Verwaltungsrecht

Behandelbarkeit einer HIV-Infektion in Vietnam

Aktenzeichen  8 ZB 18.32218

Datum:
3.9.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 21901
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4 S. 4

 

Leitsatz

Die Darlegung der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung nach § 78 Abs. 4 S. 4 AsylG verlangt, dass eine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

B 3 K 17.32068 2018-07-13 Urt VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Kläger tragen jeweils zur Hälfte die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) ist nicht in einer Weise dargetan, die den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügt.
Einer Rechtssache kommt grundsätzliche Bedeutung gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG zu, wenn für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Tatsachen- oder Rechtsfrage von Bedeutung war, deren noch ausstehende obergerichtlich Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (vgl. BayVGH, B.v. 5.12.2017 – 11 ZB 17.31711 – juris Rn. 2; BVerwG, B.v. 21.11.2017 – 1 B 148.17 u.a. – juris Rn. 4 zu § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Dementsprechend verlangt die Darlegung der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung nach § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG, dass eine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist. Ferner muss dargelegt werden, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht (vgl. BayVGH, B.v. 5.12.2017 – 11 ZB 17.31711 – juris Rn. 2; BVerwG, B.v. 30.9.2015 – 1 B 42.15 – juris Rn. 3). Stützt sich das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung auf bestimmte Erkenntnismittel oder gerichtliche Entscheidungen, genügt es den Darlegungsanforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG in Bezug auf die grundsätzliche Bedeutung einer Tatsachenfrage nicht, wenn lediglich die Behauptung aufgestellt wird, die für die Beurteilung maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse stellten sich anders dar als vom Verwaltungsgericht angenommen. Vielmehr bedarf es in diesen Fällen zumindest eines überprüfbaren Hinweises auf andere Gerichtsentscheidungen oder auf vom Verwaltungsgericht nicht berücksichtigte sonstige Tatsachen- und Erkenntnisquellen (z.B. Gutachten, Auskünfte, Presseberichte), die zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit aufzeigen, dass die aufgeworfene Tatsachenfrage anders als in der angefochtenen Entscheidung zu beantworten ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.1.2007 – 1 ZB 07.30025 – juris Rn. 3; B.v. 13.6.2016 – 13a ZB 16.30062 – juris Rn. 5; OVG NRW, B.v. 12.12.2016 – 4 A 2939/15.A – juris Rn. 4 f.; SächsOVG, B.v. 30.11.2017 – 1 A 1046/17.A – juris Rn. 5; OVG SA, B.v. 29.3.2017 – 3 L 249/16 – juris Rn. 14; HessVGH, B.v. 17.1.2017 – 3 A 2970/16.Z.A – juris Rn. 2).
Diesen Anforderungen wird das Vorbringen der Kläger nicht gerecht. Sie zeigen hinsichtlich der im Zulassungsantrag formulierten Tatsachenfrage,
„inwieweit eine Behandlung einer HIV infizierten Person in Vietnam möglich ist, ohne dass es zu einem Ausbruch der Aids-Erkrankung selbst kommt“,
keinen Klärungsbedarf auf.
Das Verwaltungsgericht hat sich in den Gründen seiner Entscheidung mit der Behandelbarkeit einer HIV-Infektion in Vietnam befasst und diese unter Anführung einschlägiger Erkenntnismittel (aktueller Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 16.12.2017, S. 20/21; Länderinformation der Staatendokumentation Vietnam des österreichischen Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 13.9.2016, S. 34) bejaht. Weiterhin hat es ausgeführt, dass mittlerweile mehr als die Hälfte der registrierten Betroffenen eine antiretrovirale Behandlung erhielten (vgl. Urteilsabdruck S.14 f.). Mit diesen Feststellungen haben sich die Kläger nicht substanziiert auseinandergesetzt. Insbesondere haben sie auch keine vom Verwaltungsgericht nicht berücksichtigten Tatsachen- und Erkenntnisquellen benannt, die belegen würden, dass HIV-Infektionen in Vietnam nicht behandelbar sind.
Soweit sie sich auf eine Auskunft des Auswärtigen Amts vom 30. Dezember 2015 (gemeint ist wohl der Lagebericht des Auswärtigen Amts von diesem Tag) berufen, wonach lediglich die Hälfte der registrierten Aids-Erkrankten eine antiretrovirale Behandlung erhielten, und geltend machen, es sei nicht nachvollziehbar, wie das Verwaltungsgericht zu der Überzeugung gelange, dass eine Behandlung „durchgängig möglich sei“, geht das schon deswegen fehlt, weil das Verwaltungsgericht eine solche Feststellung nicht getroffen hat. Das gilt auch hinsichtlich des Schreibens des Aids-Hilfe … e.V. vom 13. März 2017, in dem ausgeführt ist, dass das medizinische System in Vietnam nicht über die nötigen finanziellen Mittel verfügt, um die therapeutische und medikamentöse Behandlung aller HIV-Patienten sicher zu stellen. Das Verwaltungsgericht hat die Einschränkungen in Bezug auf die Behandelbarkeit aller mit HIV infizierten Personen in Vietnam durchaus erkannt, ist jedoch zu dem Ergebnis gelangt, dass die Kläger zu demjenigen Teil der Betroffenen gehörten, die auch im Hinblick auf eine mögliche finanzielle Unterstützung ihrer in Deutschland und in Vietnam lebenden Verwandten nach ihrer Rückkehr in Vietnam Medikamente für eine antivirale Behandlung erhalten würden (vgl. Urteilsabdruck S. 14). Hiergegen haben die Kläger keine durchgreifenden Zulassungsgründe geltend gemacht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO, § 100 ZPO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 Satz 1 RVG.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


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