Verwaltungsrecht

Befreiung vom Feiertagsverbot für Kinderflohmarkt

Aktenzeichen  10 ZB 18.567

Datum:
13.6.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 14528
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayFTG Art. 2 Abs. 1, Art. 5
GG Art. 12, Art. 14

 

Leitsatz

1. Ein Flohmarkt ist mit dem gesetzlichen Schutz der Sonn- und Feiertage vereinbar, wenn es sich dabei um eine gelegentliche, nicht regelmäßig stattfindende Veranstaltung privater Verkäufer ohne Zahlung eines Entgelts an einen gewerblichen Veranstalter handelt, bei der gebrauchte Einzelgegenstände des alltäglichen häuslichen Lebens zum Kauf oder Tausch angeboten werden; unzulässig sind an diesen Tagen dagegen Flohmärkte größeren Stils, bei denen wirtschaftliche Interessen und Gewinnstreben offenkundig im Vordergrund stehen und die sich in nichts von entsprechenden werktäglichen Veranstaltungen unterscheiden (Fortführung von BayVGH BeckRS 1992, 10994). (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2. Art. 14 GG schützt nur das Eigentum, nicht aber Erwerbschancen; das Sonn- und Feiertagsverbot stellt zwar eine Berufsausübungsregelung iSd 3-Stufentheorie des Bundesverfassungsgerichts und damit einen Eingriff in das Grundrecht aus Art. 12 GG dar, sie ist aber insbesondere wegen der gesetzlichen Befreiungsmöglichkeit verhältnismäßig. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 22 K 15.1674 2017-09-28 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger seinen Antrag, festzustellen, dass Nr. III.4 und Nr. III.8.2 des Bescheides der Beklagten vom 9. April 2015 rechtswidrig gewesen sind, und seinen Hilfsantrag, dass er für die Veranstaltung des Kinderflohmarkts am 12. April 2015 einen Anspruch auf Erteilung einer Befreiung nach Art. 5 BayFTG ohne Auflagen gehabt habe, weiter. Mit dem streitgegenständlichen, auf Art. 23 LStVG gestützten Erlaubnisbescheid für den Kinderflohmarkt hat die Beklagte u.a. verfügt, dass der Kläger von den Verkäufern keine Standgebühren und lediglich Parkplatzgebühren in Höhe von 6 Euro für Fahrzeuge und 3 Euro für Anhänger erheben darf. Zudem hat sie angeordnet, dass er während der Veranstaltung für einen Ordnungsdienst zu sorgen hat.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen im Zulassungsantrag ergeben sich weder die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (1.) noch die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO; 2.).
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne dieser Bestimmung bestünden nur dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichtsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hätte (BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – juris Rn. 11; BVerfG, B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – juris Rn. 16). Seine Darlegungen im Zulassungsantrag begründen jedoch keine ernstlichen Zweifel in diesem Sinne.
Das Verwaltungsgericht hat zur Begründung seiner klageabweisenden Entscheidung ausgeführt, dass es sich bei der Auflage die Parkplatzgebühren betreffend um eine modifizierende Auflage handle und der Kläger keinen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Befreiung nach Art. 5 BayFTG ohne die entsprechende Auflage gehabt habe, weil das der Beklagten eingeräumte Ermessen nicht auf Null reduziert gewesen sei. Bezüglich des Ordnungsdienstes ist es davon ausgegangen, dass die entsprechende Auflage grundsätzlich auf Art. 19 Abs. 5 LStVG hätte gestützt werden können. Zwar sei die Veranstaltung nicht nach Art. 19 Abs. 3 LStVG erlaubnispflichtig, sondern nur anzeigepflichtig gewesen. Eine Umdeutung in eine selbständige Auflage nach Art. 19 Abs. 5 LStVG scheide aus, weil die Beklagte kein Ermessen ausgeübt habe und die Auflage daher rechtswidrig gewesen sei. Dennoch sei der Kläger nicht in seinen Rechten verletzt. Wer keinen Anspruch auf eine Erlaubnis habe, werde durch deren teilweise Nichtgewährung nicht in seinen Rechten beeinträchtigt. Der Kläger sei durch die ins Leere gehende Erlaubnis nicht an der Durchführung der Veranstaltung gehindert gewesen.
Zur Begründung des Zulassungsantrags führt der Kläger aus, das Verwaltungsgericht habe nicht gesehen, dass der Kindersonntagsflohmarkt, wenn keine Standgebühren erhoben würden, nicht gegen Art. 2 FTG verstoße, weil keine Gewinnerzielungsabsicht bestehe, und durch die faktisch unbestreitbare Untersagung auch der zukünftigen Durchführung vergleichbarer Flohmarktveranstaltungen ein Verstoß gegen seine Grundrechte aus Art. 14 Abs. 1 GG und Art. 12 Abs. 1 GG vorliege. Nach der Begründung im Bescheid vom 9. April 2015 hätten Parkplatzgebühren akzeptiert werden können, um dem vorhandenen Bedarf an Flohmärkten gerecht zu werden. Dies sei als deutlicher Hinweis auf die Ermessenserwägungen der Beklagten zu verstehen. Die Feststellung, dass der Bescheid vom 9. April 2015 rechtswidrig sei, gelte im Übrigen für die Auflage in Nr. III.4, die das Verwaltungsgericht als modifizierende Auflage gewertet habe. Um eine solche handle es sich aber nicht, da der Verwaltungsakt auch ohne diese Auflage einen sinnvollen Anwendungsbereich habe.
Mit diesem Vorbringen zieht der Kläger jedoch die Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht ernsthaft in Zweifel. Das Gericht ist unter Bezugnahme auf das Vorbringen der Beklagten davon ausgegangen, dass die Veranstaltung eines Kinderflohmarkts am Sonntag eine „öffentlich bemerkbare Arbeit“ im Sinne des Art. 2 Abs. 1 BayFTG darstelle und daher einer Befreiung nach Art. 5 BayFTG bedurft habe. Diese Rechtsauffassung zieht der Kläger mit seinem Zulassungsvorbringen nicht ernstlich in Zweifel. Ein Flohmarkt ist nur dann als Ausfluss sonntäglicher Muße mit dem gesetzlichen Schutz der Sonn- und Feiertage vereinbar, wenn es sich dabei um eine gelegentliche, nicht regelmäßig stattfindende Veranstaltung privater Verkäufer ohne Zahlung eines Entgelts an einen gewerblichen Veranstalter handelt, bei der gebrauchte Einzelgegenstände des alltäglichen häuslichen Lebens, also nicht Neuware in hoher Stückzahl, zum Kauf oder Tausch angeboten werden. Bei solchen Veranstaltungen, die von vielen Menschen wegen ihres zumeist liebenswürdigen und skurrilen Charakters gerade an Sonn- und Feiertagen gerne aufgesucht werden, steht nach der Verkehrsauffassung nicht der Gelderwerb, sondern das kurzweilige Gespräch mit dem Publikum, also die Kommunikation, und das Vergnügen im Vordergrund. Handelt es sich dagegen um Flohmärkte größeren Stiles, bei denen wirtschaftliche Interessen und Gewinnstreben offenkundig im Vordergrund stehen und die sich durch nichts von entsprechenden werktäglichen Veranstaltungen unterscheiden, sind sie an Sonn- und Feiertagen wegen des an diesen Tagen geltenden Arbeitsverbotes unzulässig (BayVGH, U.v. 2.7.1985 – 21 B 84 A. 2490 – BayVBl 1985, 595; B. v. 11.5. 1992 – 21 b 91.3435 – juris Rn. 16). Der Kläger betreibt ein Veranstaltungsbüro und hat im Stadtgebiet der Beklagten regemäßig Sonntagsflohmärkte veranstaltet bzw. beabsichtigt weiterhin solche zu veranstalten, wovon zumindest das Verwaltungsgericht durch die Bejahung des Fortsetzungsfeststellungsinteresses ausgeht. Auch wenn er – worauf er sein Zulassungsvorbringen insoweit stützt – keine Standgebühren erhoben hat, hat er dadurch dem Flohmarkt nicht den gewerblichen Charakter genommen, weil er seine Einnahmen für die Veranstaltung aus den Parkplatzgebühren erzielt hat. Auch sind allgemein betrachtet die auf dem Flohmarkt getätigten Handelsgeschäfte zwischen Kunde und Verkäufer nach ihrem Gesamtcharakter nicht als typische sonntägliche Freizeitbeschäftigung anzusehen, sondern als Handelsgeschäfte, wie sie auch an Werktagen auf Marktveranstaltungen ähnlicher Art üblich sind.
Nicht ernstlich in Zweifel gezogen hat der Kläger auch die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, dass es sich bei der streitgegenständlichen Auflage zum Verbot der Erhebung von Standgebühren und zur Begrenzung der Höhe der Parkplatzgebühren um eine modifizierende Auflage im Rahmen einer Erlaubnis nach Art. 5 BayFTG gehandelt hat. Die Beklagte hat nämlich den Flohmarkt des Klägers nur unter der Voraussetzung als mit dem Feiertagsgesetz vereinbar angesehen, dass er lediglich die zugelassenen Parkplatzgebühren zur Deckung seiner Aufwendungen erhebt und keine weiteren Einnahmen erzielt. Selbst wenn der Kläger überhaupt keine Parkplatzgebühren erhoben hätte, hätte es sich bei den Verkaufsgeschäften immer noch um vom Gewinnstreben der Beteiligten gekennzeichnete Geschäfte gehandelt. Mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts zum fehlenden Anspruch auf eine Erlaubnis nach Art. 5 FTG ohne Auflagen, weil keine Ermessensreduzierung auf Null vorliege, setzt sich der Kläger in seinem Zulassungsvorbringen nicht auseinander.
Der vom ihm behauptete unzulässige Eingriff in Art. 14 GG und Art. 12 GG durch die angegriffene Auflage zu den Parkplatzgebühren lag nicht vor, weil die Beklagte – entgegen dem Zulassungsvorbringen – kein Verbot (auch nicht faktisch) von Sonntagsflohmärkten ausgesprochen hat, sondern die Erlaubnis für die konkrete Veranstaltung nur unter bestimmten Auflagen erteilt hat. Zudem ist der Anwendungsbereich des Art. 14 GG nicht eröffnet, weil dieser nur das Eigentum, nicht aber Erwerbschancen schützt. Das Verbot nach Art. 2 Abs. 1 FTG stellt zwar eine Berufsausübungsregelung im Sinne der 3-Stufentheorie des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, U.v. 11.6.1958 – 1 BvR 596/56 – juris Leitsätze) und damit einen Eingriff in das Grundrecht aus Art. 12 GG dar. Diese Berufsausübungsregelung ist jedoch insbesondere deshalb verhältnismäßig, weil nach Art. 5 BayFTG eine Befreiung vom Verbot des Art. 2 BayFTG erteilt werden kann.
Soweit der Kläger auf die Urteilsbegründung auf S. 12 verweist, verkennt er, dass sich dieser Abschnitt der Begründung auf die nicht erforderliche Erlaubnis nach Art. 19 Abs. 3 LStVG und eine eventuelle Umdeutung in eine selbständige Anordnung nach Art. 19 Abs. 5 LStVG und nicht auch auf die Erlaubnis nach Art. 5 BayFTG beziehen. Seine diesbezüglichen Ausführungen gehen daher ins Leere. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die „Auflage“ zum Ordnungsdienst den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt habe, weil es keiner Erlaubnis nach Art. 19 Abs. 3 LStVG bedurft hätte, greift er in seinem Zulassungsvorbringen nicht substantiiert an, so dass auch bezüglich dieser „Auflage“ eine Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils nicht in Betracht kommt.
2. Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen. Grundsätzliche Bedeutung in diesem Sinn kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die Berufungsentscheidung erhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, die im Interesse der Fortbildung des Rechts einer Klärung im Berufungsverfahren bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO setzt insoweit die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Berufungsentscheidung erheblichen Rechts- oder Tatsachenfrage voraus, außerdem die Angabe, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll sowie die Darlegung der Entscheidungserheblichkeit (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 72).
Der Kläger bezeichnet als grundsätzlich klärungsbedürftig die Rechtsfrage, ob Kinder-Sonntagsflohmärkte unter Verzicht auf eine Standgebühr und Beschränkung auf eine Parkplatzgebühr unter das Verbot des Art. 2 BayFTG fallen.
Diese Frage besitzt jedoch keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung und ist nicht klärungsbedürftig. In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass es bei der Beurteilung, ob ein (Kinder-)Sonntagsflohmarkt dem Erwerbstätigkeitsverbot an Sonn- und Feiertagen unterliegt, darauf ankommt, ob er „werktäglichen Charakter“ besitzt. Entscheidend ist, ob sich bei objektiver Betrachtung unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls der zu beurteilende Lebenssachverhalt seinem Gesamtcharakter nach als eine typisch werktägliche Veranstaltung darstellt (allgemein: BVerwG, U.v. 25.8.1992 – 11 C 38.90 – juris; für Sonntagsflohmärkte: NdsOVG, B.v. 21.4.2017 – 7 ME 20/17 – juris Rn. 19 ff.; OVG RhPf, U.v. 16.11.2011 – 6 A 10584 – juris Rn. 25; BayVGH, B.v. 11.5.1992 – 21 b 91.3435 – juris Rn. 16 ff.). Dabei kommt es auf die Würdigung aller Umstände des Einzelfalls an, ob ein Sonntagsflohmarkt als typisch werktägliche Veranstaltung einzuordnen ist, so dass eine grundsätzliche Klärung, die über den Einzelfall hinaus Bedeutung hat, ausscheidet. Auch hängt die Einstufung als werktägliche Veranstaltung nicht alleine davon ab, ob der Veranstalter Standgebühren erhebt oder nicht. Abzustellen ist u.a. auch auf die Regelmäßigkeit, die Größe und das Warenangebot.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, 3 und § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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