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen muss, sondern auch Gefahr läuft, sein Aufenthaltsrecht in Deutschland zu verlieren. Es ist davon auszugehen, dass sich andere Ausländer bei dieser Perspektive durchaus davon abhalten lassen, derart straffällig zu werden, wie der Kläger. Hieran besteht ein erhebliches öffentliches Interesse. Insoweit besteht auch eine einheitliche Behördenpraxis.
Das Ausweisungsinteresse ist trotz des seit der Tat verstrichenen Zeitablaufs auch noch aktuell. Die Verjährungsfristen des § 78 Abs. 3, § 78c Abs. 1, Abs. 3 StGB sind noch nicht abgelaufen, die Taten sind nach § 46, § 51 Bundeszentralregistergesetz (BZRG) noch verwertbar. Die Ausweisung kann mithin auch auf die dargestellten generalpräventiven Erwägungen gestützt werden.
3.2.5. Die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise des Klägers mit den Interessen an seinem weiteren Verbleib im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an seiner Ausreise die Bleibeinteressen des Klägers überwiegt.
3.2.5.1. Dem bereits skizzierten, in der Person des Klägers bestehenden und in seiner massiven Straffälligkeit über Jahre, gipfelnd in der Anlassverurteilung vom 8. August 2018, begründeten besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG steht vorliegend ein ebenfalls besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG gegenüber, denn der Kläger war bis zur hier streitgegenständlichen Ausweisung in Besitz einer Niederlassungserlaubnis.
Zudem sind auch die Belange der vier Kinder des Klägers bei der Entscheidung über die Ausweisung zu berücksichtigen. Dies stellt ein schwerwiegendes Bleibeinteresse dar (§ 55 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG). Dabei ist festzustellen, dass der Kläger entgegen seiner prozessualen und aufenthaltsrechtlichen Mitwirkungspflicht (§ 86 Abs. 1 Satz 1 HS 2 VwGO, § 82 Abs. 1 AufenthG) zu seinem aktuellen Verhältnis zu seinen Kindern nichts vorgetragen hat. Auch die Mütter der beiden jüngeren Kinder haben sich, anders als die Mutter der beiden älteren Kinder, nicht auf die Anhörung durch die Landeshauptstadt M. zurückgemeldet. Hinsichtlich dieser beiden jüngeren Kinder liegen der Ausländerbehörde und dem Gericht daher keine Informationen zur Frage des Sorgerechts und der Ausübung des Umgangsrechts vor. Hinsichtlich des jüngsten Kindes bestehen zudem keinerlei belastbare Informationen hinsichtlich Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit, Namen und gegebenenfalls Aufenthaltsstatus. Daher konnte nur der „Auffangtatbestand“ des § 55 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG auf Seite der Bleibeinteressen Berücksichtigung finden.
Das gleiche gilt mit Blick auf die Beziehung des Klägers zu der Mutter seines jüngsten Kindes, die in dem letzten Bericht der JVA vom 18. Juni 2021 als seine Ehefrau bezeichnet wird. Insoweit lässt sich der Akte nicht entnehmen, und wurde vom Kläger auch nicht vorgetragen, dass dies tatsächlich zutrifft und wann gegebenenfalls die Ehe geschlossen wurde. Auch insoweit ist auf die oben genannten Mitwirkungspflichten des Klägers zu verweisen. Aus dem Verhältnis zu der Mutter seines jüngsten Kindes vermag daher der Kläger im hier maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung auch unter Berücksichtigung der Wertungen von Art. 6 GG kein Bleibeinteresse abzuleiten.
3.2.5.2. Das Vorliegen eines in § 54 AufenthG normierten Ausweisungsinteresses, dem ein Bleibeinteresse gegenübersteht, führt nicht ohne Weiteres zur Ausweisung des Betroffenen. § 53 AufenthG gestaltet die Ausweisung als Ergebnis einer umfassenden, ergebnisoffenen Abwägung aller Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes aus. In die Abwägung nach § 53 Abs. 1 AufenthG sind die in §§ 54, 55 AufenthG vorgesehenen Ausweisungs- und Bleibeinteressen mit der im Gesetz vorgenommenen grundsätzlichen Gewichtung einzubeziehen. Erforderlich ist eine Abwägung aller Umstände des Einzelfalles (vgl. BT-Drs. 18/4097, S. 49 f.; HessVGH, B.v. 5.2.2016 – 9 B 16/16 – juris Rn. 5), darunter der Dauer des Aufenthalts des Betroffenen im Aufnahmestaat, sein Alter, die Folgen der Ausweisung für die betroffene Person und ihre Familienangehörigen, ebenso die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, sowie den – persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen – Bindungen zum Aufenthaltsstaat oder fehlende Bindungen zum Staat der Staatsangehörigkeit (vgl. § 53 Abs. 2 AufenthG). So muss festgestellt werden, ob das Interesse an der Ausweisung letztlich überwiegt.
Prinzipiell erfassen die Bleibeinteressenstatbestände die Grundrechtspositionen und tragen den Wertentscheidungen der europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) in grundsätzlich ausreichender Weise Rechnung (vgl. BVerfG, B.v. 1.3.2004 – 2 BvR 1570/03 – juris Rn. 21). Ungeachtet dessen sind die Bleibeinteressen des Klägers, die sich auf Grundrechtspositionen und auf Wertentscheidungen der EMRK stützen lassen, bei der vorzunehmenden Abwägung von Ausweisungs- und Bleibeinteresse ihrer Wertigkeit entsprechend in die Abwägung einzustellen und zu gewichten. Insbesondere sollen in die Abwägung die Kriterien mit einbezogen werden, die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) insoweit zu Art. 8 EMRK entwickelt worden sind: Art und Schwere der Straftat, Dauer des Aufenthalts im Gastland, seit der Tatzeit verstrichene Zeitspanne und Verhalten des Ausländers in dieser Zeit, Staatsangehörigkeit der Betroffenen, familiäre Situation und Dauer einer etwaigen Ehe, etwaige Kenntnis des Ehegatten von der Straftat bei Aufnahme der Beziehung, etwaige aus der Ehe hervorgegangene Kinder, ihr Alter und das Maß an Schwierigkeiten, denen der Ehegatte und/oder die Kinder im Abschiebungszielland begegnen können, sowie die Festigkeit der sozialen, kulturellen und familiären Bindungen zum Gastland und zum Abschiebungszielland (BT-Drs 18/4097, S. 49; EGMR, U.v. 12.1.2010 – 47486/06, , in Fortschreibung der Boultif/Üner Kriterien; OVG NRW, U.v. 22.3.2012, – 18 A 951/09 – juris).
3.2.5.3. Zugunsten der Bleibeinteressen des Klägers ist dabei zunächst zu berücksich tigen, dass er bereits seit mehr als 20 Jahren im Bundesgebiet lebt und bereits im jungen Alter von 18 Jahren eingereist ist. Weiter ist zu berücksichtigen, dass er sich stets rechtmäßig und mit einer Niederlassungserlaubnis im Bundesgebiet aufgehalten hat, nachdem er über viele Jahre als Flüchtling anerkannt war und somit ein besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse vorliegt. Der Kläger ist aber kein „faktischer Inländer“, da er zur Überzeugung des Gerichts weder im Inland ausreichend verwurzelt, noch aus dem Land seiner Staatsangehörigkeit, dem Irak, entwurzelt ist. Er ist zunächst nicht im Sinne einer Verwurzelung im erforderlichen Maße sozial, beruflich oder wirtschaftlich in die hiesigen Lebensverhältnisse im Bundesgebiet integriert. Wenngleich er lange Zeit in der Bundesrepublik verbrachte, ist zu sehen, dass er während des Lebensanteils als Erwachsener, also ab Beginn der Eigenständigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Lebensführung, nicht rechtstreu hier lebte. Lediglich für wenige Jahre zu Beginn seines Aufenthalts zeichnete sich für den Kläger eine erfolgreiche Integration ab, bevor seine Firma scheiterte, er vermehrt Straftaten beging und von Sozialleistungen lebte. Zuletzt bestritt er seinen Lebensunterhalt mit Straftaten. Auch eine Entwurzelung aus dem Irak ist nicht anzunehmen. Denn er hat in dem Land bis zu seinem 16. Lebensjahr gelebt und damit seine prägende Kindheit und Adoleszenz verbracht. Auch hat er den Irak wiederholt besucht, nachdem er in Deutschland als Flüchtling anerkannt worden war. Die Stellung als „faktischer Inländer“ würde überdies die Ausweisung nicht von vornherein verhindern, sondern lediglich eine Abwägung der besonderen Umstände des Betroffenen und des Allgemeininteresses im jeweiligen Einzelfall erfordern (vgl. EGMR, U.v. 13.10.2011 – Nr. 41548/06, Trabelsi – juris Rn. 53; BVerfG, B.v. 19.10.2016 – 2 BvR 1943/16; B.v. 1.3.2004 – 2 BvR 1570/03; BayVGH, B.v. 26.1.2015 – 10 ZB 13.808 – juris Rn. 37).
Zu berücksichtigen sind weiter die sich aus der Beziehung des Klägers zu seinen Kindern ergebenden Bleibeinteressen. Bei der nach § 53 Abs. 1, Abs. 2 AufenthG vorzunehmenden Gesamtabwägung kommt den von Art. 6 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützten Bindungen des Klägers zu seinen Kindern und umgekehrt der Bindung der Kinder an ihren Vater ein besonderes Gewicht zu. Die in Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm gebietet es, bei Entscheidungen über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen an im Bundesgebiet lebende Personen und die sich für Familienangehörige ergebenden Folgen einer Aufenthaltsbeendigung angemessen zu berücksichtigen. Dabei ist im Falle der familiären Beziehung zu einem Kind maßgeblich auf die Sicht des Kindes abzustellen (vgl. BayVGH, Beschluss vom 10.04.2019 – 19 ZB 17.1535; BVerfG, B.v. 8.12.2005 – 2 BvR 1001/04 – juris Rn. 17, 25; U.v. 23.1.2006 – 2 BvR 1935/05 – juris Rn. 16, 18). Art. 6 GG gewährt aber für sich gesehen kein Aufenthaltsrecht und steht auch einer Ausweisung nicht von vorneherein zwingend entgegen.
In Bezug auf die Kinder des Klägers und die sich aus Art. 6 GG ergebenden Wertungen ist Folgendes in den Blick zu nehmen:
Der Kläger hat zu seinen beiden 2003 und 2008 geborenen älteren Kindern mit deutschitalienischer Staatsangehörigkeit spätestens seit 2013, möglicherweise aber bereits schon vorher keinen Kontakt mehr. Er hat kein Sorgerecht für sie, zahlt keinen Unterhalt und beteiligt sich nicht an der Erziehung. Die ältere Tochter ist zudem demnächst volljährig und nicht mehr auf den Kontakt zum Kläger angewiesen. Das Interesse beider Kinder am Umgang mit dem Vater und damit auch das hierin begründete Bleibeinteresse des Klägers kann daher bei sachgerechter Wertung als gering ausgeprägt angesehen werden, wenngleich sich bei dem zweitältesten Kind mit der Zeit der Wunsch nach Kontakt zu seinem Vater möglicherweise verstärken wird.
Die drittälteste Tochter des Klägers mit deutschbulgarischer Staatsangehörigkeit war erst ca. 6 Monate alt, als der Kläger in Haft kam. Sie hat ihn in der Haft ebenso wenig besucht, wie die Kindsmutter, auch ist kein telefonischer Kontakt vorgetragen und belegt oder aus den Akten ersichtlich. Es ist davon auszugehen, dass der Kläger infolge der Trennung von der Kindsmutter Anfang 2016 und damit jedenfalls bereits kurz nach Zeugung des am … … 2016 geborenen Kindes zu diesem tatsächlich keinen Kontakt hatte. Sofern ein Sorgerecht des Klägers für dieses Kind besteht, was sich den Akten ebenfalls nicht entnehmen lässt und wofür auch keine Hinweise ersichtlich sind, ist nicht anzunehmen, dass er dieses tatsächlich ausübt oder der Kläger regelmäßigen Umgang mit dem Kind hatte. Auch zu Unterhaltszahlungen des Klägers ist insoweit nichts bekannt, nachdem sich die Kindsmutter auf die Anhörung durch die Landeshauptstadt M. vom 24. September 2019 nicht zurückgemeldet hat. Damit wird auch das Kind, so es auch einen Vater vermisst und später ein Interesse haben wird, diesen kennenzulernen, inzwischen gelernt haben, sein Leben ohne den Vater zu meistern. Auch den sich aus der Beziehung des Klägers zu diesem Kind ergebenden Bleibeinteressen ist somit nur ein geringes Gewicht beizumessen.
Zu dem jüngsten Kind des Klägers, geboren Anfang 2018, liegen aufgrund der fehlenden Rückmeldung der Kindsmutter auf die Anhörung durch die Landeshauptstadt M. kaum Informationen vor. Auch der Kläger hat entgegen der bereits oben dargestellten Mitwirkungspflichten nichts vorgetragen. Insbesondere ist unbekannt, ob der Kläger für das Kind das Sorgerecht hat und dieses ausübt, noch welche Staatsangehörigkeit und welchen Aufenthaltsstatus das Kind hat. Der Kläger hat dies auch im Klageverfahren nicht aufgeklärt. Dem Bericht der JVA … vom 21. Juni 2021 zufolge gab es zwar seit der dortigen Aufnahme des Klägers – möglicherweise aufgrund der Distanz zur JVA – keinen Besuchskontakt aber offenbar telefonischen Kontakt des Klägers mit der Kindsmutter und dem Kind. Der Kläger beabsichtigt, nach der Haftentlassung bei den beiden in … in … seinen Wohnsitz zu nehmen. Zugleich möchte er aber wohl eine Arbeitsstelle in … annehmen. Beides zusammen wird angesichts der räumlichen Distanz kaum Aussicht auf Erfolg haben. Es ist zudem zu sehen, dass das jüngste Kind des Klägers erst geboren wurde, als der Kläger bereits etwa ein halbes Jahr in Haft war. Das Kind hat demnach den Kläger noch nie gesehen. Es handelt sich zwar um ein noch sehr kleines Kind, so dass die Beziehung zu seinem Vater grundsätzlich wichtig für die Entwicklung des Kindes ist. Umgekehrt spielt der Kläger im Leben des mittlerweile dreieinhalbjährigen Kindes von Geburt an keine Rolle; das Kind ist an die Abwesenheit des Vaters gewöhnt. Ein besonderer Verlust im Leben des Kindes infolge einer Ausreise des Vaters ist nicht anzunehmen. Die seit jeher nur mögliche Beziehung zwischen beiden durch Telefonate oder sonstige Fernkommunikation würde sich vielmehr im Fall einer Ausreise nicht ändern sondern fortsetzen. Auch die aus der Beziehung zu diesem Kind abgeleiteten Bleibeinteressen des Klägers sind somit als von allenfalls mittlerem Gewicht einzustufen.
3.2.5.4. Diese Bleibeinteressen vermögen sich bei der Gesamtabwägung nicht über die erheblichen staatlichen Ausweisungsinteressen durchzusetzen. Der Kläger hat über die Jahre eine Vielzahl an Straftaten begangen, die mit mehr als sieben Jahren Freiheitsstrafe insgesamt, sowie zahlreichen Geldstrafen geahndet wurden. Seine Straftaten beging der Kläger trotz einer aufenthaltsrechtlichen Verwarnung am 31. Oktober 2011 (Bl. 443 BA), trotz einschlägiger Vorstrafen, Hafterfahrung und laufender Bewährungen. Letztlich konnte den Kläger nichts von der Begehung einer Vielzahl weiterer Taten abhalten, nicht einmal die Geburt seiner Kinder, die jeweils zu einer Änderung seines Verhaltens hätte führen können. Die Wiederholungsgefahr für weitere Straftaten ist vor diesem Hintergrund als besonders hoch einzustufen. Von den Straftaten des Klägers waren zahlreiche Rechtsgüter betroffen. Zunächst sind hier in erster Linie Eigentum und Vermögen zu nennen, aber auch das besonders hoch eingestufte Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit war betroffen. Der Kläger vermag sich nicht in die Rechtsordnung einzufügen, sondern wird zur Überzeugung des Gerichts immer wieder Straftaten begehen. Der Kläger stellt eine erhebliche Gefahr für die in Deutschland lebenden Menschen dar. Auch die generalpräventiven Ausweisungsinteressen sind als besonders schwer gewichtig einzustufen, denn von der Ausweisung kann ein klares Signal an alle anderen Ausländer ausgehen, die versuchen könnten, sich ein Einkommen auf die gleiche Art wie der Kläger zu verschaffen.
Die berufliche Situation und die wirtschaftlichen Integrationsvoraussetzungen des Klägers sind im Irak und in Deutschland als gleich gut oder gleich schlecht einzustufen. Mit dem streitgegenständlichen Bescheid geht das Gericht davon aus, dass die Sprachkenntnisse des Klägers, der im Irak in die Schule gegangen ist und dort 16 Jahre lang seit seiner Geburt gelebt hat, ausreichend sind, um ein Leben im Irak zu ermöglichen. Es ist dem Kläger zur Überzeugung des Gerichts möglich und in jeder Hinsicht zumutbar, gegebenenfalls seine Sprachkenntnisse so zu ertüchtigen, dass er sich auch im Irak eine Existenz aufbauen und zumindest für den Zeitraum des Einreise- und Aufenthaltsverbots ein Auskommen finden kann. Dabei werden ihm gegebenenfalls auch seine Deutschkenntnisse von Nutzen sein. Die Sozialisierung des Klägers bis in die Adoleszenz erfolgte im Irak. Besuchsreisen in den Irak zeugen von der vorliegenden Vertrautheit mit den Lebensverhältnissen im Irak. Der Kläger musste nach den aufenthaltsrechtlichen Warnungen der Ausländerbehörde in der Vergangenheit damit rechnen, dass aufenthaltsrechtliche Maßnahmen wie auch ein asylrechtlicher Widerruf seiner Flüchtlingsanerkennung mit der Folge auch einer Ausreisepflicht ergriffen werden können. Dennoch hat er sich zu keinem Zeitpunkt von der Begehung weiterer Straftaten abhalten lassen.
Die Ausweisung steht schließlich auch mit Art. 8 EMRK im Einklang, da sie gesetzlich vorgesehen ist (§ 53 Abs. 1 AufenthG) und einen in dieser Bestimmung aufgeführten legitimen Zweck, nämlich die Verteidigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und die Verhinderung von Straftaten, verfolgt. Die Ausweisung erweist sich als geeignete, erforderliche und angemessene Maßnahme, um den beabsichtigten Zweck durchzusetzen. Durch ein anderes, milderes Mittel kann der mit ihr verfolgte Zweck vorliegend nach den Erfahrungen aus der Vergangenheit nicht erreicht werden. Im Ergebnis ist die Ausweisung des Klägers daher verhältnismäßig und rechtmäßig und zur Wahrung des mit ihr verfolgten Interesses unerlässlich.
3.3. Auch das von dem Beklagten in Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheids verfügte Einreise- und Aufenthaltsverbot, das mit Anpassung des Bescheids in der mündlichen Verhandlung vom 24. Juni 2021 auf fünf Jahre bei Straffreiheit und sieben Jahre bei Nichterfüllen dieser Bedingung verkürzt wurde, lässt keine Rechtsfehler erkennen. Der Kläger hat weder Anspruch auf weitere Herabsetzung der Befristung der gesetzlichen Wirkungen der Ausweisung, noch auf erneute ermessensfehlerfreie Entscheidung über das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 AufenthG. Das Gericht verweist auch insoweit auf die mit Blick auf die inzwischen angepasste Dauer der Fristen zutreffenden Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid und sieht – abgesehen von den nachfolgenden Ausführungen – von der Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 117 Abs. 5 VwGO).
3.3.1. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer nach Satz 2 der Vorschrift weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach dem Aufenthaltsgesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden. Nach § 11 Abs. 2 Satz 3 AufenthG ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen, wobei die Frist nach Satz 4 der Vorschrift mit der Ausreise beginnt. Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG nach Ermessen entschieden; sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten (§ 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG). Nach § 11 Abs. 5 Satz 1 AufenthG soll die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht.
Die behördliche Befristungsentscheidung unterliegt als Ermessensentscheidung einer gerichtlichen Kontrolle in den Grenzen von § 114 Satz 1 VwGO. Die Ausländerbehörde muss bei der allein unter präventiven Gesichtspunkten festzusetzenden Frist das Gewicht des Ausweisungsinteresses und den mit der Ausweisung verfolgten Zweck berücksichtigen. Hierzu bedarf es in einem ersten Schritt der prognostischen Einschätzung im Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen, welches seiner Ausweisung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. Die insoweit ermittelte Frist ist in einem zweiten Schritt an höherrangigem Verfassungsrecht sowie an unions- und konventionsrechtlichen Vorgaben zu messen und gegebenenfalls zu relativieren. Insoweit bedarf es nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit einer umfassenden Abwägung aller im Einzelfall betroffenen Belange. Maßgeblicher Zeitpunkt ist die mündliche Verhandlung, so dass auf die zu diesem Zeitpunkt gegebene Sachlage abzustellen ist (vgl. BVerwG, U.v. 22.2.2017 – 1 C 27.16 -, InfAuslR 2017, 336).
3.3.2. Die von dem Beklagten unter Anwendung pflichtgemäßen Ermessens verfügte Sperrfrist begegnet – in der Fassung des in der mündlichen Verhandlung vom 24. Juni 2021 geänderten Bescheids – unter Berücksichtigung des eingeschränkten gerichtlichen Prüfungsmaßstabs (§ 114 Satz 1 VwGO) keinen rechtlichen Bedenken. Dabei ist festzuhalten, dass zwar formal kein Einreise- und Aufenthaltsverbot verfügt, sondern lediglich dessen Wirkung befristet wurde. Allerdings kann diese Befristung bei sachgerechter Auslegung zugleich als Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots verstanden werden. In einer behördlichen Befristungsentscheidung kann regelmäßig der konstitutive Erlass eines befristeten Einreiseverbots gesehen werden (BVerwG, U.v. 21.8.2018 – 1 C 21/17 – juris Rn. 25 m.w.N.). Der Beklagte ist weiter zurecht von dem Maßstab des § 11 Abs. 3 Satz 2, Abs. 5 AufenthG ausgegangen, wonach die Höchstfrist des Einreise- und Aufenthaltsverbots im Falle einer strafrechtlichen Verurteilung zehn Jahre nicht überschreiten soll. Die im streitgegenständlichen Bescheid nach Änderung in der mündlichen Verhandlung festgesetzte zeitliche Befristung hält sich mithin in dem gesetzlich vorgegebenen Rahmen. Angesichts der Anlassverurteilung und der zahlreichen früheren strafrechtlichen Verurteilungen, des Gewichts der gefährdeten Rechtsgüter und der hohen Wiederholungsgefahr vermag das Gericht mit Blick auf die Festsetzung der zeitlichen Befristung auch unter Berücksichtigung höherrangigen Rechts keinen Ermessensfehler zu erkennen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot konnte vor dem bisherigen strafrechtlichen Hintergrund des Klägers zudem ermessensgerecht mit der Bedingung der nachgewiesenen Straffreiheit versehen werden (§ 11 Abs. 2 Satz 5 AufenthG). Auch hinsichtlich der in diesem Fall ebenfalls festzusetzenden längeren Frist bei nicht nachgewiesener Erfüllung der Bedingung sind Ermessensfehler nicht ersichtlich. Die von der Beklagten verfügten Fristen sind insgesamt erforderlich und angemessen, um der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu begegnen. Die bei der Befristung gegenzugewichtenden verfassungsrechtlichen und konventionsrechtlichen Belange des Klägers wurden ermessensgerecht und angemessen bei der Festlegung der Fristen berücksichtigt.
3.4. Die von der Beklagten unter Nr. 3 des streitgegenständlichen Bescheids verfügten Regelungen (Anordnung der Abschiebung aus der Haft, Androhung der Abschiebung nach Haftentlassung) entsprechen den rechtlichen Vorgaben und sind nicht zu beanstanden (§ 58 Abs. 3 Nr. 1, § 59 Abs. 5 AufenthG bzw. § 58 Abs. 1, Abs. 2, § 59 Abs. 1 AufenthG). Die formulierte Bedingung der „Vollziehbarkeit“ des Widerrufsbescheids des BAMF ist zwar nicht erforderlich gewesen, weil die Flüchtlingseigenschaft im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids bereits bestandskräftig widerrufen war, sie ist aber in rechtlicher Hinsicht unschädlich.
4. Die Klage war demzufolge mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
5. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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