Verwaltungsrecht

Bauaufsichtliche Untersagung von Geflügelhaltung im Wohngebiet – Kleintiererhaltungszucht

Aktenzeichen  9 ZB 15.2234

Datum:
6.12.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 134593
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 34 Abs. 2
BauNVO § 4 Abs. 1, § 14 Abs. 1 S. 1, S. 2, § 15 Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

1. Die Anwendbarkeit des § 34 Abs. 2 BauGB setzt lediglich voraus, dass die maßgebliche Umgebung ausschließlich bauliche Elemente enthält, die nur einem der in der Baunutzungsverordnung (BauNVO) geregelten Baugebiete zuzuordnen sind. Es kommt weder darauf an, ob in Sichtweite der näheren Umgebung eine anders genutzte Bebauung vorhanden ist, noch darauf, in welchem Maß die nähere Umgebung von Immissionen betroffen wird. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die im Rahmen einer typischen Freizeitbetätigung ausgeübte Haltung von Geflügel im Wohngebiet, insbesondere im Freien, hat sich auch unter Berücksichtigung der klarstellenden Aufnahme der Kleintiererhaltungszucht in den Kreis der zulassungsfähigen Nebenanlagen nach wie vor auf einige wenige Stück zu beschränken, um den Wohnerwartungen der Wohnbevölkerung in einem vorwiegend dem Wohnen dienenden Gebiet gerecht zu werden; eine Zahl von 20 Stück Geflügel als obere Grenze in Wohngebieten ist jedenfalls nicht zu gering bemessen. (Rn. 14 – 25) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 3 K 15.580 2015-07-30 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens als Gesamtschuldner.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Kläger wenden sich gegen die zwangsgeldbewehrte, bauaufsichtliche Verfügung des Landratsamts E …- … vom 5. März 2013 mit der ihnen untersagt wird, auf ihrem Grundstück FlNr. … Gemarkung A … mehr als 40 Stück Geflügel zu halten (Nr. I des Bescheidstenors) und aufgegeben wird, die auf diesem Grundstück gehaltenen Hähne nachts von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr im abgedunkelten Stall zu halten (Nr. II des Bescheidstenors). Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 30. Juli 2015 in der Sache abgewiesen. Hiergegen richtet sich das Rechtsmittel der Kläger.
II.
Der auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel) und des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (grundsätzliche Bedeutung) gestützte Antrag der Kläger bleibt ohne Erfolg.
1. Ob ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen, beurteilt sich im Wesentlichen anhand dessen, was die Kläger innerhalb offener Frist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) haben darlegen lassen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Daraus ergeben sich solche Zweifel nicht.
a) Das Zulassungsvorbringen, entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts entspreche die nähere Umgebung des klägerischen Grundstücks keinem allgemeinen Wohngebiet, weil vom Grundstück der Kläger aus großflächige Lagerhallen in Sichtweite vorhanden wären und ein ständiger An- und Abfahrtsverkehr von Lastkraftwagen wahrnehmbar sei, lässt keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils aufkommen.
Das Verwaltungsgericht hat den Gebietscharakter der näheren Umgebung als faktisches allgemeines Wohngebiet im Sinne des § 4 BauNVO charakterisiert, weil es bei der Einnahme des Augenscheins festgestellt hat, dass das Grundstück der Kläger von Wohnbebauung umgeben ist. Letzteres stellen die Kläger nicht infrage. Da die Anwendbarkeit des § 34 Abs. 2 BauGB lediglich voraussetzt, dass die maßgebliche Umgebung ausschließlich bauliche Elemente enthält, die nur einem der in der Baunutzungsverordnung geregelten Baugebiete zuzuordnen sind (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Mai 2017, § 34 Rn. 79), kommt es weder darauf an, ob in Sichtweite der näheren Umgebung eine anders genutzte Bebauung vorhanden ist noch darauf, in welchem Maß die nähere Umgebung von Immissionen betroffen wird. Dies zugrunde gelegt hätte aufgrund der tatrichterlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts auch vom Gebietscharakter eines reinen Wohngebiets ausgegangen werden können.
b) Das Vorbringen der Kläger, die Feststellungen des Verwaltungsgerichts zur Größe der Gebäude, die für die Geflügelhaltung verwendet würden, zur Relation der Flächen für die Tierhaltung und die Wohnnutzung sowie zu überdachten Freigehegen träfen nicht zu, führt nicht zur Zulassung der Berufung.
Das Verwaltungsgericht hat zwar auch die von den Klägern „derzeit“ ausgeübte Tierhaltung und Tiererhaltungszucht mit bis zu 160 Stück Geflügel in den Blick genommen und diese anhand der in Anspruch genommenen Flächen und Nebenanlagen bewertet. Im Hinblick auf die hier maßgebliche Beschränkung des Geflügelbestands auf maximal 40 Stück hat das Verwaltungsgericht entscheidungserheblich aber allein auf die Gebietsunverträglichkeit einer Haltung von mehr als 20 Hühnern bzw. Stück Geflügel in einem Wohngebiet und von mehr als 40 Stück Geflügel im konkreten Fall abgestellt.
Es kommt deshalb nicht entscheidungserheblich darauf an, welchen Umfang und welche Beschaffenheit die für die derzeit betriebene klägerische Geflügelhaltung genutzten Nebenanlagen nach dem Vortrag der Kläger aufweisen würden, zumal deren Beseitigung mit der gegenständlichen Verfügung des Landratsamts nicht angeordnet wurde.
c) Von Vorstehendem ausgehend hatte das Verwaltungsgericht unter Zugrundelegung seiner Rechtsauffassung über eine noch gebietsverträgliche Anzahl der gehaltenen Tiere auch keinen Anlass, von sich aus der Frage nachzugehen, „welchen Platzbedarf es bei einer Kleintiererhaltungszucht im Bereich von Enten und Hühnern gibt“.
Das Verwaltungsgericht hat die Rechtmäßigkeit der durch die Nutzungsuntersagungsverfügung angeordneten Beschränkung der Anzahl der gehaltenen Tiere selbständig tragend auf das im maßgeblichen allgemeinen Wohngebiet unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls und auf Grundlage der Regelung in § 14 Abs. 1 Satz 2 BauNVO noch Vertretbare bejaht. Auf den Platzbedarf einer Kleintiererhaltungszucht im Bereich von Enten und Hühnern hat es insoweit nicht abgestellt.
d) Die Kritik der Kläger an der tatsächlichen und rechtlichen Bewertung des Verwaltungsgerichts über die noch gebietsverträgliche Anzahl von Geflügel im maßgeblichen Wohngebiet lässt keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils erkennen.
aa) Soweit die Kläger die Verkehrsüblichkeit ihrer Rassegeflügelzucht durch einen Vergleich mit Haltungen in der Region und im betreffenden Baugebiet zu belegen suchen, verkennen sie, dass das Verwaltungsgericht diesen Umstand einerseits berücksichtigt hat (vgl. UA S. 15 und S. 16) und sich die Zulässigkeit einer Kleintiererhaltungszucht als Nebenanlage i.S.d. § 14 Abs. 1 Satz 2 BauNVO andererseits anhand der Zweckbestimmung des jeweiligen Baugebiets bemisst, in dem sie ausgeübt werden soll.
Von diesem Ansatz geht auch das Verwaltungsgericht aus. Danach richtet sich die Zulässigkeit der Tierhaltung der Kläger zunächst nach der Gebietseinstufung und sodann nach der dort typischerweise zu erwartenden Nutzung, mithin nach den Wohnbedürfnissen, der Ortsüblichkeit und der konkreten Situation im jeweiligen Baugebiet. Charakterisierend seien ferner die Lage und die Größe der Grundstücke im Baugebiet oder die Bebauungsdichte, wobei stets die konkreten Umstände des Einzelfalls maßgeblich seien (UA S. 15). Allgemeine Wohngebiete dienten sowohl im städtischen als auch im ländlichen Bereich hauptsächlich der Wohnnutzung und nicht der Tierhaltung, auch wenn die Kleintiererhaltungszucht 2013 in § 14 Abs. 1 Satz 2 BauNVO als eigene Nutzung aufgenommen wurde. Sie stehe jedoch genauso wie die Kleintierhaltung unter der Prämisse, dass sie im Verhältnis zur Hauptnutzung untergeordnet sein müsse (UA S. 16). Hiergegen ist nichts zu erinnern.
Der Senat hat bereits im Eilverfahren ausgeführt, dass sich die im Rahmen einer typischen Freizeitbetätigung ausgeübte Haltung von Geflügel im Wohngebiet insbesondere im Freien auch unter Berücksichtigung der klarstellenden Aufnahme der Kleintiererhaltungszucht in den Kreis der zulassungsfähigen Nebenanlagen (vgl. BauGB-Änderungsgesetz 2013, BGBl I S. 1548) nach wie vor auf einige wenige Stück zu beschränken hat, um den Wohnerwartungen der Wohnbevölkerung in einem vorwiegend dem Wohnen dienenden Gebiet gerecht zu werden und dass eine Zahl von 20 Stück Geflügel als obere Grenze in Wohngebieten jedenfalls nicht zu gering bemessen ist (vgl. BayVGH, B.v. 28.4.2016 – 9 CS 15.2118 – NVwZ-RR 2016, 572 = juris Rn. 19 ff.; vgl. auch Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Mai 2017, § 14 BauNVO Rn. 61, jeweils m.w.N.). Die von den Klägern für ihre Rechtsauffassung in Bezug genommene Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom 18. Februar 2016 (Az. 10 A 985/14 – BauR 2016, 1123) hatte die Haltung von Haustieren in einer Wohnung zum Gegenstand und nicht – wie hier – eine Haltung nach § 14 BauNVO außerhalb der wohngenutzten Räume; sie lässt sich auf den vorliegenden Fall auch nicht sinngemäß übertragen (vgl. etwa OVG NW, B.v. 8.1.2014 – 2 B 1196/13 – NVwZ-RR 2014, 376 zur Unzulässigkeit der Haltung von neun Kakadus im reinen Wohngebiet).
bb) Das Vorbringen der Kläger, angesichts der Lage des Klägergrundstücks am Rand zum Außenbereich hätte den Klägern eine höhere Tierzahl als 40 Stück Geflügel zugestanden werden müssen, führt nicht zur Zulassung der Berufung.
Ausweislich der Urteilsgründe hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass die Randlage zum Außenbereich die Frage der Zulässigkeit der Kleintierhaltung beeinflusst (UA S. 17). Es hat aber die Berücksichtigung dieses Umstands im angefochtenen Bescheid für ausreichend erachtet (vgl. Begründung des Bescheids vom 5.3.2015 Nr. 2.3). Auch hiergegen ist nichts einzuwenden. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass sich eine Geflügelhaltung im allgemeinen Wohngebiet zur Wahrung der Gebietstypik auf einige wenige Stück zu beschränken hat und eine Zahl von 20 Stück Geflügel als obere Grenze in Wohngebieten jedenfalls nicht zu gering bemessen ist. Hiervon ausgehend ist die den Klägern zugelassene Zahl von 40 Stück Geflügel auch unter Berücksichtigung der konkreten Umstände nicht zu beanstanden.
cc) Das Vorbringen der Kläger, die Zulassung einer höheren Tierzahl als 40 Stück Geflügel sei auch deshalb geboten, weil es aus immissionsschutzrechtlicher Sicht bei einer höheren Tierzahl zu keiner objektiven Beeinträchtigung in der Nachbarschaft komme, führt nicht zur Zulassung der Berufung. Denn die angefochtene Entscheidung beruht – ausdrücklich – nicht auf einer angenommenen Verletzung des aus § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO folgenden Rücksichtnahmegebots, sondern allein auf den vom Verwaltungsgericht angenommenen Verstoß gegen die zulässige Art der baulichen Nutzung i.S.v. § 14 Abs. 1 BauNVO.
(1) Unabhängig von tatsächlichen Beeinträchtigungen ist eine Nebenanlage bauplanungsrechtlich unzulässig, wenn sie die Anforderungen des § 14 Abs. 1 Satz 1 BauNVO nicht erfüllt, weil sie – wie hier – der Eigenart des Baugebiets widerspricht.
Diese sich unmittelbar aus dem Gesetz ergebende Rechtsfolge beruht weder auf „rein formalistischen bauplanungsrechtlichen Gründen“ noch wird sie „laienhaft und in unzähligen gerichtlichen Entscheidungen“ nur behauptet und sie hat auch nichts mit einer Entfremdung von der Natur zu tun. Die Prüfung der Gebietsverträglichkeit rechtfertigt sich vielmehr aus dem typisierenden Ansatz der Baugebietsvorschriften der Baunutzungsverordnung. Der Verordnungsgeber will durch die Zuordnung von Nutzungen zu den näher bezeichneten Baugebieten die vielfältigen und oft gegenläufigen Ansprüche an die Bodennutzung zu einem schonenden Ausgleich im Sinne überlegter Städtebaupolitik bringen. Dieses Ziel kann aber nur erreicht werden, wenn die vom Verordnungsgeber dem jeweiligen Baugebiet zugewiesene allgemeine Zweckbestimmung den Charakter des Gebiets eingrenzend bestimmt (st.Rspr., vgl. BVerwG, U.v. 2.2.2012 – 4 C 14.10 – BVerwGE 142, 1 = juris Rn. 16 m.w.N.). Die Beschränkung der Baufreiheit aus städtebaulichen Gründen, insbesondere der Nutzungsmöglichkeiten des eigenen Grundstücks wird dadurch ausgeglichen und im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zusätzlich auch gerechtfertigt, dass auch die anderen Grundeigentümer diesen Beschränkungen unterworfen sind. Durch das Festlegen einer Fläche etwa zur Nutzung als Wohngebiet werden die Grundeigentümer als jeweilige Nachbarn innerhalb des festgelegten Gebietes zu einer Gemeinschaft verbunden. Dieses Ausgleichsverhältnis darf nicht einseitig aufgehoben werden. Der gewollte Interessenausgleich würde sonst aus dem Gleichgewicht gebracht (vgl. BVerwG, U.v. 23.8.1996 – 4 C 13.94 – BVerwGE 101, 364 = juris Rn. 48 f. m.w.N.).
(2) Maßgebliche Zulässigkeitsgrenze auch einer Kleintiererhaltungszucht i.S.d. § 14 Abs. 1 Satz 2 BauNVO ist deshalb die Wahrung der allgemeinen Zweckbestimmung – hier – eines allgemeinen Wohngebiets, das vorwiegend dem Wohnen dient (§ 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 4 Abs. 1 BauNVO). Widerspricht die von den Klägern erstrebte Kleintiererhaltungszucht aufgrund einer die Wohnerwartungen und den Wohnbedürfnissen nicht mehr gerecht werdenden Anzahl an gehaltenen Tieren in objektiv-rechtlicher Hinsicht der allgemeinen Zweckbestimmung des Wohngebiets, ist sie in diesem Gebiet auch dann nicht zulässig, wenn die Kläger und nach deren Vortrag auch zahlreiche weitere Bewohner Rassetiere im Rahmen ihrer Kleintiererhaltungszucht besitzen und vermehren sowie sich selbst mit Eiern und Fleisch versorgen möchten. Denn das Bauplanungsrecht regelt die Nutzbarkeit der Grundstücke in öffentlich-rechtlicher Beziehung auf der Grundlage objektiver Umstände und Gegebenheiten mit dem Ziel einer möglichst dauerhaften städtebaulichen Ordnung und Entwicklung (vgl. BVerwG, U.v. 29.11.2012 – 4 C 8.11 – BVerwGE 145, 145 = juris Rn. 25). Die gebotene Wahrung der allgemeinen Zweckbestimmung eines Baugebiets steht deshalb aufgrund seiner auch städtebaulichen Rechtfertigung nicht zur Disposition der Bewohner.
dd) Entgegen der Rechtsauffassung der Kläger folgt nichts anderes aus der Einfügung „einschließlich der Kleintiererhaltungszucht“ in § 14 Abs. 1 Satz 2 BauNVO aufgrund Art. 2 Nr. 4 Buchst. b des Gesetzes zur Stärkung der Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden und weiteren Fortentwicklung des Städtebaurechts vom 11. Juni 2013 (BGBl I S. 1548).
Nach dem unveränderten Wortlaut des § 14 Abs. 1 Satz 1 BauNVO sind untergeordnete Nebenanlagen und Einrichtungen nur zulässig, wenn sie u.a. der Eigenart des Baugebiets nicht widersprechen. Dass auch Einrichtungen und Anlagen der Kleintiererhaltungszucht zu den untergeordneten Nebenanlagen und Einrichtungen i.S.d. § 14 Abs. 1 Satz 1 BauNVO gehören, ergibt sich aus § 14 Abs. 1 Satz 2 BauNVO. Ausweislich der Gesetzgebungsmaterialien war auch keine über den Wortlaut des § 14 Abs. 1 BauNVO hinausgehende Privilegierung von Kleintiererhaltungszuchten bezweckt. Vielmehr sollte mit der Änderung – einem Bedürfnis der Praxis folgend – lediglich klargestellt werden, dass auch Anlagen der Kleintiererhaltungszucht als Nebenanlage zu qualifizieren sind (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 17/11468 S. 18, 33). Insoweit begegnet es keinen Bedenken, dass das Verwaltungsgericht die vor der Klarstellung durch das BauGB-Änderungsgesetz 2013 ergangene Rechtsprechung zu § 14 Abs. 1 BauNVO zur Zulässigkeit von Tierhaltungen und auch von Kleintiererhaltungszuchten herangezogen hat. Ob dies auch für eine Beschränkung der Tierhaltung auf nur einen Hahn gilt, insbesondere bei der Kleintiererhaltungszucht, bedarf aus Anlass des Falles keiner Klärung, weil dergleichen von den Klägern nicht gefordert wurde.
ee) Das weitere Zulassungsvorbringen, der Standpunkt des Verwaltungsgerichts, wonach die Neufassung des § 14 Abs. 1 Satz 2 BauNVO nur eine klarstellende Wirkung hat, verkenne die „Regeln der Logik und der Biologie“, verhilft der Beschwerde ebenfalls nicht zum Erfolg.
Das Zulassungsvorbringen lässt unberücksichtigt, dass § 14 Abs. 1 Satz 2 BauNVO keinen eigenen Zulässigkeitsbestand enthält, sondern insgesamt eine nur klarstellende Bedeutung hat und stets zusammen mit § 14 Abs. 1 Satz 1 BauNVO anzuwenden ist (vgl. BVerwG, B.v. 1.3.1999 – 4 B 13.99 – BauR 2000, 73 = juris Rn. 4; Arnold in Bönker/Bischopnik, BauNVO, 1. Auflage 2014, § 14 Rn. 24; Stock in König/Roeser/Stock, BauNVO, 3. Auflage 2014, § 14 Rn. 28; Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Mai 2017, § 14 Rn. 53). Die Einfügung der Kleintiererhaltungszucht in § 14 Abs. 1 Satz 2 BauNVO ändert an der bloß klarstellenden Bedeutung der Vorschrift nichts; auch Kleintiererhaltungszuchten sind nur dann bauplanungsrechtlich zulässig, wenn sie die Anforderungen des § 14 Abs. 1 Satz 1 BauNVO im Einzelfall erfüllen.
§ 14 BauNVO regelt die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von untergeordneten Nebenanlagen und Einrichtungen, soweit diese nicht bereits in den §§ 2 bis 13 BauNVO genannt sind, hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung zwar für alle Baugebiete. Daraus darf aber nicht der Umkehrschluss gezogen werden, jeder in einem bestimmten Baugebiet zulässige Umfang der Kleintiererhaltungszucht sei auch in allen anderen Baugebieten zulässig. Denn mit der Forderung in § 14 Abs. 1 Satz 1 BauNVO, dass untergeordnete Nebenanlagen und Einrichtungen der Eigenart des jeweiligen Baugebiets nicht widersprechen dürfen, knüpft der Verordnungsgeber an die Zweckbestimmung des jeweiligen Baugebiets an. Hiervon ausgehend widerspricht die Aufnahme von Kleintiererhaltungszuchten in den Kreis der untergeordneten Nebenanlagen und Einrichtungen selbst dann nicht den Regeln der Logik oder der Biologie, wenn es tatsächlich zuträfe, dass sie in reinen oder allgemeinen Wohngebieten nicht regelhaft zugelassen werden könnten.
Davon abgesehen ergibt sich aus der von den Klägern angegebenen Zahl von durchschnittlich 51,5 Stück Geflügel, die nach statistischen Erhebungen einer Bachelorarbeit im Rahmen von Rassegeflügelzuchten durch organisierte Züchterinnen und Züchter gehalten würden, nicht, dass jedwede Kleintiererhaltungszucht auf eine 20 Tiere bzw. hier 40 Tiere überschreitende Zahl angewiesen ist. Aus dem Betrieb mehrerer Erhaltungszuchten durch die Kläger in den Bereichen der „Laufenten“, der „Zwerg-Sachsenhühner“ und der „Araucana“ oder dem Vorbringen, mit „40 Enten und Hühnern“ lasse sich keine Kleintiererhaltungszucht betreiben folgt nicht, dass mit 40 Stück Geflügel keine Kleintiererhaltungszucht mehr betrieben werden könnte. Auch sind die Kläger weder „aus tierseuchenrechtlichen Gründen gezwungen, neben ihren Enten auch Hühner zu halten“ (vgl. BayVGH, B.v. 28.4.2016 – 9 CS 15.2118 – NVwZ-RR 2016, 572 = juris Rn. 28), noch folgt aus der Zulässigkeit von Kleintiererhaltungszuchten, dass auch eine Entenerhaltungszucht in allen Baugebieten möglich sein muss oder dass ein Anspruch darauf bestünde, in Wohngebieten „sehr rassetypische Tiere“ zu züchten, „die auf den größten Ausstellungen bestehen können“.
2. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Kläger beimessen (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
Die für grundsätzlich bedeutsam erachtete Frage, ob mit der Neufassung des § 14 Abs. 1 Satz 2 BauNVO und dem Begriff der Kleintiererhaltungszucht eine inhaltliche Veränderung herbeigeführt werden sollte oder eine bloße Klarstellung, ist jedenfalls nicht klärungsbedürftig.
Soweit – wie hier – Rechtsfragen betroffen sind, ist § 124 Abs. 1 Nr. 3 VwGO ebenso auszulegen wie die ebenso gefasste Vorschrift des § 132 Abs. 2 Nr. 1 für die Revision (vgl. Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Oktober 2016, § 124 Rn. 30 m.w.N.). Danach besteht kein Klärungsbedarf, wenn die Rechtsfrage bereits geklärt ist oder auf der Grundlage der bestehenden bundesgerichtlichen Rechtsprechung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregelungen auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens bzw. hier eines Berufungsverfahrens eindeutig beantwortet werden kann (stRspr. vgl. BVerwG, B.v. 24.1.2017 – 2 B 78.15 – juris Rn. 5 m.w.N.). So liegt es hier.
a) In der in der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass durch § 14 Abs. 1 Satz 2 BauNVO in der Fassung vor Inkrafttreten des Gesetzes vom 11. Juni 2013 (BGBl I S. 1548) nur klargestellt wird, dass untergeordnete Nebenanlagen und Einrichtungen für die Kleintierhaltung nach der Wertung des Verordnungsgebers dem Nutzungszweck des Grundstücks oder des Gebiets im Sinne von Satz 1 der Vorschrift dienen. Die Zulässigkeit von Anlagen für die Kleintierhaltung setzt dagegen ebenso wie die aller übrigen Nebenanlagen und Einrichtungen zum einen ihre Unterordnung unter den Hauptzweck des Grundstücks oder des Baugebiets voraus. Für Wohngebiete bedeutet dies, dass die Kleintierhaltung den Rahmen der für eine Wohnnutzung typischen Freizeitbetätigung nicht sprengen darf. Zum andern hängt die Zulässigkeit von Anlagen für die Kleintierhaltung aber auch davon ab, dass sie nicht der Eigenart des Gebiets widersprechen; denn unberührt bleibt auch für Anlagen und Einrichtungen der Kleintierhaltung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 BauNVO dessen Satz 1 (letzter Halbsatz), nach dem sämtliche Nebenanlagen der Eigenart des Gebietes nicht widersprechen dürfen (vgl. BVerwG, B.v. 1.3.1999 – 4 B 13.99 – BauR 2000, 73 = juris Rn. 4).
b) (Auch) hiervon ausgehend lässt sich die Rechtsfrage mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregelungen eindeutig beantworten.
Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 BauNVO sind untergeordnete Nebenanlagen und Einrichtungen zulässig, die dem Nutzungszweck der in dem Baugebiet gelegenen Grundstücke oder des Baugebiets selbst dienen und die seiner Eigenart nicht widersprechen. § 14 Abs. 1 Satz 2 BauNVO bestimmt, dass zu den untergeordneten Nebenanlagen und Einrichtungen im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 1 BauNVO auch solche für die Kleintierhaltung gehören, soweit nicht bereits in den Baugebieten nach der Baunutzungsverordnung Einrichtungen und Anlagen für die Tierhaltung, einschließlich der Kleintiererhaltungszucht, zulässig sind. Aus dem Wortlaut beider Bestimmungen folgt eindeutig, dass Anlagen und Einrichtungen für die Kleintierhaltung, zu denen auch die Kleintiererhaltungszucht gehört, dem Anwendungsbereich des § 14 Abs. 1 Satz 1 BauNVO unterfallen und deshalb nur zulässig sind, wenn sie u.a. der Eigenart des Baugebiets nicht widersprechen. Da somit seit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. März 1999 weder der Wortlaut des § 14 Abs. 1 Satz 1 BauNVO noch die Bezugnahme in § 14 Abs. 1 Satz 2 BauNVO auf § 14 Abs. 1 Satz 1 BauNVO („gehören zu den untergeordneten Nebenanlagen und Einrichtungen im Sinne des Satzes 1“) geändert wurden, bleiben die in dieser Entscheidung aufgezeigten Zulässigkeitsmaßstäbe für Nebenanlagen und Einrichtungen von der Einfügung in § 14 Abs. 1 Satz 2 BauNVO „einschließlich der Kleintiererhaltungszucht“ unberührt.
3. Hinsichtlich der Anordnung in Nr. II des angefochtenen Bescheids vom 5. März 2015, die Hähne zur Nachtzeit im abgedunkelten Stall zu halten, und den Anordnungen in den Nr. IV bis Nr. VII des Bescheids (Zwangsgeldandrohung, Kostentragung, Kostenfestsetzung) wurden innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO keine Gründe dargelegt, aus denen die Berufung zuzulassen ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 und § 52 Abs. 1 GKG; sie folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwände erhoben wurden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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