Verwaltungsrecht

Beihilfeleistungen, Wiedereinsetzung in die versäumte Antragsfrist, Erkrankung, Bestellung eines Bevollmächtigten

Aktenzeichen  24 ZB 21.1917

Datum:
21.2.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 4454
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBG a.F. Art. 96 Abs. 3a
BayVwVfG Art. 32

 

Leitsatz

Verfahrensgang

RO 12 K 20.3217 2020-05-18 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert wird für das Berufungszulassungsverfahren auf 2.493,97 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin begehrt weitere Beihilfeleistungen in Höhe von 2.493,97 Euro für verschiedene ärztliche Leistungen, Medikamente und Hilfsmittel, die der Beklagte mit drei Beihilfebescheiden vom 23. Oktober 2020 abgelehnt hat.
Den dagegen erhobenen Widerspruch hat das Landesamt für Finanzen (im Folgenden: Landesamt) mit Widerspruchsbescheid vom 26. November 2020 zurückgewiesen. Die Rechnungen seien nach Ablauf der Jahresfrist eingereicht worden. Wiedereinsetzung in die versäumte Frist könne nicht gewährt werden.
Das Verwaltungsgericht Regensburg hat die Klage gegen die Bescheide vom 23. Oktober 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. November 2020 mit Urteil vom 18. Mai 2021 abgewiesen. Bei der Frist des Art. 96 Abs. 3a BayBG handele es sich um eine Ausschlussfrist. Wiedereinsetzung sei nur unter den Voraussetzungen des Art. 32 BayVwVfG zu gewähren. Teilweise käme eine Wiedereinsetzung schon deshalb nicht in Betracht, da der Fristablauf schon mehr als ein Jahr zurückliege. Des Weiteren sei auch die Antragsfrist von zwei Wochen überwiegend nicht gewahrt. Die Klägerin habe sich bereits am 3. September 2019 von ihrem behandelnden Arzt ihre Erkrankung zwecks Vorlage bei der Beihilfestelle bestätigen lassen. Es sei nichts dazu vorgetragen, dass sie nicht binnen zwei Wochen nach diesem Zeitpunkt imstande gewesen wäre, einen Beihilfeantrag zu stellen. Im Übrigen sei nicht ersichtlich, dass die Klägerin ohne Verschulden daran gehindert gewesen sei, selbst oder durch einen Bevollmächtigten die Jahresfrist einzuhalten. Es gäbe keine Anhaltspunkte dafür, dass die geltend gemachten krankheitsbedingten Einschränkungen dauerhaft über einen Zeitraum von neun Jahren die Einreichung von Rechnungen unmöglich gemacht hätten. Die Klägerin habe während dieses Zeitraums auch Beihilfeanträge eingereicht deren Unvollständigkeit ihr bewusst gewesen sei. Jedenfalls wäre es ihr möglich gewesen, während der Jahresfrist einen Bevollmächtigten zu bestellen. Das zuletzt vorgelegte Attest beziehe sich ohnehin nicht auf den Zeitraum vor Juni 2020.
Mit ihrem dagegen erhobenen Antrag auf Zulassung der Berufung, dem der Beklagte entgegentritt, macht die Klägerin geltend, es lägen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils vor, es weiche vom Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 26. Februar 2007 (14 C 06.3407) ab, und das Verwaltungsgericht habe gegen seine Sachaufklärungspflicht verstoßen. Das Verwaltungsgericht Osnabrück habe mit Urteil vom 29. September 2017 (3 A 19/16) zutreffend entschieden, dass eine psychisch kranke Beamtin einen Wiedereinsetzungsgrund geltend machen könne, wenn sie eine beihilferechtliche Ausschlussfrist krankheitsbedingt versäumt habe. Diese Möglichkeit sei durch die Verwaltungsgerichte Würzburg und Ansbach bestätigt worden (VG Würzburg, U.v. 24.8.2018 – W 1 K 18.645; VG Ansbach, U.v. 16.5.2017 – AN 1 K 16.01323). Hier habe das Gericht die Besonderheiten der Erkrankung der Klägerin nicht hinreichend berücksichtigt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Aus der Antragsbegründung, auf die sich gemäß § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO die Prüfung im Zulassungsverfahren beschränkt (BayVerfGH, E.v. 14.2.2006 – Vf. 133-VI-04 – VerfGHE 59, 47/52; E.v. 23.9.2015 – Vf. 38-VI-14 – BayVBl 2016, 49 Rn. 52; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 54), ergeben sich die geltend gemachten Berufungszulassungsgründe i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 1, 4 und 5 VwGO nicht.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegen (nur) vor, wenn der Rechtsmittelführer einen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (stRspr, vgl. BVerfG, B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453.12 – NVwZ 2016, 1243 Rn. 16; B.v. 18.6.2019 – 1 BvR 587.17 – DVBl 2019, 1400 Rn. 32 m.w.N.). Solche Zweifel können der Antragsbegründung nicht entnommen werden.
Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass Wiedereinsetzung in die Ausschlussfrist des Art. 96 Abs. 3a Bayerisches Beamtengesetz vom 29. Juli 2008 (BayBG, GVBl S. 500), in der gemäß Art. 144 Abs. 2 BayBG bis zum Ablauf des 31. Dezember 2019 geltenden Fassung, unter den Voraussetzungen des Art. 32 BayVwVfG gewährt werden kann. Die Klägerin konnte aber die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass diese Voraussetzungen hier nicht vorliegen, nicht erschüttern, denn sie hat nicht überzeugend dargelegt und glaubhaft gemacht, dass sie ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist verhindert war.
Der Hinweis auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück, mit dem einer Beamtin Wiedereinsetzung in die beihilferechtliche Ausschlussfrist gewährt worden ist, da diese krankheitsbedingt nicht in der Lage war, die Frist einzuhalten, führt zu keiner anderen Einschätzung. Hinsichtlich der Klägerin hat das Verwaltungsgericht in seinem Urteil gerade nicht festgestellt, dass sie über einen Zeitraum von neun Jahren krankheitsbedingt nicht in der Lage war, Beihilfeanträge einzureichen, sondern das Verwaltungsgericht ist, unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (B.v. 27.9.1993 – 4 NB 35.93 und B.v. 22.7.2008 – 5 B 50.08 – beide juris) davon ausgegangen, dass sie jedenfalls in der Lage gewesen wäre, einen Bevollmächtigten zu bestellen, der dies für sie hätte erledigen können. Zudem sei nicht ersichtlich, weshalb sie nicht unmittelbar nach Ausstellung des Attests vom 3. September 2019 tätig geworden sei. Diese Annahmen hat die Klägerin nicht substantiiert angegriffen. Mit der pauschalen Behauptung, das Verwaltungsgericht habe sich nicht hinreichend mit den Besonderheiten ihrer Erkrankung auseinandergesetzt, sind demgegenüber keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils dargetan.
2. Die Berufung ist auch nicht wegen einer Abweichung von dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 26. Februar 2007 (14 C 06.3407 – juris) zuzulassen. Zur Darlegung einer Divergenz gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO ist es erforderlich, aufzuzeigen, welchem abstrakten Rechtssatz oder verallgemeinerungsfähigen Tatsachensatz der Entscheidung des Divergenzgerichts ein bei der Anwendung derselben Rechtsvorschrift in der angefochtenen Entscheidung aufgestellter Rechts- oder Tatsachensatz widerspricht. Dabei muss zwischen den Gerichten ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines Rechtsgrundsatzes bestehen. Die divergierenden Sätze müssen einander so gegenübergestellt werden, dass die Abweichung erkennbar wird (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 6.3.2018 – 4 BN 13.17 – juris Rn. 37; Happ in Eyermann, VwGO, § 124a Rn. 73 m.w.N.).
Diesen Anforderungen wird die Antragsbegründung nicht gerecht, denn es wird kein Rechtssatz herausgearbeitet, den das Verwaltungsgericht in Abweichung von der genannten Entscheidung aufgestellt hat und der einen prinzipiellen Auffassungsunterschied über die Bedeutung einer bestimmten Rechtsvorschrift beinhaltet. Soweit die Klägerin darlegt, der Bayerische Verwaltungsgerichtshof sei in dem entschiedenen Fall davon ausgegangen, die dortige Klägerin sei wegen ihrer psychischen Erkrankung nicht in der Lage gewesen, die Beihilfeanträge rechtzeitig zu stellen und das Verwaltungsgericht hätte hier auch zu diesem Ergebnis kommen müssen, ist damit nicht dargelegt, welchen divergierenden Rechtssatz das Verwaltungsgericht aufgestellt haben soll, sondern es wird nur die konkrete Sachverhaltswürdigung angegriffen. Damit ist eine Divergenz nicht dargetan.
3. Dem Verwaltungsgericht ist auch kein Verfahrensfehler unterlaufen, der zur Zulassung der Berufung führen könnte (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Ein Gericht verletzt seine Pflicht zur erschöpfenden Sachverhaltsaufklärung gemäß § 86 Abs. 1 VwGO dann nicht, wenn es von einer sich nicht aufdrängenden Beweiserhebung absieht, die – wie vorliegend – ein anwaltlich vertretener Beteiligter nicht ausdrücklich beantragt hat. Die bereits erstinstanzlich anwaltlich vertretene Klägerin ließ ausweislich des Protokolls in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 18. Mai 2021 weder Beweisanträge stellen noch monierte sie eine unzulängliche Sachverhaltsermittlung. Aus welchen Gründen sich die Beweiserhebung aufgedrängt haben sollte, ist mit dem Zulassungsantrag weder hinreichend dargelegt noch ersichtlich. Zum einen hat die Klägerin nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts während der letzten Jahre Beihilfeanträge gestellt. Zum anderen ergibt sich aus dem Attest des Dr. W. S., Neurologie und Psychiatrie, vom 3. September 2019, dass die Klägerin seit 2012 unter Antriebsmangel und Konzentrationsstörungen gelitten hat, sodass sie oft über Monate nicht in der Lage gewesen ist, ihre Angelegenheiten zu erledigen. Es ergibt sich daraus aber nicht, dass sie durchgängig und darüber hinaus auch ab 3. September 2019 nicht in der Lage gewesen wäre, ihre Angelegenheiten zu regeln. Darüber hinaus ergibt sich daraus nicht, dass die Klägerin nicht in der Lage gewesen wäre, einen Bevollmächtigten zu bestellen. Dafür liegen auch im Übrigen keine Anhaltspunkte vor. Zudem hat sich die Klägerin selbst bei Beantragung der Beihilfeleistung am 17. Juni 2020 gegenüber dem Landesamt dahingehend geäußert, dass sie wegen sehr starker Nebenwirkungen eines Antibiotikums, das sie immer wieder einnehmen musste, ihre Postangelegenheiten nicht erledigen konnte. Antriebsmangel oder Konzentrationsstörungen hat sie dabei nicht erwähnt.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
5. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben